Schichtensprech - Jugendsprache - Slang - und wir hier

Alles, was es sonst noch zu bequatschen und zu begucken gibt.

Moderatoren: Verwaltung, Redaktion-GG

Benutzeravatar
Minchen
Beiträge: 3022
Registriert: 05.01.2009, 18:12
Wohnort: Rotthausen

Beitrag von Minchen »

Mir ist da ein Benutzungswandel aufgefallen. Ich weiß aber nicht, ob das nur in unserer Gegend so ist... Es geht um das Wort "feiern".

Ich war eigentlich bis vor kurzem noch überzeugt, dass das Wort "feiern" mit einer Akkusativerweiterung zu benutzen wäre, also "wen oder was feiern".

Sagt die jüngere Kollegin zu mir: "Ich geh heute feiern."
Ich: "Was denn?"
Sie: "Wie was?"
Ich: "Was gibt es zu feiern?"
Sie: "Na feiern halt."
Ich: "Aha."

Ganz früher ging das auch schon ohne Erweiterung:
Meine Oma: "Der Sowieso ist schon wieder am feiern."
Ich: "Was hat der denn zu feiern, ich denke, der ist krank?"
Oma: "Eben."

:roll:
Kassandra war doch eine furchtbare Populistin.

Das ist die Seuche unserer Zeit: Verrückte führen Blinde.
(Shakespeare, König Lear)

Benutzeravatar
-Locke-
Beiträge: 1560
Registriert: 26.06.2008, 18:09

Beitrag von -Locke- »

Ich war überzeugt, dass Hautzustand und Briefversand nix miteinander zu tun haben:

Morgens beim Blick in den Spiegel:
Ich: "Boah, was ist datt denn für ein Pickel, kuck ma... sieht man den ?"
Sohn: "Jau... der hat 'ne eigene Postleitzahl !"

8) :P :wink:

Benutzeravatar
brucki
Beiträge: 9432
Registriert: 23.02.2007, 22:50
Wohnort: Ückendorf

Beitrag von brucki »

Minchen hat geschrieben:Mir ist da ein Benutzungswandel aufgefallen. Ich weiß aber nicht, ob das nur in unserer Gegend so ist... Es geht um das Wort "feiern".

Ich war eigentlich bis vor kurzem noch überzeugt, dass das Wort "feiern" mit einer Akkusativerweiterung zu benutzen wäre, also "wen oder was feiern".

Sagt die jüngere Kollegin zu mir: "Ich geh heute feiern."
Ich: "Was denn?"
Sie: "Wie was?"
Ich: "Was gibt es zu feiern?"
Sie: "Na feiern halt."
Ich: "Aha."

Ganz früher ging das auch schon ohne Erweiterung:
Meine Oma: "Der Sowieso ist schon wieder am feiern."
Ich: "Was hat der denn zu feiern, ich denke, der ist krank?"
Oma: "Eben."

:roll:
Heute: Feiern = Rausgehen. :wink:

Benutzeravatar
blockka04
Beiträge: 1889
Registriert: 24.06.2008, 13:33
Wohnort: GE-Resse / Ex-Neustadt

Beitrag von blockka04 »

-Locke- hat geschrieben:Ich war überzeugt, dass Hautzustand und Briefversand nix miteinander zu tun haben:

Morgens beim Blick in den Spiegel:
Ich: "Boah, was ist datt denn für ein Pickel, kuck ma... sieht man den ?"
Sohn: "Jau... der hat 'ne eigene Postleitzahl !"

8) :P :wink:
Jep! Ausdruck wird gerne auch für etwas fülligere Menschen benutzt.
Oder alternativ: "Boah, die / der lässt sein Passbild von Google Earth machen!"
Selbstverständlich klauen Dir Ausländer Deinen Job! Aber wenn Dir jemand ohne Geld, Kontakte und Sprachkenntnisse Deinen Job wegnehmen kann, bist Du vielleicht einfach nur Scheiße!“ Louis C.K.
Que hora son mi corazon! (Manu Chao)

Josel
Beiträge: 3773
Registriert: 08.01.2007, 15:47
Wohnort: Ex-Hugingthorpe

Beitrag von Josel »

Minchen hat geschrieben:Mir ist da ein Benutzungswandel aufgefallen. Ich weiß aber nicht, ob das nur in unserer Gegend so ist... Es geht um das Wort "feiern".

