Schalke und die Meineide

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Schalke und die Meineide

Beitrag von Verwaltung »

Deutsche Welle hat geschrieben:
6.6.1971: Bundesliga-Skandal

Die Sommerpartie des Offenbacher Südfrüchtehändlers Horst Gregorio Canellas anlässlich seines 50. Geburtstages am 6. Juni 1971 war von südländisch lockerer Atmosphäre geprägt, bis der Hausherr seinen Gästen plötzlich ein Tonband vorspielte. Unmissverständlich war zu hören, dass in der Saison-Schlussphase Spielergebnisse manipuliert, dass Spieler bestochen worden waren und folglich der Kampf gegen den Abstieg irregulär verlaufen war.

Versteinerte Minen, eisiges Schweigen - die Fußball-Bundesliga stand am Ende ihrer achten Spielzeit vor dem Abgrund. Horst Gregorio Canellas, der Präsident der Offenbacher Kickers, deren Abstieg aus der Elite-Liga Tags zuvor besiegelt worden war, bewies: Der Gewinn eines Meistertitels, die Verhinderung des Abstiegs oder die Verbannung in die Zweitklassigkeit sind nicht mehr das Ergebnis guten oder laschen Trainings, cleverer oder dümmlicher Taktik, oder unkalkulierbaren Glücks oder Pechs.

Männer, die mit Banknoten gefüllten Koffern durch die Fußball-Lande gereist waren, einzelne Spieler und ganze Mannschaften bestachen und Spielausgänge manipulierten, hatten der Fußball-Bundesliga ihre sportliche Unschuld genommen. Es gab sportliche Verlierer eines schmutzigen Geschäfts, in das nachweisbar 500.000 Mark gebuttert wurden. Auch der Canellas Klub Kickers Offenbach mischte mit. Ihren 2:1-Sieg über den FC Schalke 04 am 22. Mai 1971 in der alten Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn erkauften sich die Offenbacher mit 100.000 Mark.

Auch deshalb wurde dem Verein die Bundesliga-Lizenz entzogen. Später entlarvte und verbannte man auch noch Arminia Bielefeld. Den Arminen war in der Skandalsaison ihr 1:0-Sieg in Schalke 40.000 Mark wert - vergleichsweise lächerliche 2300 Mark für jeden Schalker Spieler.

Den größten Verlust erlitt allerdings die Masse der Fußballanhänger. Dass in Wirtschaft und Politik unsaubere Machenschaften praktiziert wurden, daran hatte man sich bereits gewöhnt, nun aber ging die vermeintlich letzte Insel der Reinheit unter, für die viele Fans Woche für Woche Taschengeld und Emotionen hergegeben hatten.

Insgesamt 52 Spieler, darunter sogar zwölf Nationalspieler, sechs Funktionäre und zwei Trainer waren in die Manipulationen verstrickt. Mit 'eisernem Besen' versuchte der sogenannte Chefankläger des Deutschen Fußball- Bundes, den Saustall auszumisten.

Hans Kindermann verhängte gegen die größten Sünder sogar lebenslange Sperren - was für einen Fußballprofi Berufsverbot und Erwerbslosigkeit bedeutete.

Kritische Beobachter des Reinigungsprozesses sahen in der Radikalität, mit der erwischte Sünder durch die interne Sportgerichtsbarkeit bestraft wurden, letztlich sogar den Grund dafür, dass sich die komplette Aufklärung des Skandals viereinhalb Jahre hinzog. Vor allem beim FC Schalke 04 wurde ein Bündnis geschmiedet, dass von der panischen Angst vor der abgründigen Tiefe des Bestechungssumpfs zusammengehalten wurde.

Erst als sich ordentliche Gerichte mit der Angelegenheit beschäftigten, brach das Lügengebäude in einem spektakulären Meineids-Verfahren vor dem Essener Landgericht zusammen. Anstelle von Haftstrafen, die der Gesetzgeber normalerweise für Meineide vorgesehen hat, wurden die Betrüger und Lügner viereinhalb Jahre nach dem Skandal nur mit Geldbußen belegt.

