The Snappers
Groß waren die Anforderungen und klein die Gagen, für die sie sich Tag und Nacht in Düsseldorf und Köln die Nacht um die Ohren schlagen mußten. Selbst Auftritte im Star-Club Hamburg verhalfen nicht zum Durchbruch. Und wieder war Hans Lißeck mit im Spiel und „lockte" die „Snappers" 1966 nach Gelsenkirchen. Von diesem Zeitpunkt an war die Gelsenkirchener Szene um eine gute Beat-Band reicher.
Hans-Joachim Stegmann, der das Management der Band übernahm, beschreibt seine Schützlinge so:
„Die „Snappers" haben immer etwas besonderes zu „beaten", und wenn Deutschlands gagreichste Band ihre Show abzieht, kann man sich auf eine Mischung aus hochklassiger Pop-Music, spritzigem Feuerwerk und gekonnten Albernheiten gefaßt machen.
Dem musikalischen Starkstrom, der durch die elektrischen Instrumente der „Snappers" strömt, merkt man an, daß sie sich bei der Auswahl ihrer Nummern nicht von Beethoven und Brahms, sondern eher von einem rhythmischen Preßlufthammer haben inspirieren lassen, getreu dem Motto „Manche mögen's heiß!" -Zum Schluß wird dann nicht mehr gesungen, sondern nur noch geschossen - der totale Beatkrieg ist ausgebrochen."
Ihr Hauptquatier schlugen sie in der Hohenzollernstraße über der Fahrschule Kratzenberg auf.
Es entstand eine enge Freundschaft zu Hans Kratzenberg, der ihnen half, wo es möglich war.
Ihre ersten Auftritte hatten die "Snappers" im Ratskeller in Buer, damals ein Jugendtreff, und gegenüber im Tanzpalast, dem sie dadurch zu neuer Popularität verhalfen. Engagements im Braunschweiger jägerhof", in Oberhausen, im „Royal" in Ge-Schalke sind weitere Stationen. 1967 spielen die „Snappers" beim Sommerfest der Stadt Gelsenkirchen vor 8000 begeisterten Besuchern und wurden blitzschnell zu einer lokalen Größe.
Und doch blieben sie auf ihren beiden Single-Aufnahmen sitzen -wahrscheinlich sind kaum mehr als 150 Stück verkauft worden. Auch ein Auftritt im „Beat-Club", wo sie ihren Titel „Upside down - Inside out" vorstellen konnten, änderte nichts daran.
Jörg Hellmich, Roadie der Snappers, beschreibt ihre Show: „Im Saalbau Essen zogen wir am Ende die„WhoShow" ab, d.h., die Instrumente wurden „optisch" demoliert. Ich hatte immer alle Hände voll zu tun, die Felle der Drums gegen Papier auszutauschen. In einer von Dave's Boxen, die natürlich leer waren, deponierten wir ein Häufchen Rauchpulver, das wir bei Titeln wie „My Generation" und „I can't explain" zündeten - und es qualmte wunderschön. Jedoch ein eifriger Feuerwehrmann setzte mit einem C-Rohr die Bühne kurzerhand unter Wasser."
1968 kommt das frühe Ende der
"Snappers". Auslösende Momente waren ein Todesfall in John's Familie, ein Autounfall von Dave und eine böse Prügelei mit Schlägern aus dem "Soho" in Erle, wobei John schwer verletzt wurde. Und natürlich das Ausbleiben des großen Erfolges.
Aber woher die Knete für Instrumente und „Anlage" nehmen? Gitarren ging ja noch (meine Mutter hatte mich eines Tages mit einer schönen Framus-Halbresonanz überrascht, sie war rot/braun, hatte einen langen Vibratorhebel und Diodenanschluß), aber das Schlagzeug ... Und wo proben? Ah ja, die Vikare mit den Kellern der Gemeindehäuser, und die Väter mit den ersten Partykellern ...
In der Ruhrlandhalle hab ich die Troggs, Casey Jones and The Governors, The Vulcans und The Atlantis gesehen. Die lokalen Matadoren: in Hamme „The Angeln of Paradise" und die „Old Fashions" (der Sänger hieß „Mick" - Wohl dem Mädchen, welches sich seine Perle, 011e, Freundin nennen durfte!), in Bochum die „Lazy Bones".
Im September 1968 war es auch für mich soweit: ich traf mich mit Rudi und August, zwei „Kollegen" aus dem Stadtteil, zum Üben. Weil beide Gitarristen waren, hatte ich mir einen (sehr preiswerten) Baß gekauft - ich war sowieso Autodidakt wie die meisten anderen, und August konnte ja kaum den Takt halten, also - no problem. Wir haben, glaube ich, alle über Rudis Verstärker gespielt (oder wir hatten alte Radios?!). Im November kam der Schlagzeuger Poppeye dazu, der konnte sich immer irgendwo ein Schlagzeug leihen.
Im Januar 69 stieß ein Organist dazu, Landolf mit der kleinen EKO-„Tiger" für 1000 Mark (besser warja Farfisa!). Wir übten fleißig und hatten im Februar als „Carl-Lührig-High-School Band" den ersten Auftritt. Mit unseren Hits „Red Balloon", „My little Lady", „Words" und „Obladi-Oblada" (wir hatten nur „nachgespielt") gastierten
wir im Gemeindehaus Hamme bei der Deutschen Schreberjugend, August hatte den Job klargemacht, er war da, glaube ich, im Vorstand. Zwei Wochen später spielten dort „Les Messieurs", von denen hatte Poppeye sich immer die Schießbude geliehen. Die „Carl-Lührig"-Band löste sich aber dann bald auf. Ich hatte eine neue Freundin in Remscheid (auf einer Freizeit der Ev. Schülerarbeit in Südfrankreich kennengelernt) und packte auch endlich meine große Märklin-Eisenbahn weg. Ich brauchte Platz für Feten, ein altes Sofa und andere Sachen.
