Eine wirklich wahre Gelsenkirchener Geschichte
Vor ein paar Jahren stöberte die Lehrbeauftragte meiner Sippe auf irgendeinem Bücherflohmarkt in der näheren Umgebung herum. Wann und wo genau ist nicht mehr zu ermitteln. Für ganz kleines Geld, so wurde der Familie damals mitgeteilt, konnte sie einen Alexander Schulaltlas mit so gut wie keinen Gebrauchsspuren erwerben. Es fanden sich darin weder Schulstempel noch sonstige Hinweise auf den Erstbesitzer. Dieser Atlas, so war ihr Plan, sollte alle Atlanten im Familien-Buchdepot ersetzen, die teilweise noch aus dem letzten Jahrtausend stammten und eher historischen Wert hatten - auch wegen der darin enthaltenen Kritzeleien, die Zeugnis von dem eigenen jugendlich-kreativen Umgestaltungsdrang von Lehrmaterialien ablegten. Mit den ausgesonderten Büchern im Arm trat sie selbstbewusst vor den Familienrat.
An dieser Stelle wurde der Denkmalbeauftragte meiner Sippe aktiv, der die Drohung sehr wohl vernommen hatte, dass ein paar Zeugen der Vergangenheit dem Papier-Recycling ausgeliefert werden sollten. Er stellte darum den Antrag, dieses neuere Exemplar nicht als Ersatz, sondern als Zusatz in den Bestand aufzunehmen. Bücher werden nur entsorgt, wenn der Inhalt unverdaulich ist oder Brechreiz verursacht, was in diesem Fall beides nicht der Fall war.
Nach einem kurzen aber heftigen Austausch von Argumentationssträngen über den Sinn und Unsinn des Aufhebens veralteter, beschmierter und teilzerrissener Kartenwerke in beschädigten Einbänden, wurde gemeinsam durch Lehrbeauftragte und Denkmalbeauftragten beschlossen, die zu Belehrenden darüber entscheiden zu lassen. Deren Antwort lautete, es sei ihnen total egal. Da guckten sie sowieso nicht rein. Wieso auch, es gäbe ja Google-Maps.
Dies führte nach einer kurzen Pause der Fassungslosigkeit zu weiteren Argumentationsketten der beiden Beauftragten. Sie votierten dafür, dass die zu Belehrenden ruhig öfters einen guten Atlas als Bettlektüre verwenden könnten - oder zumindest als Presse für anfallende Bastelarbeiten. Deren Antwort war einstimmig und lautete: Hä?
So folgte ein weiterer Wortkampf zwischen dem Lehr- und der Denkmalbeauftragten, an dessen Ende schließlich das Los geworfen und der übergeordneten Gerechtigkeit somit die Entscheidungshoheit zugesprochen wurde. Ergebnis: Der Bücherbestand der Sippe wuchs um genau ein Exemplar des Typs Schulatlas auf nun vier Exemplare an, die das ihnen zugewiesene Regalbrett fortan einem Dauerbelastungstest unterzogen durften.
Kaum ein Jahrzehnt später, also letzte Woche, nahm die Lehrbeauftragte zum ersten Mal nach dem Erwerb jenes Bandes diesen aus dem Regal und in die Hand. Sie öffnete das Kartenwerk an einer Stelle, an der bislang niemand aus der Sippe einen Blick hineingeworfen hatte. Heraus fielen einige SW-Kleinbild-Negative in einer Schutzhülle. Nun ist so ein Fund in unserem Haushalt an sich keine Sensation, da filmbasierte SW- und Dia-Fotografie bis heute einen großen Raum einnimmt und die Freizeit mehrerer Sippenmitglieder bereichert – auch der Nachgebohrenen. Das hier aber war anders.
Ich staunte nicht schlecht, denn diese Negative waren mir in der Art der Aufbewahrung vollkommen unbekannt. Ich hatte diese Filmschnipsel noch nie gesehen. Der Blick gegen das Licht offenbarte Fotos aus der Gelsenkirchener Altstadt, die Ende der 1960er Anfang der 1970er Jahre entstanden sein müssen. Es gab keinen Hinweis auf den Urheber.
Die Motive: Menschenmengen, blockierte Nahverkehrsfahrzeuge, Polizisten. Ich vermutete, es könnte sich um Fotos von der Aktion Roter Punkt handeln.
Dann las ich diesen Fred und entdeckte, dass die Fotos an genau dem Tag aufgenommen wurden, an dem auch Fabula Fotos gemacht hat.
Fabula hat geschrieben:
Nun bin ich auf der Suche nach dem Urheber der folgenden Amateuraufnahmen, der diese mindestens 35 Jahre nach dem Entstehen in einen Schulatlas gelegt und anschließend zu einem Bücherflohmarkt gegeben hat.
Für Hinweise zum Fotografen wäre ich dankbar.
Weitere Fotos folgen...