Denkschrift 50 Jahre Graf Bismarck (1868-1918)

Die industrielle Vergangenheit Gelsenkirchens zwischen Kohle und Stahl. Alles was stank. ;-)

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Emscherbruch
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Re: Zweiter Teil. Fünfter Abschnitt: Die Entwickelung über T

Beitrag von Emscherbruch »

Abdampfverwertung.

Für die Verwertung des Abdampfes haben die Verhältnisse auf den Anlagen der Gewerkschaft zunächst nicht günstig gelegen. Gegen die Errichtung von Zentralkondensationen, wie sie früher vielfach gebaut wurden, sprach der Umstand, daß Zahl und Größe der vorhandenen Dampfmaschinen bei dem Fehlen von Kohlenwäschen und sonstigen Nebenbetrieben nicht genügten, solange die gegen einen Anschluß der Fördermaschinen an die Zentralkondensation bestehenden Bedenken nicht beseitigt erschienen.

Die Gewerkschaft entschloß sich zur Errichtung der von der Maschinenbau A. G. Balcke in Bochum gelieferten Abdampfverwertungsanlagen, von denen die erste i. J. 1911 auf Schachtanlage 2/6 errichtet und 1912 in Betrieb genommen wurde. Sie besteht aus einem Dampfspeicher, System Balcke-Harle (Abb. 56), mit veränderlichem Rauminhalt und einem Raumzuwachs von 450 cbm, dessen Dampfkammer nach Art der Gasometerglocken in einem mit Wasser gefüllten Behälter schwimmt, den erforderlichen Abdampf- und Wasserleitungen sowie einem KaminkuhIer und dient zur Ausnutzung einer stündlichen Abdampfmenge von 9000 kg in einer Zweidruck-Turbogeneratoranlage.
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Eine artgleiche Abdampfverwertungsanlage wurde 1914 auf Schachtanlage 1/4 in Betrieb genommen.
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Die Einführung von elektrischem Strom zu Beleuchtungszwecken erfolgte auf den Schachtanlagen 1/4 und 2/6 gleichzeitig bereits im September des Jahres 1892 (Abb. 58 ).
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Die beiden damals aufgestellten Gleichstrom-Nebenschlußdynamos hatten eine Leistung von nur je 18 KW bei 120 Volt Spannung. Der erzeugte Strom speiste ein Lichtnetz, das auf beiden Anlagen je 6 Bogenlampen und rund 150 Glühlampen umfaßte und einen Strombedarf von rund 110 Amp. hatte. Der Strombedarf der Schachtanlage 1 stieg allmählich auf 170 Amp., wodurch eine Neuanlage bedingt wurde. Diese wurde 1900 in Betrieb gesetzt und lieferte 300 Amp. bei ebenfalls 120 Volt Spannung.
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Der erste auf der Zeche gebrauchte ortsfeste Elektromotor diente zum Antrieb eines kleinen Ventilators zur Entlüftung der Waschkaue. Außerdem wurde Gleichstrom für Kraftzwecke gelegentlich bei Bauarbeiten zur Mörtelbereitung und dgl. verwandt.
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Die Errichtung elektrischer Zentralen und die Einführung der allgemeinen elektrischen Kraftübertragung wurden zwar seit 1908 vom Grubenvorstande mehrfach erwogen. Die nicht sonderlich zahlreichen Dampfmaschinen für den wenig ausgedehnten Tagesbetrieb ließen aber den Ersatz durch Elektromotore nicht gerade dringlich erscheinen.
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Erst als die oben besprochenen, vorwiegend zur Beleuchtung dienenden Gleichstromanlagen allmählich unzulänglich wurden und schließlich bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet waren, erschien es ratsam, unter Ausnutzung des Abdampfes eine Drehstromzentrale zur Versorgung der 3 Hauptschachtanlagen mit elektrischem Strom für Licht und Kraftzwecke zu errichten, die vorhandenen Gleichstromanlagen abzuwerfen und die kleineren Dampfmaschinen durch Elektromotore zu ersetzen. Der Bau der ersten Zentrale erfolgte auf Schachtanlage 2/6 i. J. 1911, die Inbetriebnahme 1912. In dieser Zentrale wird der elektrische Strom durch eine Zweidruck- und eine Frischdampf-Turbodynamo von je 1250 KW Leistung erzeugt.

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[...]Als in den Jahren 1913 und 14 auf Schachtanlage 1/4 eine Kokerei von 210 Oefen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse, ferner auf den Schachtanlagen 1/4, 2/6 und 3/5 je eine Wäsche mit 150 t Stundenleistung und schließlich am Rhein-HerneKanal ein Umschlaghafen mit 2 je 10 t-Verladekränen gebaut wurden, deren maschineller Teil ausschließlich elektrisch angetrieben werden sollte, mußte dem Bau einer weiteren, leistungsfähigen Hochspannungszentrale näher getreten werden. Diese Zentrale wurde auf Schachtanlage 1/4 errichtet und Anfang 1914 in Betrieb genommen. [...]
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Zweiter Teil. Fünfter Abschnitt: Die Entwickelung über Tage

Beitrag von Emscherbruch »

Kohlenaufbereitung, Wäsche, Kokerei.

