Überquerung am Rhein Herne Kanal, Brücke Münsterstraße, Bleckstraße und Bismarckstraße
und Einmarsch in Gelsenkirchen
die Straßen kann ich nicht zuordnen
Moderatoren: Verwaltung, Redaktion-GG
Um die obigen Filmaufnahmen vom 9. und 10. April 1945 noch etwas lebendiger werden zu lassen, ein paar Auszüge aus dem Bericht eines Bismarcker Bürgers, der das Einrücken der Amerikaner auf der südlichen Kanalseite aus seiner Perspektive beschreibt.Stadtchronik 1945 hat geschrieben:Am Abend des 28. März sprengten deutsche Wehrmachtsangehörige die Brücken über Emscher und den Rhein-Herne-Kanal, um das Vordringen der feindlichen Truppen aufzuhalten; ein vergeblicher Versuch, der nicht den geringsten Erfolg hatte, höchstens den, das [sic] nun die Stadtteile Buer und Horst ohne jede Verbindung mit dem Stadtteil Alt-Gelsenkirchen waren.
Quelle: Stadtchronik Gelsenkirchen 1945, Seite -60-
Stadtchronik 1945 hat geschrieben:„Heute mittag [7. April] zog der sogenannte Volkssturm ab. Es ein trauriges Bild. Man kann sagen: Vier Mann ein Gewehr; das soll es schaffen! Nur einzelne waren gut bewaffnet; sehr wenige Züge hatten Handgranaten und Panzerfäuste. 1918 kamen die Soldaten aber stolzer zurück. Hier war keine Ordnung. Die meisten Männer waren Fußkranke in allen möglichen Kleidungen. Einige Soldaten hatte man am Kanal zurückgelassen. Nachmittags noch etwas Artillerieduell; jetzt ist es verstummt. Mehrere Bomberverbände flogen um drei Uhr in die Dortmunder Gegend – ich zählte einmal 37 Stück. Dann die „Jabos“, welche alles abpatrouillieren! Zudem ständig drei Beobachter am Kanal. Es kann heute nacht noch einmal eine Kanonade einsetzen, dann kann der „Ami“ einmarschieren, ohne Wiederstand [sic].
Das Volk schimpft, die Nazis sind ängstlich und verblüfft. Es kann keine Strafe hoch genug für sie sein. Die Anmaßungen und der Hochmut mit Frechheit waren in den letzten Tagen noch groß. Aber dem Kampf gingen sie aus dem Wege, dafür war der Volksgenosse gut genug. Hätte der Parteigenosse den Volksgenossen nicht gehabt, so wäre er verhungert; der arbeitete für ihn mit. Die Parteigenossen wollten ja nicht arbeiten, dazu waren sie nicht in die Partei gegangen. Nach gestern abend soll Göbbels den Mund aufgerissen haben, indem er sagte: „Zwölfjährige Jungen und sechzehnjährige Mädchen spannten den Hahn und warfen Handgranaten. Kein Haus trägt eine weiße Fahne; alle Häuser starren von Flintenläufen!“ Wo mag es wohl so etwas geben? Hier nicht, denn unser Volk in Westfalen ist kriegsmüde, erschöpft und ausgehungert, von Bomben zermürbt; es verwünscht seine Peiniger.“
Quelle: Stadtchronik Gelsenkirchen 1945, Seite -67-
Stadtchronik 1945 hat geschrieben:8. April: Immer das monotone Ferngeschützfeuer! Nachts von drei bis vier Uhr war eine heftige Kanonade. Um 18.30 Uhr, als ich in der Küche war, gab es heftiges Geschützfeuer über der zerstörten Kirche und auf der Bismarckstraße. Wir zuckten zusammen. Von unseren Kämpfern war nicht viel zu sehen. Der Beobachter sah die Leute auf der Straße und lenkte das Feuer, so daß fast jeder Schuß die Straße traf. Bei der Apotheke platzten zwei Granaten. Die Straße war mit Geröll besät. Abends ließ es nach. Um 19.00 Uhr steigerte sich das Feuer wieder; es ließ die Nähe der Amerikaner erkennen. Wir mußten in den Keller. Am Bahndamm platzten die Maschinengewehre aufeinander los. […]
