Paul Sawitzki

Maler, Bildhauer, Fluxus ...

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Objekte von Paul Sawitzki
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Beitrag von kwitsche »

"Der Himmel über Gelsenkirchen"

Gedächtnisausstellung zum 70.Geburtstag von
Paul Sawitzki

Einführung: Peter Rose

Freitag,9.10.2009
ab 19.00 Uhr

Ort:
werkstatt
Hagenstraße 34
Gelsenkirchen-Buer

Jazzam
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Beitrag von Jazzam »

hab eine Einladung erhalten, jetzt weiß ich mehr.

pito
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Beitrag von pito »

Die Ausstellung läuft nun und ist sehr sehenswert!

Auf der relativ kleinen Fläche der Werkstatt in der Hagenstraße wird eine vielseitige Retrospektive gezeigt. Vor allem sind es Zeichnungen und Drucke, meist kleinformatig. Viel zu gucken! Zusätzlich wird mit alten Fotos, Zeitungsausschnitten und Plakaten an die Mantelfabrik erinnert, sowie an die Fluxus-Zone West mit Beuys und Stüttgen.

So gehet hin.

Schacht 9
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Beitrag von Schacht 9 »

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Eine Arbeit von Paul Sawitzki.
Bild aus 25 Jahre Künstlergruppe werkstatt.

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Klasse!

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globalrider
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Kunstauktion, Korrektur

Beitrag von globalrider »

Edit:
Verwaltung hat geschrieben:Text gelöscht, man möchte nicht in den GG erwähnt werden - näheres siehe hier:
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... php?t=4845

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globalrider
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Bilder zur Ausstellung

Beitrag von globalrider »

Edit:
Verwaltung hat geschrieben:Text & Bilder gelöscht, man möchte nicht in den GG erwähnt werden - näheres siehe hier:
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... php?t=4845

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

kwitsche hat geschrieben:"Der Himmel über Gelsenkirchen"

Gedächtnisausstellung zum 70.Geburtstag von
Paul Sawitzki

Einführung: Peter Rose

Freitag,9.10.2009
ab 19.00 Uhr

Ort:
werkstatt
Hagenstraße 34
Gelsenkirchen-Buer
Nur noch bis zum 10.11.09

Aus den Arbeiten um 1980:
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pito
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Beitrag von pito »

Bei der Eröffnung der Ausstellung in der werkstatt, las Peter Rose einen Text über Leben und Werk von Paul Sawitzki, den er zu diesem Anlass geschrieben hatte. Diesen Text hat er uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
:up:

  • H. Peter Rose
    „Der Himmel über Gelsenkirchen“
    Gedächtnisausstellung zum 70. Geburtstag von Paul Sawitzki
    Am 9. Oktober 2009, werkstatt GE-Buer

    I.
    „Der Himmel über Gelsenkirchen“, könnte ein Zitat von Paul Sawitzki sein, dachte ich mir, als ich auf der Einladung die Überschrift zu dieser Ausstellung las, die anlässlich seines 70. Geburtstages an ihn erinnern will. Ganz daneben lag ich mit meiner Vermutung nicht, denn ich hatte in dem „werkstatt“ Katalog von 1986 die Schwarz-Weiß-Abbildung eines Aquarells oder einer Gouache von Paul Sawitzki gefunden, die ebenfalls so hätte heißen können, zumal sie unmittelbar mit dem Ereignis seiner Geburt zusammenhängt.

    Das Original ist ein auf einen Notizzettel in kräftigen Farben gemaltes Bild. Es zeigt ein Kampfflugzeug am Himmel, das über Gelsenkirchen Bomben abwirft. Auf dem Boden liegt der nackte Körper einer Frau. Die Knie ihrer gespreizten Beine sind hochgezogen. In der weit geöffneten Scham befindet sich ein großes Auge. Darunter steht in Großbuchstaben ein ebenfalls gemalter Text:
    AM 13.1.39 ERBLICKTE ICH DAS LICHT DER WELT. ES WAR DAS JAHR; IN DEM GROSSE EREIGNISSE IHRE SCHATTEN VORAUS WERFEN.