Wegen der grossen Reinheit und Aschenarmut der Bismarckkohle haben die Erzeugnisse der Zeche lange Zeit ohne besondere Vorkehrungen fUr Veredelung einen guten Markt gefunden. Es machte sich dies selbst in den ungünstigsten Geschäftsjahren in erfreulicher Weise bemerkbar. Die ersten, jahrzehntelang ben~tzten Verladeanla~en waren außerordentlich einfach. Neben einem Schwingsieb und Stangenrost war auf jeder Schachtanlage nur ein Leseband vorhanden. Die durchfallende Kleinkohle konnte auf einem Trommelsiebe mit zwei Lochungen weiter getrennt werden.
Je nach der Beschaffenheit der einzelnen Flöze fand die Kohle Absatz als Generatorkohle.
Gaskohle und Gasflammförderkohle.
Allmählich steigerten sich die Ansprüche des Marktes, so daß ein größerer Teil der Förderung durch die Sieberei ging. Die Ansprüche der Kundschaft und des Kohlensyndikates auf weitere Veredelung der Erzeugnisse stiegen fernerhin und wurden um so dringlicher, als die anderen Gas- und Gasflammkohlenzechen je länger desto mehr zum Bau von Kohlenwäschen übergingen. Die Gewerkschaft Graf Bismarck kam allmählich trotz der Güte ihrer Kohle in den Rückstand. Schon 1909 begannen deshalb im Grubenvorstande ernsthafte Erwägungen, ob der Bau von Kohlenwäschen angebracht wäre. [...]
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Bisher hatte man sich bei dem gewaltigen Kohlenreichtum des Feldes auf den Abbau der edleren Flöze beschränken können. Untersuchungen, die 1910 angestellt wurden, ergaben, daß allein auf Schachtanlage 1/4 über den vorhandenen Tiefbausohlen noch 17 Millionen t Kohle anstanden, deren Güte und Reinheit freilich denen der bisher gebauten Flöze unterlegen waren. Man stand somit vor der Frage, ob man demnächst diesen gewaltigen Kohlenreichtum, der ausgerichtet bereit lag, abbauen und zu diesem Zwecke eine Kohlenwäsche errichten oder ob man die tieferen, edlen Flöze der Zollvereinsgruppe aufschließen sollte.
Die Berechnungen führten zu keinem klaren Schluß, so lange man allein die unmittelbare Verwertung der Feinkohle durch Verkauf ins Auge faßte. Man stellte deshalb 1912 Verkokungsproben mit Kohle aus 4 verschiedenen Flözgruppen der Gewerkschaft an. Die Versuche ergaben, daß unter Anwendung des Stampfverfahrens ein durchaus marktfähiger Koks erzeugt werden konnte. Nachdem dies feststand, mußten die für Errichtung von Kohlenwäschen sprechenden Gründe, die in der Möglichkeit gipfelten, auch minderwertige Flöze bauen zu können und die Förderkohle durch Entziehung des Feinkohlengehaltes aufzubessern, den Ausschlag geben. Man entschloß sich deshalb, für jede der drei alten Anlagen eine Kohlenwäsche und eine Kokerei zu errichten, nachdem eine Erstbeteiligung von 300000 t Koks der Gewerkschaft im schiedsgerichtlichen Verfahren im April 1913 zugesprochen worden war. [...]
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Die Verbindung der Kohlenwäschen mit der Hängebahn, von Schacht 2/6 durch eine Luftseilbahn bahn mittels Selbstentladern.
Die Kokereien bestehen aus zusammen 210 Regenerativ-Unterfeuerungsöfen "System Hinselmann". Die Beschickung erfolgt durch 4 elektrisch angetriebene Kohlenstampfmaschinen, die aus den drei Kohlenvorratstürmen von je 1000 t Fassungsraum die zur Verkokung bestimmte Feinkohle entnehmen. Die Garungszeit der Oefen ist wegen des hohen Gehaltes der Kohle an flüchtigen Bestandteilen und infolge des Stampfverfahrens höher als auf Kokereien, auf denen die Oefen mit Kohle von geringerem Gasgehalte in loser Schüttung gefüllt werden, und zwar beträgt sie etwa 40 bis 42 Stunden. Der gelöschte Koks wird größtenteils vom Kokslöschplatze aus in die Eisenbahnwagen gekippt, um in der Hauptsache als Heiz-, Hochofen- und Gießereikoks abgesetzt zu werden. Ein Teil wird in den Koksbrech- und Sortieranlagen gebrochen und in verschiedene Korngrößen getrennt.
Für die Beheizung der Oefen werden 60% des gewonnenen und von den Nebenerzeugnissen befreiten Gases gebraucht, die übrigen 40% werden zur Kesselfeuerung benutzt. In der Nebengewinnungsanlage wird das abgesaugte Gas von Teer, Ammoniak und Benzol befreit. In der Benzolfabrik wird außer Benzol noch Naphtalin und Cumaronharz gewonnen. Bei Vollbetrieb der Anlage können monatlich erzeugt werden: 25000 t Koks, 1000 t Teer, 270 t schwefelsaures Ammoniak, 205 t verdichtetes Ammoniakwasser und 285 t Benzol und Homologen. [...]
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Zweiter Teil. Fünfter Abschnitt: Die Entwickelung über Tage

Beitrag von Emscherbruch »

Ziegeleien.

Der erste Bedarf an Ziegelsteinen für die Tagesanlagen der Zeche und den Bau der Arbeiter- und Beamtenwohnungen wurde durch Feldbrandziegeleien auf den zu diesem Zwecke erworbenen Grundstücken der Gewerkschaft gedeckt. Von 1869 bis 1872 wurden 7 Millionen Stück gebrannt.
1873 beschloß man, eine überdachte Ringofen-Anlage zu errichten. Dieser Ringofen kam 1873 in Betrieb und wurde erst 1905 außer Betrieb gesetzt, als die Einrichtungen veraltet und abgenutzt waren. Weitere Ringofenziegeleien wurden errichtet und sind z. Zt. noch in Betrieb:
1895 auf Schachtanlage 3/5
1908 auf Schachtanlage 2/6 und
1910 auf Schachtanlage 1/4.
Hergestellt wurden in einzelnen Jahren bis zu 18 Millionen Stück Ziegel. Die Gesamtherstellung wird sich auf annähernd 300 Millionen StUck belaufen. Von dieser Erzeugung ist der größere Teil verkauft, der Rest im eigenen Betriebe verbraucht worden.
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Re: Zweiter Teil. Sechster Abschnitt: Entwässerungsanlagen

Beitrag von Emscherbruch »

Entwässerungsanlagen.