Zählten am Ende auch die Richter zu jenen Fußball-Freunden, für die Vergeben und Vergessen wichtig ist, damit ihr Vergnügen möglichst ungetrübt bleibt? Wer wollte auch noch etwas von Bestechungen und Skandalen hören, nachdem man inzwischen Deutschlands zweiten Weltmeistertitel 1974 bejubelt hatte?

Deshalb war es nur folgerichtig, Spielern wie Rolf Rüssmann und Klaus Fischer, die sich lange einer Aufklärung des Skandals widersetzt hatten, Jahre später sogar das Nationaltrikot überzustreifen. Es liegt wohl in der Natur des Rasensports Fußball, dass schon nach kurzer Zeit über alles wieder Gras wächst.

Autor: Hanspeter Detmer
Quelle:
http://www.kalenderblatt.de/index.php?w ... 6-xml-mrss



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Detlef Aghte
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Beitrag von Detlef Aghte »

Die verwaltung schrieb, bzw. die Deutsche Welle:

Auch der Canellas Klub Kickers Offenbach mischte mit. Ihren 2:1-Sieg über den FC Schalke 04 am 22. Mai 1971 in der alten Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn erkauften sich die Offenbacher mit 100.000 Mark.


das ist mir neu, Schalker Spieler wurden nur wegen dem Bielefeld-Spiel bestraft
detlef
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Beitrag von Verwaltung »

Detlef Aghte hat geschrieben:das ist mir neu, Schalker Spieler wurden nur wegen dem Bielefeld-Spiel bestraft
detlef
Muss ja auch nicht stimmen. Nie ausschliessen, dass da wer von wem abgeschrieben hat, statt zu recherchieren.

Selber nachschauen.. :wink: und dann hier mitteilen. 8)

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Detlef Aghte
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Beitrag von Detlef Aghte »

Das Spiel wurde verloren, das ist richtig,aber wir haben kürzlich auch gegen den KSC zuhause verloren.Ab und Zu gehen heimspiele nu mal verloren.Ich denke,das canellas es behauptet hat.
Wenndie Spieler allerdings von denen und von denen Geld genommen hätten ,wäre das ja für niemanden von vorteil gewesen :wink: sie sind beide abgestiegen
Das wäre dann nochmal ne andere Form von Betrug
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immers04
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Beitrag von immers04 »

Detlef Aghte hat geschrieben:Die verwaltung schrieb, bzw. die Deutsche Welle:

Auch der Canellas Klub Kickers Offenbach mischte mit. Ihren 2:1-Sieg über den FC Schalke 04 am 22. Mai 1971 in der alten Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn erkauften sich die Offenbacher mit 100.000 Mark.


das ist mir neu, Schalker Spieler wurden nur wegen dem Bielefeld-Spiel bestraft
detlef
Das stimmt, bestraft wurden sie nur wegen der Bielefeld-Sache und wegen der Meineide.

Das Offenbach-Spiel war allerdings mit Sicherheit manipuliert. Mir ist das Spiel unvergeßlich, weil es so offensichtlich verschoben war, daß sie sich auch wenig Mühe gaben, das zu verbergen. Ich habe das Spiel auf der überdachten Stehtribüne gesehen und alle um mich herum hatten den gleichen Eindruck. Bereits in der ersten Halbzeit gab's "Aufhören-" und "Schiebung-"Rufe und das Schalker Spiel war ein einziges Herumgestolpere.

Im Vergleich dazu war die Bielefeld-Schiebung schon intelligent, man erinnere nur Rüssmanns künstlichen Ärger nach Roggensacks entscheidendem Tor.

Daß der DFB die Sache offiziell verfolgt hätte ist mir allerdings neu. Und 100.000 DM ein anderes Kaliber als die 40.000 DM vom Bielefeld-Spiel. Aber da war die Saison schon weiter fortgeschritten und der Druck größer, Punkte zu "sammeln"...
Ich möchte mal sagen können: Daß ich das noch erleben darf!

erloeser
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FC Meineid

Beitrag von erloeser »

FC Meineid

Für eine Handvoll Dollar... the good, the ugly and the bad of fc schalke 04

Der Name Robert Hoyzer ist wahrscheinlich noch jedem in Erinnerung. Der Unparteiische verpfiff sich gelegentlich und nahm so Einfluss auf die Ergebnisse von Fussballspielen. Auf diese Weise ermöglichte er Teilnehmern an Sportwetten Gewinne, für die er als Gegenleistung Sach- und Geldbezüge bekam. Die als "Fussballwettskandal 2005" in die Geschichte eingegangene Ereignisse, führten zu einer lebenslangen Sperre des Fussballschiedsrichters und einer Haftstrasse von zwei Jahren und fünf Monaten, ausgesprochen am 17. November 2005 vom Landgericht Berlin bestätigt am 28. November 2006 vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Leipzig.

