Joseph Beuys in Gelsenkirchen

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Gefallen mir, die Aussagen. Nehme morgen nochmal das Wort.
Gute Nacht
Rabe

Jazzam
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Bin schon sehr gespannt !

Beitrag von Jazzam »

Auch Gute Nacht!

pito
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Re: L'art pour vivre

Beitrag von pito »

Jazzam hat geschrieben:Das Wesen der Kunst ist von der Seele und den Sinnen des Menschen nicht zu trennen. Sie ist ja keine autonome Schöpfung, die sich selbst generiert.
Genau! Manche behaupten allerdings das Gegenteil, die Kunst sei irgendein höherer Wert und als solcher immer gleich, auch wenn gerade gar keiner hinguckt. Ich glaube das nicht. Die Kunst passiert allein in der Betrachtung durch ein Wesen. Ohne Betrachter (=Künstler) keine Kunst.

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

@pito:
Ohne Betrachter (=Künstler) keine Kunst.
Ganz und gar neeeee! Da siehst Du die Reihenfolge und die Grundlage "Kunst" nicht:
Der Künstler ist der Ursprung des Werkes. Das Werk ist der Ursprung des Künstlers. Keines ist ohne das andere. Gleichwohl trägt auch keines der beiden allein das andere. Künstler und Werk sind je in sich und in ihrem Wechselbezug durch ein Drittes, welches das erste ist, durch jenes nämlich, von woher Künstler und Kunstwerk ihren Namen haben, durch die Kunst.

Martin Heidegger
"Künstler" kommt von Kunst, nicht umgekehrt. Das gelungene Kunstwerk erst macht den Künstler zu einem solchen, aber auch umgekehrt und in beidem wirkt die Kraft der Kunst.. Das ist doch logisch.

Jazzam
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Und nun?

Beitrag von Jazzam »

Gerne hätte ich von den an dieser Stelle divergierenden Herren noch ein Statement zur Gegenwartskunst und möglicherweise das Thema von gestern Abend noch einmal aufgegriffen..

pito
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Beitrag von pito »

@Heidegger: Heilige Dreifaltigkeit?

@Rabe: Wir divergieren hier tatsächlich. Die Position, die du vorträgst, klingt in meinen Ohren romantisch verklärend.

Die Kunst ist kein Wesen an sich. Ein Bild ist nur Farbe auf einem Stück Stoff. Eine Skulptur ist nur ein verformter Stein (Metall, Holz, Gips etc). Nichts weiter. Es braucht ein Wesen, dass darin Kunst sieht, sonst ist da nichts. Wenn ich Betrachter und Künstler gleichsetze, meine ich damit, dass es keinen Unterschied macht, ob ich aktiv ein Kunstwerk schaffe oder "nur" irgendetwas betrachte, denn dabei ensteht in meinem Kopf ein künstlerischer Eindruck. Ich bin also auch als Betrachter aktiver Künstler. So erklärt sich für mich der Satz: "Jeder Mensch ist ein Künstler".
Rabe hat geschrieben:"Künstler" kommt von Kunst, nicht umgekehrt.
Nö. Die Kunst kommt vom Künstler! Wenn ein Künstler (und das ist ja ohnehin schon jeder ;-)) eine neue Bildidee entwickelt, dann kommt sie von ihm. Er kann sich zwar von der Kunst anderer inspirieren lassen, doch was er neu schafft, war vor ihm nicht vorhanden.
Jazzam hat geschrieben:... das Thema von gestern Abend noch einmal aufgegriffen..
Öhm, äh, was war denn das noch gleich? :lol:
Zuletzt geändert von pito am 31.01.2009, 23:54, insgesamt 1-mal geändert.

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Ich will mich bemühen, was zu sagen, aber bin heute nicht so engagiert:


Jazzam hat Folgendes geschrieben:
Rebellisch kann man ja verniedlichend für revolutionär einsetzen. Oder auch etwas abschätzig anwenden.

Rebellisch ist ja wertend, von außen, nein, mein Kunstansatz wird vielmehr von dem Gedanken getragen, dass die Künstler sich, ohne zu wissen, dass ihre Werke einmal viel wert sein und der Kontemplation dienen würden, mit der aktuellen Kunstrichtung, die in Akademien etc. gelehrt und als "schön" verkauft wurde, auseinandersetzten, sie in Frage stellten.