Ich war eigentlich bis vor kurzem noch überzeugt, dass das Wort "feiern" mit einer Akkusativerweiterung zu benutzen wäre, also "wen oder was feiern".

Sagt die jüngere Kollegin zu mir: "Ich geh heute feiern."
Ich: "Was denn?"
Sie: "Wie was?"
Ich: "Was gibt es zu feiern?"
Sie: "Na feiern halt."
Ich: "Aha."

Ganz früher ging das auch schon ohne Erweiterung:
Meine Oma: "Der Sowieso ist schon wieder am feiern."
Ich: "Was hat der denn zu feiern, ich denke, der ist krank?"
Oma: "Eben."

:roll:
An "ganz früher" kann ich mich auch noch erinnern. Da gab es dann auch die herzzerreißende Satzstellung "Der ist krank am Feiern." Hach, sowatt Schönes kennen die jungen Leute heute doch gannich mehr.

J.
Vertrödeln Sie keine Zeit mit dem Lesen von Signaturen!

Benutzeravatar
Pedda Gogik
Beiträge: 2083
Registriert: 15.07.2014, 17:41
Wohnort: Buer-Centraal

Beitrag von Pedda Gogik »

@Josel .... genau den Satz kenn ich auch noch ! .... :D .... :up:

Troy
Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 12945
Registriert: 25.06.2007, 21:41

Beitrag von Troy »

Es gab inne 1980'er ein interessantes Broschürchen, das in der öffentlichen Diskussion gelandet ist damals:
"Lieber krankfeiern als gesund schuften"
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14317191.html

Tja, wer auf 44 Seiten nochmal nachlesen will bzw. ein paar Tipps braucht:
http://www.theopenunderground.de/@pdf/nurse/lieber.pdf

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Unsern Dialekt

Beitrag von gutenberg »

Vor einiger Zeit schrieb ich in den „Langen Haaren...“ einige Beiträge in der Sprache
„meiner“ Umwelt zur Zeit „meiner“ Jugend.
Dafür wurde ich von einer Kollegin Beitragsschreiberin gerüffelt, ob das sein müsste
in diesem primitiven Dialekt usw., obwohl hier augewachsen, hätte sie so etwas noch nie gehört.

Ich schrieb darauf, dass, wenn das Ruhrgebiet sich nach der Groß- und Montanindustrie
auch noch seiner Sprache berauben ließ, hörte es auf zu existieren.

Dann kam mir folgendes in die Hände. Ich finde, das Gefühl und das Gemüt des
Mannes kann man nur in unserem Dialekt ausdrücken.
Die Namen und Ortschaften habe ich geändert und das Copyright liegt mittlerweile
bei FH. Möllmann.


Das längste Gebet der Fahrhauers Michael Kuzinas vom 3. Mai 1968. Morgenschicht
1979 auf der Zeche Westerholt in Herten/Westerholt.

"Wennich aufhör, datt Sprechen zu Denken, iss ein Gespräch ja bei den Palärmo
hier unten nich möglich. Dann isstat nich persönlich gemeint, daatich nich mitte
Stimme sprech (wie soll ich sagen? Himmlischen Vaader?), himmlischen Vaader.
Issja Klaa. Ich wertich auch Vaader oder eimfach Gott nennen, abber dat hatt
nix mit kein Respeckt zu tun, verstheße?