Bild


Wie seht ihr das? Ist eine so harte Bestrafung von Spielmanipulationen ok und das Strafmass gerechtfertigt oder sollte man bei Hoyzer besser Gnade vor Recht ergehen lassen?

Ich stelle diese Frage nicht ohne Grund in diesem Forum, weil ein Grossteil der Spitzenspieler des FC Schalke 04 der 70er Jahre, an die diverse Themenstränge in den Gelsenkirchener Geschichten erinnern, durch Bestechlichkeit, Lügen bis hin zum Meineid mit dafür verantwortlich waren, dass der Fussball in Deutschland kurz vor der Weltmeisterschaft 1974 einen negativen Beigeschmack bekam. Während sich die Hoyzerafäre national begrenzt hielt, schaute zu Beginn der 70er die ganze Welt auf den künftigen Gastgeber dieses grössten Internationalen Sportspektakels...

Ich möchte Euch an dieser Stelle einladen, zu einer Reise in das schmierige Kapitel des FC Schalke 04, über das es sich nicht lohnt, ein ganzes Buch zu schreiben, an das aber trotzdem erinnert werden soll. Zwischen Blau und Weiss liegt nämlich nicht nur grau, sondern auch so mancher Koffer mit Schmiergeld und Lügengeschichten.
Folgt mir in das Ende der Bundesligasaison 1970/71, zu den Ereignissen, die als Bundesligaskandal in die Geschichte des Deutschen Fussballs eingegangen sind und den Fall Robert Hoyzer um einiges in den Schatten stellen.


Das Spielende der Saison 1970/71

Die Deutsche Fussballmeisterschaft 1970/71 ist bis zum letzten Spieltag spannend. Die beiden, die Saison bestimmenden Mannschaften, Borussia Mönchengladbach und FC Bayern München liegen punktgleich auf, die Borrusia gewinnt schliesslich mit 4:1 gegen Eintracht Frankfurt, während die Bayern 2:0 gegen den MSV Duisburg verlieren. Mönchengladbach wird zum zweiten mal Deutscher Fussballmeister. Schalke beendet die Saison auf Platz 6.

Die Tabelle zu Saisonende:
http://www.sport-finden.de/tabellen/bun ... 1_34.shtml

Viel interessanter als der Kampf um die Meisterschale ist in diesem Jahr allerdings der Kampf im Tabellenkeller um den Abstieg in die 2. Liga. Während Rot-Weiss Essen als Absteiger feststeht, müssen Dortmund, Bielefeld, Frankfurt, Oberhausen und Offenbach am letzten Spieltag noch einmal um den Klassenerhalt kämpfen, wie man aus der Tabelle erechnen kann (Damals war die Bundesliga etwas anders strukturiert als heute. Für einen Sieg gab es nur 2 Punkte und abgestiegen sind nur die letzten beiden Vereine der Tabelle). Letztendlich verliert Kickers Offenbach das Rennen durch eine 2:4 Niederlage in Köln. Nachdem Oberhausen schon zwei Wochen vorher mit einem Auswärtssieg beim 1. FC Köln wichtige Punkte im Abstiegskampf erlangte, rettete sich der Ruhrgebietsverein am letzten Spieltag mit einem 1:1 Unentschieden gegen Braunschweig noch so gerade eben auf Platz 16. Frankfurt landete auf Platz 15, Dortmund auf der 13. Kurrios am letzten Spieltag war das Spiel Arminia Bielefeld gegen Herta BSC Berlin. Die Berliner, die letzendlich auf Platz 3 landeten, hatten während der gesammten Saison keine einzige Heimniederlage hinnehmen müssen und verloren am letzen Spieltag dann doch noch zuhause und zwar gegen einen Abstiegskandidaten. Bielefeld landete auf Platz 14, letztendlich durch zwei wichtige Auswärtssiege. Den gegen die Herta und durch Schalkes 0:1 Schlappe am 17. April....