Im September 69 (der Herbst scheint eine gute Zeit für neue Projekte zu sein), nach einer weiteren (Irland-) Freizeit, ging's dann wieder los. Nach einigen sporadischen Proben mit den Klassenkameraden Mike, Tim und Grafo gründeten wir „The Revolutionary Octopus", Landolf spielte wieder Orgel, und Mike lieh sich das Schulschlagzeug aus. Zum ersten Auftritt in Hamme beim Jugendtanz (12 Stücke umfaßte unser Repertoire, und es gab eine Gage von 100 DM), haben wir das Schlagzeug mit einem Auto fahren lassen können -oft genug mußten wir es zu Fuß transportieren, oder wir hatten eine Karre.
Vier Tage später zogen wir dasselbe Programm bei einem Kommers der Parallelklasse in der „Bergschule" durch. Ich sang wieder und spielte jetzt die Framus, den Bass hatte ich endlich verkauft (nach einer schon peinlichen Vorstellung als „Bassmann" bei einer anderen Beatband, wo ich völlig versagte - ich konnte mir unbekannte Stücke nicht begleiten, außer auf dem Grundton, und das war etwas wenig).
Nun ging's richtig los: freitags war regelmäßig Üben angesagt, in Mike's Keller in Grumme, wo ich per Fahrrad oder Bus anreiste. Grafo (Bass) wohnte in der Nähe, Tim (Solo) kam von Weitmar mit dem 54er. Bald hatten wir rund 20 Stücke drauf, meist Titel, die man auch akustisch auf Feten vortragen konnte („Kalle", so hieß ich damals, „spiel ma' Hair!").
Beim dritten Auftritt von „Octopus" (Beatball in der Tanzschule Diel, 50 DM) im November hatten wir unsere ersten kleinen Probleme, eine Nachbarin hatte die Polizei gerufen, wir waren mit unseren beiden Verstärkern zu laut gewesen (über die „Echolette" haben Tim und ich Gitarre gespielt, und der Gesang mußte noch dazu).
Das Größte war das Schulfest der Freiherr-vom-Stein-(Mädchen-) Schule im Januar 1970. Wir hatten eine Vorgruppe, die „Speciales", uni‑
formiert in Glitter-Westchen, die, wie wir beruhigt feststellen konnten, schlechter waren als wir. Wir wiederum waren Vorgruppe für „Circle round the Sun", die mit ihren Marshall-Türmen schon echt Power machen konnten. Soviele Zuschauer hatten wir noch nie, zogen mit „Why don't we do it in the road" und unserem Set aus „Hair" echt ab, auch wenn Grafo bei „Something" seinen Baßlauf vergessen hatte, ein Erfolg, 100 DM Gage, zum ersten Mal einen richtigen Vertrag über den Gig gemacht.
Das Schlagzeug zu Fuß tragen mußten wir beim Auftritt in der Carl-Lührig-Schule; es gab wieder nur 50 Mark, immerhin, Echolette plus Box hatten wir uns inzwischen gemeinsam leisten können.
Zeitungsartikel aus der Rundschau:
Jetzt schnappen sie nach den Sternen am Beathimmel: die „Snappers" John', Steve, Deve, Jan und Del aus England (obere Reihe). „Blue-Flames"-Chef Kulka (unten links) und Schlagzeuger Hans Littek wissen längst, was Glanz in der deutschen Oeffentlichkeit ist: sie hätten dazu erst gar nicht zu Tropfkerzen greifen brauchen.
Vor kurzem noch schnappten die „Snappers" (unser Bild) nach Luft und jedem noch so miesen Beatschuppen-Engagement — jetzt greifen sie nach den Sternen. Sollten ihre neuesten Schlager („Hideaway", „Memorier") in Deutschland einschlagen, wären die fünf Langmähnigen mit dem Liverpool-Sound auf einen Schlag aller Sorgen ledig. Sämtliche Voraussetzungen dafür sind gegeben: eine Schallplattenstartauflage von 22 000 Stück bei „Telefunken Decca", ein Rundfunkdebüt (WDR) am kommenden Freitag und nicht zuletzt die vorhergegangene „Protektion" von einigen zornigen jungen Männern, den „German Blue Flamen” aus Gelsenkirchen.
Gelsenkirchens „Blaue Flammen", die Mitglieder Deutschlands beliebtester
.Amateurband, sahen nämlich rot, als sie die „Snappers" vor einiger Zeit zum ersten Male spielen hörten. „Für'n Appel und Ei" — so Schlagzeuger Hans Lissek zur RUNDSCHAU — bearbeiteten die fünf pilzköpfigen Jung-Engländer in einem Düsseldorfer Tanzladen ihre Instrumente in einer Weise, die Flammen-Chef Kulka als „sagenhaft gut" umschrieb.
So boten die Gelsenkirchener „Flames" den britischen Beatboys kurzerhand erste Hilfe an, holten sie zunächst einmal nach Gelsenkirchen und sorgten für Unterkunft, Uebungsmöglichkeiten und die Verständigung mit „Decca". Nun sind die „Snappers" Feuer und Flamme, wenn das Gespräch einmal auf die „Flammen" kommt.