Die Emscher-Niederung, in der das Grubenfeld Graf Bismarck liegt, ist ein Gebiet dessen mangelhafte Vorflutverhältnisse schon lange Zeit, bevor Bergbau und Industrie hier Fuß gefasst hatten, zu Mißständen und Schwierigkeiten Anlaß gegeben hatte. Die allgemeinen Gesundheitsverhältnisse lagen im Argen; ansteckende Krankheiten wie Typhus, Ruhr, Wechselfieber u. a. waren hier zu Hause. Die ersten Vorschläge, Abhilfe zu schaffen und die schlimmsten Mißstände zu beseitigen, liegen schon fast zwei Jahrhunderte zurück). Ernsthafte Versuche, die Verhältnisse zu bessern, setzten in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ein und rührten 1854 zur Bildung einer besonderen Emscherschaukommission. Ueber Feststellungen und Verhandlungen kam man aber im Wesentlichen nicht hinaus. Unter den schlechten Verhältnissen litt naturgemäß die Entwickelung des Bergbaues und insbesondere diejenige unserer Gewerkschaft, da die Arbeiter in der Nähe keine geeigneten Bauplätze, geschweige denn Wohnungen fanden. Frühzeitig suchte die Zechenverwaltung, soweit es in ihren Kräften stand, Besserung in den gesundheitlichen Zuständen der Emscherniederung herbeizuführen. Z. B. besagt hierüber der Geschäftsbericht für 1874:
"Die Gewinnung tüchtiger Arbeiter ist für unsere Zeche eine besonders wichtige und schwierige Frage, weil die nächste Umgebung der Zeche bis jetzt leider von dem Wechselfieber epidemisch heimgesucht wird und dadurch die Heranziehung erfahrener, tüchtiger Arbeiter erschwert ist. Nach dem Urteil der Sachverständigen wird dieser Uebelstand beseitigt werden, wenn für einen besseren Abfluß der Tagewässer gesorgt wird,
was durch Aufhebung der Stauung der Löchtermühle an der kleinen Emscher möglich ist. Wir haben im Verein mit den übrigen Interessenten die Expropriation dieses Staurechts, da leider die Mühle im Wege der Güte nicht zu erwerben war, beantragt, und ist das betreffende Verfahren im Gange."
Freilich war mit kleinen Mitteln wie der Beseitigung einer Staumühle und einer gelegentlichen örtlichen Begradigung des vielverschlungenen Flusses das Uebel umsoweniger an der Wurzel zu fassen, als sich zu den natürlichen Vorbedingungen weitere schädigende Einflüsse der menschlichen Tätigkeit in immer wachsender Stärke geltend machten. Die industriellen Anlagen und die Wohnstätten mehrten sich im Flußgebiete, und mit ihnen stieg die Menge der von der Emscher aufzunehmenden Abwässer. Der Bergbau setzte ein. In den Senkungsgebieten, nicht allein im Flußbette selbst, sondern auch in denen der Nebenbäche bildeten sich Stauungen, begleitet von starker Verschmutzung und Verjauchung. Auch die Eisenbahnen trugen zur Vermehrung der Schwierigkeiten bei. Bei der Anlage des engmaschigen Eisenbahnnetzes durch den Staat und die Bahngesellschaften wurde nicht immer die nötige Rücksicht auf die Erhaltung einer geordneten Vorflut genommen. Die Verhältnisse wurden somit immer schwieriger und drängten nach einer durchgreifenden Besserung. In Vorbereitung weiterer Schritte ließ die Gewerkschaft Graf Bismarck 1880 durch feldmesserische Einwägung die Höhen zwischen dem Wasserspiegel der auf ihrem Gelände angestauten Wasser und dem früheren Einflußpunkte in die kleine Emscher feststellen.
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1888 beauftragte sie den Wasserbauingenieur H. Breme zu Münster, für den Bereich ihres Grubenfeldes den Plan einer größeren Entwässerungsanlage auszuarbeiten. Die infolge hiervon geführten Verhandlungen ergaben, daß an dem fraglichen Gebiete auch die Zechen
Unser Fritz und Pluto erheblich beteiligt waren, und führten sehr bald zu einem Zweckverband dieser drei Gesellschaften. Der Breme'sche Plan sah folgende Arbeiten vor:
a Die Begradigung und Eindeichung der großen Emscher.
b Die Begradigung und teilweise Verlegung der in den Grubenfeldern der drei Gesellschaften der großen Emscher zufließenden Seitenbäche, namentlich des Hüller Mühlenbaches, des Dorneburgerbaches und der kleinen Emscher.
c Die Verwendung des durch die Verlegung der kleinen Emscher frei gewordenen Bettes für die Anlage einer tiefen Entwässerung.

Der Plan fand nach landespolizeilicher Prüfung die Billigung der Behörden. Seine Durchführung fiel in das Jahr 1891. Die Kosten der ersten Ausführung betrugen 542206 M und wurden vertragsmäß zu etwa 1/3 von Zeche Graf Bismarck übernommen. Insgesamt beliefen sich die Zuschüsse unserer Gewerkschaft bis 1909 auf 245824 M.
Etwa gleichzeitig mit diesen Arbeiten wurden ähnliche Entwässerungsanlagen unter der Förderung der Behörden auch in den übrigen Teilen des Emscherflußgebietes durchgeführt, so daß für einige Zeit eine Besserung der schwierigen Vorflutverhältnisse eintrat. [...]
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Zweiter Teil. Siebenter Abschnitt: Eisenbahn- und Kanal

Beitrag von Emscherbruch »

Eisenbanhnverbindungen.

