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Pastor Karl Schwittay

Verfasst: 16.01.2007, 10:02
von Heinz
Übernommen von der homepage von Pastor Karl Schwittay
Was wir hier vor uns haben, ist die Zusammenfassung eines pastoralen Dienstes von ca. 40 Jahren. Es geht dabei immer zuerst um das Wort, weil Gottes Wort nur durch das menschliche hörbar und lesbar wird.
Dieser pastorale Dienst geschah einige Jahre in Deutschland in der Evangelischen Kirchengemeinde Gelsenkirchen-Buer-Hassel, bewohnt in besonderer Weise von Bergarbeiterfamilien. Diese Gemeinde gehörte zur Evangelischen Kirche von Westfalen. Danach geschah dieser Dienst in Argentinien in der Deutschen Evangelischen Gemeinde von General Alvear in der Provinz Entre Ríos, einer russlanddeutschen Gemeinde der Evangelischen Kirche am La Plata. Unsere Kirche arbeitet in Uruguay, Paraguay und Argentinien. Den 27 Jahren in Entre Ríos folgten noch nach meiner Pensionierung ca. 10 Jahre in der ökumenischen Arbeit unserer Kirche. Am Anfang meines Dienstes mit den Russlanddeutschen war unter ihnen noch die deutsche Sprache die tägliche Umgangssprache, aber der normale Prozess hin zur spanischen Sprache war nicht mehr aufzuhalten, So machte ich ebenfalls diesen Wandel mit. Aus diesem Grunde finden wir jetzt deutsche oder spanische Texte vor. Zunächst wurde der pastorale Dienst mit den vorhandenen Unterlagen in 3 Zusammenfassungen eingeteilt: a) Predigten, b) Vorträge, c) Fotos und zuletzt kam noch die 4. : d) Näheres über den Autor hinzu. Es ist eine zu lange Geschichte, um sie zu erzählen, wie ich, jetzt 85 Jahre alt, zu dem Entschluss kam, in den Jahren nach Beendigung meiner dienstlichen Arbeit, mich mit dem COMPUTER und was dazu gehört, zu beschäftigen Jedenfalls liegt jetzt das Ergebnis als CD und als Internet-Seite vor. Dabei halfen mir von Anfang an in entscheidender Weise meine Söhne Joachim und Paul und zum Schluss bei der Programmierung Frl. Natalia Spañol. Ohne sie alle wäre ich mit dem Apparat wohl nicht sehr weit gekommen. Ihnen sei herzlicher Dank dafür. Anfänglich wollte ich mit all diesen Unterlagen meinem Familien- und Freundeskreis auf diese Weise mit meiner Lebensarbeit vertraut machen. Später kam dazu, dass mir geraten wurde, diese Texte den Theologiestudenten in Deutschland und am La Plata zur kritischen Bearbeitung zur Verfügung zu stellen, auch zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung im Hinblick auf den pastoralen Dienst in einer bestimmten Zeitepoche. Von da an wurde daran gedacht, alles einer weiteren Öffentlichkeit durch Internet zur Verfügung zu stellen. Ebenfalls rechne ich durchaus mit der Möglichkeit, dass auch noch nach Jahrzehnten Gottes Wort in einem begrenzten Wort eines Menschen hier und da für den, der damit in Berührung kommt, vernehmbar wird.

Die Mitteilung von Tippfehlern, Irrtümern und sonstigen Fehlern nehme ich sehr gern unter meiner E-Mail Adresse entgegen
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PERSOENLICHE ERINNERUNGEN UND GEDANKEN
eines 82-jährigen (Pfarrers) von Karl Schwittay verstorben am 29. Dezember 2004
1 hat geschrieben:Im Jahre 1917 am Ende des ersten Weltkrieges wurde ich in Gelsenkirchen im Industrie-Ruhrgebiet geboren.
Meine Eltern Wilhelm Schwittay und Eva geb. Kopatz kamen vom Lande aus der Provinz Ostpreussen. Das Gebiet (Masuren) gehoert heute zu Polen. Mein Vater arbeitete als Bergmann auf der Zeche Bonifatius in Essen-Kray. Ich wuchs in der Familie mit weiteren 3 Schwestern und 2 Bruedern auf. Das Ambiente bestand in einer von der Bergwerks-Gesellschaft gebauten Siedlung mit vielen weiteren Bergmannsfamilien, jedes Haus mit einem kleinen Garten.
Das Charakteristische war, dass sich unser Leben zwischen Fabriken, Zechen, und Bergarbeitersiedlungen abspielte, aber immer auch dazwischen und um uns her die immer mehr zurueckgehende Landwirtschaft und leicht zu erreichen eine schoene Landschaft mit Wald, Fluss und Parkanlagen zwischen Ruhr und Lippe. Meine Mutter, die die Arbeit mit uns 6 Kindern kaum bewaeltigen konnte, liess uns sehr viel Freiheit in der Gestaltung unseres Lebens. Mein Vater brauchte seine Zeit nach der Arbeit, um sich von dieser schweren Arbeit in der Grube als "Hauer vor Kohle" zu erholen. Meine Kindheit war auch dadurch sehr stark gepraegt, dass mein Vater "ünter Tage" einen schweren Unfall erlitt, ein massiver Stein ueber ihm loeste sich und schlug ihn nieder. Unter groessten Schwierigkeiten konnte er sich von seinem Wirbelsaeulenbruch wieder erholen, aber er litt sein Leben lang darunter und war nur bedingt arbeitsfaehig.
Wir Kinder waren in unserer Freiheit zu einer gewissen Selbstverantwortung gezwungen und lebten sehr stark in einer geistigen Spannung, die dadurch gekennzeichnet war, dass meine Mutter zu einer sehr engen pietistischen Gemeinschaft gehoerte, die nicht viel von der evangelischen Kirche wissen wollte, aber zu ihr gehoerte.. Mein Vater war Mitglied der Sozialistischen Partei (SPD) und Atheist, ein Bruder von mir war in der Ausbildung als Diakon, ein anderer war Funktionaer bei der ANTIFASCHISTISCHEN AKTION.
Mehrere Jahre nahm ich am sonntaeglichen Kindergottesdienst teil und mit 12 Jahren begann der 2-jaehrige Konfirmandenunterricht. Behalten von diesem Unterricht habe ich allerdings nur, dass ich einmal als Strafe die Bergpredigt 5x abschreiben musste. Ferner weiss ich noch,, dass wir anstelle einer Unterrichtsstunde mit dem Pfarrer an einer Versammlung der Gottlosenbewegung teilnahmen, die Propaganda fuer den Atheismus machte und dazu gehoerte auch die Propaganda fuer die Feuerbestattung. Dieser Propagandazug durch Deutschland wurde immer begleitet und auf der gleichen Versammlung bekaempft von einem Vertreter der Evangelischen Apologetischen Zentrale in Berlin-Spandau. Als die ersten Bierglaeser bei den heftigen Auseinandersetzungen flogen, sagte uns unser Pfarrer, dass wir jetzt doch den Saal verlassen muessten, es wuerde langsam fuer uns gefaehrlich. So wenig wichtig fuer mich der Konfirmanden-Unterricht war, so entscheidend und wichtig war fuer mich, dass ich durch diesen Unterricht in Verbindung mit der Evangelischen Jugend dieser Gemeinde kam, zunaechst mit der Jungschar des Evgl. Jungmaennervereins. Unsere Stunden fanden statt im Gemeindehaus am Markt in Gelsenkirchen-Rotthausen, 100 Meter von den Oefen der Kokerei der Zeche Dahlbusch entfernt. Oft umgab uns bei der Loeschung der Oefen eine feuchtheisse giftgruene Wolke. Noch 1929 gruesste uns am Eingang des Evgl. Gemeindehauses ein Gips-Relief vom letzten deutschen Kaiser Wilhelm II. Nach der Konfirmation gehoerte ich zur Jugendgruppe und spielte mit im Posaunenchor. Inzwischen kam die Auseinandersetzung zwischen rot und braun. Wie oft erlebten wir es, dass in einer Woche waehrend unserer Zusammenkuenfte wir bewusst gestoert wurden durch die kommunistische Jugend mit ihren Schalmeien und in der anderen Woche durch die Hitlerjugend mit ihren Fanfahren, immer auch mit Einschlagen der Fensterscheiben verbunden. Im Kreis der Evangelischen Jugend, die sehr mit der Gemeindearbeit verbunden war und deren Leiter fuer uns junge Menschen sehr offen war fuer alles, was das Leben lebenswert machte, allerdings nicht fuer den immer maechtiger werdenden Nationalsozialismus, kam ich in der Bibelarbeit mit Jesus Christus in Beruehrung. ER liess mich nicht mehr los. Diese Verbindung hat auch in der Zukunft mein ganzes Leben gepraegt und gehalten
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2 hat geschrieben:Nach Beendigung der Volksschule begann ich eine Lehrzeit bei der damaligen Deutschen Reichspost. Waehrend dieser Zeit bekam ich entscheidende Impulse fuer mein Leben, besonders was die Behandlung mit fremdem Geld angeht. Neben diesem Dienst besuchte ich die Kaufmaennische Berufsschule in Essen-Steele.
Was nir besonders eindruecklich beim Bibelstudium erschien, war, dass die Nachfolge Jesu immer mit einem Ruf zu einem Dienst in seinem Reich verbunden ist.
Bald nach meiner Konfirmation verliess mein Konfirmator die Gemeinde und es kam der junge Pfarrer Ernst Käsemann an seine Stelle, Mit ihm waren wir als Evangelische Jugend sehr verbunden. Er war der Vertreter der Bekennenden Kirche und vertrat sie in unserer Gemeinde, die ein deutsch-christliches Presbyterium hatte und das er in einem vorher bekanntgegebenen Gottesdienst entmachtete, trotz aller Drohungen der Nationalsozialistischen Partei und der Geheimen Staatspolizei mit Aufmaerschen der SA. Inzwischen war ja Adolf Hitler an die Macht gekommen, der sich oeffentlich bei der Gemeindevertreterwahl der Evangelischen Kirche fuer die Deutschen Christen eingesetzt hatte. Diese Deutschen Christen waren Vertreter der Ideologie des nationalsozialistischen Parteiprogramms, die Adolf Hitler wie Jesus Christus in den Mittelpunkt stellten. Die Folge seines Einsatzes fuer die Bekennende Gemeinde war Pfarrer Käsemanns Verhaftung. Waehrend seines Gefaengnisaufenthalts in Gelsenkirchen haben wir ihm an jedem Sonntagmorgen nach dem Gottesdienst mit dem Posaunenchor vor dem Gefaengnis Choraele gespielt, die ihm sagten, dass wir hinter ihm stehen. Trotz allen Widerstaenden und Verhinderungsversuchen konnten wir waehrend seines ganzen Gefaengnisaufenthalts dieses Bekenntnis zu ihm durchhalten.
In vielen Formen wurde die evangelische Jugendarbeit gestoert und verhindert, Freizeiten verboten und Jugendlager auseinandergetrieben und zum Schluss alle Arbeit an der Jugend unter 18 Jahren der Hitlerjugend ueberfuehrt und dieses alles mit der Unterschrift des deutsch-christlichen Reichsbischofs Müller. Wir als Evgl. Jugend von Gelsenkirchen-Rotthausen nahmen an dieser Ueberfuehrung nicht teil, sondern fuehrten unsere Arbeit geheim weiter, aber jetzt unter der ausschliesslichen Schirmherrschaft der Bekennenden Kirche als kirchlichen Unterricht.
Inzwischen hatte ich durch meine Arbeit bei der Post in Essen-Kray den Kontakt mit der Bekenntnisgemeinde dort aufgenommen. Auch da war der Kirchenkampf im vollen Gange. Es kam zu einem persoenlichen Kontakt mit dem Bekenntnispfarrer Hack, dem vom deutsch-christlichen Presbyterium die Kirche fuer den Gottesdienst verschlossen blieb, trotzdem wurden die Gottesdienste gehalten, nun aber in anderen Saelen, immer an anderen Stellen.
Die evgl. Gemeinde Gelsenkirchen-Rotthausen gehoert zur westfaelischen Landeskirche und ist uniert-lutherisch gepraegt, die evangelische Gemeinde in Essen-Kray war Teil der rheinischen Landeskirche und ist uniert-reformiert. In der schwierigsten Zeit hat oft Pfarrer Heinrich Held aus Essen-Rüttenscheid hier den Gottesdienst gehalten, der, was wir spaeter erfahren haben, waehrend der ganzen Nazizeit unter groesster eigener Gefahr und der seiner Familie den ehemaligen juedischen Mitarbeiter des Oberbuergermeisters von Essen im Pfarrhaus versteckt gehalten hat. Pfarrer Heinrich Held (1897-1954), Pfarrer in Essen-Rüttenscheid. Nach dem Kriege Kirchenpräsident der Evgl. Kirche von Rheinland, Vater des ehemaligen Präsidenten unserer Evangelischen Kirche am La Plata
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3 hat geschrieben:In der Gemeinde Essen-Kray kam ich auch in einen engen Kontakt mit einem pensionierten Missionar der Basler Mission, Georg Kehrer, und seiner Tochter, einer aus China heimgekehrten Missionsaerztin, die nun hier am Ort ihre Praxis ausuebte. Ebenfalls entstand ein sehr freundschaftliches Verhaeltnis mit der Familie meiner spaeteren Frau. Ich wurde zu ihrer Konfirmation als 13 jaehriges Maedchen eingeladen, die am Weihnachtstag 1939 stattfand, unvorhergesehen in der Nachbargemeinde Essen-Steele, und zwar durch den Superintendenten von Essen, weil ihr Pastor Hack kurz vorher von der Geheimen Staatspolizei Redeverbot fuer ganz Deutschland bekommen hatte. Er war aber bei der Konfirmation dabei. Der Superintendent war gewissermassen sein Mund.
Dieses mein Verhaeltnis zur Evangelischen Jugend und zur Bekennenden Kirche konnte meiner vorgesetzten Behoerde nicht verborgen bleiben. Ich galt als einer, "der sich nicht rueckhaltlos fuer den nationalsozialistischen Staat einsetzen wuerde", auch wurde ich nicht zur Pruefung zugelassen.
Als solch ein unsicherer Kandidat wurde ich zu einem 14-taegigen Kursus vom Amt fuer Beamte der NSDAP zur Gauschulungsburg Muehlheim/Ruhr-Menden einberufen, der speziell fuer Beamte des Staates der verschiedenen Arbeitsgebiete und Laufbahnen gedacht war, die verdaechtig waren, sich nicht rueckhaltlos fuer den NS-Staat einzusetzen. Hier waren wir zu ungefaehr 50 Beamten und Beamtenanwaerter. Es begann eine radikale Doktrinierung in der nationalsozialistischen Weltanschauung, besonders aber in der Rassenlehre, bzw. im Rassenhass und in der Herausstellung des Gegensatzes zum christlichen Glauben. Was mir noch in Erinnerung geblieben ist:
"Die 10 Gebote sind so viel Wert wie der Dreck unter den Fingernaegeln".
"Die Geschichte vom Getreidewucherer Josef".
Auf einem Ausmarsch:
"Kopf hoch, Kameraden, Jesus lebt, sehr Ihr nicht, wie er gerade gen Himmel auffaehrt?"
Ein Beispiel des politischen Denkens gerade in der Zeit der internationalen Muenchener Konferenz ueber das Sudetenland und ueber die Tschechoslowakei:
"Weh Euch,, wenn Ihr in dieser Zeit wagt, zu sagen, dass bald die deutsche Fahne ueber Prag und ganz Tschechoslowakei wehen wird, wehe aber Euch auch, wenn Ihr nicht glaubt, dass bald die deutsche Fahne ueber Prag wehen wird.!"
Als Fazit dieses Kursus wurde uns allen mitgegeben, dass daran nicht zu ruetteln sei, dass als Beamter des nationalsozialistischen Staates nur der tragbar sei, der rueckhaltlos die nationalsozialistische Weltanschauung akzeptiert und dafuer eintritt. Wer das nicht tun kann oder nicht tun will, der muesse sich schon eine andere Lebensstellung suchen.
Fuer mich war da die Entscheidung klar:
Ich hatte schon erwaehnt, dass bei meiner Entscheidung fuer Jesus diese verbunden war mit einem Dienst in der Nachfolge.
In der Zeit, da ich Klarheit brauchte fuer meinen Weg, kam ich durch Schriften und Buechern und Missisonskonferenzen und -vortraegen mit dem Missionsauftrag in Beruehrung und suchte Kontakte mit verschiedenen Missions-Gesellschaften. Ich dachte damals an China als Arbeitsfeld und als Begegnung mit Chinas Kultur. Es kam dann zu vielen persoenlichen Kontakten mit der Rheinischen Mission in Wuppertal-Barmen.Und schliesslich fuehrten diese Kontakte dazu, dass ich nach meiner Volljaehrigkeit und nach Ueberwindung mancherlei Schwierigkeiten am 1. April 1939 in das Rheinische Missions-Seminar in Wuppertal-Barmen eintrat, das auch durch die Bekenntnisbewegung gepraegt war. Leider dauerte dieser Einstieg nicht lange, da ich schon im Februar 1940 zum Kriegsdienst eingezogen wurde.
