Um so besser war die Zusammenarbeit der (wenigen) engagierten Eltern und der Lehrer. Über die Lehrer kann ich sowieso (mit anderthalb Ausnahmen) nix Negatives sagen, die 1 Ausnahme waren wir nach 1 Jahr wieder los, nicht ganz ohne unser Zutun.
Eine Sache hat mir besonders Spaß gemacht: Um auch den nichtchristlichen Kindern einen „Event“ im Herbst bieten zu können, haben wir einen Martinszug initiiert. Richtig mit Pferd und verkleidetem Reiter. Total chaotisch, hunderte Kinder wieselten um Pferd und Reiter herum, völlig ungeordnet ging es im formlosen Haufen durch den Haverkamp, aber mit Blaskapelle. Den Martinszug mit anschließendem Brezelessen gibt es, glaub ich, immer noch.
Im Laufe der Zeit hatte die Schule verschiedene Namen: gegründet 1892 als Luisenschule, ab 1910 Steinschule (nach dem preußischen Reformer Freiherrn vom Stein), von den 70-er Jahren an etwa dann amtlich korrekt Gemeinschaftsgrundschule an der Bickernstraße. Die etwas älteren Haverkämper und manche jungen sagen aber immer noch Steinschule. Aus der Frühzeit hab ich mal 1 alten Text rausgesucht, wird sich heute kaum noch einer dran erinnern können, an das:
Interessant eben, dass auch vor über 100 Jahren die damalige Luisenschule schon eine „Einwandererschule“ war.„ ... Durch den Aufschwung des wirtschaftlichen Lebens in den sechziger und siebziger Jahren (Zeche Consolidation 1863, Zeche Graf Bismarck 1868, A. G. für chemische Industrie 1873) stieg die Bevölkerungszahl gewaltig an. Hatte Braubauerschaft im Jahre 1818 noch 246 Einwohner, so wuchs die Zahl im Jahre 1880 auf 4534 und 1893 auf 13 383. Immer waren die Bewohner, die wenigen Juden abgerechnet, zur einen Hälfte evangelisch, zur anderen Hälfte katholisch. Diese außergewöhnliche Zunahme der Bevölkerung brachte auf dem Gebiet des Schulwesens ganz bedeutende Änderungen mit sich. In ziemlich rascher Reihenfolge entstanden an evangelischen Schulen die Wilhelmschule (Marschallstraße) 1868, die Bismarckschule (König-Wilhelm-Straße) 1881, die Luisenschule (Bickernstraße) 1892, die Friedrichschule (Sellmannsbachstraße) 1892, die Augustaschule (Lenaustraße) 1895 und die Lutherschule (Caubstraße) 1896. Insgesamt unterrichteten 1896 in den evangelischen Schulen Braubauerschaft l Hauptlehrer, 12 Lehrer und 7 Lehrerinnen. Die geringe Anzahl der 20 Lehrer rührt daher, daß die Gebäude erst nach und nach voll ausgebaut wurden.
Der Unterricht an diesen Schulen war nicht leicht. An der Luisenschule z. B. stammten 1896 neun Zehntel aller Schüler aus Bergarbeiterfamilien, die vornehmlich aus Ost- und Westpreußen, Posen und Schlesien eingewandert waren. In den westpreußischen und posener Familien würde fast ausschließlich die polnische Sprache gebraucht. Etwa 30 Prozent aller Schüler sprachen zu Hause entweder nur polnisch oder polnisch und deutsch. Viele konnten besonders in der ersten Schulzeit das Deutsche gar nicht oder nur recht mangelhaft verstehen. Es läßt sich denken, wie schwer der Unterricht unter diesen Verhältnissen war.
Doch auch andere Umstände erschwerten die Arbeit in beson-Jerem Maße: Schulneubauten und Zahl der Lehrer konnten einfach nicht mehr der Schülerzahl entsprechen. Immer wieder ist festzustellen: Zahl der Abgänge 48, der Schulneulinge 85, der Abgänge 52, der Aufnahmen 98, der Anfänger 99, der Abgänge 49 usw. Dazu kam der starke Wohnungswechsel innerhalb der Stadt und des Bezirkes. Von 60 Kindern, die ein Lehrer am Anfang des Schuljahres übernahm, hatte er am Ende desselben vielleicht noch 20. Vierzig hatten gewechselt. Die Klassenräume langten nicht; man half sich, indem man in den oberen Klassen den Unterricht um 7 Uhr begann und den Mittwochnachmittag besetzte. ...
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Andererseits herrschte eine Ordnung, wie wir sie uns heute kaum noch vorstellen können. Bis 1908 fand außer der Oster- eine Herbstentlassung statt. Allen Entlassungen ging eine Entlassungsprüfung voraus. 1903 wurden am 30. 9. in der Luisenschule 20 Konfirmanden entlassen; einem Knaben „war wegen ungenügender Leistungen die Genehmigung zur Entlassung seitens der Königlichen Regierung versagt worden". Im Herbst 1905 wurden aus derselben Schule 23 Herbstkonfirmanden entlassen. Es handelte sich hauptsächlich um solche Schüler, die noch nicht volle 8 Jahre die Schule besucht hatten, aber mit Genehmigung des Kreisschulinspektors bzw. der Regierung entlassen werden durften. „Dem Schüler der zweiten . Klasse — — wurde diese Vergünstigung versagt, weil er in höchst roher Weise einem eben aus der Schule entlassenen Knaben im Streit mit einem Taschenmesser gefährlich verletzt hatte. Der Fall ereignete sich kurz nach Ostern. Von der Ferienstrafkammer wurde der Messerheld am 18. Juli zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat und in die Kosten verurteilt."
1910 fand die längst fällige Neubenennung der Schulen statt: Die Augustaschule hieß fortan Hardenbergschule, die Luisenschule = Steinschule, ... “
(aus: Gelsenkirchen in alter und neuer Zeit. Ein Heimatbuch, hrsgg. vom Heimatbund Gelsenkirchen, 5. Jahrgang 1953, S. 248 und 250)