Den ersten Eisenbahnanschluß erhielt die Zeche Graf Bismarck an den Bahnhof Schalke der Köln-Mindener Eisenbahn. Die hierfür erforderlichen Arbeiten waren im Wesentlichen im März 1874 vollendet, so daß es möglich war, von nun an einen Teil der Förderung mit der Bahn zu versenden. Freilich mußte die Beförderung der leeren und beladenen Eisenbahnwagen von und nach dem Bahnhaf Schalke zunächst mit Pferden geschehen, bis die vorläufige Ueberbrückung der Bergisch-Märkischen Bahn durch endgültige Baulichkeiten ersetzt war.
Im gleichen Jahre wurde auch der Anschluß an die auf dem Bahnhof Bismarck fertig gestellt. Noch waren aber der Gewerkschaft einzelne große Absatzgebiete, z. B. Holland, infolge der Tarifpolitik der Bergisch-Märkischen und der Köln-Mindener Bahn vollständig verschlossen. Erst 1879 gelang es, durch neue Anschlüsse an die Königliche Westfälische und an die Niederländisch-Westfälische Bahn günstigere Verhältnisse zu schaffen. Beide Bahnen mündeten in den Bahnhof Bismarck, womit sich für die Zeche die Möglichkeit eröffnete, mit ihnen zu verkehren. Wertvoll schien insbesondere der Anschluß an die Niederländisch-Westfälische Bahn, die auf kürzestem Wege die Verbindung mit Nordholland, Amsterdam und Rotterdam herstellte.
Um die in Rede stehende Zeit setzte in Preußen die Verstaatlichung der Eisenbahn ein. Verwaltung und Betrieb für Rechnung des Staates begannen bei der Köln-Mindener Banh bereits am 1. Januar 1879, bei der Bergisch-Märkischen Bahn und bei der Niederländisch-Westfälischen Bahn am 1. Januar 1882. Damit ergab sich eine Vereinfachung der verwikkelten Anschlußvertragsverhältnisse, insofern die Gewerkschaft nur noch mit der Preußischen Eisenbahnverwaltung allein zu verhandeln brauchte. Man ließ nun den Anschluß an Bahnhof Schalke eingehen, sodaß allein der nähere nach Bahnhof Bismarck bestehen blieb.
Als dann später die Schachtanlagen 2/6, 3/5 und 7/8 entstanden, wurden sie nach einander mit der Schachtanlage 1/4 verbunden, so daß sie sämtlich auf deren Bahnanschluß mit dem nunmehr Gelsenkirchen - Bismarck benannten Bahnhof angewiesen sind.
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Zweiter Teil. Siebenter Abschnitt: Eisenbahn- und Kanal

Beitrag von Emscherbruch »

Der Rhein-Herne-Kanal und der eigene Hafen.

Das Jahr 1914 ist für die Gewerkschaft dadurch, daß der Rhein-Herne-Kanal eröffnet wurde und der Kohlenversand zu Schiff aus eigenem Hafen begann, von besonderer Bedeutung geworden. Der Kanal ist ein Stück des großen Rhein-Leine-Kanals, der bei Duisburg-Ruhr-ort beginnend über Herne, wo er in den Dortmund-Ems-Kanal mUndet, nach Hannover, Linden und zur Leine führen wird. Der 1905 vom Preußischen Landtag beschlossene Bau wurde 1908 in Angriff genommen und der 38 km lange Teil vom Rhein nach Herne in der veranschlagten Frist unmittelbar vor dem Kriegsbeginn fertiggestellt. Bei einer Wassertiefe von 3.5 m gestattet er den Verkehr von Fahrzeugen mit 2 1/2 m Tiefgang. Die größten auf ihm fahrenden Schiffe haben I 350 t Ladegewicht. Die Kosten der Kanalstrecke dürften einschließlich der Nebenanlagen 100 Millionen M erreicht haben.
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Der Kanal hat sich im Laufe des Krieges zu einer sehr wichtigen Verkehrsstrecke entwickelt. Schon im Jahre 1907, ehe noch der Kanalbau selbst begonnen war, beschloß der Grubenvorstand, das für einen Hafen erforderliche Gelände zu erwerben. Im Januar 1909 wurde die Ausführung des Hafens entsprechend den Plänen des Zivil-Ingenieurs Meiners zu Essen beschlossen, der dann auch den Bau leitete. Als Kostenaufwand wurde ein Betrag von 1.200.000 M veranschlagt. Die Erdarbeiten wurden im Juli 1911 vergeben. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme erfolgte im Juli 1914.

Als Platz für den Hafen wurde ein 70 ha großes Gelände zwischen den Schachtanlagen
1/4 und 3/5 östlich der Verbindungsbahn zwischen diesen Schächten auf dem Südufer des Rhein-Herne-Kanals bestimmt. Die Entfernung des Hafens bis Ruhrort bezw. bis zum Rhein beträgt rund 27 km und bis Herne bis zur Mündung des Rhein-Herne-Kanals in den Dortmund-Ems-Kanal rund 13 km. Der Hafen ist als Stichhafen mit einer Hafeneinfahrt und einem parallel zum Kanal liegenden Hafenbecken ausgebildet. Kanalseitig ist westlich der Hafeneinfahrt durch Ausbuchtung des Ufers ein Vorhafen angelegt, der bei belegtem Hafenbecken noch zwei hintereinander liegenden Fahrzeugen bis zu je 80 m Länge und 10m Breite Platz bietet und vornehmlich dem Zwecke dienen soll, daß dort die beladenen Kähne auf das Abschleppen warten. Die Durchfahrt zum Hafenbecken ist mit einer eingleisigen Eisenbahnbrücke von 64.3 m Spannweite überbrückt (Abb. 90), an der zur Aufrechterhaltung des Leinpfadverkehrs auf dem südlichen Kanalufer kanalseitig ein 3 m breiter Leinpfadsteg ausgekragt ist. Beiderseits der Hafeneinfahrt schließt sich das 450 m lange Hafenbecken von 60 m Sohlenbreite an. Innerhalb des Hafenbeckens, in der Achse der Einfahrt, ist ein Schiffswendeplatz angeordnet von 80 m Sohlendurchmesser, der den größten auf dem Kanal zulässigen Schiffen das Wenden im Hafen gestattet. Die ausnutzbare Wasserfläche von Hafeneinfahrt und Hafenbecken beläuft sich auf zusammen rund 2,85 ha.
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Für die Kohlenverladung ist sowohl das westlich der Einfahrt gelegene Nordufer, als
auch das daran sich stumpfwinklig anschließende Westufer des Hafenbeckens hergerichtet. Diese beiden Ufer mit einer Gesamtlänge von 380 m, wovon 270 m auf das Nordufer und 110 m auf das Westufer entfallen, sind mit einer Kaimauer eingefaßt und befestigt, deren Oberkante 5 m über dem Wasserspiegel angelegt worden ist und fast die gleiche Höhenlage wie die Zechengleise hat. Ausgerüstet mit den nötigen Umschlagsvorrichtungen ist zunächst nur das Nordufer, da es für den Verladeverkehr auch für die absehbare Zukunft völlig ausreicht.