Wenn auch die Zeit des Anfangs des Theologiestudiums nur sehr kurz war, hatte sie mir doch in einer gewissen Weise eine Grundlage geschaffen, um meinen Glauben auch beim Militaerdienst, den ich im Innersten meines Herzens ablehnte, nicht nur wegen des Missbrauchs durch Hitler, und ihn wie ein deutscher Dichter, als STAATSTIERDRILLANSTALT empfand und verstand, zu bewahren und zu staerken. Gleichfalls gab mir diese theologische Grundlage die Moeglichkeit, weiter an der theologisch-wissenschaftlichen Erfassung des christlichen Glaubens, der durch den Pietismus und durch die kirchliche Verkuendigung gepraegt war, zu arbeiten. Da ich als Soldat bei der Nachrichtentruppe war, blieb mir viel Zeit, besonders Karl Barth und Rudolf Bultmann zu lesen. Und es gab innerhalb der Kompanie viele Kontakte und Gespraeche, da wir zun groessten Teil mit Akademikern der verschiedensten Auspraegungen zusammengesetzt waren, darunter 5 Pfarrer
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4 hat geschrieben:Der Krieg fuehrte mich zuerst nach Koenigsberg in Ostpreussen. Von dort ueber den Truppen-Uebungsplatz Arys nach Luxemburg, Holland, Belgien und Frankreich. Nach Beendigung des Frankreich-Feldzuges ging es wieder zurueck nach Ostpreussen und nach einer Ruhepause mit Beginn des Russlandkrieges ueber Litauen, Lettland, Estland nach Russland in die Naehe der Stadt ((damals) Leningrad. Durch das Erlebte, was ein Krieg alles verursachte, besonders bei der Zivilbevoelkerung, wuchs noch mehr meine Aversion und mein Widerstand gegen jede Form von Kriegshandlungen, die mich veranlasste, eine Moeglichkeit der Vorbereitung fuer eine hoehere Karriere bei den Soldaten abzulehnen, und die mich auch durch Aeusserungen vor Kameraden vor ein Kriegsgericht in Krasnogwardeisk bei Leningrad brachte, das allerdings wohlwollend vor der Verhandlung mich unterrichtete, was ich sagen muesste, damit ich nicht wegen Meuterei verurteilt wuerde. Mein Kompaniechef war extra direkt von der Front im haertesten Winter zur Gerichtsverhandlung gekommen, um fuer mich zu sprechen. Er besuchte mich auch vorher in meiner Zelle. Das Schwerste fuer mich allerdings war das Gespraech mit einem zum Tode verurteilten Kameraden, den ich nach meinem Freispruch zu einer aerztlichen Untersuchung in ein Lazarett begleiten musste. Das Gespraech habe ich nicht mehr in meinem Leben vergessen koennen.
Schon bei der Vorbereitung fuer den Russlandkrieg wurde eine Gruppe unserer Funkkompanie fuer den Abhorchdienst des russischen Militaerfunks ausgebildet, zu der ich auch gehoerte, die dann in Russland selbst ihren Dienst etwas hinter der direkten Front versah. Das gab mir die Moeglichkeit, direkt in Verbindung mit der russischen Bevoelkerung die russische Sprache zu erlernen. Trotzdem waren die Jahre bis zu unserer Kapitulation nur schwer zu ertragen. Sie erreichte uns eingeschlosen im Kurlandkessel (Lettland).
Wir wurden als Gruppe von unserem Offizier zu einem offiziellen Akt zusammengerufen, nach dem wir noch alle Fahrzeuge, Waffen und Spezialgeraete fuer die Uebergabe reinigen mussten. Uns wurden die Wehrpaesse uebergeben und mitgeteilt, dass wir mit diesem Tage aus dem Dienst der Deutschen Wehrmacht entlassen seien und jetzt machen koennten, was wir wollten. Auf uns warteten schon die russischen Soldaten.
Und so endete fuer mich eine 5-jaehrige Kriegsdienstzeit und es begann in verschiedener Hinsicht eine noch schwerere 2-jaehrige Kriegsgefangenschaft. Von Kurland aus ging es langsam Woche fuer Woche, zuerst zu Fuss und dann mit der Eisenbahn, von einem Lager zum anderen, weiter in Richtung Moskau. Solch ein Lager bestand meistens aus einem Stueck freien Feldes, umzaeunt von Stacheldraht und weiter nichts. Schliesslich kamen wir da an, wo wir hinsollten, in dem Lager ELECTROSTAL bei Moskau.
Auf diesen letzten Wegen wurden wir "gefilzt", das heisst, uns wurden nach und nach alle wertvollen Sachen abgenommen. Sonst wurden wir nicht so schlecht behandelt, wenigstens nicht so, wie wir Deutsche die russischen Kriegsgefangenen behandelt hatten.
Wir dachten, dass das Kriegsgefangenenlager Electrostal bereits fuer unsere Ankunft vorbereitet gewesen sei, leider mussten wir das gesamte Lager erst aufbauen. Wir wohnten bis in den Winter hinein auf freiem Felde und dann in Zelten. Dazu gehoerte ebenfalls, dass wir in der ersten ganzen Woche ohne irgendwelche Nahrungsmittel blieben. Man sagte, wir seien zu frueh angekommen, sie haetten mit uns noch nicht gerechnet.
Wir hatten in den kommenden Wochen und Monaten immer Hunger. Man schob die Schuld auf die Nordamerikaner. Sie haetten nach der deutschen Kapitulation alle Nahrungsmittellieferungen an Russland eingestellt. Oft haben uns gestohlene Kartoffelschalen, die wir gebraten hatten, sehr gut geschmeckt, wenn wir sie nur immer haetten kriegen koennen. Wir konnten den uns umgebenden Russen keine Schuld geben, da sie selber Hunger litten. Ihre Verpflegung war in den meisten Faellen noch schlechter als unsere. Auch konnten sie sich Kino und Sauna nicht leisten, was wir alle 14 Tage hatten.
Was uns Kriegsgefangene allerdings sehr stark bedrueckte, war, dass wir lange Zeit ohne Nachricht aus der Heimat blieben, am Anfang konnten wir selbst an unsere Familien nicht schreiben. Eine Heimkehr schien uns unbestimmt in weiter Ferne zu liegen.
So bereiteten wir, ein Kamerad und ich, unsere Flucht vor, die uns ueber Gorki die Wolga hinunterfuehren sollte, und ueber den Kaukasus weiter in die Tuerkei. Wir kamen aber nicht sehr weit. Bei der Ueberquerung der Moskwa, wurden wir wieder gefangen genommen und von einer Bahnstation zur anderen langsam ins Polizeipraesidium nach Moskau gebracht. Auch hier, wie bis zur Rueckfuehrung in unser bisheriges Lage wurden wir sehr tolereant behandelt, im Gegensatz zu der Behandlung vieler anderer Kriegsgefangenen in der selben Situation an anderen Orrten. Das Schlimmste war, dass man mir meine kleine Bibel wegnahm, die ich erst im naechsten Lager von einem Kameraden, mit dem ich viele Gespraeche fuehrte, ein Mitglied der "Ernsten Bibelforscher", der fuer den Ruecktransport vorgesehen war, fuer ein halbes Brot ersetzen konnte.
In einem Schauprozess vor dem ganzen Lager wurden wir zu 30 Jahren Zwangsarbeit am noerdlichen Eismeer verurteilt. Fuer mich selbst war es klar, dass dieser Schauprozess nur eine Farce war.
Fuer uns war wichtig und lebenssrettend, dass die russische Feldschererin (Krankenpflegerin) des Lagers, oft im Widerstand gegen den Lagerkommandanten, dafuer sorgte, dass wir menschenwuerdig behandelt wurden. Sie sorgte dafuer, dass wir uns nach der Flucht auf der Krankenstube mit einer besseren Verpflegung wieder erholen konnten.
Nach unserem Abtransport zum "noerdlichen Eismeer" landeten wir schon bald nach 30 km in einem Straflager, in dem es keine Fluchtmoeglichkeit mehr gab. Die schwere Arbeit in einem Steinbruch verbrauchte voellig unsere Kraefte. Wir Kriegsgefangene wurden fast taeglich mit der Mahnung der russischen Regierung konfrontiert, dass wir zum Aufbau des von uns zerstoerten Landes dabehalten worden sind. Wir sollten wieder das in Ordnung bringen, was wir zerstoert hatten und das war tatsaechlich fast das ganze Gebiet westlich von Moskau.
In Electrostal haben wir ganze Ortsteile neu aufgebaut, im Steinbruchlager haben wir Kalksteine gebrochen zur Herstellung von Zement und in einem weiteren Lager haben wir Ziegelsteine gebrannt.
Trotz der nachlassenden Kraefte wegen der schweren Arbeit ohne die noetige Nachricht aus der Heimat, wurde ich am Weihnachsfest 1946 von meinen Kameraden gebeten, eine weihnachtliche Ansprache zu halten. Ich tat es mit dem Wort des Philipperbriefes 4,4:
"Freuet euch in dem Herrn allewege! Und abermals sage ich euch: Freuet euch!"
Einen Tag spaeter wurde ich von der Antifa-Gruppe, die aus kommunistischen deutschen Kriegsgefangenen bestand, angeklagt, weil ich durch meine Weihnachtsansprache den anderen Gefangenen etwas von einer besseren Zukunft vorgegaukelt haette, statt sie aufzufordern, besser am Aufbau des russischen Landes mitzuarbeiten.
Eine weitere Verlegung brachte mich in ein Lager, das bestimmt war, Ziegelsteine zu brennen. Hier arbeiteten wir zusammen mit den russischen Arbeitern und Arbeiterinnen, besonders russische Maedchen wurden zu den schwersten Arbeiten am heissen Ringofen herangezogen. Hier kamen wir in einen richtigen Kontakt mit der russischen Zivilbevoelkerung. Fuer uns kam auf der einen Seite die Zeit der schwersten korperlichen Erschoepfung, einer nach dem andern brach zusammen und wurde Dystrophie geschrieben und fuer eine Zeit von der Arbeit befreit. Dazu gehoerte auch ich. Und als Kranke bekamen wir eine etwas bessere Verpflegung. Auf der anderen Seite begann nach so langer Zeit die Moeglichkeit der Verbindung und des brieflichen Kontaktes mit unseren Familien in der Heimat, wenn auch nur spaerlich.
Da ich mich nach einer laengeren Zeit in meiner koerperlichen Schwaeche nicht erholte, kam dann schliesslich im Juli 1947 total geschwaecht (43 kg Koerpergewicht) der Heimtransport im Viehwagen
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5 hat geschrieben:Hier, bei der Ankunft, erfuhr ich, dass mein Vater inzwischen mit anderen bei einem Brand ums Leben gekommen war. Meine Mutter tat alles, dass ich wieder zu Kraeften kam. Sie verkaufte Gegenstaende aus unserem Haushalt, um mein Essen zu verbessern und hat oft selbst um meinetwegen gehungert.
Aber das war das ganz Aussergewoehnliche in dieser Zeit, das mich sehr schnell wieder auf die Beine brachte, dass meine spaetere Frau, Esther Meier, trotz der langen Ungewissheit, auf mich gewartet hatte und das Einleben nach 5 Jahren Soldaten- und 2 Jahren Kriegsgefangenenzeit nicht nur erleichtert, sondern erst ueberhaupt ermoeglicht hatte.
So konnte ich schon Ende August 1947 ganz neu und ganz von vorne wieder das Theologiestudium am Missisonsseminar in Wuppertal-Barmen, das inzwischen im engen Kontakt mit der Kirchl. Theol. Hochschule im selben Gebaeudekomplex stand, beginnen.
Die erste Zeit war nicht leicht und wenn das Essen absolut nicht mehr ausreichte, mussten einige von uns aufs Land ins pietisrtische Siegerland fahren und dort Gottsdienste halten. Das Ergebnis war dann meistens ein Eisenbahnwagon voll mit Kartoffeln und anderen landwirtschaftlichen Produkten, sodass fuer eine Zeit die schlimmste Not im Seminar behoben war. Wir nannten diese Predigten Kartoffelpredigten.
Es war fuer mich nicht leicht, nach den vergangenen 7 Jahren wieder das Studium zu beginnen, besonders mit den 3 alten Sprachen. Das Eigenartige war, dass ich in den ersten Monaten meistens bei den Vorlesungen und beim Unterricht und bei der Erlernung der Sprachen, wozu auch noch Englisch kam, einschlief und auch wirklich geschlafen habe. Meine Studienkollegen, die 10 Jahre juenger waren, haben mich oft wecken muessen. Sie sagten mir spaeter, dass sie nicht gedacht haetten, dass ich noch einmal ans Ende kommen wuerde. Aber am Ende waren bei mir die Ergebnisse der Studien nicht schlechter als bei ihnen auch. Ich weiss heute selbst nicht, wie das moeglich sein konnte, aber es gibt ja das Sprichwort:
"Der Herr gibt es den Seinen im Schlaf".
Meine Verlobte stand bei meiner Heimkehr bereits im Schlussexamen an der Bibelschule in Bad Salzuflen. Als sie die Nachricht von mir bekam, dass ich auf dem Wege nach Hause sei, war sie gerade bei der schriftlichen Arbeit ueber "Rechtfertigung nach dem Roemerbief", die ihr Schwierigkeiten bereitete und war dann durch meine Nachricht so beflueget, dass sie doch noch eine sehr gute Arbeit schreiben konnte. Sie arbeitete dann in der Gemeinde Duisburg als Gemeindehelferin. Sie hatte nach dem Abitur Musik studieren wollen, war aber durch die Begegnung mit mir auch zur Theologie gekommen.
Ich kann wohl sagen, dass insgesamt die 4 Jahre meines Studiums eine sehr schoene Zeit gewesen war. Die Vorlesungen ueber das Neue Testament durch Dr. Georg Eichholz und ueber das Alte Testament von Dr. Hans Walter Wolff haben mir die Botschaft der Heiligen Schrift immer wichtiger werden lassen, als Massstab fuer das kirchliche, aber auch fuer das soziale und politische und persoenliche Leben.
Man darf nicht vergessen, dass das ganze oeffentliche Leben in Deutschland, das von den Alliierten und den Russen besetzt war, vor der Notwendigkeit stand, das verbrecherische Geschehen des besiegten Naziregimes aufzuarbeiten, wie Judenverfolgung und -mord, die nicht nach Recht und Gerechtigkeit fragende Diktatur und die in der ganzen Welt verursachten Schaeden und Zerstoerungen und die Millionen von Kriegstoten und
-verletzten auf allen Seiten, Das alles scheint bis heute beim Jahrtausendwechsel nicht abgecshlossen zu sein. Und diese fuer Millionen von Menschen entsetzliche und grausame Zeit der Diktatur wird wohl nie aus der deutschen Geschichte geloescht werden koennen und kaum einer von uns Deutschen, die damals in Deutschland gelebt haben, kann behaupten, dass er voellig schuldlos durch diese Zeit gegangen ist.
Es schien nun so zu sein, dass im Angesicht dessen, was durch uns Deutsche geschehen war, in Deutschland nach der Niederlage wieder mehr auf das Wort Gottes gehoert wurde, was auch dazu fuehrte, dass dadurch das Grundgesetz (Verfassung) der Bonner Republik mitgepraegt wurde. Das zeigte zum Beispiel unter anderem die Bestimmung, dass kein Deutscher mehr gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst herangezogen werden durfte. Gerade das war schon noetig. Da die Alliierten schon bald die Deutschen bedraengten, wieder ein Heer aufzustellen und unter ihrer Fuehrung mit ihnen ein Bollwerk zu bilden gegen die russische Sowjetunion, die ja ebenfalls ein grosses Gebiet Deutschlands besetzt hielt.
In dem Zeitraum des Theologiestudiums nach dem Kriege wurde der Schwerpunkt der Theologie immer mehr von Karl Barth auf Rudolf Bultmann und seine Schule gelegt, was nach meinem Ermessen eine groessere und erweiterte Moeglichkeit gab, auf die Probleme dieser Welt und des Menschen in dieser Welt einzugehen. Ich sehe auch darin die Voraussetzung der spaeter aufkommenden lateinamerikanischen Theologie der Befreiung. Es ging also nicht mehr darum, das Evangelium vor den Unbilden oder vor dem Hass der Welt zu schuetzen und rein zu erhalten, sondern darum, die konkreten Noete der Menschen in dieser Welt ernst zu nehmen und sie mit dem Evangelium zu konfrontieren und von daher eine Hilfe zu erwarten. Dieses machte sich selbstverstaendlich auch bald deutlich in den Gottesdiensten und in der ganzen Gemeindearbeit und fuehrte in Deutschland zur Bildung der sogenannten "Bekenntnisbewegung", die Front machte gegen die neue Theologengeneration.
Leider wurden auf dem konfessionellen Gebiet die Erfahrungen der Bekenntnisgemeinden waehrend der nationalsozialistischen Diktatur nicht beachtet und die neue Ordnung der Evangelischen Kirche gestaltete sich in einer restaurativen Weise. Es setzte dabei der fanatische Kampf der lutherischen Landeskirchen ein, die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland, die zusammengesetzt ist aus lutherischen, unierten und reformierten Gemeinden, zu einer evangelisch-lutherischen Kirche umzuformen, was ihnen allerdings nicht gelang. Dieser Versuch ist allerdings bis heute noch nicht beendet und hat seine Auswirkungen bis in unsere Kirche am La Plata.