Soviel erst mal zum Tabellenendstand am 5. Juni 1971

Das Auffliegen des Bundesligaskandals

Szenenwechsel nach Offenburg am Main. Dort findet einen Tag später am 6. Juni eine Gartenparty bei einem Blumen- und Gemüsegrosshändler statt. Geladen sind neben Freunden auch Sportjournalisten und grössen des Deutschen Fussballs wie der Bundestrainer Helmut Schön. Horst Gregorio Canellas gibt sich die Ehre und feiert seinen 50. Geburtstag... Obwohl: Feiern ist übertrieben. Einen Grund zu feiern gibt es eigentlich nicht, denn Canellas ist nicht nur Blumenhändler sondern auch der Präsident bei Kickers Offenbach, die seit dem gestrigen Tage wieder in der 2 Bundesliga spielen müssen. Und so läßt er als Höhepunkt seiner Party eine Bombe platzen, die das Fussball begeisterte deutsche Publikum bis zur Weltmeisterschaft 1974 irritieren und teilweise sogar von ihrem Lieblingssport abwenden sollte.

Bild
(Horst Gregorio Canellas)

Zur Mittagszeit lässt Canellas dann ein Tonbandgerät aufstellen und spielt den Gästen seiner Grillparty heimlich mitgeschnittene Telefonate vor, u.a. mit den Bundeligaspielern Bernd Patzke und Tasso Wild von Herta BSC und Manfred Manglitz vom 1. FC Köln, aus denen hervorging, dass Manglitz für den Sieg Kölns über Essen 25.000 DM erhalten hat und dieser 100.000 DM von Canellas für eine Niederlage seines Vereins gegen Offenbach fordert. Die Telefonate mit den beiden Hertaspielern dokumentieren sogar Forderungen von 140.000 DM an Canellas für entsprechende Spielmanipulationen. Canellas war ein schlechter Verlierer...

Der Skandal war perfekt, und das nur einen Tag nach Abschluss der laufenden Bundesligasaison. Die anwesenden Journalisten brachten eine Berichterstattung in Gang, die das alljährliche Sommerloch in den Medien über Wochen stopfen sollte. Täglich wurden neue Gerüchte und Enthüllungen bekannt.

Der DFB reagierte, indem er Hans Kindermann, seinerzeit Richter am Stuttgarter Landgericht und Vorsitzender im DFB Kontrollausschuss, mit den Ermittlungen beauftragte und auch wenn diese noch Jahre dauern sollten, kam es bereits Ende Juli 1971 in Frankfurt zu den ersten Urteilen: Patzge wurde für 10 Jahre gesperrt, Wild und Manglitz sogar lebenslang. Letzterer wurde darüber hinaus noch zu einer Geldstrafe von 25.000 DM verurteilt.

Bild
(Chefermittler Hans Kindermann)

Horst Gregorio Canellas hatte sich mit der Tonbandenthüllung ins eigene Fleisch geschnitten. Seine Kicker wurden in die Regionalliga verbannt und für 2 Jahre die Lizenz entzogen. Ihm selber wurde es untersagt jemals wieder ein Amt innerhalb einer DFB Organisation zu bekleiden.

Die Ermittlungen gehen indes weiter. Alles in allem lassen sich 18 Bundesligapartien als gekauft nachweisen. Ca. 2 Millionen DM sollen an Bestechungsgeldern geflossen sein, teils um Spieler zu schmieren, teils um Mitwisser zum schweigen zu bringen. In dem Bestechungsskandal sind 9 der 18 1. Ligavereine verstrickt, 6 Funktionäre, 2 Trainer, 52 Spieler... Zwie der 9 beteiligten Vereine, Kieckers Offenbach und Arminia Bielefeld, verlieren ihre Lizenzen.
Der FC Schalke 04 wäre nicht der FC Schalke 04, wenn er bei einem solchen Grossereignis mit nationaler Bedeutung und Ausmass nicht kräftig mitgemischt hätte.
13 der 60 am Skandal beteiligten Personen kamen aus dem Kader der Königsblauen!