    So hat Paul Sawitzki malend und schreibend mit diesem Bild den Augenblick seiner Geburt reflektiert. Er hat damit aber nicht nur das Ereignis dokumentiert, sondern im Nachhinein auch dem apokalyptischen Vorschein, der hinter den vorausgeworfenen Schatten verborgenen ist, mit seinen künstlerischen Mitteln Realität verschafft. Bild und Text deuten an, dass er ein Kriegskind werden musste mit Folgen, auf die er nach seiner Geburt selbst zunächst keinen Einfluss hatte, sei es die Evakuierung während des Krieges nach Bayern oder der in der Nachkriegszeit folgende achtjährige Pflichtbesuch einer Volksschule in Gelsenkirchen. In seiner Kindheit war alles geradezu schicksalhaft fremdbestimmt und ferngesteuert. Und es war wohl auch für sein kurzes intensives Künstlerleben nachhaltig wirksam.

    Erst mit dem Übergang von der Schule ins Berufsleben – Lehre als Ziseleur in einer Metallwarenfabrik, später dann Dekorationsmaler in einem Kaufhaus – eröffneten sich ihm neue Perspektiven für seinen Eigenwillen wie für seinen Eigensinn. In dieser Zeit entdeckte er sein zeichnerisches Talent. Landschaften, Formen und Strukturen der Natur lieferten ihm die Motive, um seine Wahrnehmungen und Gefühle mit klaren feinen Strichen aufs Papier zu bringen. Dieses Talent entfaltete er zunächst ganz aus sich selbst, um es in den 1960er Jahren in Kunstkursen an der VHS auch systematisch auszubilden. Hier eignete er sich zusätzliche Techniken und Fertigkeiten wie Druckgrafik und Aktzeichnen bei Kurt Janitzki an und fand über ihn, den Vorsitzender des Künstlerbundes, auch erste Kontakte zur Gelsenkirchener Kunstszene.


    II.
    In den 1960er Jahren wurde auch Paul Sawitzki erfasst vom Geist und von den Ideen der außerparlamentarischen Opposition und der 68er Bewegung. Sie stellten sich der Politik des Verschleierns und Verdrängens der Nazi-Geschichte entgegen, forderten darüber Aufklärung ein und wollten die Bundesrepublik Deutschland vom restaurativen Mehltau der 1950er Jahre und von ihren Demokratie-Defiziten befreien. Er machte seine ersten Erfahrungen mit der Demokratie in Staat und Gesellschaft und dem autoritären Gehabe der Behörden und Institutionen, entdeckte Widersprüche zwischen Ideal und Wirklichkeit bei den Grund- und Menschenrechten und forderte Selbstbestimmung und Mitbestimmung. Besonders registrierte er, wie der industriekapitalistische Raubbau die Umwelt und damit die natürlichen Lebensgrundlagen für die Menschen zerstörte und Not und Elend in der Dritten Welt hervorrief, und wie die doppelte Atomgefahr durch Rüstungs- und Energiewirtschaft sich ausbreitete. Und schließlich war da noch der nicht enden wollende Vietnam-Krieg, dem er mit der ausdrucksstarken Zeichnung „Napalm“1968 ein Gesicht gegeben hat. Es zeigt das vom Schrecken und Grauen des Krieges verzerrte Antlitz eines Menschen. All diese Probleme trieben Paul Sawitzki um; sie haben ihn politisiert.

    In dieser Gemengelage des Auf- und Umbruchs und des massiven öffentlichen Protests machten auch die Ideen von Joseph Beuys Furore. Der „erweiterte Kunstbegriff“ und „die soziale Plastik“ sowie die These „Jeder Mensch ist ein Künstler” trafen genau den Kern des Kunst- und Künstlerverständnisses von Paul Sawitzki, dass nämlich der Mensch durch kreatives Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitragen und dadurch gestaltend, also „plastizierend“, auf die Gesellschaft einwirken könne. In jedem Menschen seien die Anlagen für Kreativität, Phantasie und Spiritualität bereits vorhanden. Diese Fähigkeiten müssten erkannt, ausgebildet und gefördert werden. Genau das war es, was auch Paul Sawitzki wollte: Die Kunst als Politikum begreifen und mit Kunst politisch wirken. Kunst als Freiheitsraum für ein „Utopia“, in dem die Möglichkeiten von Alternativen für eine andere, vielleicht eine bessere Welt aufscheinen sollten: Dafür wollte er als Künstler arbeiten und politisch streiten.