Ob die lutherischen Landeskirchen besonders damit kompensieren wollten und wollen, dass sie mit dem Verstaendnis der lutherischen Bekenntnisschriften (Zweireichelehre zum Beisspiel) die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Staat nicht in der gebotenen Weise haben fuehren koennen oder wollen?
Vergessen kann ich nicht, dass bei einer Tagung von Theologiestudenten verschiedener Universitaeten und Missionsseminare es unmoeglich war, das Heilige Abendmahl gemeinsam zu feiern, weil es den lutherischen Studenten von ihren kirchlichen Autoritaeten verboten war, selbst auch mit den unierten Lutheranern, zu denen ich mich selbst zaehle, gemeinsam am Abendmahl teilzunehmen
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6 hat geschrieben:Waehrend des Studiums nahm ich an verschiedenen Kursen ueber Psychologie und Seelsorge und auch ueber psychosomatische Medizin teil. Jeder von uns hatte in seiner Obhut einen Kindergottesdienst, oder leitete eine Bibelstunde oder einen Jugendkreis in Wuppertal oder in der naeheren Umgebung des Bergischen Landes. Wir suchten auch Kontakte und Gespraeche mit den zahlreich entstandenen evangelischen Kreisen, die ins Seketierertum abzugleiten schienen.
Ende Oktober 1951, nun nach dem Schlussexamen, waren wir, meine Verlobte und ich, sehr froh, weil wir dachten, bald nach einem Vikariat im Siegerland, an unsere vorgesehene Arbeit auf einer Missionsstation in Suedwestafrika (jetzt: NAMIBIA) gemeinsam gehen zu koennen. Leider kam es zum Bruch mit der Missionsleitung, weil wir nicht akzeptierten, dass wir nach der langen Verlobungszeit und ich schon mit 34 Jahren noch mit der Heirat warten sollten, bis sie das erlaubte, eventuell sollte meine Verlobte erst nach einer gewissen Zeit nach Afrika nachkommen. Wir heirateten am 19. November 1951.
Trotz aller Schwierigkeiten der Missionsleitung setzte mich der Superintendent meiner Heimatsynode, Ernst Kluge, schon gleich im Januar 1952, in eine Vikarsstelle in der Gemeinde Gelsenkirchen-Buer-Hassel/ Westfaelische Landeskirche ein. Hier lernte ich, was es heisst, pfarramtlichen Dienst in einer Bergarbeitergemeinde zu versehen, die immer noch schwere Not unter den Folgen des Krieges litt und die aus ihrer Ablehnung jeglicher kirchlichen Arbeit keinen Hehl machte, wohl in Notfaellen Hilfe forderte und in Anspruch nahm. Mit dem Ortspfarerr hatte ich ein sehr feines und vertrauensvolles Verhaeltnis und eine gute Zusammenarbeit und als Vikar wurde ich zu allen pfarramtlichen Diensten herangezogen, ausser Abendmahlsfeiern und Konfirmationen, die waren den ordinierten Pfarrern vorbehalten. Besonders schwer war die Arbeit mit den jugendlichen Bergarbeitern. Ich gab auch Religionsunterricht an der bergmaennischen Berufsschule. Man brauchte viel Geduld, um mit ihnen in einen naeheren Kontakt zu kommen . Als ich am Anfang einer neuen Jugendarbeit mit ihnen die Bibel aus meiner Aktentasche holen wollte, sagten sie mir einstimmig, ich solle die "Schwarte" (altes wertloses Buch) ruhig wieder einstecken, da stehe fuer sie als Jungbergleute doch nichts drin. Erst nach einem mehrmonatigen Miteinander mit Spielen, Waelzen von Problemen und Freizeiten und Radtouren und Wanderungen, kam auf einmal von den jungen Leute die Frage, wie es denn komme, dass sie, trotzdem sie eine evangelische Jugendgruppe seien , von mir als als einem Geistlichen noch nichts von Jesus gehoert haetten. Und jetzt, da die Frage von ihnen selbst kam, war der Weg zu einer intensiven und fruchtbringenden Bibelarbeit nicht nur moeglich, sondern erwuenscht, sie wollten in mir zuerst den Menschen kennen lernen. Wozu diese Jugend in der Bergamannssiedlung allerdings auch faehig war, erzaehlte mir der junge katholische Kaplan aus unserem Ortsteil. Er und ich hatten einen sehr guten Kontakt miteinander und lasen woechentlich einmal am Abend das griechische Neue Testament und suchten dabei eine von uns beiden akzeptierbare Erklaerung. An einem Abend kam er voellig zerstoert zu unserem Treffen und fragte mich, was er da machen koenne? Er hatte eine Jugendgruppe, die sich in der Sakristei seiner Kirche versammelte. Er komme direkt daher. Als er an dem selben sehr kalten und frostigen Tage hinging. - was hatten die Jugendlichen da gemacht? Die Sakristei konnte wohl geheizt werden, aber es fehlte das Heizmaterial, die Gemeinde hatte kein Geld dafuer. Weil nun die Jugendlichen nicht frieren wollten, hatten sie inzwischen die Tuer von der Sakristei zur Kirche herausgehoben und fingen an, sie zu zerschlagen und damit den Ofen zu heizen. Die Tuer war schon zur Haelfte verfeuert.
Ich wusste tatsaechlich fuer ihn auch keinen Rat in diesem Augenblick.
Meine Frau hatte inzwischen eine Krankenpflegeausbildung in Bielefeld wegen einer Erkrankung abbrechen muessen und arbeitete inzwischen wieder als Gemeindehelferin in Gelsenkirchen-Schalke, ebenfalls in einer Arbeitergemeuinde. Hier waren es Fabrikarbeiter. Unter ihrer Verantwortung standen besonders die Jugendlichen und die Frauengruppe und die chorische Arbeit. Gelsenkirchen-Schalke hatte damals den Ruf wie heute hier der Ortsteil BOCA von Buenos Aires. Bekannt war dieser Ort in ganz Europa durch den Fussballklub SCHALKE O4. - Jetzt werden bei mir die Spannungen in meiner Familie zwischen Boca und River aktuell
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7 hat geschrieben:Am 30. Oktober 1954 wurde ich durch den Superintendenten Ernst Kluge in Gelsenkirchen-Buer-Hassel ordiniert.
Kirchenjahr 1953/54 - 30 -Apostelgeschichte 4, 32 - 35 - Ordinationspredigt-
"Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein. Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesu, und war große Gnade bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wie viel ihrer waren, die da Äcker oder Häuser hatten, die verkauften sie und brachten das Geld des verkauften Guts und legten es zu der Apostel Füßen; und man gab einem jeglichen, was ihm not war".
"Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele".
Dieser Satz der Apostelgeschichte, der das Leben der Urgemeinde zu Jerusalem kennzeichnet, hat in der Geschichte unserer Evangelischen Kirche viel heillose Unruhe, aber auch ein neues gesegnetes Fragen nach der Echtheit der christlichen Gemeinde inmitten dieser Welt gebracht. Denn das müßte doch wohl klar sein, daß mit den Worten "Die Menge aber der Gläubigen," nicht irgendeine selbstgeformte Vereinigung frommer und gläubiger Seelen gemeint ist, auch nicht eine Vereinigung, in der sich Menschen mit religiösen, vielleicht sehr tief religiösen Interessen treffen. Wenn das so wäre, wie könnte sich solch eine Gruppe, mag sie noch so christliche Namen tragen, unterscheiden von den vielen Gruppen ringsum im Land, vom Fußballverein und Kegelklub angefangen bis hin zum Kaninchenzüchter- oder Großmütterverein und Nachbarschafts-Kaffeekränzchen. Wir haben beileibe nichts gegen eine solche Vereinigung, zumal jeder Deutsche am liebsten einen eigenen Verein bilden würde, in dem er Vorsitzender, Kassierer, Organisator und einfaches Mitglied in einer Person wäre. Nein, mit den Worten
"Die Menge aber der Gläubigen", wird etwas grundsätzlich anderes gemeint als eine Interessengemeinschaft oder irgendein Verein. Es wird damit die Gemeinde Jesu Christi gemeint, die wir Menschen, auch wir Christen, nicht bilden oder gründen können, sondern zu der wir immer nur hinzugetan werden können, wie es beim Pfingstwunder heißt:
"Und es wurden hinzugetan an dem Tage bei 3.000 Menschen".
Von dieser Gemeinde Jesu Christi dort in Jerusalem wird uns durch unseren Text bezeugt, daß sie "ein Herz und eine Seele" gewesen war.
Unwillkürlich legt sich dann sofort die Frage auf uns, gerade auch auf uns hier in Hassel: Sind wir in den vergangenen Jahren als Gemeinde Jesu Christi
"ein Herz und eine Seele" gewesen?
Ach, wieviel Not bricht doch da unter uns auf. Und wir alle müßten uns gegenüber dieser Gemeinde zu Jerusalem in Grund und Boden schämen, nein, gegenüber dem Herrn der Kirche Jesu Christi. Und gerade für uns als die so angefochtene Gemeinde kommt alles darauf an, daß es von uns heißen darf:
"Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele".
Aber dieses kann man nicht machen, so wie man etwa einem Haufen Menschen eine einheitliche Uniform geben kann und schon wird dann von einer Soldateneinheit gesprochen. Wenn einem schon über diesem angeführten Einheitsbeispiel ein Grauen und ein Ekel ankommt, wieviel gefährlicher wird es für die Gemeinde, wenn von menschlicher Seite versucht wird, diese Einheit, von der in unserem Text die Rede ist, selbst machen zu wollen. Nur solange zum Beispiel die Bemühungen der Weltkirchenkonferenz dahingehen, die Einheit geschenkt zu erhalten, solange steht dieses Bemühen in der Tat unter einer großen Verheißung.
Aber im allgemeinen steckt bei uns allen das Bestreben, durch unser eigenes Tun zu erreichen, was von einer Gemeinde gesagt werden kann: "ein Herz und eine Seele" zu sein.
Da versucht der Pfarrer die Gemeinde nach einem Einheitsbilde zu formen, das er sich selbst in seinem Kopf zurecht gemacht hat und wehe, wer sich seinem Einheitsstreben entgegensetzt. Oder da versucht ein Gemeindeglied oder Presbyter, sein erträumtes Einheitsbild zu verwirklichen und wird gerade dadurch zu einem Hemmnis oder sogar zu einem Zerstörer der echten Einheit.
Gerade das vergangene Jahrhundert war in besonderer Weise der Versuch, auf menschliche Art zu erreichen, was in Jerusalem ein Geschenk war, "ein Herz und eine Seele" zu sein. Und das Ergebnis war eine Zersplitterung und eine Absonderung nach der anderen, Sekten ohne Zahl. Vielleicht kann man die vielen Jahrhundertfeiern in dieser Zeit auch einmal von solch einer Warte aus ansehen.
Jeder meinte zu wissen, wie ein Christ aussehen und leben muß, damit er die Einheit verwirkliche. Wer solch einer Idealgestalt eines Christen nicht entsprach, dem wurde sein Christsein abgesprochen oder es wurde ein neues christliches Grüppchen gebildet. Dieses vergangene Jahrhundert ist noch nicht abgetan, sondern ragt noch bis in das heutige Leben unserer Gemeinden hinein und fordert die Erfüllung bestimmter Glaubens- und christlicher Lebensregeln. Manch eine Gemeinde ist schon über solch einen Einheitsversuch in die Brüche gegangen. Oft sogar ist gerade unsere Bibelstelle von dem "einen Herzen und der einen Seele"
zum Aushängeschild dieses menschlichen Tuns geworden. Auf den ersten Blick könnten wir es vielleicht auch annehmen, da doch die beiden Worte HERZ und SEELE uns direkt dazu verleiten, an die Christen heranzutreten:
Schaffe du es selbst, schafft ihr es selbst als Gemeinde
!
8 hat geschrieben:Aber der Schreiber der Apostelgeschichte gebraucht die Worte Herz und Seele in der Weise, daß er bezeugt, daß da die Einheit der Gemeinde geschenkt worden ist, das da wirklich von einer Gemeinde als von einem Herzen und von einer Seele gesprochen werden kann, wo diese Gemeinde einen Mittelpunkt hat, der ihr das Gepräge gibt und wo diese Gemeinde den bestimmten Grundstein besitzt, auf dem sie erbaut ist.
In diesem Mittelpunkt und auf diesem Grundstein ruht die Einheit der Kirche. Jetzt kann es für uns doch keine Frage mehr sein, worin die Einheit der Kirche, die Einheit einer Ortsgemeinde, die Einheit der Kirchen in der weiten Welt liegt, in Jesus Christus, dem auferstandenen Herrn, Herrscher Himmels und der Erden.
Wo Jesus Christus Mittelpunkt und Grundstein einer Gemeinde ist, da kann auch heute noch von einer Gemeinde gesagt werden:
"Die Menge aber der Gläubiugen war ein Herz und eine Seele".
Wenn dieser lebendige Herr Jesus Christus auch heute hier in diesem Gottesdienst Mittelpunkt und Grund ist, dann kann auch heute wieder von der Schar gesprochen werden, die eins ist in ihrem Herrn. Es wäre doch zu furchtbar, wenn das nicht der Fall wäre und wir alle miteinander nur Theater gespielt hätten, Spieler und Zuschauer zugleich. Darum laßt uns jeden Tag aufs neue bitten, daß Jesus Christus, der Herr der Kirche, nicht von uns gehe und wir allein herumwurschteln müssen und ausgeben, daß wir eine wahre Gemeinde seien und doch nur ein erbärmlicher Haufe sind. Und glauben wir es ruhig, dieser Mittelpunkt und Grundstein der Kirche, dieser lebende unter uns weilende Herr Jesus Christus ist nicht stumm und nickt zu allem, was wir als Gemeinde tun und denken. Jesus Christus meldet sich zu Wort und bittet um Gehör, o, daß wir doch alle ihm das Gehör schenken, daß wir alle auf seine Stimme hören, auch im grauen Alltag unseres Lebens; o, daß wir noch freudiger alle miteinander am Sonntagmorgen zum Gotteshaus eilen und unter der Kanzel auf das lauschen, was er uns zu sagen hat, das Wort der Vergebung und der Ruf zum Dienst, zum Gehorsam. Wir versäumen sehr viel, wenn wir nicht auf sein Wort achten; ja, wir versäumen sogar alles, unser Heil, wenn wir unsere Ohren ihm gegenüber verstopfen,
Das wird uns jedenfalls von der Gemeinde zu Jerusalem berichtet, daß der Herr der Kirche zu Worte kommt und gehört wird.:
"Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung Jesu Christi".
Es tut uns bestimmt sicher sehr gut, einmal dieses so scharf betont zu hören, denn nicht umsonst heißt es von der abendländischen Kirche, daß das Kreuz auf Golgatha ihr Mittelpunkt sei. Und wenn wir uns einmal all die vielen erwecklichen Lieder ansehen, da steht das Kreuz Christi in der Tat in der Mitte.
Wenn hier nun die Betonung auf die AUFERSTEHUNG liegt, so soll damit kein Gegensatz zwischen Kreuz und Auferstehung aufgezeigt werden. Aber es tut doch gut, unseren Blick von Karfreitag wegzulenken auf Ostern, vom Kreuz zur Auferstehung, vom Schmerz über unseren Ungehorsam gegenüber Gott hin zur Freude, daß der lebendige Herr uns zugerufen hat und noch zurufen will:
"Dir sind deine Sünden vergeben!"
Statt daß wir als Christen fröhlich durch diese Welt ziehen, gehen wir mit einem gekrümmten Rücken umher, traurig in Sack und Asche. Vergessen wir doch auf keinen Fall, daß Jesus Christus, der Gekreuzigte, nicht mehr im Grabe liegt, sondern auferstand und uns das Leben brachte und in unser Dunkel des Alltags das helle Licht hineinstrahlen läßt. Lernen wir doch ein wenig von den Kirchen des Ostens diese große Freude:
"Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!"
Mit ihm dürfen auch wir leben. Sieht die Umwelt es uns an, dir und mir, daß unser Herr der lebendige Herr ist, der dem Tod, Teufel und der Sünde die Macht genommen hat?
Lassen wir es uns ruhig von dem Spötter Nietzsche gesagt sein:
"Wenn wir Ungläubigen an Jesus Christus glauben sollen, dann müssen die Christen erlöster aussehen".
Und wir Christen dürften in Wahrheit ein wenig erlöster und fröhlicher durch dieses Leben gehen, wenn wir daran denken, wie reich wir durch Jesus Christus geworden sind.
Wir sagten, daß Jesus Chrisus in der Gemeinde zu Jerusalem zu Worte kommt und auch gehört wird. Wie bezeugt sich das Hören? Indem wir hingehen und das Wort des Herrn tun:
"Und keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte, denn wieviele ihrer waren, die da Äcker oder Häuser hatten, verkauften sie und brachten das Geld zu der Apostel Füßen und man gab einem jeden, was im not war".
Auf keinen Fall kann hier aus dieser Stelle ein allgemeiner Liebeskommunismus abgeleitet werden oder etwa die Meinung, jeglicher Besitz sei Sünde. Petrus sagt ja zu dem Lügner Ananias:
"Hättest du doch ruhig deinen Acker behalten mögen, er stand doch in deiner Hand".