Wie aus dem FC Schalke der "FC Meineid" wird

Ein kleiner Sprung von der Offenbacher Grillparty im Sommer weiter vor ins Frühjahr 71. Schalke liegt auf Platz 4 der Tabelle. Wir befinden uns in der Glückauf Kampfbahn vor dem Spiel gegen Arminia Bielefeld. Es ist der 17. April und der 28. Spieltag der Saison. Schalke hat wahrscheinlich den Traum von der Meisterschaft bereits aufgegeben. Den Verein trennen bereits 5 Punkte von dem Tabellenführer Mönchengladbach, bevor es vor dem Spiel gegen den Tabellen 15ten aus Bielefeld, welcher nur 2 Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt ist, zu einer konspirativen Begegnung kommt. Hinter verschlossenen Türen wird den Königsblauen ein Koffer mit 40.000 DM übereicht. Die Gegenleistung: Die Knappen lassen die Gäste gewinnen und besorgen ihnen so 2 wichtige Punkte im Abstiegskampf...

Das Geld für die Schalker wirkt auf den ersten Blick wie "Peanuts", schliesslich bleiben dem einzelnen Spieler im Schnitt gerade mal 2300 DM, wenn man die Summe von 40.000 auf jeden einzelnen herunterbricht. Aber wie es mit dem Sportgeist der - nicht nur bei den Gelsenkirchener Geschichten - gerühmten und verehrten Libudas, Fischers, Rüssmanns, Fichtels und Co. zu Beginn der 70er Jahre aussah, wird glaube ich recht deutlich. Viel ist da nicht gewesen und viel besser als Robert Hoyzer waren die blauweissen Stars aus Gelsenkirchen der damaligen Zeit auch nicht. Im Gegensatz zu den "Sündenböcken" aus anderen Vereinen trieben es die Schalker bis auf die Spitze.

Im Verhältnis zu den 2 Millionen DM Schmiergelder der Saison 71/72, sind die 40.000 DM, die an Schalke flossen, eine relativ geringe Summe, so dass der Verein bei dem Bundesligaskandal hätte eigentlich eine Nebenrolle spielen können. Aber wenn man schon in der folgenden Saison als Tabellenzweiter mal wieder den Meistertitel verpasst, will man wenigstens beim immer noch anhaltenden Bundesligaskandal der Spitzenreiter sein. So zumindest wirkt es, wenn man bedenkt, dass man den Schaden, den der Fussball in Deutschland an dem Skandal genommen hat, hätte begrenzen können, indem die Gelsenkirchener ihre Verantwortung einfach anerkannt hätten, wie es bei den anderen Bundesligavereinen damals der Fall war. Stattdessen logen die Schalker trotz belastender Aussagen und bedrückender Beweise munter weiter und wiederholten sogar ihre Falschaussagen unter Eid. Damit verlagerte sich der Fussballskandal für die Schalker von der Spielbühne des grünen Rasens in den Gerichtssaal des Essener Landgerichts.

Bild
(Foto: Libuda, Rüssmann, Fischer vor dem Essener Landgericht am 22.12.1975)

Was die Essener Richter dazu bewegt hat, die Fussballer lediglich zu Geldstrafen zu verurteilen, mag man im Nachhinein schlecht beurteilen. Vielleicht lag es daran, dass die Angeklagten nach ihren Meineiden dann doch geständig waren. Vielleicht lag es auch an ihrer Popularität. Fakt ist auf jeden Fall, dass unsere Rechtssprechung bei Meineid mit Gefängnisstrafe droht, ansonsten hätte eine Aussage unter Eid keinen Sinn, weil sie sich nicht von einer normalen Aussage unterscheiden würde.