    III.
    Und so begann er mit 33 Jahren noch mit einem Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf, das er nach 10 Semestern bei Professor Rolf Sackenheim als Meisterschüler abschloss. Eigentlich hätte es für ihn nahe liegen müssen, beim populären Professor Joseph Beuys zu studieren. Aber Paul Sawitzki entschied sich für den eher introvertierten Graphik-Professor Rolf Sackenheim wohl deshalb, weil er seinen originären künstlerischen Talenten und Fertigkeiten, also Zeichnen und Malen, den letzten Schliff geben wollte. Mir ist diese Entscheidung plausibel geworden, als ich ein Zitat von Rolf Sackenheim fand, in dem er knapp und präzise sein Verständnis von Kunst formuliert hat:

    „Und das Material der Kunst, ihr Inhalt und Stoff, ist der Künstler selbst. Was er hervorbringt und formt, ist Reflexion des Ich und Ausdruck des Ich. In sich erforscht er die Welt.
    Der Versuch das nicht Sichtbare sichtbar zu machen, hilft uns, aus der Formlosigkeit zur Form, aus der Entscheidungslosigkeit zur Entscheidung zu kommen; lässt uns besondere, nicht beachtete Teilansichten des Lebens deutlich werden, auch – damit uns die Undeutlichkeit unseres eigenen Lebens bewusst wird.
    Und die Grenze der Zeichnung? Sicher nicht das noch nie Gezeichnete, sondern das Nichtzeichenbare, das dann wieder mit anderen Mitteln auszudrücken wäre: durch die Sprache, den Reim, durch Töne, durch Musik.

    Bei Paul Sawitzki finden sich ähnliche, allerdings knappere, Reflexionen über seine Kunst, die darauf schließen lassen, dass zwischen dem Professor und seinem Meisterschüler die Chemie gestimmt hat. Ich zitiere sie vor allem deshalb, weil sie aufschlussreich für seine künstlerische Denk- und Arbeitsweise sind und so eine kleine Hilfe beim Betrachten seiner Werke sein können.

    „Sich von Detail zu Detail das Ganze zu erobern versuchen; das Auge erfasst nur in seltenen Augenblicken >das Ganze< auf 1x.“

    Zeichnen - das auf Linien reduzierte Denken;
    Malen - das auf Farben reduzierte Denken;
    Schreiben - das auf Worte reduzierte Denken.

    Manchmal kann ich allerdings eine Beobachtung besser zeichnen, malen oder fotografieren.
    Gedanken mit der Sprache formulieren ist naheliegend.

    Keine Literatur machen
    Das Niederschreiben von Gedanken und Beobachtungen ist für mich lebenswichtig.
    Ich kann einen Gedanken mit Sätzen schneller formulieren als mit dem Zeichenstift, der Farbe...

    Der spitze Stift, war sein wichtigstes Werkzeug, um das, was er sorgfältig beobachtete, als Skizze oder Notiz schnell zu Papier zu bringen, und – wenn nötig – weiterzubearbeiten. Seine sinnlichen Wahrnehmungen in der Natur erscheinen dann wie gezeichnete oder gemalte Poesie, denen er oft den knappen Text eines „reduzierten Gedankens“ hinzufügt. Seinen politischen Wahrnehmungen von Missständen im gesellschaftlichen Alltag gibt er hingegen immer eine plakativ-agressive Form, oft in einer dialektischen Spannung von Bild und Text.

pito
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Beitrag von pito »

  • IV.
    Die 1970er Jahre waren wohl Paul Sawitzkis produktivste und kreativste Phase. Auf mehreren Auslandsreisen gewann er neue Eindrücke, Erkenntnisse, Einsichten und Erfahrungen, die er künstlerisch verarbeitete. Er beteiligte sich an Ausstellungen, brachte sich in die Gelsenkirchener Kunstszene ein und meldete sich auch in der Kommunalpolitik engagiert zu Wort. Er gehörte zu den Gründern der Partei „Die Grünen“ in Gelsenkirchen. Vor allem aber entwickelte er sich zu einer „Kunstfigur“, die alles, was Natur und Kultur zu bieten hatten, künstlerisch verwertete und kreativ formte, umformte und verformte. Er beherrschte viele Techniken, die er bei Bedarf miteinander kombinierte: Skizzen, Texte, Fotos, Aquarelle, Gouachen, Grafiken, Zeichnungen, Collagen, Objekte, Installationen und – Happenings, in denen er sich – fernab von Eitelkeiten – selbst inszenierte und, wenn es sein musste, auch den Narren spielte. Mit Anagrammen, dem Austauschen von einzelnen Buchstaben eines Wortes gab er Denkanstösse, wie „Fisch – Schiff“, „Hausbesitzer – Hausbesetzer“, „Uhr – Ruh“, „Liebesfurcht – Leibesfrucht“ und schließlich „USA – SAU – AUS“. Seine politischen Bilder sind vor allem „Gegenbilder“ zur medienvermittelten Welt des schönen Scheins, um mit ihnen die Öffentlichkeit zu konfrontieren und zu provozieren. Seine Spontaneität war beliebt, sein Zorn gefürchtet. Bei ihm war man vor Überraschungen nicht sicher. Langweilig war es mit ihm nie. Gewiss, manchmal war er nur schwer zu ertragen. Aber das wurde und wird durch die Beschäftigung mit seiner Kunst allemal wieder wett gemacht.