Wie in allen Zechenhäfen am Rhein-Herne-Kanal wird auch im Bismarckhafen der Umschlag der Kohlen vom Land ins Schiff vermittelst Kran und Klappkubel bewirkt (Abb. 91). Die Kohlen werden in Klappkubeln auf besonderen Plattformwagen mit der Hafeneisenbahn dem Hafen zugeführt; hier hebt ein Kran die gefüllten Kübel nacheinander vom Wagen ab und entleert sie ohne nennenswerte Fallhöhe in den Raum des Schiffes. Der elektrisch angetriebene Kran ist fahrbar längs des ganzen Verlade ufers eingerichtet, sodaß ein Schiff, ohne seinen Liegeplatz zu verändern. an jeder beliebigen Stelle des Ufers beladen werden kann. Der Kran besitzt weiterhin eine solche Reichweite, daß bei zwei der größten, vor dem Ufer nebeneinander liegenden Kanalschiffen auch das zu äußerst liegende Schiff vollständig von dem Kran bedient werden kann.
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Gegenüber jeder anderen Verladeart besitzt die Kübelverladung den Vorteil, daß hierbei die größtmögliche Schonung der Kohle erzielt wird, ganz abgesehen davon, daß die Verladeart an Bedienung nur einen Kranführer und einen Kübelanhänger je Kran erfordert. Im Hafen Bismarck regeln z. Zt. den Umschlagsverkehr zwei Kräne von je 10 t Tragfähigkeit und 17.5 m Ausladung und 40 Kübelwagen mit je 4 Kübeln von je 7,5 t Nutzinhalt (Abb. 91), Mit diesen Betriebsmitteln sind seit Eröffnung des Hafens bis Ende Mai 1918 insgesamt 2 248 015 t umgeschlagen worden. [...]
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Re: Zweiter Teil. Achter Abschnitt. Belegschaftsverhältnisse

Beitrag von Emscherbruch »

Belegschaftsverhältnisse.

[... ] Rückgänge In der Belegschaftszahl treten nur vereinzelt auf und sind niemals von längerer Dauer gewesen. Eine besonders starke Steigerung der Belegschaft ist seit 1908 eingetreten, da ihre Zahl seit diesem Jahre bis 1913 von 4433 auf 7484 angewachsen ist.

[... ] Das Jahr 1879 hatte den niedrigsten Lohn mit nur 2,48 M je Schicht, das Jahr 1913, wenn man von der Kriegszeit absieht, den höchsten Lohn mit 5,57 M aufzuweisen. Im einzelnen zeigen die Jahre lebhaften Geschäftsganges (1891, 1900, 1908, 1913) hohe Löhne, so daß der Arbeiter an jedem Aufschwunge der Industrie seinen Anteil gehabt hat. Anderseits leiden mit jedem Niedergange des Kohlenmarktes, wie es besonders die 70er Jahre beweisen, auch die Arbeiter fühlbare Not. Daraus sollte sich für die Arbeiterschaft die Folgerung ergehen, daß ihre Belange und die der Werksbesitzer in gleicher Richtung laufen und daß es deshalb notwendig sei, im Einvernehmen mit diesen für die Erweiterung und Förderung des Kohlenabsatzes durch billige Eisenbahntarife, Schleppgebühren usw., ferner durch eine entsprechende Gesetzgebung und Handelspolitik Sorge zu tragen. Leider läßt die Politik der Gewerkschaften den hierfür erforderlichen Weitblick noch vielfach vermissen.

[...] Die Leistung des Arbeiters hat etwa 1 t je Mann und Schicht betragen. Bemerkenswert tief ist die Leistung in den Kriegsjahren gesunken. Vergleicht man die Löhne mit den Leistungen, so fällt bei Betrachtung der Kurven das Eine scharf in die Augen, daß jedenfalls nicht die Leistungen mit den Löhnen steigen. Will man überhaupt einen Zusammenhang feststellen, so scheinen eher hohe Löhne auf eine Erniedrigung der Leistungen hinzuwirken. [...]
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Zweiter Teil. Achter Abschnitt: Grundbesitz und Werkswohnung

Beitrag von Emscherbruch »

Grundbesitz und Werkswohnungen. (Teil 1)

Daß die beste Arbeiterfürsorge in der Beschaffung gesunder und billiger Wohnungen mit
entsprechender Landnutzung besteht, hat unsere Gewerkschaft frühzeitig erkannt. Schon im ersten Betriebsjahre wurde in einem seitens der Verwaltungoden Gewerken erstatteten Berichte hierauf wie folgt hingewiesen:
"Die Frage nach Unterkunftsräumen für die Arbeiter ist in einer Gegend wie die hiesige, wo die Industrie in landwirtschaftlich schwach bevölkerte, in einzelne größere Hofkomplexe geteilte Bezirke eindringt, eine der wichtigsten. Will man sich einen soliden an das Bergwerk der Gewerkschaft attachierten Arbeiterstand erziehen, so wird es zur ersten Notwendigkeit, demselben eine Häuslichkeit zu schaffen. Ob dabei das System des direkten Baues und der Vermietung von Arbeiterwohnungen das richtigste ist, oder ob man besser tut, dem Arbeiter nur Grund und Boden und etwa die Baumaterialien zu mäßigen Preisen zu verschaffen, muß in jedem einzelnen Falle die Erfahrung lehren."
Die Gewerkschaft hat sich im Uebrigen nicht erst langen Erwägungen hingegeben, sondern hat den Erwerb des erforderlichen Grundbesitzes, der ja die Grundlage für eine umfassende Wohnungsfürsorge ist, und den Bau von Arbeiterwohnungen sofort tatkräftig in die Hand genommen.