Die Folgen des Bundesligaskandals für den Fussball in Deutschland

Dass die Lust Sportveranstaltungen beizuwohnen bei den Zuschauern und Fans abnimmt, wenn sie das Gefühl haben, dass es den Akteuren nur ums Geld geht, weil die Spieler ihrer Vereine korrupt und bestechlich sind, ist verständlich.
Die Folge war dann auch ein dramatischer Zuschauerrückgang in den beiden Folgesaisons. 1971/72 kamen 800.000 Fans weniger in die Stadien, im Folgejahr schwand die Zuschauerzahl sogar nochmal um 1,3 Millionen, so dass im Schnitt nur noch 16.387 Zuschauer ein Bundesligaspiel live im Stadion mitverfolgte. Bis heute die schlechteste Zuschauerbillanz seit Gründung der Bundesliga. Einen Aufschwung und neue Fussballbegeisterung brachte erst wieder die Fussballweltmeisterschaft 1974.

Die Lügen und Meineide, speziell der Schalker Spieler, hat zu einem Grossteil dazu beigetragen, dass die Akten zum Bundesligaskandal, trotz Bemühungen des DFB, den Sachverhalt schnellst möglich aufzuklären, erst nach 5 Jahren geschlossen werden konnten und dieses schwärzeste Kapitel des Deutschen Fussballs durch Presse und Medien in der damaligen Zeit regelmässig ins Bewusstsein der sportbegeisterten Bevölkerung gebracht wurde.


Als Konsequenz des Skandals wurden insgesammt 60 Personen verurteilt, 6 Funktionäre, 2 Trainer und 52 Spieler aus insgesammt 9 Vereinen.
Bei den Vereinen handelt es sich um: Kickers Offenbach, Arminia Bilefeld, Eintracht Braunschweig, Herta BSC Berlin, FC Schalke 04, VfB Stuttgart, MSV Duisburg, 1. FC Köln, SC Rot-Weiss Oberhausen

Eine Liste aller in den Bundesligaskandal verwickelter Personen und ihre Bestrafung würde diesen Beitrag sprengen und deshalb beschränke ich mich im Rahmen der Gelsenkirchener Geschichten auf die Nennung der Schalker Spieler.


Waldemar Slomiany: Sperre vom 08.04.1972 bis 31.07.1974

Manfred Pohlschmidt: Sperre ab 05.08.1972 auf Lebenszeit und 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 25.01.1978

Hans Pirkner: Sperre vom 05.08.1972 bis 04.08.1974 und 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 15.08.1973 vom Österreichischen Fußball-Bund

Jürgen Sobieray: Sperre vom 05.08.1972 bis 30.09.1973, 2.300 DM Geldbuße,
erneute Sperre vom 21.02.1976 bis 24.03.1976 und vom 09.12.1976 bis 14.01.1977, 10.000 DM Geldbuße.

Klaus Fischer: Sperre ab 30.09.1972 auf Lebenszeit und 2.300 DM Geldbuße, 1973 begnadigt, erneute Sperre vom 21.02.1976 bis 24.03.1976 und vom 9.12.1976 bis 14.01.1977 und 10.000 DM Geldbuße

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(Foto Klaus F. verurteilt wegen Meineid vom Landgericht Essen)

Reinhard Libuda: Sperre ab 30.09.1972 auf Lebenszeit und 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 05.01.1974

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(Foto: Reinhard L. verurteilt wegen Meineid vom Landgericht Essen)

Dieter Burdenski: Sperre vom 04.02.1973 bis 21.05.1973 und 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 15.05.1973

Jürgen Wittkamp: Sperre vom 18.03.1973 bis 28.02.1974, 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 24.01.1974, erneute Sperre vom 21.02.1976 bis 24.03.1976 und vom 09.12.1976 bis 14.01.1977, 10.000 DM Geldbuße

Rolf Rüssmann: Sperre vom 18.03.1973 bis 28.02.1974, 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 24.01.1974, erneute Sperre vom 21. 2. 1976 bis 24. 3. 1976 und vom 09.12.1976 bis 14.01.1977, 10.000 DM Geldbuße

Bild
(Foto: Rolf R. verurteilt wegen Meineid vom Landgericht Essen)

Herbert Lütkebohmert:Sperre vom 18.03.1973 bis 28.02.1974, 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 24.01.1974, erneute Sperre vom 21.02.1976 bis 24.03. 1976 und vom 09.12.1976 bis 14.01.1977, 10.000 DM Geldbuße