Sie haben sicher nicht immer eine l'Art Nouveau im Kopf gehabt, sie haben in der Gegenwartskunst keine Antwort gefunden, auf die Fragen, die ihnen das Leben gestellt hat, sie haben die neuen Einflüsse, die aus dem außereuropäischen Ausland kamen in der Kunst nicht gefunden, sie wollten etwas neues ausprobieren..........

Das wäre mein Ansatz - nicht das Neue um das Neue willen, sondern der Ausdruck dessen, was meine Umwelt in mir hervorruft.
"Was meine Umwelt in mir hervorruft": Vorsicht, damit scheint eher ein Automatismus verbunden zu sein, wenn mans so sagt.

Ich schätze Stimmungen sehr hoch ein, ja eigentlich ist die Stimmung im Sinne des Gestimmtseins (vgl. Instrument) für mich das Wesentliche. Heideggers formuliert diese Wertschätzung des Gestimmtseins so:
Ich zitierte in einem Brief 1993 Heideggerdiesbezüglich:
In “Sein und Zeit” wird das Dasein von einer weiteren Seite als Befindlichkei bedacht (SuZ §§ 29, 30, 40), als Stimmung und Gestimmtheit, also hinsichtlich des Gefühls verankert. Dabei sei vorausgeschickt, daß das Gefühl nichts sei, was nur im “Innern” sich abspielt, sondern “das Gefühl ist jene Grundart unseres Daseins, kraft deren und gemäß der wir immer schon über uns weggehoben sind in das so und so uns angehende und nicht angehende Seiende im Ganzen. Stimmung ist (...) zuerst ein so und so Be-stimmen- und Stimmenlassen in der Stimmung. Die Stimmung ist gerade die Grundart, wie wir außerhalb unserer selbst sind. So aber sind wir wesenhaft und stets” (M.H., Nietzsche Bd.1, 118).
Meinen gesamten Brief findet man hier:
http://www.zweitseele.de/Ein_Brief/ein_brief.html

Und zum Gefühl schreibt Heidegger weiter:



Das Gefühl ist selbst dieser ihm selbst offene Zustand, in dem unser Dasein schwingt. Der Mensch ist nicht ein denkendes Wesen, das auch noch will, wobei dann außerdem zu Denken und Wollen Gefühle hinzukommen, sei es zur Verschönerung oder Verhäßlichung, sondern die Zuständlichkeit des Gefühls ist das Ursprüngliche, aber so, daß zu ihm Denken und Wollen mitgehören.



Martin Heidegger, Nietzsche I
Das empfinde ich als künstlerische rebellische Situation HEUTE:

Aus dem Gestimmtsein leben und schaffen, ganz in diesem Gefühl sein (zu dem dann noch Denken und Wollen s.o. hinzukommen). Dies mag total romantisch sein, aber ich bin der Auffassung das heute eine romantische Lebensauffassung durchaus revolutionär sein kann.

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Wie existentiell wichtig die STIMMUNG ist, kann sich jeder erarbeiten anhand folgender Literatur (um mal ein Thema richtig zu vertiefen)

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:wink: Rabe

Jazzam
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Romantische Revolutionäre

Beitrag von Jazzam »

Romantische Revolutionäre,

ist das nicht fast schon eine Tautologie ;-)


R - Evolution.............

Habe gerade bei google Bilder von Tschernobyl - Kindern gesehen - da braucht man keinen Horrorfilm mehr schauen -

wollte eigentlich auf der Weltkarte mir einen schönen Platz zum Leben aussuchen, aber irgendetwas ließ mich den Namen Tschernobyl eingeben und da sah ich dann Tschernobyl von oben und dann kamen die andern Bilder von den Kindern ohne Gliedmaßen oder mit Füßen so riesig wie ein Ball.-

Da dachte ich an unser Gespräch von gestern Abend über den Fort (vom Menschen weg) - schritt und den Preis, der dafür gezahlt wird.

Man muss einmal gründlich nachdenken, was, bei unserem nunmehr angesammelten Wissen und bei dem Wissen um unser Nichtwissen, noch möglich und sinnvoll ist.

In der Kunst und überhaupt.

Mit der Umwelt meinte, ich, dass ich die Wirkung und das Wirken der Umwelt wahrnehme und verarbeite.

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Man muss einmal gründlich nachdenken, was, bei unserem nunmehr angesammelten Wissen und bei dem Wissen um unser Nichtwissen, noch möglich und sinnvoll ist.
Alles ist möglich. Aber was ist das Richtige? Was ist sinnvoll, in einer Zeit des geschundenen Menschen, der geschundenen Kreatur?