Um 23.30 Uhr sagte H. zu mir: Da ist ein Amerikaner! Gleich darauf kamen sie einzeln und in großen Scharen und suchten die Häuser ab. Alle steckten weiße Tücher heraus. Am Morgen waren noch zwei deutsche Soldaten unter unserem Fenster und gingen in den Mittelbau, wo sie bald verschwanden. Um 1 Uhr kamen viele Amerikaner in unsere Häuser, um zu ruhen. Es waren einige darunter, die deutsch sprachen. Auf dem Küchensofa liegt einer von 20 Jahren. Wir unterhielten uns gut in Eichsfelder Platt. Er ist aus San Franzisko. Im ganzen sind sie anständig. Noch ist zum Haverkamp hin Kampf. Einen Panzer haben sie in das Gebüsch vom Haverkamp hin gefahren. Die Bedienung sind Hünen von Schwarzen. So hat das „Tausendjährige Reich“ hier sein Ende erreicht! Und die Nazis wollen bei diesen stämmigen Menschen mit guter Ausrüstung noch siegen!
9. April: Ich habe das Zimmer voll USA-Soldaten. Es dauerte nicht lange, da kamen sie mit einem großen Faß Bier angerollt, aus einer Wirtschaft hier. Sie brachten es in das letzte Zimmer auf den guten Tisch; mit zwei Mann war es kaum zu heben. Die Stube schwamm von Bier. Sie ließen es in die Wasserkrüge laufen. Einige waren anständig und holten Gläser. Während der Zeit warfen sie in den Zimmern alles durcheinander, öffneten jede Schublade, wühlten sichtlich alles durch und ließen die Sachen auf dem Boden liegen. Als sie gingen, fehlte viel. Ich war während der Zeit bei einem anständigen Menschen von 20 Jahren, groß und stark. Er war aus San Franzisko. Ich sprach Eichsfelder Platt, und so konnten wir uns gut verständigen. Er war müde; ich machte ihm das Sofa fertig und er schlief sich aus. Die anderen wollten niemanden bei sich haben. […] Bei Bochum wird noch geschossen Alle sind froh, daß der Kampf hier ein Ende hat . Wir haben viel mitgemacht und die Stadt sieht furchtbar aus. Der „Bauverein“ ist leidlich davongekommen. Sie können wohnen, wenn auch ohne Gas und mit schadhaften Dächern. Es ist eine Strafe.
10. April: Ich schlief die Nacht allein oben. Obwohl es am Abend ruhiger war, schliefen die meisten im Keller. Alle Menschen sind ab von den Geschehnissen. Ich erwachte früh um fünf Uhr, eine heftige Kanonade ließ alles erzittern. Sie wälzte sich bis um sechs Uhr an unser Haus heran, um dann nach Wanne abzuziehen. Auch heute morgen hörte man den Geschützdonner, mitunter auch Gewehrfeuer. Hinter unserem Hause stehen drei Geschütze.
Der Kreisleiter Plagemann soll sich erschossen haben, ebenfalls der Reichsleiter Dr. Ley. So sind die Irrlehrer und Gotteslästerer! Elend haben sie genug in die Welt gebracht! Die Menschen stehen Schlange um Brot. Erhalten tuen die wenigsten etwas, und dann: was für Brot! Einige mußten in 20 Minuten ihre Wohnung räumen.