    1975 gründete Paul Sawitzki und Heiko Richter und anderen in der Hagenstraße das alternative Kulturzentrum „Mantelfabrik“. Angeregt von den „Baracken“ des Grillo-Gymnasiums, wo der Kunsterzieher Johannes Stüttgen eine Revier-Filiale der von seinem Lehrer Joseph Beuys erfundenen „Free International University“ (FIU) eingerichtet hatte, entwickelte sich die „Mantelfabrik“ bald zu einem kleinen „Utopia der Kunst“, einem „Kraftwerk für Kreativität“. In diesen Räumen war Paul Sawitzki Zuhause und in seinem Element. Hier wohnte und arbeitete er. Hier fanden die verschiedenen Gruppen der neuen Bewegungen für ihre sozialen und kulturellen Initiativen ein Forum. Es stand jedem, der mitmachen wollte. Hier hatten das „Küchentheater“ und die Rockgruppe „Salinos“ ihre Wurzeln. Kreative und produktive Teilhabe aller war die Voraussetzung für ein demokratisches Kunstwirken.

    1976 erhielt Paul Sawitzki den Förderpreis für bildende Kunst, ein Stipendium, mit dem die Stadt Nachwuchstalente förderte. Es war immerhin eine, wenn auch bescheidene, öffentliche Anerkennung.

    Es hätte seine beste Zeit werden können, wäre er nicht 1978 schwer erkrankt. Bis 1980 musste er mehrere lange Krankenhausaufenthalte erleiden und erdulden. Auch seine Krankheit verkraftete er, indem er sie künstlerisch verarbeitete – mit Zeichnen, Schreiben, Denken.

    Als er dann wieder einigermaßen auf den Beinen war, kandidierten er und Johannes Stüttgen für „Die Grünen“ 1980 bei den Bundestagswahlen.

    1980 schien es endlich eine berufliche Perspektive zu geben, als er am Grillo-Gymnasium die Nachfolge von Johannes Stüttgen antreten konnte und als Kunsterzieher angestellt wurde.

    Doch schon ein Jahr später wurde er aus dem Schuldienst entlassen. Das Schulkollegium in Münster hatte seinen Vertrag wegen der „Marktlage“ – sinkender Bedarf für Kunsterzieher – nicht mehr verlängert. Sein Widerspruch und weitere Interventionen von dritter Seite scheiterten an der Stellenplanarithmetik. Auch die kultur- und bildungspolitischen Argumente der Kommune ließ das Land als Arbeitgeber nicht gelten. Es beharrte auf seiner administrativen Position, der „eindeutige Rechtslage“. Dieser Rausschmiss blieb nicht der letzte. Es sollte noch schlimmer kommen.


    V.
    1982 verlor Paul Sawitzki auch die elementare Basis seiner künstlerischen Existenz. Der Abriss der „Mantelfabrik“ war für ihn nicht nur im übertragenen Sinne ein Stich ins Herz. Davon hat er sich nicht mehr richtig erholt. Er machte zwar mit seinem Freund Heiko Richter weiter, aber doch nur irgendwie, denn ihm und vielen anderen war das Fundament zur Realisierung eigener Ideen entzogen worden. Ein Freiraum nichtkommerzieller, kultureller Urbanität war im Stadtnorden ersatzlos verschwunden. Es war aber auch ein schmerzhafter Verlust für die „freie Kulturszene“ in der ganzen Stadt, zumal ein Jahr später, 1983 auch noch das 1977 eröffnete städtische Jugendzentrum „Pappschachtel“ in Buer abbrannte, auch dafür gab es keinen Ersatz.