Der Kaplan Michels hatt ja Sonntag beie Predicht gesacht, dattiss dat Schöne un
Kuscheligge an dat Christentum – gezz denk nich, ich will dich erzähln, dattich
geden Sonndag da inne Kirche bin, ich muss ja auma auspenn, vastehße?
Nee, aber unsre Kleine, die Claudia, hat ja Kommijon, undatt muss die Lütte ja
nich alleine durchziehen, nä? – datt wir zu dich beten könn’ wann wir woll’n
und wo wie woll’n.“

„MICHEL AUFPASSEN! KAWENZMÄNNER!!“
„RAMMBUMPENGPOLTER!!“

„Siesse Gott, wennde kein Körper hass, datt hatt auch Vorteile. Ich bin datt
widder, der Michel Kuzina. Watt da grade passiert is, brauch ich dich ja nich zu
erklärn, wode doch allet weiß. Aber hasse die Brocken gesehen, wie die mit
Schmackes über das Band geflogen kaam? Gezz siesse ma, warum wir hier unten
so oft mitte Stoßgebete dabei sind. Bei so Klamotten hilft nemmich au kein Helm
mehr. Datt iss schon ein festet Wort hier unten: Da hilft nur der liebe Gott!
Obwohl unser Kaplan Michels ja gesacht hat, dattu kein „lieben“ und auch
nich „ein“ Gott biss, sondern du biss Gott. Untu biss gerecht.

Und man kann mit allen Ärger und alle Maleste zu dir kommen. Als du dich den
Menschen als Mensch gezeicht hass, hat Jesus gesacht, „Kloppt an, und Gott
macht auf.“ Auch wenn wir dat alle nich kapiern, dattu der Vaader biss unt
auch der Sohn untie Liebe zwischen beide biss als der heilige Geist. Abber du
hasstatt so eingerichtet, datt wir dat nich kapieren untuu biss kein’ eine
Rechenschaft schuldig.

Und gezz frach ich dich ma watt: Muss datt denn sein, datt der Pedder Schulz
meine Christel immer so Augen macht. Ob wir Sommerfest haam inne Kolonie,
oder Kaanewall beim Fußballverein, oder beie „Schnelle Graue“, beie Tauben.
Ich weiß, der hat mich dammals, bei den Bruch inne Strecke mitte Hände
ausgegraben, dattich widder gutet Wetter inne Lunge hatte und hatt mich
seine Teepulle austrinken lassen, biss die mit mich mitteen Schneewittchensarg
am Schacht ankaam. Abber Gott, datt hättich ja auch für ihm gemacht, Datt hätt
doch geden für geden hier gemacht. Hier kukkt doch kein zu, wie der Kumpel am
verrecken fänkt.

Sei mich gezz nich böse, abber für „Heimwärts zum Vaader“ iss übbertage noch
genuch Platz.
Abber wenn man so anfänkt mitti Matka von den Kumpel, dann würde ja bald,
höchstens eingeteilt in Altersklassen, geden gede seine Olle anbaggern. Sach
ma selber Gott, datt wär doch kein Standard, odder?“

Die Kawenzmänner haben geringe Schäden an Band und Hobel angerichtet, die
Kumpels nutzten die Pause für das Vorsetzen des Fördergerätes und des
Schildausbaues. Eine Knochenarbeit. Kuzina hatte klares Wasser in der Teepulle
und träufelte sich einiges in die vom Schweiß überströmten Augen, denn
Kohlenstaub und Schweiß ergaben eine leicht ätzende „Salbe“ und die war
gefährlich für Menschen, deren Augen empfindlich auf den Mix reagierten.

„Gezz mein abber nich, dattich irnzwie eifersüchtig wär, nenee, da happich
vollet Vertrauen nach die Christel. Aber datt iss die Christel ja auch peinlich.
Die meint nemmich gemerkt zu haben, datti Kolonieweiber beim Friseur
unter die UFO-Hauben dat Thema gewechselt haben, allze sich dahinsetzte.

Sachma, Gott, sprichstu gezz mit mich? Ich hab son Gefühl, dass du für mich
gesacht hass, ich soll den Pedder nich böse wollen, sondern ihm sagen,
datter sich lächerlich machen tut.
Weiße watt Gott? datt mach ich auch. Und weiße nochwatt? Nache Kaue geh
ich ma rübber zu den Kantinenwirt, manchma hatt der da Blumensträuße
außen Schreber. Zwei Stück will dem abkäufen, einen für die Christel und für
die Lütte, dann hatt die ihren ersten Strauß vom Pappi.