12. April: Bei strahlendem Frühlingswetter stehen Birnen und Kirschen in herrlicher Blüte inmitten der wahnsinnigen Zerstörung. Amerikanische Autos fahren durch die Straßen, alle im Tempo. Ausländer setzen sich mit Rädern und Handkarren und sogar leichten Fuhrwerken, die sie selber ziehen und schieben, zu Trecks zusammen, und ziehen nach Osten und Westen. Alles wird den Besitzern abgenommen. Franzosen schieben vorerst noch Autos ohne Benzin, ebenfalls deutsche Wagen. Gott bewahre die Gegend, in denen sie rasten müssen! Es war immer ein Feingefühl mancher Bauern, weitab von den Verkehrswegen zu wohnen. Das hat sich immer bewährt und jetzt am meisten. Ich sah mir heute morgen Verwüstungen an Brennpunkten des Kampfes an. Es ist furchtbar! Häuser und Straßen zerstört, Bäume zerschmettert, obwohl der Artilleriekampf nicht lange dauerte. Der Bismarckhain ist zerstört; die Straßen dort sind voll von Granatlöchern. Am Bahnhof Bismarck hat unser Übereifer zwei Stellwerke und die lange schwere Eisenbahnbrücke am Westende gesprengt. Sie sind nicht mehr dazu gekommen, die Unterführung zu sprengen. Es ist auch so schon zuviel der Zerstörung. Noch immer ziehen die Bomber durch den Äther, um ihre Lasten an Stellen des Kampfes abzuwerfen. Es ist bei uns noch keine Einsicht für Waffenruhe. Eine Kapitulation gibt es ja nicht! Überall noch Arbeitsruhe, auch eine innere Unruhe im Volk, das immer gewohnt war, zu schuften; das [sic] man ihm so lange Feierstunden gönnt, kann es nicht begreifen. Viele bestellen ihre Gärten, denn es ist das schönste Frühlingswetter.“
Quelle: Stadtchronik Gelsenkirchen 1945, Seite -74- und -75-
Diese "Ausländer" werden wohl aller Wahrscheinlichkeit Zwangsarbeiter gewesen sein die sich, endlich befreit, auf den Heimweg machten. Daß sie da auf ihre besiegten Unterdrücker unabhängig von deren persönlichem Verhalten wenig Rücksicht nahmen ist m.A.n.nachvollziehbar.
Diese Texte sind sehr realistisch!Tanriverdi hat geschrieben: ↑19.06.2020, 20:46Diese Zeilen aus der Stadtchronik irritieren mich.
Sie sind ausländerfeindlich:
12. April:
"Ausländer setzen sich mit Rädern und Handkarren und sogar leichten Fuhrwerken, die sie selber ziehen und schieben, zu Trecks zusammen, und ziehen nach Osten und Westen. Alles wird den Besitzern abgenommen. (...) Gott bewahre die Gegend, in denen sie rasten müssen!"
Meiner Meinung nach geht die Fähigkeit sich in die Denkweise vergangener Zeiten und in deren gesellschaftliche Randbedingungen einzulesen tatsächlich schneller verloren, wenn man z.B. deren schriftliche Hinterlassenschaften nicht mehr selbst entziffern kann. Schon das Lesen der gedruckten Frakturschrift stellt für viele eine unüberwindbare Hürde dar. Es existiert sogar eine innere emotionale Abwehr gegen diese Schriftzeichen bei den Jüngeren, da diese Glyphen angeblich auf dem Boden der NS-Diktatur geboren wurden und damit wahrscheinlich immer irgend einen Dreck enthalten müssen, den man heute nicht mehr dulden darf. Diese Grundannahme stellt die Dinge genau auf den Kopf (heute sagt man dazu Fake News), aber wer will das schon wissen? Es reicht ja eine Meinung darüber zu haben.
nicht geboren, aber gewisse Glyphen wurden von den Nazis bevorzugt verwendet:Emscherbruch hat geschrieben: ↑19.06.2020, 21:59Schon das Lesen der gedruckten Frakturschrift stellt für viele eine unüberwindbare Hürde dar. Es existiert sogar eine innere emotionale Abwehr gegen diese Schriftzeichen bei den Jüngeren, da diese Glyphen angeblich auf dem Boden der NS-Diktatur geboren wurden [...]
Insgesamt sind 3 Besucher online :: 0 sichtbare Mitglieder, 0 unsichtbare Mitglieder und 3 Gäste