[...] Die ersten Werkswohnungen wurden bereits i.J. 1869 errichtet. Es waren dies 2 Beamtenhäuser an der jetzigen Luisenstraße, 5 Arbeiterhäuser an der Josefinenstraße oder, wie der Volksmund sagt, "Auf dem Rosenhügel", und 4 Arbeiterhäuser an der jetzigen Bismarckkolonie. 11 Häuser enthielten insgesamt 53 Wohnungen. In den nächsten Jahren wurde ihre Zahl auf 17 Häuser mit 73 Wohnungen vermehrt. Die ersten Häuser entsprachen zwar nicht einem entwickelten Schönheitsgefühl (Abb. 94 und 95).
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Immerhin waren sie in jeder Beziehung zweckmäßig gebaut. Licht und Luft fielen reichlich in jedes der 3-4 Zimmer der Einzelwohnung; hinter den Häusern befanden sich die Stallungen und Hausgärten. Trotz des öden äußeren Eindruckes wurden die Häuser von den Arbeitern weit den Mietskasernen vorgezogen, wie sie im Industriebezirk vielfach noch zu sehen sind. Neuerdings hat man die Straßen durch Baumanpflanzungen freundlicher zu gestalten gesucht, ohne aber damit gegenüber den chemischen Einflüssen der Schalker Luft vollen Erfolg zu haben. Dagegen hat man teilweise den äußeren Eindruck durch geschickte Umgestaltung verbessern können, wie dies in Gegenüberstellung die Abbildungen 96 und 97 zeigen.
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In den 70 er Jahren trat wegen der so überaus schlechten Geschäftslage eine Stockung im Wohnungsbau ein. Erst von 1885 ab vermehrte sich die Zahl der Arbeiterwohnungen mehr oder weniger regelmäßig wieder. Namentlich hatten die Entwickelungen der Schachtanlagen 2/6 und 3/5 den Bau einer entsprechenden Zahl von Arbeiter- und Beamtenwohnungen im Gefolge. Größe und Art der Wohnungen schlossen sich im Wesentlichen den Bauausführungen auf Schachtanlage 1/4 an.

1909 entstand der Plan, zwei größere, neuzeitlich ausgestattete Arbeiterkolonien in der Nähe der Schachtanlagen 2/6 und 3/5 zu errichten. Die Herstellung wurde 1910 begonnen und 1912 zu Ende geführt. Beide Kolonien sind in sich geschlossene Siedelungen und bilden inmitten von Grünanlagen eine behagliche Wohnstätte für die Belegschaft (Abbildungen 93 und 98 bis 110).
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Die Kolonien bestehen aus Einzelgruppen und Reihenhäusern. Letzt.ere sind in den an das rasch wachsende Buer anschließenden Hauptstraßen, insbesondere an der verkehrsreichen Bismarck- und Schievenstraße (Abb 93) erbaut.

Sowohl die Einzelgruppen wie die Reihenhäuser zeichnen sich durch reiche Abwechselung der äußeren Form, durch Einbau von Torbogen und Stallungen zwischen den Häusern und durch Ausbildung von terrassenartigen Vorgärten an den Straßenecken (Abb. 103 u. 104, ferner 106 u. 107) aus, so daß dem Schönheitssinn in vollem Maße Rechnung getragen ist.
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Reichliche Kinderspielplätze geben der Jugend Gelegenheit, sich in frischer Luft zu tummeln. Die Häuser sind in den Einzelgruppen 1 1/2 bis 2 stöckig, in den Reihenhäusern 3 stöckig.
Die Zahl der zu einer Wohnung gehörenden Zimmer ist 3-5. Vorherrschend ist die 3 Zimmer-Wohnung. Außerdem enthält jede Wohnung eine Wohnküche von mindestens 20 qm Grundfläche, eine Speisekammer, einen Stall und Garten. In den Geschoßwohnungen ist ferner ein größerer Vorraum zur Aufbewahrung von Besen und sonstigem Hausgerät vorgesehen. Die Zweckmäßigkeit der Grundrisse erhellt aus den Abbildungen 100, 103, 105 und 106.

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Während des Krieges wurde für die angeworbenen polnischen Arbeiter das sog. Russenlager am Bleck errichtet. Es ist dies eine aus 29 Häusern mit 145 Wohnungen bestehende, gesondert liegende Kolonie, die zunächst mit einfachen Mitteln und in einheitlicher Bauart hergstellt ist. Bei der Anordnung der Häuser ist aber die Möglichkeit vorgesehen, später Baumgruppen, Spielplätze und gärtnerische Anlagen zu schaffen, so daß auch diese Kolonie nach ihrer endgültigen Fertigstellung für die einheimische Belegschaft einen durchaus freundlichen, anheimelnden Eindruck machen wird.
Diese Koloniebauten haben bewirkt, daß die Zahl der Werkswohnungen von 958 i. J. 1910
auf 1959 im Jahre 1917 gestiegen ist.
Insgesamt hat der Wohnungsbau etwa gleichen Schritt gehalten mit der Vermehrung der
Belegschaft. Es wurde erreicht, daß der Hundertsatz der in Werkswohnungen untergebrachten Belegschaft trotz deren starker Vermehrung im allgemeinen nicht gesunken ist. [...]
Die Bergleute zahlen eine Wohnungsmiete von 7-20 M monatlich, je nach Zahl und Größe
der Zimmer. Zu jeder Wohnung gehört Gartenland. und zwar durchschnittlich 10 Ruthen. Denjenigen Leuten, die mehr anpachten wollen, wird hierzu Gelegenheit gegeben; sie zahlen alsdann 5 Pfennige für die Ruthe Pacht.
An Brandkohlen erhalten die Bergleute jährlich je 10 Förderwagen (zu 0,53-0,55 t) für den Preis von 3.50 M je Wagen.
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Zweiter Teil. Achter Abschnitt: Grundbesitz und Werkswohnung

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Grundbesitz und Werkswohnungen. (Teil 2)

Die Beamten haben Wohnung mit Gartennutzung und Brandkohle frei. Die neueren Beamtenwohnhäuser zeugen von besonderem Geschmack in der Anlage und Bauausführung, wie dies die Abbildungen 110 und 111 erkennen lassen.
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Während der Kriegszeit wurde eine großzügige Heimstätte für ledige Arbeiter in Angriff genommen. Dieses Ledigenheim soll 550 Arbeitern ein allen Forderungen der Gesundheit und der Sittlichkeit entsprechendes und gleichzeitig wohnliches Unterkommen bieten. Es wird gegenüber dem schön belegenen "Bismarckhain", einer öffentlichen Parkanlage der Gemeinde Gelsenkirchen von etwa 64 Morgen Größe, errichtet.