Aber doch muß ein anderes deutlich werden, daß es nämlich unmöglich ist, Gottes Wort zu hören und womöglich zu sagen:
War das doch eine erbauliche Rede, sie war so richtig erhebend, aber den Auftrag, den Jesus Christus gegeben hat, zu überhören oder abzulehnen und zu sagen:
Ach, damit habe ich nichts zu tun, damit können sich ruhig andere abgeben. Nein, wo Gott uns seine Liebe erweist, da öffnet er uns auch den Blick für die Lieblosigkeit unserer Umgebung und bittet uns, von dieser Liebe, die Gott uns erwiesen hat, etwas weiterzugeben: Freude durch unseren Besuch in eine Krankenstube zu bringen. Wenn Gott uns seinen Reichtum und seine Gaben geschenkt hat, dann bittet er uns, von diesem unserem Reichtum dem etwas zu geben, der auf die Hilfe Gottes angewiesen ist, wie wir.
So zeigt uns der Text, daß es beim Hören auch gleichzeitig immer um ein Tun, um ein Gehorchendürfen geht. Es sähe in dem Leben unserer Familien, im Leben unserer Gemeinde und im Leben unseres Volkes entschieden anders aus, wenn statt der vielen frommern und christlichen Wörter im Munde die Befehle Gottes durch uns ausgeführt würden.
Wenn allein wir hier im Gottesdienst heute gehört haben, daß wir zum Tun aufgefordert sind, zum Gehorsam und nun hingehen würden, um Jesus Christus in seinem Worte zu gehorchen, welch eine Veränderung der ganzen Welt um uns her würde zum Heil dieser Welt entstehen. Gehe nun hin und sei gehorsam.
(Predigt zum Ordinationsgottesdienst in Gelsenkirchen-Buer-Hassel am 19.10.1954.)
9 hat geschrieben:Meiner Frau und mir war es aber von vornherein klar, dass unsere Lebensarbeit nicht in Deutschland sein wuerde, darum traten wir bald in Kontakt mit dem Aussenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland in Frankfurt am Main, um die Moeglichkeit eines pfarramtlichen Dienstes in einer deutschen Gemeinde im Ausland zu erkunden. Anfaenglich dachten wir an Brasilien. Aber dann kam die Nachricht vom Kirchlichen Aussenamt, ich moechte sofort nach Frankfurt (2.Juni 1954) ins Aussenamt kommen, es sei dort Propst Marczynski von der Deutschen Evangelischen La Plata-Synode, der dringend einen Pfarrer suche fuer eine Gemeinde in Argentinien. Durch diese Begegnung war es nach Ruecksprache mit meiner Frau klar, dass wir das Angebot annehmen wuerden, obwohl wir von der politischen Situation keine Ahnung hatten, auch nicht von den kirchlichen und gemeindlichen Gegebenheiten, auch nicht viel verstanden von dem, was Propst Marczynski uns von seiner Sicht erklaert hatte. Wir wollten einfach den Sprung ins Ungewisse wagen.
Wir gehoerten mit zu den Ersten, die ueberhaupt wieder vom Kirchlichen Aussenamt aus Deutschland ins Ausland ausgesandt werden konnten.
Nun folgten die Vorbereitungen fuer eine Ausreise im November 1954. Inzwischen war im August 1954 unsere Tochter Ruth geboren worden. Weil meine Frau danach an einer Brustentzuendung erkrankte, verlor sie voruebergehend die Tropentauglichkeit und wir mussten bis zum 9. Maerz 1955 mit unserer Ausreise nach Argentinien warten.
So kamen wir, meine Frau und unsere Tochter Ruth und ich Anfang April 1955 im Hafen von Buenos Aires an. Selbstverstaendlich waren wir voller Fragen, was uns nun in Argentinien und in der Deutschen Evangelischen La Plata-Synode und in der Gemeinde "General Alvear" in Entre Ríos erwarten wird. Allerdings fragten wir auch uns selbst, ob wir als Pfarrfamilie dem entsprechen, was sich die Kirche und die Gemeinde von uns erhofft und erwuenscht hatten.
Jedenfalls wurden wir im Hafen von Buenos Aires am Schiff LAENNEC von Propst Ostrowski aufs herzlichste, ja aufs liebevollste empfangen. Inzwischen war Propst Marczynski verstorben. Waehrend dieser ganzen ersten Zeit machten Propst Ostrowski, seine Frau, ja, sogar die ganze Familie, uns das Einleben in der Metropole sehr verstaendlicher und leichter. Auch der Sekretaer unserer Synode, Herr Gruenwedel, stand uns zu jeder Hilfe bereit.
Da schon abzusehen war, dass bis zur Erlangung des argentinischen Personalausweises einige Wochen Aufenthalt in Buenos Aires notwendig sein wuerden, hatte uns der Synodalvorstand in das Hotel Viena in der Lavalle einquartiert.
Es war nicht leicht, nach der verwoehnenden Ueberfahrt in der ersten Klasse, die Situation im Hotel Viena zu durchstehen. Vergessen habe ich nie, wie Propst Ostrowski uns ins Gastzimmer fuehrte und mit einem harten Fussschlag und den Worten: Was ist das doch fuer ein schoenes Zimmer! eintrat. Zum Glueck hatte meine Frau in diesem Augenblick Ruth auf dem Arm, nicht bemerkt, dass er mit dem Fussauftritt 2 dicke CUCARACHAS schon gleich an der Tuer zertreten hatte. Das Problem fuer uns alle fing aber erst richtig an, als wir dann allein auf dem Zimmer zurueckblieben. Ausser dem unbekannten Phaenomen Cucaracha musste meine Frau das Zimmer reinigen und den Fussboden aufwischen. Ich forderte die Hotelleitung auf, sofort das Klosett in Ordnung zu bringen, denn man konnte das Badezimmer nur in Gummistiefeln betreten.Allerdings waren wir entschlossen, wieder nach Deutschland zurueckzufahren, als meine Frau in der Kueche des Hotels das Essen fuer das Kind vorbereiten wollte. Meine Frau war der festen Ueberzeugung, dass man um des Kindes willen diese Unreinigkeit des Kochgeschirrs einfach nicht werde hiunnehmen koennen.Aber nicht nur Propst Ostrowski und seine Familie , und Glieder aus der Gemeinde standen uns helfend zur Seite. Wir wurden meistens zum Mittagessen dann auch von Gemeindegliedern eingeladen.
Auch der Trost, dass alles in Aldea Protestante, unserem zukuenftigen Pfarrsitz, alles anders sei, gab uns Mut, die Tage bis zur Weiterreise auszuhalten. Es wurden auch andere Moeglichkeiten gefunden, um unser Kind mit dem Essen zu versorgen. Jedenfalls ist uns das Hotel Viena mit noch anderen Erlebnissen als Trauma in unserem Leben haften geblieben.
Wir sehnten uns den Tag herbei, da wir die Fahrt nach Entre Ríos, dem GELOBTEN LANDE, werden antreten koennen. Inzwischen hatte ich auch das erlebt, dass man mir am Schalter des Hauptpostamtes 5 Centavos-Briefmarken fuer 5 Pesos verkaufte und dass man meiner Frau am Schalter im Bahnhof RETIRO beim Loesen einer Fahrkarte ihren Geldschein wegschnappte und im Nu war der Junge mit dem Pesos-Schein im dollen Gedraenge verschwunden. Das alles hat sich heute 1999 allerdings noch nicht geaendert. Allerdings gabe es auch nette Begegnungen, so eine mit einem Polizisten auf der Straße. Heute sieht man sie ja kaum noch auf der Straße. Beim Versuch, das Stadtinnere kennen zu lernen, fand ich nicht zurueck ins Hotel. Ich sah den Polizisten und stammelte vor ihm meine Frage nach diesem Hotel. Ich tat es mit den spanischen Worten, die ich aus dem Buechlein "30 Stunden Spanisch" auf dem Schiff gelernt hatte. Das muss entsetzlich gewesen sein! Ein Sprachkursus war ja in Deutschland nicht vorgesehen, auch spaeter wurden mir und meiner Frau von der Synode kein Intensivkursus zugebilligt. Es war kein Geld vorhanden. Als ich so stotterte vor dem Polizisten, sah er mich ruhig an und sagte: "Sprechen Sie ruhig Deutsch, denn Ihr Deutsch verstehe ich besser als Ihr Spanisch
".
10 hat geschrieben:In der Gemeinde Villa Ballester hielt ich am Karfreitag 1955 den ersten Gottesdienst in Argentinien, natuerlich in der deutschen Sprache.
(Kirchenjahr 1954/55 bis Himmelfahrt-8- Johannes 19, 30
"Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: ES IST VOLLBRACHT! und neigte das Haupt und verschied".
Jahr für Jahr hören wir am Karfreitag diese Nachricht, daß Jesus sein Haupt neigte und verschied. Es könnte wahrlich bei dem einen oder bei dem anderen unter uns so sein, daß er fragt:
Warum denn immer und immer wieder diese Geschichte von dem sterbenden Jesus? Wird es denn nicht bald Zeit. daß wir auch ihn vergessen, wie auch wir nach und nach unsere Toten vergessen, so lieb sie uns gewesen sein mögen?
Endlich muß doch dieser Jesus ein für alle Male beerdigt werdem, damit wir unter sein Leben den Schlußstrich setzen und seine Geschichte zu den Akten legen können.
Viele Menschen unserer Zeit möchten in der Tat die Geschichte zum Abschluß bringen, weil sie erkennen, daß da etwas ist, mit dem sie nicht fertig werden können, daß sie nicht zur Ruhe kommen läßt.
Wie mögen die Schriftgelehrten und Hohenpriester in Jerusalem gejauchzt und triumphiert haben, als sie den Mann, der ihnen so unangenehm geworden war, wie einen Verbrecher sterben sahen? Ist erst der Tod dieses Mannes eingetreten, dann haben wir endlich Ruhe, dann erinnert uns niemand mehr daran, daß unser ganzes Leben trotz aller scheinheiligen Frömmigkeit eine einzigartige Flucht vor Gott gewesen ist.
Ist erst der letzte Atemzug dieses Jesus getan, dann ist niemand mehr da, der uns die Maske vom Gesicht reißt und unsere ganze Schändlichkeit aufdeckt.
Wo Jesus Christus einen Menschen anschaut, da sieht er durch alle Äußerlichkeiten hindurch bis aufs Herz und durchschaut uns bis in die entlegensten Winkel unseres Herzens und unserer Gedanken. Niemand könnte vor ihm bestehen. Niemand könnte vor ihm stehen und sagen:
Bei mir aber ist alles in Ordnung, denn ich habe immer das getan, was du von mir wolltest.
Alle miteinander müssen wir bekennen:
Herr, ich habe gerade das Gegenteil von dem getan, was du wolltest. Du wolltest, daß ich mich zur Gemeinde und seinen Gottesdiensten halte, ich aber tat so, als ob ich zum Gottesdienst gehen könnte wie ins Kino oder ins Theater, je nach Lust und Laune. Du, Herr, wolltest, daß ich meine Hände zum Gebet falte und ich hielt ein Gespräch mit dir nicht für notwendig. Du, Herr, wolltest, daß ich dich vor allen Menschen bekenne und ich tat in Freundeskreisen und in der Nachbarschaft so, als kenne ich dich nicht. Du, Herr, wolltest, daß ich mich der Armen und Kranken annehme und ich ging stattdessen mit einer hochnäsigen Haltung an ihnen vorbei.
Das sind wir Menschen, die vor Jesus Christus stehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir den Namen CHRISTEN tragen oder nicht.
Sich so erkannt zu wissen, ist wahrlich kein Vergnügen. Darum können wir nur zu gut verstehen, daß die Menschen damals mit den Zähnen knirschten und die Fäuste ballten und Drohungen und Verwünschungen ausstießen:
"Hinweg mit diesem!"
und:
"Kreuziget, kreuziget ihn!"
Die ganze Passionszeit unseres Heilandes ist der Versuch von uns Menschen, ihn endlich loszuwerden, weil er uns durchschaut und erkannt hat, wie erbärmlich wir da vor ihm stehen.
Der Ruf:
"Hinweg mit diesem, kreuziget, kreuziget ihn!"
erscholl nicht nur vor 2.000 Jahren, sondern dieser Ruf geht durch alle Jahrhunderte und durch alle Länder der Erde bis auf den heutigen Tag.
Auch heute ist Jesus uns Menschen unangenehm und wir versuchen, ihn entweder mit einer Handbewegung beiseite zu schieben oder ihn sogar mit Gewalt zum Schweigen zu bringen.
Wie oft haben wir Menschen es gewünscht und erwartet, daß wir endlich von Jesus und seiner Botschaft sagen können:
"Und er neigte sein Haupt und verschied".
Ach, was sind wir Menschen doch für komische Kreaturen, wie mißverstehen wir Gott, wie mißverstehen wir unseren Herrn und Heiland. Haben wir denn überhaupt keine Ahnung mehr davon, daß Jesus Christus, der da vor uns steht und uns anschaut und uns unsere ganze Trostlosigkeit aufzeigt, daß dieser Jesus aber nicht vor uns steht mit einem Verdammungsurteil. Das ist wohl die Weise aller menschlichen Obrigkeit, daß sie den Übertreter des Gesetzes bestraft und ins Gefängnis wirft. So handelt unser Herr nicht, sondern indem er uns zeigt, wie weit wir von seinem Vater im Himmel geflohen sind, zeigt er uns gleichzeitig auch den Weg zur Rückkehr, den Weg zur Hilfe.
Wir haben im Neuen Testament kein Wort Jesu, mag er damit ein noch so großes Gericht androhen, das nicht gleichzeitig noch eine Möglichkeit aufweist, wieder zum Vater im Himmel zurückzukehren.
Jesus Christus ist in seinem ganzen Leben und Reden, in seinem Leiden und Sterben, die ausgestreckte Hand Gottes, die uns als die Verlorenen wieder heimführen möchte.
Diese Liebe Gottes zu uns Verlorenen hört selbst da nicht auf, wo es nach einem Sieg der menschlichen Willkür aussieht. Wir Menschen haben anscheinend doch gesiegt, wir haben Jesus Christus beseitigt. Es heißt in unserem Text:
"Und Jesus neigte sein Haupt und verschied".
Müßte da in diesem Moment nicht Gott mit harter Faust zuschlagen und seine Gerichtsandrohungen wahrmachen, da ja menschliche Bosheit in der Ermordung des Sohnes Gottes ihren höchsten Triumph feiert?
Nein, selbst in diesem Augenblick, da unsere Verderbtheit zum Ausdruck kommt, gerade da keine Verdammung, da keine Verfluchung, sondern durch allen Hohn und Spott, durch alle Marter und Qual hindurch das Wort der Hilfe des Herrn für uns Menschen:
"Es ist vollbracht!"
Durch alle menschliche Grausamkeit hindurch reicht Gott uns seine liebenden Vaterhände.
"Es ist vollbracht!"
ist das Wort, das uns rettet von aller unserer Schuld und uns von unserer Flucht zurückholt zu Gott.
Unser Leben mit allen Irrungen und allen Fehltritten und mit unserer Rebellion gegen Gott, ist noch kein verpfuschtes Leben. Das dürfen und sollen wir wissen, denn Jesus Christus ruft auch uns zu:
"Es ist vollbracht mein Erlösungswerk für euch Menschen!"
Dieses Wort des sterbenden Jesus dürfen wir für uns in voller Wirkung in Anspruch nehmen und als das Wort des Heiles für unser Leben erkennen:
"Gehe hin in Frieden, denn dir sind deine Sünden vergeben!"
Wir werden mit dem Worte:
"Es ist vollbracht!"
gerufen zu der Schar derer, die von diesem Vollbringer des Heilswerkes leben und nun fröhlich durch das Leben gehen, auch in den grauen Alltag hinein.
So liegt über Karfreitag trotz all der Qual und des Schmerzes unseres Heilandes doch schon die große Freude darüber, dass Jesus Sieger geblieben ist und uns durch sein Leiden und Sterben zu Gottes Kindern gemacht hat.
Wir können nichts anderes tun, als auch an diesem Tage Gott für seine große Liebe zu uns zu danken. Wir können nichts anderes tun als uns in der großen Dankbarkeit von Jesus Christus in den Dienst stellen lassen und als seine Jünger ihm nachzufolgen.
Wir können und dürfen aber auch dadurch unseren Dank zum Ausdruck bringen, daß wir uns nachher zum Tisch des Herrn rufen lassen und das Heilige Abendmahl miteinander feiern, da derselbe Herr Jesus Christus der Gastgeber ist:
"Kommt, denn es ist alles bereit, sehet und schmecket, wie freundlich der Herr ist!"
(Mein erster Gottesdienst in Argentinien am 8. 4. 1955 in Villa Ballester.)
11 hat geschrieben:Wir gehoerten zu den ersten Pfarrfamilien, die nach dem Kriege wieder von der Evangelischen Kirche in Deutschland ausgesandt werden konnten. Ich war so der
16. Pfarrer in unserer Synode..
Nun kam doch endlich der Tag herbei, den wir so sehnlichst erwartet hatten. Es fiel uns wirklich nicht schwer, Buenos Aires hinter uns zu lassen. Nicht mit einem Omnibus ging die Fahrt nach Diamante, sondern mit einem Flussschiff. Damals bestand noch eine regulaere Schifffahrtslinie auf dem Fluss Paraná. Fuer diese Moeglichkeit waren wir sehr dankbar, konnten wir doch wenigstens ein klein wenig mehr von Argentinien sehen als bisher und meine Frau konnte unser Kind Ruth besser versorgen. Wir spuerten etwas von der Weite des Landes, obwohl das, was wir sahen, nur ein ganz kleiner Ausschnitt war. Ab Rosario wurde es auf der entrerrianischen Seite etwas huegeliger und interessanter.
