Die Wirklichkeit sieht leider sehr viel komplizierter aus als Mechtenbergkraxler es skizziert hat. "Profithaie" als Ursache für verwahrloste Immobilien ist nur eine Möglichkeit von vielen. In Art 14 des Grundgesetzes ist der Rahmen für Enteignungen vorgegeben. Es gibt Gesetze bis zum Abwinken, die Anwendung finden. Die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen zeigt ein Vortrag mit Praxisbeispielen, den man beim Bundesverwaltungsamt herunterladen kann.Mechtenbergkraxler hat geschrieben: [...] Die Profithaie, die am Anfang der Misere stehen, sind den meisten Diskutanten kein Gedanke wert. Hier wäre auch der Gesetzgeber gefordert, das Verkommenlassen von Häusern in einer Wohnumgebung durch Zwang zu unterbinden. Entweder Erhalt oder Enteignung, wäre ein schönes Rezept. Wo Häuser renoviert und attraktiv gemacht wurden, gibt es keine Ballung von sozial inkompatiblen Leuten. Bei letzteren ist es mir schon früher egal gewesen, ob sie indisch oder deutsch aussehen. Den (blonden) ständig abends herum krakeelenden Nachbarn habe ich 3x hintereinander von der Polizei abholen lassen; dann hatte er es kapiert.
MK
Aber wenn wir schon mal bei der Klärung der Frage sind, ob die Henne oder das Ei zuerst da waren, dann würde ich mich soweit aus dem Fenster hängen, dass letztlich fast jedes Problem auf noch ursprünglichere Ursachen zurückgeführt werden kann. In Gelsenkirchen ist die aus heutiger Sicht "ursprünglichste Ursache" für fast alle gegenwärtigen Probleme der Niedergang der Schwerindustrie und des Bergbaus.Bundesverwaltungsamt hat geschrieben:Umgang mit verwahrlosten Immobilien in der kommunalen Praxis -
Eine Veranstaltung des Bundesinstituts für Bau, Stadt und Raumforschung (BBSR) in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag (DST) - Köln, 03.02.2015
-> Leitfaden Verwahrloste Immobilien
Teil II: Die hoheitlichen Instrumente – Überblick, Steckbriefe, Praxisbeispiele
Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat Gelsenkirchen aufgrund dessen fast ein Drittel seiner Einwohner verloren. Nun könnte man behaupten, wenn Arbeitsplätze verloren gehen, dann braucht man auch viel weniger Wohnraum, denn Menschen verhalten sich üblicherweise selbstverantwortlich und wollen ihre Lebensgrundlage so gut es geht selbst erarbeiten. Also ziehen Arbeitslose mittelfristig fort, dorthin wo es Arbeit gibt. Als Folge steigt das Wohnungsangebot, es entsteht Leerstand, die Mieten sinken aufgrund des größeren Angebots, es fehlen Mieteinnahmen und erzeugen so Renovierungsstaus, ... da haben wir schon das Problem. 125.000 Einwohner weniger ergeben jede Menge Leerstand in einer Stadt.
„Profithaie“ unter den Vermietern spielen in diesem Prozess wohl nur eine Nebenrolle.
Keine Arbeitsplätze, keine Bewohner, Häuser verfallen.
Konsequenterweise hätte also die Stadt Gelsenkirchen schon vor Jahren, als es nicht gelang neue Arbeitsplätze anzulocken, leergezogene Häuser nach und nach kaufen und abreißen müssen/sollen. Das wurde nicht in dem Maße getan, wie es in der Rückschau nötig gewesen wäre. Eigentümer enteignen kann der Staat nur, wenn er die Eigentümer angemessen entschädigt. Erstens war das Geld für solche Aktionen gar nicht vorhanden (es floss unter anderem Richtung Aufbau Ost). Zweitens wird der Abriss von Häusern durch eine Stadt als Zeichen der Selbstaufgabe gedeutet. Gesundschrumpfen gilt als Eingeständnis auf der Verliererseite zu stehen. Das wollen weder Oberbürgermeister, Parteien, Gewerkschafter, kommunale Organisationen noch der kaum vorhandene Mittelstand. Nur wenige Bürger können akzeptieren, dass vergangenes nicht wiederholt werden kann. Die "Industrie" war ja schon weg und spielte fortan nur noch in den Köpfen der Gestrigen eine Rolle. Also blieb, drittens, nur das Sozialsystem als "Rettungsanker" übrig.
