Abgesehen davon, dass ich dort natürlich auch einen Gelsenkirchener Künstler (Besucher) traf,
gingen mir immer Parallelen zu den Gelsenkirchener Geschichten durch den Kopf.
Meckern will ich erst einmal nur über die vielen kleinformatigen Fotos, die nun gar nicht Menschen mit Sehproblemen und einer Massenausstellung angemessen sind und über die Videoarbeiten, die ich als Diktatur empfinde, weil sie meinen Blick- und Zeittunnel zwangsweise fremdbestimmen.
Mir scheint unser "Konzept" der Soziotop-Abbildung wie ein Gegenmodell zum Dokumenta Thema "Migration - Bewegung- Moderne - Was tun etc." zu sein und gleichzeitig so viele Parallelen zu haben, dass wir eigentlich dort als Kunstwerk oder Kunstprojekt hätten beteiligt sein müssen. Unbestimmte Dissidenz und wilde Zeichen? Haben wir auch.Die Zeit 14.06.2007 Nr. 25 hat geschrieben:Warum die Avantgarde der sechziger Jahre Geschichte ist, lässt sich leicht sagen. Damals war Ruhe im System, eine historische Starre, und die Avantgarden spielten die Rolle der Entfesselungskünstler. Heute verhält es sich genau umgekehrt. Das System selbst »rast«, und die kapitalistische Mobilmachung erfasst alle Lebensbereiche und streift ihnen die Fesseln ab. Glaubt man den Autoren der Documenta-Magazine, dann reagieren die Künstler auf diese Lage nicht mehr mit bestimmten Utopien und bestimmten Programmen, sondern mit unbestimmter Dissidenz und wilden Zeichen. Einige Texte, und es sind nicht die schlechtesten, lesen sich so, als sei es das beste Konzept, kein Konzept zu haben, weil nichts wichtiger ist als Bewegung, denn Bewegung ist alles, ist Leben.
Alle Hoffnungen begraben? Dagegen rebellieren die Künstler
Das allerdings wäre eine paradoxe Strategie: Das nackte Leben der Kunst rebelliert gegen das »nackte« Leben in der Gesellschaft, dem einzigen, was in der durchgesetzten Moderne angeblich noch übrig bleibt. Vor allem rebelliert der ästhetische Vitalismus gegen das »Sei frei!« der Neoliberalen, gegen das allfällige Kommando, man solle seine Hoffnungen begraben und endlich »in der Wirklichkeit ankommen«. Die vitalistische Kunst folgt keinem politischen Programm und nicht einmal dem Bildungskonzept eines Roger Buergel. Sie ist politisch allein deswegen, weil sie durch und durch ästhetisch ist – eine Lücke im Universum der Weltgesellschaft, eine letzte Bewegung im »rasenden Stillstand«. Ist das alles? Das ist alles. Die Kunst des Lebens, so heißt es einmal, besteht darin, nicht wie die Nadel auf einer kaputten Schallplatte immer auf derselben Stelle zu hüpfen.
Gleichzeitig aber auch die Forderung nach Utopien und das Abarbeiten an einer Gelsenkirchener "Seele".
Die Leitmotive der Dokumenta: Ist die Moderne unsere Antike? Was ist das bloße Leben? Was tun? scheinen mir fast wie Leitthemen zu sein, die uns in den Gelsenkirchener Geschichten unterschwellig zufällig auch immer wieder beschäftigen.
Oder doch nicht zufällig?
Oder überinterpretiere ich?
Ich jedenfalls bin, bis ihr mich vom Gegenteil überzeugt, der Ansicht, dass das Gesamt- Gemeinschaftsprojekt Gelsenkirchener-Geschichten Kunst ist, die auf der Dokumenta durchaus bestehen könnte.
Was aber nicht sein muss.