Wir hatten in der Tat bis zu unserer Ausreise nicht viel von Argentinien gewusst.
So kamen wir im Mai 1955 im Hafen von Diamante an.. Wir waren erstaunt, in welch einer liebevollen Weise wir von der Gemeinde Aldea Protestante empfangen wurden. Fast die ganze Gemeinde war auf den Beinen.
Aldea Protestante ist ein kleines Dorf mit 2 Lehmstrassen und kaum 1ooo Einwohnern, das einem Dorf in Hessen aehnelte, das ich selbst noch erlebt hatte.
Vom Hafen aus ging es ueber die damalige einzige Asphaltstrasse in Entre Ríos bis zur Einfahrt in das Dorf. Dort erlebten wir, was es heisst, auf schlammigen Wegen mit dem Auto hin und her zu rutschen. Es hatte am Vortage sehr stark geregnet. Im Dorf gab es nur wenige Autobesitzer, fast alle anderen hatten als Bauern Pferdewagen,, die auch durch den groessten Matsch einigermassen sicher fahren konnten. Das habe ich im Laufe der naechsten Jahre zur Genuege kennenlernen koennen. Die Wege und Strassen erinnerten mich sehr an die Wegeverhaeltnisse in Russland.
Nach einem grossen Festessen wurden wir natuerlich in das Pfarrhaus gefuehrt, ein um die Jahrhundertwende gebautes Gebaeude, ohne jede Bequemlichkeitt, das aber fuer viele Gemeindeglieder im Verhaeltnis zu ihren eigenen Haeusern als Fortschritt galt. Wir legten sofort Hand an, UNSER Haus wohnlich zu gestalten., zuerst die haesslichen Lila-Waende zu ueberstreichen. In den naechsten Wochen kamen notwendige Moebelsstuecke dazu, die wir in Paraná kaufen konnten oder durch einen Schreiner aus dem Dorf hergestellt wurden.
Jetzt waren wir da angelangt, wo wir unsere Kraefte zur Gestaltung des Gemeindelebens einsetzen sollten und wollten und konnten. Meine Frau als ausgebildete Gemeindehelferin hatte sich bald die Sympathie des Dorfes dadurch erworben, dass sie mit einer grossen Begeisterung die Chorarbeit uebernahm, die in der pfarrerlosen Zeit nur notduerftig weitergeführt wurde, sodass der Chor schon einige Tage spaeter am Himmelfahrtstage bei meiner offiziellen Einfuehrung durch Propst Ostrowski singen konnte.
(Kirchenjahr 1954/55 bis Himmelfahrt-9c-Lukas 13, 6 - 9
"Jesus sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberge; und er kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht. Da sprach er zu den Weingärtnern: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum, und finde sie nicht. Haue ihn ab! was hindert er das Land? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, laß ihn noch dies Jahr, bis daß ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er wollte Frucht bringen; wo nicht, so haue ihn darnach ab".
Was mit diesem Text ausgesagt ist, erklärt die selbstverständlichste Angelegenheit der Welt. Müßte das doch ein dummer Bauer sein, der an seinem Hause einen großen Obstgarten gepflanzt hat und garnicht danach fragt, ob er viele Früchte trägt oder nicht.
Es geht dabei wirklich, ein Irrtum ist ausgeschlossen, bei diesem Feigenbaum um die Frucht, auf die zu rechnen der Besitzer ein Anrecht hat. Auch ohne Erklärung
ist es uns doch deutlich, daß Jesus uns mit diesen Worten keinen Unterricht über rechte Obstbaumanpflanzung geben will, sondern daß dieses Wort in einer ganz besonderen Weise uns alle mein

Pastor Schwittay Teil 2

Verfasst: 16.01.2007, 10:15
von Heinz
Oft stehen wir als Christen in der Gefahr, diese Frage nach der Frucht an die zu richten, die nicht zur Kirche Jesu Christi gehören, die meinen, uns als Christen ginge diese Frage nichts an.
Wir sind doch davon überzeugt, daß wir so tadellose Menschen sind. Nein, wir wollen die Frage nach der Frucht für uns gelten lassen und nicht hochmütig auf die draußen in der Welt zeigen. Das war ja gerade die Haltung der Menschen, die da vor Jesus stehen und denen er dieses Gleichnis erzählt hat. Sie waren zu ihm gekommen, um ihm die Bosheit der anderen Menschen zu zeigen, damit sie selbst in ein desto helleres Licht kommen würden. Sie haben Jesus gesagt, was müssen das doch für böse Menschen gewesen sein, die damals umkamen, als der Turm zu Siloah einstürzte.
Müssen wir hier in Argentinien doch sehr fromme Christen gewesen sein, daß wir vom schrecklichen letzten Krieg in Europa nichts gespürt haben. Gott verwehrt uns solches Reden und solches Mit-dem-Finger-zeigen auf die anderen und gebietet uns, selbst einmal stille zu stehen, damit er bei uns nach der Frucht suchen kann.
Und da geschieht das Entsetzliche, das uns eigentlich bis in das Innerste unseres Herzens erschüttern müßte:
"Und er fand sie nicht".
Vor seinen Augen wird unser ganzes Leben mit allen Dunkelheiten offenbar, wie gerade unsere so hochgepriesene Frömmigkeit eine einzige große Lüge ist.
Jetzt kommt alles darauf an, daß wir, die das Wort Gottes von den Kanzeln zu verkündigen haben, daß wir, die wir in der Kirche verantwortliche Ämter verwalten, daß wir alle, die zur Gemeinde gehören, es uns gefallen lassen, daß das Kartenhaus unserer Frömmigkeit zusammenbricht und nur noch ein Trümmerhaufen vor Gott übrigbleibt.
Wir haben das Gerichtswort Gottes zu hören:
"Haue ihn ab, denn er schadet nur dem Land!"
Auch nicht einer ist unter uns, der vor Gott in dieser Stunde treten könnte und ihm zurufen dürfte:
Was du da über uns beschlossen hast, ist ein großes Unrecht, wir haben ein solch hartes Urteil nicht verdient. Du hast uns falsch eingeschätzt. Wir können doch noch so viele Früchte des Glaubens vorzeigen.
Aber nennen wir wirklich das faule Etwas, das wir vielleicht mit uns herumschleppen, Frucht?
Verlassen wir ruhig das Versteckenspielen! Auf der ganzen Linie ist es klar erkennbar, daß wir als Christen und als Gemeinde versagt haben. Haben wir, Verkündiger, die wir Gottes Wort den Gemeinden zu sagen hatten, nicht zu oft unsere eigene Meinung und unsere eigenen Gedanken gepredigt, statt in Vollmacht die Herrlichkeit Gottes zu verkündigen?
Kann überhaupt ein Christ vor Gott treten und sagen:
Wenn du, Herr, auch sonst nicht irrst, aber diesmal hast du dich sicher vertan, wir sind immer und zu allen Zeiten deine treuen Diener gewesen?
Wo ist der fromme Christ in unserer Gemeinde, der vor aller Welt sich nicht scheut, Jesus Christus als seinen Herrn zu bekennen?
Nein, nein, Gott täuscht sich nie. Wenn sein durchdringendes Auge uns anschaut, dann vergeht uns unser Ausreden und unser Entschuldigen, dann bleibt nur noch sein Wort übrig:
"Haue ihn ab, was hindert er das Land!"
Gegenüber diesem Gerichtswort hilft auch kein Bitten und kein Flehen und es gibt auch kein billiges um Gnade flehen, sondern diesem Worte gegenüber gibt es für uns die eine Haltung, die spricht:
Herr, tue mit mir, was du beschlossen hast, haue mich ab!"
Der Schweizer Reformator Calvin konnte einmal diese Haltung so zum Ausdruck bringen:
"Herr, wenn du mich sogar in die Hölle hineinschicktest, so könnte ich dir in deiner Entscheidung nur recht geben und dich ehren und preisen".
Das ist ein ungeheuerliches Wort, aber doch kommt für uns alle alles darauf an, daß wir Gott in seinem Urteil, das uns verdammt, recht geben.
Allerdings kommt jetzt etwas, was unserem Denken und Empfinden völlig übersteigt.
Wir sagten am Anfang. daß es für uns alle verständlich ist, wenn der Bauer nach der Frucht seiner Obstbäume fragt. Hier im Gleichnis wird aber etwas getan, was nicht nur alle Regeln des Obstanbaues über den Haufen wirft, sondern etwas, was mit menschlichen Begriffen überhaupt nicht zum Ausdruck gebracht werden kann. Hier tritt doch tatsächlich der Gärtner auf und stößt eine unfaßliche Bitte aus:
"Herr, laß ihn noch dieses Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn!"
Es soll noch einmal mit einem Baume versucht werden, der nach Obstanbauregeln nur noch das Abhauen und das Verbrennen verdient hat, von dem es nur noch heißen kann: Hinweg mit ihm!
Jedenfalls ist nicht mehr daran zu rütteln, diese Bitte um Aufschub ist ausgesprochen:
"Laß ihn noch dieses Jahr!"
Haben wir es gehört, wir alle, die wir durch das Wort Gottes gerichtet worden sind:
Uns ist eine Gnadenzeit geschenkt. Es ist einer bei Gott für uns eingetreten, der das Unmögliche noch einmal möglich macht, der noch hofft, das auch wir wieder Frucht bringen.
Allein seine Hoffnung ist unsere Hoffnung, allein sein Bitten gibt uns noch eine Gnadenfrist. Der das erwirkt hat, ist kein anderer als der, der am Kreuz auf Golgatha an seinem eigenen Leibe erfahren mußte, was Gottes Urteilsspruch bedeutet:
"Haue ihn ab!"
Es ist kein anderer als der, den der Vater von den Toten auferweckte und der, der zum Vater zurückkehrte und den Königsthron bestieg und dessen Herrschaftsantritt wir am heutigen Himmelfahrtsfest feiern.
Seit dieser Zeit läuft diese Botschaft von der großen Geduld Gottes über diese Erde. Und es gibts nichts Köstlicheres für uns, als daß wir, die wir versagt haben, die wir von Gott verdammt worden sind, diese Botschaft der Geduld Gottes für uns geltend machen dürfen. Diese Geduld Gottes wurde uns nicht geschenkt, weil wir Gott darum gebeten haben, sondern diese Geduld, von der wir uns heute auch aufrichten lassen dürfen, ist ausschließlich und allein das Werk unseres Herrn und Meisters Jesus Christus. Er tritt für uns beim Vater ein. So hebt uns der Sohn aus dem Staube der Verdammnis wieder auf. Hören wir es recht:
Gott hebt uns aus dem Staube der Verurteilung wieder auf, sein Sohn hat für uns gebeten.
Wir dürfen wieder frei stehen und atmen.
Aber wenn Jesus uns heraushebt aus dem Schmutz und Dreck und uns unsere Schuld vergibt, dann will er nicht, daß wir den alten Weg ins Verderben weitergehen, dann will er nicht, daß wir weiter auf der Flucht vor Gott bleiben, dann will er nicht, daß wir weiterhin nach unseren eigenen Neigungen und Wünschen handeln, sondern daß wir jetzt die Hand Gottes ergreifen und mit ihm als Christen furch das Leben gehen:
"Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden".
So könnte dieser so freudenreiche Tag für die Gemeinde und auch für jeden einzelnen von uns zu einem anderen Tage der Freude werden, zu einem Tage, da wir als die unter der Schuld Zusammengebrochenen von Jesus Christus wieder aufgerichtet werden und nun als die Begnadeten weiter durch das Leben ziehen und sodann auch die Frucht bringen, auf die ja doch alles ankommt.
Unser Wort redet aber auch uns an, die wir vielleicht diesem Worte so recht nicht trauen, die wir vielleicht meinen, was das Wort da von der Frucht sagt, kann so schlimm doch nicht sein.
Hier ist allerdings die größte Vorsicht am Platze. Keiner darf sich von dem Gedanken einschläfern lassen, daß die Geduld Gottes unbegrenzt ist. Nein, diese Geduld Gottes hat eine Grenze:
"Laß ihn noch dieses Jahr!"
Wohl dürfen wir wissen, daß wir heute noch in diesem Raum der Gnade Gottes leben und das wir uns von Jesus Christus noch zu Menschen umgestalten lassen dürfen, die Frucht bringen.
Wann aber dann unsere Gnadenfrist beendet ist, wissen wir nicht. Sie kann aber schon heute abgelaufen sein und dann müßte es von uns wirklich heißen:
"Wo sie innerhalb der gegebeneen Frist nicht Frucht bringen, dann haue sie ab!"
Aber das kann im Ernst nicht unser Wille sein, daß wir diese Frist verstreichen lassen wollen, ohne mit Gott ins Reine gekommen zu sein.
Laßt uns darum ringen, daß diese große Geduld Gottes unser Heil wird und uns zu Menschen umgestaltet, die Frucht bringen.
(Diese Predigt wurde gehalten bei meiner Einfuehrung in Aldea Protestante am Himmelfahrtstag-19-5-1955).
Es folgt auch noch eine andere Predigt ueber den gleichen Text, die ich in Wattenscheid-Höntrop/Deutschland im Februar 1955 gehalten habe.
(Predigt -9b - in Höntrop 1955
Was uns mit diesen Worten des Gleichnisses vom Feigenbaum berichtet wird, ist die selbstverständlichste Angelegenheit. Müßte das doch ein dummer Bauer sein, der an seinem Hause einen großen Obstgarten gepflanzt hat und gar nichts mehr danach fragen würde, ob dieser Obstgarten seinen Keller mit Äpfeln, Birnen und Pflaumen füllen und dazu noch manchen Zentner auf den Markt bringen würde. Es geht hier bei dem Feigenbaum wirklich um die Frucht, auf die zu warten der Besitzer ein Recht hat.
Auch ohne eine besondere Belehrung ist uns deutlich, daß Jesus uns mit diesen Worten keinen Unterricht über Grundgesetze in der Obstbaumanpflanzung geben will. Dieses meint etwas anderes, das uns allen hier im Gottesdienst angeht.
Wir sind solche Menschen, die von Gott gesetzt sind, Frucht zu bringen. Daß Gott diese Frucht von uns erwarten kann, ist so selbstverständlich, wie der Besitzer eines Aofelbaumes im Herbst Äpfel von seinem Baum erwarten kann.
Was erwartet Gott dann aber von uns?
Frucht bedeutet schlicht und einfach, eigentlich das Selbstverständliche, daß wir jetzt endlich nicht mehr von Gott weglaufen, jetzt endlich nicht mehr seine Hände, die er uns in den 10 Geboten entgegenstreckt, wegschlagen, daß wir jetzt endlich unsere Hämde mit seinen reichen Gaben füllen lassen.
So steht denn Gott vor uns und fragt uns nach unserer Frucht. Ob er sie bei uns findet?
Wenn wir solch ein Wort normalerweise hören, das von Frucht und von Buße handelt, sind wir Christen nur allzuleicht geneigt, diese Worte denen zuzurufen, die nicht zur christlichen Gemeinde gehören. Es besteht die Gefahr, daß die Kirche der Welt die Frage vorlegt:
Wo ist deine Frucht, die Gott, der Herr, von dir erwartet?
Nein, so geht das nicht. Was hier zu sagen ist, gilt gerade uns Christen. Es ist nicht der Fall, daß wir mit dieser Frage nichts zu tun haben. Es ist nicht der Fall, daß wir in allem tadellose Menschen sind.
Wir sind aufgefordert, nun das sein zu lassen, daß wir uns vor unseren eigenen Spiegel stellen und uns in diesem Spiegel erkennen als besonders fromme Menschen, möglichst noch mit einem Heiligenschein. Nicht auf die sogenannten bösen Menschen da draußen laßt uns schauen und auf sie mit den Fingern zeigen, sondern laßt und gerade erkennen, daß wir gemeint sind, du und ich.
Das war ja die Haltung der Menschen, die da vor Jesus stehen und denen er dieses Gleichnis erzählt hat. Sie waren ja auch zu ihm gekommen, damit sie ihn aufmerksam machten auf die bösen Menschen und damit er erkenne, wie tadellos doch sie wären. Was müssen das doch auch für böse Menschen gewesen sein, die damals, als der Turm zu Siloah einstürzte, umkamen. Und was müssen wir doch für gute Menschen sein, daß Gott gerade uns in den vielen Bombennächten, daß Gott gerade uns in den Strapazen und Unmenschlichkeiten der Kriegsgefangenschaft, daß Gott gerade uns in der großen Hungerszeit nach dem Kriege beschützt und beschirmt hat.
Gott verwehrt uns solches Reden und Sprechen und gebietet uns, vor ihm stille zu stehen, damit er auch uns die Prüfung nach der rechten Frucht unterziehen kann.
Wie sieht das Ergebnis dieser Suche bei uns als Christen aus?
Ach, nur mit einer Bestürzung ohnegleichen können wir das Urteil Jesu über uns vernehmen:
"Und er fand diese Frucht nicht".