Das Sozialsystem. Mobilitätsverhinderer oder -ermöglicher?
Wenn ein für sich selbst und seine Familie voll verantwortlicher Mensch seinen Arbeitsplatz verliert, dann war es früher selbstverständlich, dass er sich örtlich neu orientierte, wenn er nach ein paar Monaten nichts Passendes fand. So war es, als die große Landflucht einsetze, als die Industriegesellschaft entstand und auf Hochtouren lief. Die Menschen zogen der Arbeit hinterher um zu (über)leben. Dies war der einzige Einwanderungsgrund für Polen, Masuren, Schlesier vor dem 2. WK. Es war auch der alleinige Grund für Italiener, Spanier, Portugiesen, Türken, die in den 1960ern hierhin kamen. - Die Zeiten haben sich grundlegend geändert.
Während des Niedergangs der Industrie hofften viele, dass die Sozialsysteme sie so lange ernährten, bis neue Arbeitsplätze (auf wundersame Art aus dem Nichts) entstünden. Beliebt war der Verweis auf "die da oben", die das persönliche Glück zerstört und nun ein neues Glück aufbauen sollten. Gemeint waren "die Unternehmen" und "der Staat", also anonyme Gebilde, die nicht so richtig fassbar sind aber "auf jeden Fall die anderen". Die Überbeanspruchung des Sozialsystems durch strukturelle Dauerarbeitslosigkeit begann. Immer mehr Aufgaben entstanden, die vom Bund und dem Land ohne ausreichende Finanzierung an die Kommunen delegiert wurden. Am bisherigen Schlusspunkt dieser Fehlentwicklung steht im Falle Gelsenkirchens die EU-Süd-Ost-Erweiterung, also die Einwanderung ärmster Menschen aus Rumänien und Bulgarien, die nur aufgrund der deutschen Sozialgesetze stattfindet. Denn offene Arbeitsstellen sind kein Grund nach Gelsenkirchen zu ziehen. Es sind die vielen freien Wohnungen und eben das für Missbrauch anfällige Sozialsystem.
Denn nach relativ kurzer Zeit ist die Kommune des Wohnortes für so gut wie alles zuständig, was ein Mensch, der keinen auskömmlichen Job oder sonstige Einkünfte hat, zum Überleben benötigt. Was einst als solidarische Überlebenshilfe für Kranke und Arbeitslose erdacht und installiert wurde, erscheint heute fast wie ein natürlicher Grundanspruch auf Unterhalt, den jeder Mensch selbstverständlich geltend macht, sobald er sich durch welche Umstände auch immer zufällig oder geplant in einem der deutschen Bundesländer aufhält. Letztens hörte ich einen alten türkischen Mann sagen, dass der Staat "jedem ein Gehalt" zahle, der hier lebt. Ich denke, so verstehen viele Menschen, besonders die, die nicht aus Deutschland stammen, unser Sozialsystem. Ich will dieses individuelle Verhalten der Betroffenen gar nicht verurteilen. Es ist ja alles vollkommen legal.
Aber bedeutet legal auch legitim?
Darüber muss geredet werden! Denn darüber herrscht große Uneinigkeit in der Gesellschaft.
Wenn der Gesetzgeber die fehlenden Sozialsysteme in anderen EU-Staaten sowie das auseinanderklaffende Preisniveau zwischen Mittel- und Süd-Ost-Europa ernsthaft berücksichtigen würde und den Zuzug von EU-Bürgern nach Gelsenkirchen an Bedingungen knüpfte, die über die derzeitigen Voraussetzungen deutlich hinaus gingen, dann würden die kriminellen Strukturen rund um die Schrottimmobilien wieder austrocknen. Spätestens an diesem Punkt merkt man aber aufgrund des ausgeprägten Konjunktivs im Satzbau, dass wir uns längst im Kampf gegen Windmühlen und jenseits des Vorstellbaren befinden. Notwendige Korrekturen bei der Freizügigkeit werden in Zeiten des Brexit aus ideologischen Gründen von der EU ganz sicher nicht beschlossen.
Schlagworte oder echter Diskurs?