Und wir Gott? Wennze willz, kannze ja morgen früh widder bei uns im
1/7/47 Gretchen sein. Iss sonne andre Atmosphäre, wenn Du da biss.“

Oliver Raitmayr
Beiträge: 1713
Registriert: 14.12.2013, 00:58
Wohnort: Innsbruck

Beitrag von Oliver Raitmayr »

Ausgezeichnet, Gutenberg!

Da kann sich so ein Hinterälpler lebhaft ausmalen, wie seine Altvorderen einst miteinander kommuniziert haben.

Danke!

Benutzeravatar
Lorbass43
Beiträge: 2080
Registriert: 11.02.2009, 10:49
Wohnort: Früher Scholven - heute Herzogenrath

Beitrag von Lorbass43 »

Jau mein lieben "Oli Hinterälpler"
wenn ein richtich Deutsch am sprechen is warer bestimmt auf Akamie oder auf Unität hat abba minestens Strassenabitur.
Einen Draht zum Schöpfer suchen viele vergebens – der Gutenberg hat ihn.
Bei seinem Gespräch mit dem alten Herrn Gott beweist er das eindrucksvoll.
Mit Gott zu reden ist eigentlich ganz einfach. Nur Gott zu begreifen ist schwierig.
Und für Gott muss es ja auch nicht so besonders sein, eigentlich nur noch zum Sterben gerufen zu werden, oder laufend mit „Ooh mein Gott“ für nix und wiedernix gestört zu werden.
Auch die Bitte: „ Gott, schick Hirn vom Himmel“ ist bislang nicht erfüllt worden. An dem Tag, an dem Gott der Herr tatsächlich mal Hirn vom Himmel schmeißt, werden wir staunen, wie gelenkig die Doofen beim Wegducken sind.
Es sind einfach sehr säkuläre Zeiten.

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Drübber

Beitrag von gutenberg »

Abber weende ma drübber naachdenx, wie denn sonne Sprache am Leben fänkt, dann falln dich die dicksten Brocken ein.
Sonne Sprache denkt sich ja keiner aus, die bildet sich irnzwie. Grade in so Sprachen wie griechisch, latteinisch oder gaa scholvisch. Wobei letztere, wohl um klare Fronten bemüht, sich von vornerein als pic etablierte. PIC heißt nemmich "Political Incorrectness. Aber ihr Gewand als PIC täuscht. Im Scholvisch herrscht so eine Art 5. Fall: die Einschließung des Gegenübers in den eigenen Kreis.
Als ich im Revier heranwuchs, siezten sich bestenfalls Politiker oder Akademiker oder Über- und Untertager, abber donnich ein' den ich kenn'!
Die Urform des Du als Anerkennung der Stammeszugehörigkeit.
Ende der fünfziger Jahre kamen sie aus der ganzen freien Welt: Die Gastarbeiter Und so hatte das Scholvische wieder Gelegenheit, seine Anpassungsfähigkeit zu beweisen. Die ersten kamen aus Italien und wurden nur Ittacker genannt. Dann kamen aber die Jugos und die Schlitzaugen. Die letzteren kamen aus Korea. Das Scholvisch ging an die Arbeit:
Die Ialiener essen Spaghettis. Das taten wir auch, in viel höherem Maße als jene, aber fortan hießen sie auch so. Das war es ja gerade: Es klang so, aber es war nicht diskriminierend gemeint. Wer bei uns nicht gelitten war, der wurde gar nicht wahrgenommen. Und „Väterchen Franz“(Degenhard) hatte sie mit seinem Song von „Tonio Schiavo“ sowieso heiliggesprochen.
Scholvisch brauchte aber einen Namen für alle Fremden. Von Stund an hießen alle Gäste der Arbeit „Spaguftis“
Oder unsere Bezeichnung für „Bonbons“, „Leckereien“, nämlich „Ömmeks“. Deren Werdegang kann gar nicht mehr aufgedröselt werden, Von „Cukierek“ zu „Ömmek“ muss es ein harter und steiniger Weg gewesen sein. Un nun, wo die Jungen die Alten geworden sind, und die Alten erst mit 100 in Rente gehen sollen, stirbt unsere Sprache aus. Hömma!

Antworten