Es ist einfach erschreckend festzustellen, wie gerade bei uns im Westen, im sogenannten christlichen Westen, mit einer sogenannten christlichen Bundesregierung und mit sogenannten christlichen Parteien und mit ungezählten christlichen Vereinen und Vereinchen im letzten Grunde von einer solchen echten Frucht, wie sie Jesus Christus meint, nichts zu finden ist.
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wird das Wort "christlich" in den Mund genommen und mich sollte es nicht wundern, wenn es bald eine christliche Wehrmacht und christliche Atombomben gibt.
Aber täuschen wir uns nicht, das Wort "christlich" will nur unsere eigenen persönlichen Unglauben verdecken. Wir haben trotz aller Christlichkeit längst unseren Glauben an Jesus Christus verkauft an die marschierenden Soldaten. Wir haben längst wieder das Gebot:
"Du sollst nicht töten!"
vertauscht gegen die Parole:
"Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein".
Wo sind denn noch die Menschen, die in den Spannungen dieser Welt zwischen Ost und West weder schielen nach Amerika noch nach Rußland, sondern die ihr ganzes Vertrauen setzen auf ihren Herrn und Heiland Jesus Christus?
Wo sind unter uns Christen, die noch das wissen, was der Präses unserer Evangelischen Kirche, Dr. Heinemann, einmal bekannte:
"Die mächtigen Herren dieser Welt gehen, aber unser Herr kommt?".
Erschütternd ist es, diese Feststellung unseres Herrn über uns und über unser ganzes faules, wenn auch sogenanntes, christliches Abendland, hören zu müssen:
"Und der Herr fand die gesuchte Frucht nicht".
Vor seinem Auge wird unser ganzes Leben, im privaten ebenso wie im öffentlichen Leben, mit allen Dunkelheiten und mit allem Ungehorsam gegen den lebendigen Herrn offenbar. Er zeigt uns, wie unsere ganze so hochgepriesene Frömmigkeit nur eine lackierte Bruchbude ist.
Es ist mir einfach ein Rätsel, das Christen unter uns sind, die es freudig begrüßen, wenn Amerika seine Atombomben bei uns in Westdeutschland mit einer christlichen Regierung mit Richtung gegen Ostdeutschland aufstellen. Alle anderen Regierungen in Westeuropa haben die Aufstellung dieser satanischen Mordinstrumente abgelehnt, nur uns blieb das vorbehalten, sie sogar noch freudig zu begrüssen.
Genauso wie wir es einmal verantworten müssen, warum wir als Christen während der Nazizeit nicht unseren Mund aufgetan haben gegen die Ermordung von 5 Millionen Juden, gegen die Konzentrationslager mit allen Unmenschlichkeiten, gegen die Ermordung kranker Menschen, genauso werden wir es verantworten müssen, wenn wir schweigen über die Aufstellung dieser Atomkanonen.
Hoffentlich merken wir es, daß in der Tat unsere ganze Christlichkeit hier im Westen ein Bruchladen ist und wenn die anderen sich auch die Ohren zuhalten, so laßt uns jedenfalls dem Worte des Herrn stille halten, der im furchtbaren Gerichtsernst über uns ausruft:
"Haue den Baum ab, er schadet nur dem Land!"
Nicht einer ist unter uns, der vor Gott in dieser Stunde treten könnte und ihm zurufen dürfte, was du da über einen jeden einzelnen und über unser ganzes christliches Abendland beschlossen hast, ist ein großes Unrecht. Wir haben ein solch hartes Urteil nicht verdient, du, Gott, hast uns falsch eingeschätzt.
Lassen wir doch das Versteckenspielen, es liegt offen zu Tage, daß wir als Christen auf der ganzen Linie versagt haben.
Haben wir Verkündiger wirklich nicht zu oft gegenüber dem Ernst der 10 Gebote gekniffen und Angst gehabt, sie in aller Wahrheit zu verkündigen; haben wir als Gemeindeglieder nicht nur zu oft gemeint, unser Glaube sei etwas für die Seele, für das Leben hinter verschlossenen Türen und haben dabei vergessen, daß unser Glaube eine öffentliche Sache ist, die wir der ganzen Welt zu bezeugen haben?
Wo ist der Christ in unserer Gemeinde, der an der Stelle, wo er hingestellt worden ist, an seinem Arbeitsplatz oder in seinem Verein oder in seiner Partei oder in seiner Gewerkschaft, ein eindeutiges Bekenntnis mit Worten und Werken zu seinem Herrn Jesus Christus abgelegt hat, sodaß die, die es hörten, von der Kraft Gottes, die hinter diesem Bekenntnis stand, überwunden wurden?
Wo sind die Gemeindeglieder, die zur Stelle waren, wenn sie Gott in seinen Dienst rief? Nein, nein, wir können Gott nicht täuschen. Wenn sein durchdringendes Auge uns anschaut, dann vergeht uns unser Ausreden und unser Entschuldigen, dann bleibt nur das Wort übrig:
"Haue ihn ab, was hindert er noch das Land!"
Gegenüber diesem Gerichtswort gibt es auch kein Bitten und Flehen, gibt es ebenfalls kein billiges um Gnade flehen, sondern diesem Wort gegenüber gibt es für uns nur die eine Haltung, die spricht:
"Herr, tue mit mir, was du beschlossen hast. Haue mich ab!"
Der Schweizer Reformator Calvin konnte das einmal so etwa zum Ausdruck bringen, daß er sagte:
"Herr, wenn du mich sogar in die Hölle hinein verdammst, so kann ich dich wegen dieser deiner Entscheidung nur ehren und preisen, denn ich bin in der Tat der, der von dir zu Recht verdammt worden ist".
Das ist ein ungeheuerliches Wort, aber doch kommt für uns alles darauf an, daß wir Gott in seinem Urteil über uns, das uns verdammt, Recht geben.
Nun erleben wir nach diesem Bekenntnis aber etwas, was unserm Denken und Empfinden völlig übersteigt.
Wir sagten am Anfang, daß es für uns verständlich ist, wenn der Bauer nach der Frucht seiner Obstbäume fragt, hier allerdings wird etwas getan, was nicht nur alle Regeln des Obstanbaues über den Haufen wirft, sondern auch etwas, was mit menschlichen Begriffen kaum wiederzugeben ist.
Hier steht der Gärtner auf und stößt eine unerhörte Bitte aus:
"Herr, laß ihn noch dieses Jahr, bis daß ich um ihn grabe und bedünge ihn!"
Es soll noch einmal mit diesem Baume versucht werden, der nur wert ist, abgehauen und verbrannt zu werden.
Diese ungeheuerliche Bitte um Aufschub des Gerichtes ist ausgesprochen.
Haben wir es gehört, wir alle, die wir durch Gottes Wort gerichtet werden, haben noch eine Gnadenfrist bekommen. Es ist einer bei Gott für uns eingetreten, der das fast Unmögliche noch einmal wagt, der noch hofft, daß aus uns noch einmal etwas wird. Noch einmal ist diese Gnadenzeit über uns alle ausgesprochen, noch einmal darf vielleicht auch die Christenheit bei uns in Deutschland umkehren von den ungehorsamen Wegen der letzten Zeit auf allen Gebieten.
Allein die Hoffnung Jesu Christi ist noch unsere Hoffnung. Allein sein Bitten beim Vater im Himmel gibt uns noch diese Gnadenfrist. Noch einmal, vielleicht zum letzten Male, ist uns in Deutschland Gelegenheit gegeben zur Umkehr von unseren bösen Wegen und zur Buße. Der das für uns erwirkt hat, ist kein anderer als der, der am Kreuz auf Golgatha an seinem eigenen Leibe erfahren hat, was Gottes Urteilsspruch bedeutet:
"Haue ihn ab!"
Seit dieser Zeit läuft die Botschaft von der großen Geduld Gottes über diese Erde und seitdem gibt es für uns, die wir in der Tat auf der ganzen Linie versagt haben und von Gott verdammt wurden, nichts Köstlicheres als daß diese Botschaft von der göttlichen Geduld auch uns noch heute gilt.
Diese göttliche Geduld wurde uns nicht geschenkt, weil wir Gott darum gebeten hätten, sondern diese Geduld ist das Werk unseres Herrn und Meisters Jesus Christus. Er tritt für uns beim Vater im Himmel ein.
So hebt uns der Sohn aus dem Staube der Verdammnis wieder auf. Hören wir es recht: Gott hebt uns aus unserer Schuld wieder auf. Der Sohn hat für uns gebeten und hat es ermöglicht.
Wir dürfen nun wieder stehen, wir dürfen nun wieder frei atmen, welch ein herrliches Geschenk, Gott vergibt uns unsere Schuld.
Als die, die wieder stehen durften, können wir allerdings nicht wieder auf dem selben alten und ungehorsmane Fleck stehen bleiben. Wir sollen unsere Triebe und Lüste, unsere privaten und öffentlichen Ideale und unseren Schmutz, den wir vor die Füße Jesu gelegt haben, nicht wieder mit uns herumschleppen.
Wenn Gott uns in seinem furchtbaren Gericht noch vor kurzer Zeit die Waffen aus der Hand geschlagen hat, weil wir sie in schändlichster Weise mißbraucht haben, um Millionen von Menschen dahinzumorden, dann können bußfertige Christen jetzt nicht im Ungehorsam gegen Gottes Gebot:
"Du sollst nicht töten".
diese Waffen wieder in die Hand nehmen, dann müßte es uns unmöglich sein, im Angesichte der gegen den Osten aufgestellten Massenmordgeräte der Atomkanonen, noch eine einzige ruhige Nacht zu verbringen oder ruhig ohne Gewissensbisse in den Gottesdienst zu kommen, unbekümmert, daß ein Druck auf diese Geräte Millionen von Menschen durch die Unvernunft einiger weniger dahingemordet werden können. Buße für uns als Christen bedeutet, sich nicht auf Waffen und Atombomben zu verlassen, sondern allein auf den Herrn. Jesus Christus hat uns aus dem Staube gehoben, nicht daß wir wieder in die alte Gleichgültigkeit und den alten Trott verfallen, sondern uns endlich zum Gehorsam gegen Gott und seine Gebote rufen lassen. Auch von uns soll es heißen:
"Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden".
So will unser heutiges Hören auf Gottes Wort zu einem Freudentag werden, zu einem Tage, da wir als die unter der Schuld Zusammengebrochenen, aber von Jesus Christus wieder Aufgerichteten und als die Begnadigten weiter durch das Leben ziehen und so auch Frucht bringen, auf die es ankommt.
Wer allerdings diesem Worte nicht traut und meint, es sei ja garnicht so schlimm mit uns, der muß wissen, daß er noch immer im Gericht Gottes steht:
"Haue ihn ab, denn er nimmt den anderen den Platz weg!"
Keiner von uns darf sich durch den Gedanken einschläfern lassen, daß die Geduld Gottes unbegrenzt sei. Vorsicht ist am Platze, denn die Geduld Gottes hat eine Grenze:
"Laß ihn noch dieses Jahr!"
Wir dürfen wissen, daß wir heute noch in diesem Raum der Gnade Gottes leben und daß wir noch heute uns von Jesus Christus zu einem Menschen umgestalten lassen dürfen, der Frucht bringt, der Gott gehorsam ist.
Wann unsere Frist, wann die Frist der Evangelischen Kirche in Deutschland abgelaufen ist, wissen wir nicht, sie kann aber schon morgen zu Ende sein und dann müßte es auch von uns heißen:
"Wo er innerhalb der Frist nicht wollte Frucht bringen, haue ihn ab!"
Aber das kann doch nicht wahr sein, daß wir diese Frist verstreichen lassen wollen.
Laßt uns darum ringen, daß diese große Geduld Gottes für uns, für unsere Christenheit und fúr unser deutsches Volk zum Heil werde und wir rechte Frucht bringen.)




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Es ging meiner Frau darum, den Chor und die Gemeinde an das neue Liedgut aus Deutschland heranzufuehren. Das Besondere war, dass im Dorf allgemein die deutsche Sprache gesprochen wurde und ueberhaupt aller Dienst, auch in den Filialgemeinden, in der deutschen Sprache geschah. Nur eine Schweizergemeinde, Col. Nueva,, die unserer Gesamtgemeinde General Alvear angeschlossen war, war schon ganz in die spanische Sprache uebergegangen, und wurde in meiner ersten Zeit durch meine Vorgaenger,
P. Faber und P. Hoppe, in der spanischen Sprache betreut.
Fuer mich war es klar, dass ich eine laengere Zeit ueberhaupt brauchen werde, um die Situation der Gemeinde und ihr bisheriges Leben zu verstehen, auch um in ein naeheres Verhaeltnis zu den anderen Gemeinden unserer Kirche in Entre Ríos und im ganzen Arbeitsgebiet unserer Kirche in Uruguay, Paraguay und Argentinien zu kommen. Wir versuchten auch in der ersten Zeit, uns an die Gepflogenheiten der Gesamtgemeinde strikt zu halten.
Mein Tatendrang war am Anfang sehr stark gebremst dadurch, dass ich kein Fahrzeug hatte und durch die schlechten Wege, die bei Regenwetter und danach sogar nur mit dem Pferdewagen befahrbar waren. Das bedeutete, dass ich schon bei ganz schwachen Unwetterdrohungen von den Filialgemeinden zu den Gottesdiensten nicht abgeholt wurde. Ganz selten wurde dazu ein Auto benutzt, weil in verschiedenen von ihnen es hoechstens 1 oder 2 Autobesitzer gab..Die Filial- oder auch Teilgemeinden genannt, waren ca. 10, 15, 30, 50 und 120 km vom Pfarrsitz Aldea Protestante entfernt.
Wenn ich in der kleinen Gemeinde Meroú einen Gottesdienst am Sonntagmorgen halten wollte, musste ich mich am Samstagmorgen schon auf den Weg machen. Ein Abholen von Seiten dieser kleinen Gemeinde mit dem Pferdewagen war schwer moeglich. Die Fahrt ging normalerweise so vor sich:
Vom Pfarrhaus wurde ich von einem Glied von Aldea Protestante mit dem Pferdewagen abgeholt und bis zu der Asphaltstrasse gebracht, die nach Paraná fuehrt, wo ich einen Omnibus nahm. Dort stiueg ich in einen anderen Omnibus, der mich auf dem Erdweg nach Crespo brachte, wo die Gemeindegelieder der Filialgemeinden Reffino und Meroú normalerweise ihre Geschaefte machten. Und dort nahm mich ein Glied von Meroú, der dort seine Einkaeufe und Verkaeufe getaetigt hatte, mit seinem Pferdewagen bis zu seinem Hof in Meroú. Wie oft waren wir waehrend der ganzen Fahrt in einer starken Staubwolke gehuellt. Das war nicht nur mit dem Pferdewagen so, sondern auch, wenn ich mit dem Auto abgeholt wurde. Hier im Bauernhaus konnte ich mich frisch machen und es kam zum persoenlichen Kontakt mit der ganzen Familie. Waren Kinder vorhanden, sangen und spielten wir. Am anderen Morgen ging es dann mit der ganzen Familie auf dem Pferdewagen zum Gottesdienst. Nach dem Gottesdienst nahm mich ein anderer Familienvater mit zum Mittagessen und danach hattte ich die Gelegenheit zu einem Mittagsschlaf. Den Nachmittag benutzte ich, die Kranken zu besuchen oder machte allgemein Hausbesuche, die oft mit einem Hausgottesdienst verbunden waren. Anschliessend ging es den selben Weg, den ich auf der Hinfahrt gemacht hatte, wieder zuruek, sodass ich spaet am Abend wieder zu Hause war. Was meine Frau zu Hause inzwischen schwer verkraften konnte, war, dass das ganze Dorf durch das Vieh, das zum Melken ins Dorf getrieben wurde, bei den Lehmstrassen in eine Staubwolke eingehuellt wurde und damit auch das Innere des Pfarrhauses. Interessant war von Anfang an, dass die Gesamtgemeinde aus einer Dorf-, einer Stadtgemeinde und 4 Kampgemeinden bestand. Zu den letzteren gehoerte auch die bereits erwaehnte Schweizergemeinde in Col. Nueva.
Diese Zusammensetzung sollte sich allerdings in den folgenden Jahren noch veraendern und erweitern.
Vielleicht kann das erwaehnt werden , dass waehrend unseres ersten Aufenthalts in Buenos Aires, uns auffiel, dass sehr viel Propaganda fuer und um JUAN PERON, den Praesidenten von Argentinien, und seiner bereits verstorbenen Ehefrau EVITA gemacht wurde. Ueberall in der Oeffentlichkeit erklang der Peronistenmarsch. Die Stadt war voller lebensgrosser Bilder von den Beiden. In jedem Omnibus oder Zug gruessten sie uns. Besonders Evita wurde fast wie eine politische Heilige verehrt. Eine gewisse Aehnlichkeit in dem allen mit dem, was unter Hitler in Deutschland geschah, lag auf der Hand. In der deutschen evangelischen Gemeinde in Buenos Aires allerdings war eine sehr reservierte Haltung gegen Peron und gegen den Peronismus zu spueren, gleichfalls wie bei den Militaers und in den hoeheren Kreisen Argentiniens. Nicht zu verkennen aber ist, dass beide Perons, mag auch aus nicht zu erkennenden Gruenden, viel fuer die aermere Bevoelkerung und fuer die Arbeiter getan haben.