Die derzeitige Neigung in öffentlichen Diskussionen alles in einen Topf zu schmeißen, was nur im Weitesten mit dem Begriff „Ausländer“ zu tun hat, wird keine Lösung von speziellen, abgrenzbaren, lokalen Problemen zulassen. Grenzenlosigkeit hat Auswirkungen, die man im Vorfeld besprechen muss, damit nachher keiner sagen kann, diese Folgen hätte er nicht gekannt und er trüge keine Verantwortung für die entstandenen Probleme.
Der Zwischenruf bei der Bürgerversammlung in Horst (sinngemäß wiedergegeben) „Alle in einen Bus setzen und dahin zurückbringen, woher sie gekommen sind“, wurde als Fremdenfeindlichkeit bzw. Rassismus interpretiert.
Ich stimme diesen Totschlagargumenten nicht zu. "Rassismus" sagen manche, wenn sie die Mühe scheuen Dinge differenzierter zu betrachten. "Fremdenfeindlichkeit" kann man auch einem nervenden deutschen Nachbarn gegenüber empfinden, den man nicht namentlich kennt und nicht leider kann, warum auch immer. Oder wäre es in diesem Fall nur "Feindlichkeit" und damit etwas ganz anderes? Müssten also Nachbarn nur dann unbedingt akzeptiert werden, wenn sie aus einer anderen Kultur kommen? Machen dagegen deutsche Muttersprachler Radau, dann kann man sie guten Gewissens so behandeln, wie Mechtenbergkraxler es übllicherweise mit solchen Typen tut?
Fragen über Fragen
Mich treiben solche Fragen um.
- Hätten diese Menschen (also die frisch eingewanderten Sinti und/oder Roma aus Rumänien/Bulgarien) vor 10 Jahren hier leben können ohne einen Cent in der Tasche?
- Was ist der Mehrwert, der ideelle Schatz, das Besondere für die heutige Stadtgesellschaft von Gelsenkirchen ganz konkret, dass sie nun hier legal leben können?
- Welche vor 10 Jahren noch undenkbare aber wünschenswerte Errungenschaft bringt ihre Anwesenheit für die Stadt Gelsenkirchen?
- Was konkret ist es, was wir in Gelsenkirchen vorher nicht hatten, unbedingt benötigten und nun endlich vorfinden?
- Gibt es Belastungsgrenzen für eine Stadtgesellschaft?
- Falls ja, wie loten wir diese Grenzen aus?
- Sollten wir nicht weitere total verarmte Menschen, z.B. US-Amerikaner aus Detroit (Hautfarbe egal, Hauptsache bitterarm), nach Gelsenkirchen einladen um hier zu leben?
- Sollten diese Menschen hier ebenfalls auf Kosten der Sozialkassen leben können?
- Wäre es rassistisch, die verarmten Detroiter (Hautfarbe egal, Hauptsache bitterarm) nicht nach Gelsenkirchen umsiedeln lassen zu wollen?
- Gibt es absolute Armut oder ist Armut relativ?
Was geht?
Das Problem der Arbeitslosigkeit hat Gelsenkirchen noch nie während meiner gesamten Lebenszeit in den Griff bekommen. Seit ein paar Jahren ist die Stadt Gelsenkirchen zusätzlich mit einem „Armutsproblem aus Süd-Ost-Europa“ mitten in ihren Straßen, Schulen und Kitas konfrontiert. Die Kommune soll also die Angehörigen einer fremden, sehr verschiedenen Kultur ernähren, beherbergen, alphabetisieren, bilden, möglicherweise auch ausbilden für Jobs - die nicht existieren. Wir sprechen also nicht über ein paar Holländer, denen man mit einem kostenlosen städtischen Sprachkurs den Einstieg ins Ruhrgebiet erleichtern will, sondern von Menschen aus einer Kultur mit patriarchalen Strukturen, mit Denkmustern, die inkompatibel zu unserem GG sind, die also aus einer komplett anderen Welt hierhin gebracht wurden. - Es ist vollkommen unrealistisch anzunehmen, dass die Stadt Gelsenkirchen mit ihren limitierten Möglichkeiten, eingeschränkten Handlungskompetenzen und Bürgern diese neuen Aufgaben zusätzlich schultern kann. Und trotzdem machen alle weiter und doktern an den Symptomen herum?