Das Heim erhält 300 Zimmer mit je einem Bett und 125 Zimmer mit je zwei Betten. Im Kellergeschoß werden die Betriebseinrichtungen (Heiz-, Warmwasseranlagen, Wäscherei, Desinfektion, Trockenkammern, ferner Kegelbahnen und Lagerräume) untergebracht. Das Erdgeschoß dient zur Aufnahme der Wirtschaftsräume und Gastzimmer, zur Unterbringung des Arztes, einiger Hausbeamten und einer Anzahl von Schlafzimmern für die Heimbewohner. Das erste und zweite Obergeschoß sowie das Dachgeschoß enthalten durchweg Schlafzimmer. Ueber dem zweiten Obergeschoß des Mittelflügeis wird ein Dachgarten eingerichtet.
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Für eine gute Entlüftung sämtlicher Räume und der Flure wird durch zweckmäßige Einrichtungen. für die Beleuchtung durch elektrisches Licht gesorgt. Das Heim soll zur Milderung der nach dem Kriege zu erwartenden Wohnungsnot beitragen. Die Abbildung 112 - Grundriß des Erdgeschosses - gibt ein Bild von der Ausdehnung der Anlage, während die geschmackvolle Schönheit des Baues in Abb. 113 und die wohnliche Ausstattung der Zimmer in den Abbildungen 114 und 115 zum Ausdruck kommt.
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Emscherbruch
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Zweiter Teil. Achter Abschnitt: Grundbesitz und Werkswohnung

Beitrag von Emscherbruch »

Fürsorgewesen.

Schon lange vor der staatlichen Arbeiterversicherung hat die Gewerkschaft eine warmherzige Fürsorge für ihre im Dienste verunglückten oder arbeitsunfähig gewordenen Bergleute ausgeübt. In der ersten Zeit wurden regelmäßig Pensionen für die verunglückten Arbeiter bewilligt. 1881 beschloß der Grubenvorstand, zu der auf der Zeche bestehenden Unterstützungskasse der Arbeiter den gleichen Beitrag, den die Arbeiter selbst aufbrachten, monatlich beizutragen. Es folgten dann die Arbeiter-Versicherungsgesetze, wodurch die dem Arbeiter im Falle der Verunglückung, Krankheit, Alter und Invalidität zustehenden Unterstützungen allgemein geregelt wurden.

Um den Arbeitern preiswerte Waren zu verschaffen und den allzu hohen Forderungen
der Kostwirte entgegen zu treten, wurde 1875 eine Menage nebst Konsumanstalt eingerichtet. Nachdem sich genügend Kaufleute in den neuen Ansiedelungen niedergelassen hatten, ließ man die Anstalten wieder eingehen.
Seit 1896 erhielten die Angehörigen der Belegschaft, soweit sie vom vollendeten 16. Lebensjahre ab ununterbrochen 5 bezw. 10 Jahre auf der Zeche in Arbeit standen, eine Weihnachtsspende von 20 bezw. 40 M. Nach vorübergehender Aufhebung dieses Brauchs wurde er in erweiterter Form wieder aufgenommen. Seit 1899 wird eine Jubiläumsgabe, bestehend aus einem künstlerisch hergestellten Ehrendiplom, einer Taschenuhr mit Inschrift und Kette und einem Geldbetrag allen Belegschaftsangehörigen gewährt, die 25 Jahre ununterbrochen auf der Zeche tätig sind.
Mit sehr gutem Erfolge wurden seit 1912 auf sämtlichen Schachtanlagen Einrichtungen
für die Herstellung von kohlensaurem Wasser getroffen, das im Gemisch mit Fruchtsäften zu Selbstkosten, zum Teil auch unentgeltlich, an die Belegschaft abgegeben wird. Beispielsweise wurden 1912 insgesamt 684453 und 1914, trotz der Verminderung der Belegschaft durch den Krieg, 667790 Flaschen Wasser abgesetzt. Auch Milch, deren Ausschank natürlich im Kriege zum Erliegen gekommen ist, wurde in wachsenden Mengen - i. J. 1914 noch 81419 l - ausgeschenkt.

Für die Familien der Bergleute besteht eine Familienkrankenkasse, die den Angehörigen
freie ärztliche Behandlung und auf Arzneien einen Nachlaß von 10 % gewährt.

Schon frühzeitig richtete die Gewerkschaft ihr Augenmerk auf die Behütung der noch nicht
schulpflichtigen Kinder der Belegschaft. Ende der 90er Jahre wurde in der Nähe der Schachtanlage 1 für die Belegschaftskinder von 3-6 1ahren eine Bewahrschule, die von Schulschwestern geleitet wurde, eingerichtet. Da sich die Anstalt bewährte, wurde 1900 auf Schacht 2 eine gleiche Einrichtung geschaffen.
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Eine dritte Kleinkinderschule für die Schachtanlage 3/5 verdankt ihr Entstehen einer
hochherzigen Stiftung von Frau Hermann Mellinghoff der Aelteren in Mülheim (Ruhr), die
im Juli 1905 dem Grubenvorstande 50000 M für den Zweck überwies. Die Schule wurde 1906 erbaut und ausgestattet. Die Stifterin erlebte freilich die Fertigstellung der Schule nicht mehr.[...]
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[...] Anfang 1897 genehmigte der Vorstand, um den Beamten der Zeche die Fürsorge
für ihre Angehörigen wie für ihr eigenes Alter zu erleichtern, einen Vertrag mit der
Lebensversicherung A. G. Nordstern, wonach denjenigen Beamten, die bei der genannten Gesellschaft ihr Leben versicherten, ein Prämien-Zuschuß von 33 1/3 % seitens der Gewerkschaft gewährt wird. Für diejenigen Beamten, welche selbst nach den leichtesten Versicherungsbedingungen der Gesellschaft abgelehnt wurden, legte die Gewerkschaft den sich ergebenden Prämienzuschuß alljährlich in der Sparkasse an. Im März 1898 wurde der Prämienbeitrag der Gewerkschaft von 33 1/3 % auf 50 % erhöht.
Die Beamten haben in großem Umfange von dieser Vergünstigung Gebrauch gemacht. Anfang 1918 betrug die Gesamtsumme der Lebensversicherungen der Beamten noch 687500 M, obwohl die Versicherung mittlerweile durch die Neuregelung der Knappschafts-Pensionsversicherung abgelöst worden ist. [...]