Klaus Senger: Sperre vom 21.02.1976 bis 30.06.1976

Jürgen Galbierz: Sperre vom 5.08.1972 bis 4.08.1974 und 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 06.08.1973, erneute Sperre vom 21.02.1976 bis 30.09.1976

Klaus Fichtel: Sperre ab 18.03.1973 lebenslang, 2.300 DM Geldbuße, begnadigt am 24.01.1974, erneute Sperre vom 03.01.1978 bis 22.01.1978, 10.000 DM Geldbuße
Bild
(Foto: noch ein Klaus F., aber ein anderer. auch verurteilt wegen Meineid vom Landgericht Essen)


Die teilweise zu lebenslangen Sperren verurteilten Knappen wurden alle im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft begnadigt. Die doppelten Sperren lassen sich dadurch erklären, dass der DFB die Fälle der, wegen Meineids am 22.12.1975 vom Essener Landgerichts zu insgesammt 100.000 DM Strafe verurteilten Schalker Spieler, wieder aufrollte. Der Fall Klaus Fichtel war der letzte, der vom DFB verhandelt wurde. Nach der im Februar 1976 ausgesprochenen Sperre konnten die Akten des Bundesligaskandals endlich geschlossen werden.


Quellen:

bei sport.ARD.de findet ihr unter dem Kapitel "Viel schlimmer als Mogadischu":
http://sport.ard.de/sp/fussball/news200 ... 1971.jhtml

bei Planet-wissen.de, auch einer Gemeinschaftsproduktion diverser ARD-Anstalten, findet ihr einen Ausschnitt der Tonbandaufzeichnungen des damaligen Kickers Präsidenten Horst Gregorio Canellas. Den dazugehörigen Bericht kann man leider in die Tonne kloppen. Er ist in zweierlei hinsicht sehr Parteiergreifend und Kickerslastig und muss aus der Feder eines Offenbachanhängers stammen:
Zum einen wird die Mannschaft von Eintracht Frankfurt als mit in den Skandal verwickelt genannt. Das ist definitiv falsch. Frankfurt hat sich wie Essen, Dortmund und 7 weitere Vereine fein aus dem skandal herausgehalten. Zwischen Frankfurt und den Kickers besteht allerdings eine ähnliche Rivalität wie zwischen Schalke und Dortmund und da will wahrscheinlich jemand einem anderen im nachhinein was böses anhängen ;-)
Zum anderen wird in der Berichterstattung von planet-wissen.de Canellas, der als Konsequenz auf den Skandal auf Lebenszeit gesperrt und dessen Verein in die Regionalliga verbannt wurde, fast schon als Märtyrer dargestellt, der dem DFB doch eigentlich nur helfen wollte. Letztendlich hat er zwar durch seine Veröffentlichungen zu Aufdeckung des Skandals beigetragen, es stellt sich allerdings die Frage, ob Kickers Offenbachungen auch erfolgt wären, wenn der Verein sein Klassenziel erreicht hätte und nicht abgestiegen wäre...
trotzdem lohnt ein Klick auf diese Seite, schon alleine wegen des Gekrächzes auf dem Tondokument :P
http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel, ... ,,,,,.html

auch auf der Homepage des FC Schalke findet der Bundesligaskandal Erwähnung:
http://www.schalke04.de/1963-1971.html


Tabelle und Spielergebnisse des letzten Spieltags der Bundesliga 70/71 vom 05.06.72
http://www.sport-finden.de/tabellen/bun ... 1_34.shtml

und vom Tag an dem sich der FC Meineid für eine Hand voll Dollar kaufen liess:
http://www.sport-finden.de/tabellen/bun ... 1_28.shtml

zum Schluss noch eine recht kritische Seite eines Schalkefanseite, auf der man immer wieder interessante Hintergrundinformationen zu den Knappen findet:
http://www.schalkefan.de/


Ich wünsche Euch allen ein schönes Wochenende. Bis die Tage,

Johannes Fischer

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Detlef Aghte
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Im Fanladen kann man ein Buch erwerben,das Auskunft gibt über fast alle Skandale unseres Clubs
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