Obwohl uns das alles auffiel, haben wir das alles zunaechst als eine lateinamerikanische Mentalitaet etwas bei Seite geschoben. Es gab ja so viel Anderes und Neues. Doch schon in der ersten Woche am Pfarrsitz in Aldea Protestante wurden wir von einem Vorstandsmitglied der Gemeinde zum Mittagessen eingeladen und dabei herzlich und dringend gebeten, unter keinen Umstaenden oeffentlich Krittik an Peron und Evita und der peronistischen Bewegung und am peronistischen Staat zu ueben, das wuerde uns und der Gemeinde teuer zu stehen kommen, er selbst habe schon bittere Erfahrungen machen muessen. Man kann sich vorstellen, dass uns manches klar wurde, denn wir hatten es schon zur Genuege in Deutschland kennen gelernt.
Aber schon kurze Zeit danach war alles zusammengebrochen oder durch das Militaer "zusammengebrochen worden ", obwohl der Peronismus immer wieder im Hintergrunde brodelte und dann auch wieder politisch offen bis heute zu Tage trat.
Das Militaer ging allerdings gegen jede demokratische politische Macht in Argentinien vor und suchte den diktatorischen Staat als eine Normalitaet einzusetzen und zu foerdern.
Wir, meine Frau und ich, hatten es bald gemerkt, dass sich unsere Gemeindeglieden, mit wenigen Ausnahmen, ziemlich apolitisch verhielten, aber in einer ueberhoehten Weise staatstreu war. Das kommt sicher aus ihrer Situation als Immigranten, die doch nur geduldet wuerden, wie sie meinten. Sie nahmen damals kaum am politischen Leben teil und das hatte sich fuer viele weitere Jahre auch nicht geaendert, weil sie einmal noch lange an der deutschen Sprache festhielten und darum die ganze Realitaet nicht erfassen konnten.. Mit einer Zeitung wussten sie nichts anzufangen. Langsam durch die Kinder in den Regierungsschulen und durch die oertlichen Radiosendungn wurden ihnen nach und nach das Leben ausserhalb ihres Gesichtskreises immer etwas naeher gebracht.
So habe auch ich selbst in den ersten Jahren ohne Auto nicht erfahren, dass die Bewohner der Hafenstadt Diamante am Fluss Paraná, in der sich eine kleine evangelische Gemeinde bildete, zur Haelfte in Huetten (ranchos) wohnen, die man aber normalerweise nie zu Gesichte bekommt.
Die Heirat unserer Gemeindeglieder mit Argentiniern wurde anfaenglich sehr geaechtet. Viele unserer Gemeindeglieder waren am Anfang unserer Zeit nicht ein einziges Mal in ihrem Leben in der Provinzhauptstadt Paraná (30 km von Aldea Protestante entfernt) gewesen. Eine kleine Gemeinde besteht auch dort.
Da unter den damaligen Verhaeltnissen der Dienst in den verschiedenen Teilgemeinden nur fuer die dringenden Faelle, das heisst Krankenbesuche und Beerdigungen, und fuer den Gottesdienst einmal im Monat moeglich war, haben wir den Dienst in der Gemeinde am Pfarrsitz intensisviert. In jeder Woche ohne Sonntagsgottesdienst gab es am Donnerstagabend einen Wochengottesdienst, in dem fortlaufend ganze Buecher der Heiligen Schrift ausgelegt wurden, wie z.B. das Markus-Evangelium, die Propheten Amos und Jona, oder der Kolosserbrief. Diese Wochengottesdienste wurden sehr gut besucht. Es konnten dabei auch die textkritischen und theologischen Schwierigkeiten angesprochen werden, von denen leider normalerweise die Gemeindeglieder nichts erfahren. Der schon bestehende Chor konnte ganz neu aufgebaut und mit dem damaligen neuen Liedgut aus Deutschland vertraut gemacht werden .Fast die ganze maennliche und weibliche Jugend war im Chor vertreten, auch aeltere Frauen und Maenner nahmen daran teil. Diese Chorarbeit lag ganz in den Haenden meiner Frau, auch die Kindergottesdienstarbeit, desgleichen die Bildung von 2 Blockfloetenkreise. Sie bildete auch 3 Maedchen in der Begleitung des Gemeindegesangs mit dem Harmonium aus, die dann spaeter als Organistinnen fuer den Gottesdienst zur Verfuegung standen. Bei unserer Ankunft tat noch ein Deutscher in einer primitiven Weise Deutsch-Unterricht in Anlehnung an den Kleinen Katechismus Martin Luthers..
Um die Arbeit in den Teilgemeinden zu intensivieren, wurden die Fahrten zu einem vollen
Dienst am ganzen Wochenende geplant. Er begann schon am Freitagabend und wurde ausgefuellt mit Kranken- und normalen Hausbesuchen, evtl. Hausgottesdiensten, mit Lichtbildvortraegen; um die Gemeinde mit dem, was ums her und in der Welt und in der Kirche geschah, vertraut zu machen, und es fanden dann auch regelmaessig Bibelstunden statt. Besonders wurde der 14-taegige oder 3-woechige Konfirmanden-Unterricht fuer die Gemeinde benutzt. Ich wohnte dabei auf einem Bauernhof in der Gemeinde. Normalerweise kam jeden Abend die Gemeinde zu einer Bibelstunde oder einem Lichtbildabend oder zum Einueben der Gesangbuchlieder zusammen. Hausbesuche waren selbstverstaendlich.
Leider wurde der Dienst eines Lektors fuer Lesegottesdienste zur Belebung der Gemeindearbeit nicht angenommen, trotzdem ich gleich am Anfang einige willige Maenner zu diesem Dienst ausgebildet hatte. Der Grund der Ablehnung lag in den schlechten Erfahrungen, die man allgemein in unseren Gemeinden in Entre Ríos mit den aehnlichen Diensten gemacht hatte, die durch Glieder der sogenannten BRUEDERBEWEGUNG durchgefuehrt wurden.

Wie konnte es anders sein, als dass die ganze Gemeindearbeit unter dem Bekenntnis

JESUS CHRISTUS allein ist der HERR! stand.
Wir sangen zum Schluss jeden Gottesdienstes das Lied:



Jesus Christus, Koenig und Herr,
sein ist das Reich, die Kraft, die Ehr!
Gilt kein anderer Name,
heut und ewig. Amen.

In den Juengsten Tages Licht,
wenn alle Welt zusammenbricht,
wird zu Christi Fuessen
jeder bekennen muessen:

Jesus Christus, Koenig und Herrr,
sein ist das Reich, die Kraft, die Ehr!
Gilt kein anderer Name,
heut und ewig. Amen

Ebenfalls galt fuer uns, was durch das Barmer Bekenntnsis bezeugt wird.
Die evangelischen Gemeinden in Entre Ríos standen unter einer doppelten Anfechtung:
1. Die Glieder, die zum groessten Teil Russlanddeutsche oder Nachfahren von Russlanddeutschen waren, hatten in den Siedlungen in Russland erlebt, dass in einer nicht guten Weise dort Pfarrer und Polizist zur Aufrechterhaltung der Ordnung und der Sitte zusammen arbeiteten, was sie innerlich im Grunde ihres Herzens ablehnten und als sie hier in Argentinien ankamen, und die Freiheit genossen, wollten sie sich nicht mehr durch die Vertreter der Kirche in irgendeiner Form baendeln lassen, hier waren sie ja nicht mehr dazu gezwungen. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis dass sie merkten, dass keine Kirche mehr ihnen zur Seite stand. Und zwar baten sie erst um einen Pfarrer aus Deutschland, nachdem sich die ADVENTISTEN im Raum unserer Gemeinde in Puiggari niederliessen und sie durch ihre Propaganda in Unruhe brachten. Ihren tradionellen Glauben wollten sie sich durch sie dann doch nicht nehmen lassen. Dieses Zentrum der Adventisten hat sich im Laufe des Jahrhunderts immer mehr ausgebreitet mit Sanatorium, mit Primaer- und Sekundaerschulen und verschiedenen Universitaetsfakultaeten und Krankenpflege und bleibt immer noch eine Anfechtung fuer unsere Gemeinde. Die ersten Adventisten in Argentinien waren Russlanddeutsche gewesen. Es folgt eine Bibelarbeit ueber "Jesus Christus und der Sabbath":

Pastor Schwittay Teil 3

Verfasst: 16.01.2007, 10:20
von Heinz
2. Weitere Anfechtung kam durch die Spaltung der Gemeinde in Aldea Protestante bei einem meiner Vorgaenger, verursacht durch einen befreundeten Lehrer, der im Osten Deutschlands arbeitete, den der Vorgaenger aus Deutschland zur Unterstuetzung seiner Arbeit geholt hatte. Nach kuzer Zeit sammelte dieser Lehrer sich unter unseren Gliedern eine Personalgemeinde und machte sich zzum Pastor. Diese Personalgemeinde ging spaeter zu der Kongregationalkirche ueber und erschwerte die ganze Gemeindearbeit. Aehnliches geschah in vielen anderen Gemeinden unserer Kirche in Entre Rios, dass durch die Propaganda und durch Versprechungen Glieder der Gemeinden unserer Kirche zu der Kongregationalkirche oder zu der Lutherischen Missourierkirche uebertraten.und unsere Gemeinden in grosse Schwierigkeiten brachten.
Auch das ist eine Realitaet, dass viele unserer russlanddeutschen Gemeindeglieder aus Entre Ríos und aus dem Innern unseres Landes, die in Buenos Aires oder in anderen Staedten Arbeit gefunden hatten, weil das zur Verfuegung stehende Land fuer die ganze Familie zu klein geworden war oder auch durch Heirat, sich der roemisch-katholischen Kirche anschlossen, oder einer anderen evangelischen Denomination, ja, sogar zu Sekten uebergingen, wie den ERNSTEN BIBELFORSCHERN, oder ganz einem christlichen Leben fernblieben. Die meisten von ihnen waren fuer ein Leben in der Stadt nicht vorbereitet, auch nicht in Kenntnis gesetzt worden, wo ueberall unsere Kirche Gemeinden gebildet hatte oder dass sie sich also in der Freiheit von der Kirche sehr wohl fuehlten.
Natuerlich war und ist es noch heute die Aufgabe der russlanddeutschen Gemeinden, ihre Glieder auf die Situation in Buenos Aires und in anderen Staedten aufmerksam zu machen und vorzubereiten. Allerdings kann das nicht verteidigt werden, damals nicht und auch heute nicht,, was der russlanddeutsche Pfarrer Riffel damals in einem Vortrag in Aldea Protestante als Massstab fuer die Russlanddeutschen aufstellte:
" Ihr seid als Russlanddeutsche fuer die Landarbeit bestimmt,
auf dem Lande habt ihr zu leben und da ist eure Arbeitsstelle,
da hat Gott euch hingestellt. Wenn ihr in die Stadt geht, seid
ihr verloren! "
Am Anfang meiner Gemeindearbeit hielt ich anlaesslich eines Frauentages unserer Gesamt-
Gemeinde folgenden Vortrag:
Die evangelische Frau im Haus und im Hof.
Ihr lieben Frauen!
Am Anfang meines Vortrages möchte ich ein Wort aus der Heiligen Schrift lesen, das die Grundlage des Vortrages sein soll.
Lukas 10, 38-42:
"Es begab sich aber, da sie wandelten, ging Jesus in einen Markt. da war ein Weib mit Namen Martha, die nahm ihn auf in ihr Haus. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria, die setzte sich zu Jesu Füßen und hörte seiner Rede zu. Martha aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht darnach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen? Sage ihr doch, daß sie es auch angreife! Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe; eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden".
Wir erinnern uns noch,
daß heute morgen in der Predigt gesagt wurde, daß erst durch das Kommen Jesu Christi die Frau aus der Verachtung der damaligen Zeit herausgenommen wurde und in gleicher Weise wie der Mann ein Kind Gottes sein konnte und als ein Kind Gottes auf dieser Erde leben durfte. Erst durch Jesus Christus wurde auch der Frau der Himmel aufgeschlossen.
Auch in dieser Geschichte, die wir gehört haben, konnten wir es spüren, daß Jesus die Verachtung der Frau damals nicht mitgemacht hatte und sich nicht schämte, als der Sohn Gottes in das Haus der beiden Schwestern Maria und Martha einzukehren.
Merkwürdig, wie verschieden sich die beiden Frauen Jesus gegenüber verhalten. Martha läßt es sich nicht nehmen, vom ersten Augenblick an, Jesus helfend und dienend zur Verfügung zu stehen. Wir alle können sicherlich nichts anderes tun, als dieser Frau Martha unsere volle Anerkennung auszusprechen. Sie hat doch dasselbe getan, was wir auch tun würden, wenn Jesus in unserem Hause in Aldea Protestante oder sonst wo einkehren würde.
Aber da ist noch ihre Schwester Maria. Sie verhält sich so ganz anders. Sie läßt alles stehen und liegen, auch die so wichtigen und nötigen hauswirtschaftlichen Arbeiten, und kennt nur eines, möglichst in der Nähe des Besuchers zu sein, möglichst kein Wort überhören von dem, was dieser Jesus von Nazareth sagt, der der Sohn Gottes ist.
Wer von diesen beiden Frauen hat recht gehandelt: Maria oder Martha?
Nach unserem eigenen persönlichen Gefühl würden wir wohl alle sagen: Martha hat recht gehandelt, die sich mit allerlei Arbeiten für Jesus zu schaffen macht.
-Das Zuhören der Maria ist doch keine gute Sache, ist doch nicht Weiberangelegenheit!!-
Aber was sagt Jesus dazu? "Martha, Martha, du hast dir zwar viel Arbeit mit mir gemacht, aber etwas anderes, ein einziges wäre viel nötiger gewesen und das hat deine Schwester Maria getan".
Jesus sagt also zur Arbeit, zum Tun der Martha ein Nein und zum Hören der Maria sagt er ein klares und deutliches Ja. Warum entscheidet Jesus so ganz anders als wir? Das kann doch nicht möglich sein, daß Jesus es nicht haben will,daß eine Frau für ihn arbeitet.
Nein, das soll auch nicht mit dieser Geschichte gesagt werden und das will Jesus selbst auch nicht sagen. Hier in dieser Geschichte Jesu mit Maria und Martha geht es nicht darum, ob die Frau für Jesus etwas tun soll oder ob sie nur zuzuhören braucht. Hier geht es darum, was der Mensch zuerst zu tun hat, wenn ihm Jesus begegnen will.
Am Anfang einer Begegnung mit Jesus Christus muß immer das Hören auf sein Wort stehen. Vor einem jeden Tun für Jesus Christus steht imme das Hören auf das, was wir von ihm gesagt bekommen, was wir zu tun haben.
Unser Vertrag heißt:DIE EVANGELISCHE FRAU IM HAUS UND IM HOF.
Mit einer evangelischen Frau ist nun die Frau gemeint, die das tut, was zuerst Maria getan hat. Eine evangelische Frau ist die Frau, die vor aller Arbeit, vor allem Tun im Haus und in der Familie und in der Gemeinde zuerst hinhört auf das, was Jesus Christus ihr sagt, was er ihr zu tun befiehlt.
Wer nicht zuerst hinhört auf das, was Jesus Christus zu sagen hat, der weiß ja gar nicht, was Jesus von ihr haben will. Wer nicht zum Gottesdienst der Gemeinde kommt und darum Gottes Wort nicht hört, ist keine Christin, solch eine Frau ist keine evangelische Frau. Eine Frau, die zu Hause einen Haushalt von 15 Personen führen würde und sich nicht die Zeit nimmt, auch an Wochentagen die Hände zu falten und mit Jesus Christus zu sprechen, die würde ihre ganze Arbeit umsonst getan haben, selbst wenn es áußerlich so aussehen würde, als ob es gut wäre. Alles, was wir so erarbeiten würden, wäre umsonst getan. Mit einem einzigen Worte könnte Gott alles wieder wegnehmen. Wir haben also bei der Begegnung mit Gott dieses niemals zu übersehen, daß eine echte Jüngerin Jesu, eine Christin, eine evangelische Frau immer nur eine Frau ist, die bereit ist, auf Gottes Wort zu hören und immer wieder neu zu hören und dann an die Arbeit zu gehen.
Ach, daß ihr als Frauen der Gemeinde General Alvear, als evangelische Frauen dieses ganz ernst nehmen würdet, daß es für eine Christin unbedingt und vor allen Dingen notwendig ist, Gottes Wort im Gottesdienst der Gemeinde zu hören, Gottes Wort zu Hause zu lesen und jeden Tag neu die Hände zum Gebet zu falten. Wenn ihr das einmal ernsthaft versuchen würdet, dann könntet ihr es erleben, daß Jesus Christus euch heute die ganze Freudigkeit und Freiheit für euren oft so schweren Tageslauf mit den vielen Sorgen und Nöten geben wird.
Nachdem wir so davon gesprochen haben, worin denn die Grundlage besteht, wenn ihr evangelische Frauen sein wollt, diese Grundlage besteht im Hören auf Gottes Wort, können wir nun zeigen, wie wir in unseren Haus und Hof leben dürfen als evangelische Frauen.
Unser Leben in unserem Haus und Hof ist ja in ganz besonderer Weise dadurch bestimmt, daß Gott uns als evangelische Frauen nicht allein gelassen hat, sondern neben uns Menschen gestellt hat, die mit uns mehr oder weniger verbunden sind und zu uns gehören.