1913 erbaute die Gewerkschaft in Erle, unweit der Schachtanlage 2/6, ein mit einer offenen
Gastwirtschaft verbundenes Beamtenkasino. Neben größeren und kleineren Gesellschaftszimmern enthält das Haus 8 Fremdenzimmer. [...]
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Zweiter Teil. Neunter Abschnitt: Kriegsjahre

Beitrag von Emscherbruch »

Die Gewerkschaft in den Kriegsjahren. - Die Arbeiter und Beamten im Kriege.

Von der Belegschaft der Zeche sind nach und nach bis April 1918 ins Feld gezogen
82 Beamte und 4191 Arbeiter.
Ein großer Teil der Beamten und Arbeiter ist inzwischen infolge Reklamation wieder
zurückgekehrt. [...]
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Emscherbruch
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Zweiter Teil. Neunter Abschnitt: Kriegsjahre

Beitrag von Emscherbruch »

Die Kriegsfürsorge.

Mit dem Kriegsbeginn setzten die freiwilligen Kriegsunterstützungen der Gewerkschaft
durch Zuwendungen an die Angehörigen der im Felde stehenden Beamten und Arbeiter sofort
in umfangreichem Maße ein. Diese Unterstützungen bestanden in Lieferung freien Brandes, Fortzahlung eines Teiles des Gehaltes, der Weihnachtszuschüsse und Lebensversicherungsprämien, in Gewährung freier Wohnung oder Zahlung von Mietszuschüssen an die Gemeinden, in Liebesgaben, Zuwendungen für die Kriegsküchen, das rote Kreuz, die ostpreußischen Flüchtlinge usw. [...]
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Zweiter Teil. Neunter Abschnitt: Kriegsjahre

Beitrag von Emscherbruch »

Die Entwickelung der Gewerkschaft im Kriege.

In den ersten Wochen nach der Mobilmachung konnte wegen der starken Inanspruchnahme
des Wagenparkes durch die Militärverwaltung nur sehr unregelmäßig gefördert werden.
Die Verminderung der Belegschaft durch Einberufung von annähernd 28% sämtlicher Arbeiter zur Fahne gab Veranlassung, die üblichen täglichen zwei Förderschichten zu einer Tagesschicht zu vereinigen. Diese ungünstigen Verhältnisse beeinflußten die Wirtschaftlichkeit des Betriebes stark, sodaß eine erhebliche Herabsetzung der vorher gezahlten Ausbeute eintreten mußte. Bald freilich änderte sich hinsichtlich des Kohlenmarktes und des Absatzes das Bild. Schon das Jahr 1915 brachte eine so lebhafte Nachfrage nach Kohlen, daß sie trotz starker Anspannung aller Kräfte nicht voll befriedigt werden konnte. Der Brennstoffbedarf wuchs mit der längeren Dauer des Krieges immer mehr. Das gab Veranlassung, mit allen Mitteln wieder auf eine Erhöhung der Belegschaft hinzuarbeiten. Ihren tiefsten Stand hatte die Belegschaft im März 1915. wo sie nur 4939 Mann (einschl. der Beamten) betrug.
Im Mai 1915 erhielt die Gewerkschaft die ersten 159 Kriegsgefangenen zur Beschäftigung
überwiesen. Durch weitere Zuweisungen erhöhte sich die Zahl im Juli 1915 auf 195, im Januar 1917 auf 396 und im November 1917 auf 645 Mann.
Ferner suchte die Zeche mit gutem Erfolge russische Arbeiter aus dem besetzten Gebiet
durch Anwerbung heranzuziehen. Ende 1917 standen bereits 1800 russische Arbeiter auf der Zeche in Arbeit.
Je länger desto mehr gab auch die Heeresverwaltung die älteren Bergleute und diejenigen jüngeren Arbeiter, die nur garnisondienstfahig waren, zur Wiederaufnahme der Bergarbeit frei.
Schließlich wurden für die Arbeiten über Tage in steigendem Umfange weibliche Kräfte herangezogen. Oktober 1916 waren 188 Frauen und Mädchen, im April 1917 bereits 434 und im April 1918 460 beschäftigt. [...]

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Schlusswort

Beitrag von Emscherbruch »

Schlusswort.

Im Eingange dieses Abschnitts ist mitgeteilt, eine wie reiche Ernte der Krieg unter unserer Belegschaft gehalten hat. Fast ein halbes Tausend unserer kräftigen, blühenden Mannschaft ist gefallen. Sie sind für unserer Kinder Wohlfahrt, für des Reiches Bestand und des Vaterlandes Ehre ins Grab gesunken und haben mit ihrem Herzblut die Treue besiegelt.
Die vorstehenden Zeilen lehren auch, daß der zu Hause verbliebene Teil der Belegschaft nicht müßig gewesen ist. In den ersten 50 Kriegsmonaten, also vom 1. August 1914 bis 30. September 1918, hat unsere Zeche gefördert 6902594,5 t Kohlen.
In der gleichen Zeit sind erzeugt worden 898771 t Koks.
Diese Arbeitsleistung hat mit dazu beigetragen, das deutsche Schwert scharf zu halten.
Wie bei uns, so war es überall im deutschen Vaterlande; überall die gleichen Opfer und die gleiche Kraftanspannung.
Trotzdem ist zur Zeit, da dieses Schlußwort geschrieben wird - Oktober 1918 - Deutschlands Stern im Niedergange begriffen. Wir glauben aber fest an Deutschlands Zukunft. Ein Volk mit Leistungen, wie sie Deutschland in den Kriegsjahren vollbracht hat, ist nicht zum Untergange bestimmt. Die deutsche Politik kann nicht dauernd versagen. Wir harren des Tages, da wieder ein Bismarck das Steuer des Reichsschiffs ergreift. Deutschlands Stern wird dann in neuem Glanze erstrahlen!
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PDF-Datei Gewerkschaft Steinkohlebergwerk Graf Bismarck

Beitrag von Emscherbruch »

Das Buch
"Denkschrift zum 50jährigen Bestehen der Gewerkschaft Steinkohlebergwerk Graf Bismarck zu Gelsenkirchen 1868-1918"
steht nun als PDF-Datei zum Download bereit.

Die Datei ist fast 50MB groß. Ladezeiten beachten. :wink:
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