    Paul Sawitzki wurde wieder krank. Trotz alledem kämpfte er weiter für seine Ideen. Wenn ich ihm hier in der „werkstatt“ gelegentlich begegnete, schienen sein rebellischer Geist hellwach und seine Streitlust ungebrochen zu sein. Aber ich spürte auch, dass es ihm nicht gut ging.

    Am 13. März 1985, es war an einem Mittwochabend, erlebte ich ihn im Museum zum letzten Mal so, wie ich ihn kannte. Der Kunstverein hatte den Publizisten Lothar Romain zu einem Vortrag über die gesellschaftliche Funktion von Kunst und Künstler eingeladen. In der Diskussion meldete sich Paul Sawitzki als erster zu Wort und mischte sich wie gewohnt engagiert und temperamentvoll ein. Denn es ging schließlich um „sein Thema“. Danach setzte er sich wieder auf seinen Platz. Während der Referent antwortete, sackte Paul Sawitzki plötzlich zusammen, sein Körper fiel vom Stuhl. Er war tot.


    VI.
    Was bleibt von einem Leben, das nach nur 46 Jahren zu Ende gegangen ist? Seit dem Tod sind fast 25 Jahre vergangen. Was wäre wenn, ist eine müßige Frage. Freunde, die ihm nahestanden, werden sich nostalgisch an ihn erinnern und manche Anekdote erzählen können. Aber das wird seiner Persönlichkeit und seiner Arbeit nicht gerecht. Denn er wollte mit seinen künstlerischen Mitteln und durch das Vorleben seiner künstlerischen Existenz „die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringen“.

    Was bleibt? Der Philosoph Ludwig Hohl, hat einmal geschrieben: „Nicht die Uhr misst die Länge eines Lebens; sondern das, was drin war.“ Wir sollten uns diesen Gedanken zu eigen machen und prüfen, was im Werk von Paul Sawitzki für uns heute noch „drinsteckt“. Das gilt erst recht in einer Zeit, in der Kunst und Kultur von Staat und Wirtschaft für ihre Zwecke okkupiert und instrumentalisiert werden, sei es zur Repräsentation von Staats- und Reichtumsmacht oder zur ausschließlich ökonomischen Verwertung nach den „Gesetzen des Marktes“. Nicht besser ergeht es dem auklärerischen emanzipatorischen Begriff „Kreativität“, der sich inzwischen bei den Führungseliten in Staat und Gesellschaft darauf reduziert, wie man möglichst schnell und unauffällig, an das Geld anderer Leute kommen kann, statt die Kreativität jedes einzelnen durch Bildung zu wecken und zur Entfaltung zu bringen.

    Ich bin davon überzeugt, dass sowohl das „Kunstwirken“ von Paul Sawitzki als auch sein „Politisches Kunst- und Künstlerverständnis“ heute noch Bestand hat und tragfähig ist. Denkbar und möglich wäre eine zivilgesellschaftlich organisierte Kulturarbeit mit den produktiven und kreativen Potenzialen auf lokaler und vielleicht auch auf regionaler Ebene nach dem Vorbild der „Mantelfabrik“, nämlich initiativ zu werden und kreativ die Belange von Kunst und Kultur selbst in die Hand zu nehmen.

    Das dreiteilige „Sawitzki-Projekt“ der „werkstatt“ mit Ausstellung, Lesung, Diskussion ist dafür ein gutes Zeichen. So könnte, so sollte es weitergehen, damit auch weiterhin die Erinnerung an Paul Sawitzkis in der Hagenstraße lebendig bleibt, um in seinem Sinne „die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen“. Dazu möchte ich Sie, lieber Wolfgang Ullrich, und ebenso Sie, meine Damen und Herren, die Sie mir geduldig zu gehört haben, mit einem alten Szene-Spruch ermuntern, der auch von Paul Sawitzki hätte stammen können: „Ich beziehe meine Energie aus dem Strom, gegen den ich schwimme.“

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Beitrag von kwitsche »

Peter Rose
Nicht besser ergeht es dem aufklärerischen emanzipatorischen Begriff „Kreativität“, der sich inzwischen bei den Führungseliten in Staat und Gesellschaft darauf reduziert, wie man möglichst schnell und unauffällig, an das Geld anderer Leute kommen kann, statt die Kreativität jedes einzelnen durch Bildung zu wecken und zur Entfaltung zu bringen.

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