Eine menschengemäße Welt zu schaffen ist sinnvoll.

Wenn man eine solche schaffen möchte, muß man den wesentlichen Begriff vom Menschen haben. Deshalb habe ich hier so extensiv vom Gefühl und von der Stimmung gesprochen, um ein anderes Menschenbild zu akzentuieren, ein künstlerisches nämlich, als das primär rationale Verstandeswesen des Menschen.

Welche Kritik ist doch möglich auch hinsichtlich der Evironments (z.B. Architektur) des Menschen, wenn sein "Gestimmtsein" als etwas Wesentliches angesetzt wird.

"Die Welt muß poetisiert werden" (Novalis) meint nichts anderes. :shock:

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Bild

Betrachten wir die inhumane Betonarchitektur. Warum inhuman? Weil diese Umweltgestaltung dem Wesen des Menschen als einem fühlenden und gestimmten Wesen keine Chance gibt. Höchstens im Negativen. Sie ist meist eine rationale Konstruktion gegen den Menschen.

Jazzam
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WIRKUNG

Beitrag von Jazzam »

rabe489 hat geschrieben:
"Die Welt muß poetisiert werden" (Novalis) meint nichts anderes. :shock:
Novalis ist ja nun schon eine Weile her.....und, was konnte seit Novalis getan werden?

Im anderen thread über die Ordensschwestern ging es ja um etwas artverwandtes.....


nur diese Menschen heilen Wunden, die (abgesehen von Krankheiten) andere gerissen haben und sie schaffen "nur" das -sie stopfen Löcher, die andere durch Fehlverhalten verursachen.

Wo aber ist die Wirkung, die wirkt, die quasi universalmenschlich eingesetzt werden kann?

Nicht alle Menschen wollen natürlich eine universelle Behandlung -

der Tod schaffts zwar immer noch, aber auch ihm wird versucht, das Wasser abzugraben.---

zurück zur Kunst und zu einem Verhaltenskodex für das 21. Jahrhundert.

Man ist ja kein Messias, aber etwas ähnliches wie die raumgreifende Bewegung des Christentums könnte die Menschheit schon gebrauchen, nur vielleicht nicht noch eine religiöse Richtung, sondern eine anthropologische.

Ich würde gerne von theoretischen Überlegungen und Hirngespinsten, die ja auch ein kreatives Potenzial beinhalten, zu einer praktischen Umsetzung gelangen.

Beuys hatte für mich in dieser Hinsicht eine Anschaulichkeit vermittelt, die vielleicht auf den ersten Blick nicht leicht zu durchschauen ist, aber doch einiges sehr plausibles enthält.

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Beitrag von rabe489 »

Jazzam:
Wo aber ist die Wirkung, die wirkt, die quasi universalmenschlich eingesetzt werden kann?

Ich denke, so wie Wirkung Käthe Kollwitz angesetzt hat, nämlich konventionell sozialistisch, Geht es nicht:
Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken
in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. (Käthe Kollwitz)
Beuys hat den Begriff der "Sozialen Plastik" entwickelt, auf dessen Grundlage sich das Wirkungsfeld des kreativen Menschen entfalten soll.

Den komplexen Begriff der "Sozialen Plastik" kann ich und will ich hier nicht verkürzt erläutern. Siehe z. B. hier dazu: http://www.soziale-plastik.org/
Zuletzt geändert von rabe489 am 01.02.2009, 01:02, insgesamt 1-mal geändert.

Jazzam
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Architektur

Beitrag von Jazzam »

zur Betonarchitektur:

vor ungefähr 15 Jahren habe ich mich intensiv mit der Geschichte des Bauhaus beschäftigt, zeitgleich führte mich mein Studium im Fach Osteurop. Studien an die Kunst des neu entstandenen Sowjetstaats der 1920er Jahre -
ich war begeistert-

ich mochte die Ausführungen Ittens, der von der Distel zum Bauhaus überleitete, mich faszinierte die Plakativität der russischen Avantgarde.-

Ja.
Jetzt ist das vorbei.

Ich fühle mich in diesen Gebäuden nicht mehr wohl, in allem rieche ich eine Menschenfeindlichkeit.

Ich weiß nicht, warum sich das so entwickelt hat.-

Wahrscheinlich ein natürlicher Prozess.......

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Beitrag von rabe489 »

Beton traf auf Profitwirtschaft. Das war's dann.

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