Ich will nur einige Gruppen von Menschen nennen, die neben uns stehen und mit uns verbunden sein können. Da sind unser Mann, unsere Kinder, unsere Schwiegertöchter oder unsere Schwiegermütter. Gerade im Zusammenleben mit diesen Menschen, die Gott neben uns gestellt hat, zeigt es sich, ob wir evangelische Frauen sind, das heißt Frauen, die bereit sind, auf Jesu Wort zu hören, wenn es darum geht, mit diesen unseren Mitmenschen am Alltag wie am Sonntag zusammenzuleben, zusammenzuarbeiten, zusammen sich zu erholen und zusammen Feste zu feiern.
Die engste Verbundenheit, die es je zwischen 2 Menschen geben kann, ist ja nach Gottes Willen die Verbindung von dem einen Mann und der einen Frau in der Ehe. Die Verbindung ist so eng, daß Gott von ihr sagt, daß beide, Mann und Frau der eine Mensch ist, den Gott geschaffen hat und über diesen Menschen, der als Mann und Frau in der Ehe besteht, gilt das Wort:
"Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden".
Laßt mich hier zu euch als evangelische Frauen sagen, was ich im besonderen auch immer wieder jungen Eheleuten sage. Wenn das Wort auch gilt:
"Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden".,
so wissen wir alle, die wir Eheleute sind, daß jeder Tag neu dieses gemeinsame Leben von Mann und Frau auseinanderzubrechen droht.
Da bereitet der Mann der Frau und die Frau dem Mann Kummer und Ärgernis und oft kommen Zeiten und Tage und Stunden, wo Mann und Frau so weit innerlich auseinander sind, daß sie beide sich nicht mehr verstehen. Ist es nicht erschütternd, wenn wir hören und lesen, wieviele Ehen, die einmal mit dem besten Vorsatz geschlossen wurden, in Feindschaft und Haß auseinanderbrechen. Sind wir so sehr davon überzeugt, daß das bei uns nicht passieren kann? Glauben wir vielleicht, daß das deswegen bei uns nicht passieren kann, weil unser Mann ein solch tadelloser und guter Mann ist und wir solche guten Ehefrauen sind? Mit einer solchen Meinung haben wir noch keinen Garantieschein in unserer Tasche, daß unsere Ehen nicht auseinanderbrechen können.
Solange wir Menschen sind, die immer wieder von Gott abfallen, solange steckt in jeder Ehe der Todeskeim, der unsere Ehe zerstören kann.
Aber wir sind hier als evangelische Frauen zusammengekommen. Wir haben gehört, daß wir dadurch evangelische Frauen sind, daß wir von einer Begegnung mit Jesus Christus herkommen, der uns unsere ganze Schuld unseres Lebens vergeben hat und vergeben wird. Die Vergebung unserer Schuld ist der Mittelpunkt unseres christlichen Glaubens. Und das Zusammenleben von Mann und Frau in der Ehe ist nur dann nicht dem Zusammenbruch und der Zerstörung ausgeliefert, wenn diese gegenseitige Vergebung von Mann und Frau im Mittelpunkt steht. Daß Mann und Frau sich einmal Böses antun, wird keiner verhindern können, aber das können evangelische Frauen verhindern, daß sie in ihrem Herzen wochenlang, monatelang und vielleicht jahrelang gegen ihren Mann Verachtung, Groll, Zorn und abgrundtiefe Enttäuschung herumtragen und dadurch das ganze Zusammensein mit dem Mann vergiften. Evangelische Frauen können das verhindern, in dem sie über das, was der Mann ihr angetan hat, sprechen:
Du, ich vergebe dir!
Sie können aber auch verhindern, daß ihr Mann in derselben Weise den Groll mit sich herumschleppt über das, was sie als Frau ihm angetan hat, in dem sie ihren Mann bittet:
Du, vergib mir, was ich dir Böses angetan habe.
Eine Frau, die dieses immer neu wahr macht in der Ehe, die darf mit ihrem Mann dann jedesmal neu Hochzeit feiern. Wo in einer Ehe dieses Zentrum unseres evangelischen Glaubens, die gegenseitige Vergebung, erlebt wird, da gibt es aber auch nichts mehr, was diese Ehe zerstören kann. Evangelische Frauen sind solche Frauen, die damit in ihrer Ehe anfangen.
Es hat einmal in der evangelischen Christenheit eine Zeit gegeben, da glaubte man, daß eine Frau, je frömmer sie ist, desto schlechter müßte sie gekleidet sein, möglichst nach einer Mode aus dem vergangenen Jahrhundert. In dieser Christenheit war man auch der Meinung, daß bei einer Frau, je frömmer sie ist, desto schmutziger müßte es in ihrem Haushalt und in ihrer Küche aussehen.
Gottlob, ich kenne keine Bibel, in der das geschrieben steht. Ich kenne nur die Heilige Schrift, in der es als selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß die Frau sich sogar für ihren Mann schmückt und schön macht.
Eine Frau, die den ganzen Tag in den Spiegel sieht und darüber die Arbeit vergißt, ist eine unmögliche Ehefrau, eine Frau aber, die niemals in den Spiegel schaut, um sich für ihren Mann schön zu machen, ist ebenfalls als eine rechte Ehefrau unmöglich. Sie kann nicht als besonders fromm, sondern höchstens als besonders schlampig angesehen werden.
Nicht bei allen, aber doch bei vielen Ehen, in denen der Mann ein regelrechter Säufer ist und in den Bolitschen seine Heimat hat, ist nicht der Mann schuld, sondern die Frau, die schmutzig und schlunzig herumläuft und ihren Haushalt verkommen läßt und dem Manne nichts anderes übrigbleibt, als in eine Bolitsche zu flüchten. Dieses Sich-schön-machen für ihren Mann ist auch keine Geldfrage, keine Frage von reich und arm, denn auch in der Armut kann sich eine Frau eben mit etwas weniger Geld für den Mann schön machen.
Viele Frauen glauben manchmal, daß ihre Männer sie nicht mehr so liebhaben wie am Hochzeitstage und sie haben dann den Eindruck, daß das Miteinander von Mann und Frau in der Ehe doch eine langweilige Angelegenheit sei. Liegt dieses Auseinanderleben von Mann und Frau aber nicht meistens daran, daß die Frau es nicht mehr versteht, den Mann an sich zu fesseln und zu binden, sodaß er wie von selbst zu seiner Frau immer wieder zurückkommt und sie in seine Arme schließt? Ein Professer in Deutschland, der Spezialist in Ehefragen ist, sagte einmal das gewagte, aber doch sehr gute Wort:
"Die Ehefrau muß es immer wieder fertig bringen, die Verführerin ihres eigenen Mannes zu werden. Dazu hat Gott sie geschaffen und dazu hat Gott ihr wahrhaftig die Fähigkeiten und Gaben verliehen. Wenn ein Frau das fertig bringt, dann braucht sie keine Angst zu haben, daß der Ehemann und sie selbst die Ehe langweilig findet oder der Mann gar untreu wird".
Wir sagten, daß der Mittelpunkt einer Ehe, der jede Ehe wieder gesund werden läßt, das Wort von der gegenseitigen Vergebung ist. Selbstverständlich ist eine Ehe, in der der Ehemann kein Christ, kein evangelischer Mann ist, immer in Gefahr, daß sie ohne das Wort von der gegenseitigen Vergebung leichter zu Bruch gehen kann. Darum ist es für ein Mädchen, daß eine evangelische Frau werden will, das einmal in einer christlichen Ehe leben will, sehr wichtig, daß es nur bereit ist, mit einem Manne die Ehe zu schließen, der ein evangelischer Mann ist, der weiß, wie er als ein evangelischer Christ zu leben und zu handeln hat. Sich irgendeinem Man an den Hals zu werfen, nur weil man Angst hat, keinen Mann mehr mitzubekommen, ohne nach seinem evangelischen Glauben zu fragen, ist für ein heiratsfähiges Mädchen ein böses Ding. Ob sie sich mit solch einem Mann, mit dem sie nicht gemeinsam die Hände zum Gebet falten kann und nicht gemeinsam zum Gottesdienst gehen kann, einmal glücklich wird, ist sehr sehr fraglich. In einem solchen Falle wirft meistens das Mädchen mit der Heirat den evangelischen Glauben weg, wird dem Herrn Jesus Christus untreu und wird mehr und mehr eine Heidin.
Und wenn das Mädchen von einem Manne zur Ehe begehrt wird, der zu den Methodisten oder den Kongregationalen, zu den Missouriern oder zu den Baptisten gehört? Wohl gemerkt, wir haben gesagt, daß ein Mädchen danach zu sehen hat, ob der zukünftige Mann an Jesus Christus glaubt und einmal mit seiner Frau gemeinsam beten kann. Wir haben nicht gesagt, daß der zukünftige Mann ein La-Plata-Christ sein muß. Diesen La-Plata-Christen gibt es gar nicht.
Was soll nun geschehen? Soll das Mädchen nach der Verheiratung zu der anderen Kirche hinüberwechseln oder soll der Mann zu unserer Kirche kommen? Ich meine, daß man darüber kein Gesetz aufstellen kann und darf, auch nicht dieses Gesetz, daß das Mädchen immer zur Kirche des Mannes übertreten muß. Sondern hier gilt es, daß ausschließlich und allein der Bräutigam und die Braut vor der Eheschließung oder als Ehemann und als Ehefrau spätestens kurz nach der Hochzeit selbst gemeinsam beschließen, zu welcher Kirche sie fortan gemeinsam gehören wollen. Es sollten sich die Eltern und die ganze Verwandtschaft und auch die Pastoren der beiden Kirchen möglichst aus dieser Entscheidung heraushalten.
Es ist schon eine gute Sache, wenn sich die beiden jungen Leute bei diesem Entscheidungskampf erproben und vielleicht die erste echte gemeinsame Entscheidung ihrer Ehe in Verantwortung fällen.
Selbstverständlich stimmt mich das traurig, wenn sich ein Mädchen dann nach der Entscheidung aus unserem Kirchenkreis ausscheidet, aber umbringen kann mich das doch nicht, auch wird unsere La-Plata-Kirche darüber nicht zerbrechen, wenn ich nur weiß, daß diese junge Frau in der Nachbarkirche, in der Jesus Christus genauso der Herr ist wie bei uns, eine Heimat gefunden hat.
Eine Entscheidung, daß die beiden jungen Eheleute weiterhin zu ihrer Kirche gehören und die Frau dorthin und der Mann dahin zum Gottesdienst geht, halte ich um der Ehe dieser Beiden willen auf die Dauer nicht für glücklich.
Was ich hier gesagt habe, gilt für die Eheschließung mit Männern aus den Kirchen der Kongregationalisten, Missourier, Methodisten und Baptisten. Das gilt nicht für die Eheschließung mit Männern von den Adventisten und der katholischen Kirche. Bei den Adventisten und Katholiken ist größte Vorsicht geboten. Die adventistische Gemeinschaft und die katholische Kirche verlangen bei einer Eheschließung von dem evangelischen Mädchen völlige Unterwerfung unter ihre Lehre, die wir in beiden Fällen als nicht evangelisch und nicht biblische ablehnen müssen. Ein evangelisches Mädchen, das durch eine Heirat adventistisch würde, könnte nicht mehr allein dem Herrn Jesus Christus dienen, sondern müßte neben der Stimme Jesu Christi auf die Stimme von Frau Ellen White als 2. Offenbarungsquelle hören. Frau Ellen White hat dazu sogar in ihrem Buche "Testimonies"-364- erklärt, daß der Himmel es einem Adventisten verbiete, sich mit einem "Ungläubigen" (die Glieder anderer christlicher Gemeinschaften werden von den Adventisten als "Ungläubige" bezeichnet) zu verehelichen.
Ein evangelisches Mädchen, das durch die Heirat katholisch werden würde, könnte nicht mehr allein dem Herrn Jesus Christus dienen, denn es müßte neben Christus noch dem Herrn Papst in Rom gehorchen. Dazu wird die katholische Kirche immer mehr von einer christlichen Kirche zu einer Maria-Kirche und fällt dadurch immer weiter und tiefer in das Heidentum zurück. Daß bei einer Heirat eines Mädchens mit einem Adventisten es möglich sein könnte, daß das Mädchen evangelisch bleibt und der Mann adventiustisch, halte ich bei der Engherzigkeit der adventistischen Sonderlehren fast für unmöglich.
Obwohl wir es selbst in unserer Gemeinde hier und da erleben, daß Mädchen einen katholischen Mann geheiratet haben und dabei gute evangelische Frauen geworden sind und eine gute Ehe geführt haben und noch führen, muß hier doch offen ausgesprochen werden, daß das nicht das Normale ist, sondern Ausnahmefälle sind. In den allermeisten Fällen wird von katholischer Seite am Anfang alle Freiheit versprochen, aber schon nach kurzer Zeit, meistens beim ersten Kind, beginnen dann die Auseinandersetzungen, da das Mädchen ja nicht nur den katholischen Mann heiratet, sondern auch die ganze katholische Verwandtschaft. Wir brauchen uns nur ein wenig umsehen, um festzustellen, wieviele evangelische Mädchen schon Mariaanbeterinnen geworden sind. Wenn schon eine Heirat mit einem katholischen Mann angestrebt wird, dann nur so, daß man den festen Willen hat, evangelisch zu bleiben und bereit ist, selbst die schwersten Auseinandersetzungen mit der katholischen Verwandtschaft zu durchstehen. Ein Mädchen jedenfalls, das um des Mannes Willen katholisch wird oder die Kinder katholisch werden läßt, hat sich damit gegen Jesus Christus entschieden.
Wir haben mit diesen Gedanken einmal kurz das Verhältnis besprochen zwischen einer evangelischen Frau und ihrem Mann und zwischen einer werdenden evangelischen Frau und ihrem zukünftigen Mann.
Selbstverständlich ist es, daß da, wo Mann und Frau in herzlicher Liebe miteinander zugetan sind, Gott in den allermeisten Fällen das Wunder der Menschwerdung durch das Ehepaar geschehen läßt und der Frau ein oder auch mehrere Kinder auf den Arm legt. Und evangelische Frauen wissen, daß wir in der Taufe unserer Kinder anerkannt haben, daß sie nicht nur uns, sondern auch Gott gehören. Wir können mit unseren Kindern nicht machen, was wir wollen. Im eigentlichen Sinne gehören sie gar nicht mehr uns, sondern Gott hat sie uns in den Schoß gelegt, damit wir ihm mithelfen bei seinem Werk, da aus diesen Kindern erwachsene Menschen werden, die sich im Leben zurechtfinden und Gott die Ehre geben. Bei all unserem Tun als Mütter an unseren Kindern haben wir zu fragen: Wie können wir als Mitarbeiterinnen Gottes unseren Kindern helfen?
Wer nur fragt: Wie können uns unsere Kinder helfen? Und: Was haben wir von usneren Kindern? der fragt nicht als eine evangelische Mutter. Das bedeutet nun nicht, dass die Töchter die vornehmen Damen und die Söhne die feinen Herren sein sollen, während die Eltern sich abarbeiten. Im Gegenteil sollen und müssen die Kinder das Arbeiten lernen. Aber daß das möglich sein sollte, daß um der Arbeit willen Kinder von der Schule ferngehalten werden, waere doch völlig ausgeschlossen. Ebenfalls ist es eine unmögliche Sache, wenn Kinder von ihren evangelischen Müttern nicht eine einzige Geschichte aus dem Leben Jesu erzählt bekommen und nicht zum Gebet angehalten werden und nicht den Katechismus auswendig lernen. Auch dürfte das nicht vorkommen, daß eine evangelische Mutter ihr Kind in den Konfirmandenuntertricht schicken will, ohne daß das Kind den Katechismus gelernt hat und als Entschuldigung sagt, das Kind habe nicht lernen könnemn, weil es zu Haus hat arbeiten müssen. Die evangelische Mutter zusammen mit dem evangelischen Vater sind dafür verantwortlich, daß ihre Kinder einmal verantwortliche evangelische Menschen werden, die etwas vom Zentrum ihres Lebens und vom Zentrum ihres Glaubens wissen. Wo eine gute evangelische Mutter und ein guter evangelischer Vater in einem Hause sind, da entsteht auch eine gute evangelische Familie, in der man arbeitet und in der man auch fröhlich ist und dabei doch die Hände zum Gebet falten kann, in der unsere schönen Kirchenlieder gesungen werden und die Heilige Schrift gelesen wird. In einer solchen Familie wachsen dann auch die Kinder als evangelische Christen auf, so wie Gott sie haben will. Ihr wißt doch als evangelische Mütter, was ihr einmal bei der Taufe eurer Kinder versprochen habt. Ihr wurdet gefragt:
"Versprecht ihr, nach bestem Vermögen dafür zu sorgen, daß dieses euer Kind im evangelischen Glauben erzogen werde? so antwortet mit Ja". Auf diese Frage habt ihr mit Ja geantwortet. Es ist gut, wenn evangelische Frauen dieses Versprechen und Gelöbnis nicht vergessen.
Im Haus und Hof begegnet der evangelischen Frau nicht nur der eigene Mann, nicht nur die eigenen Kinder, sondern die andere evangelische Frau, oder anders ausgedrückt: Im Haus und Hof begegnen sich Schwiegermutter und Schwiegertochter.
Nicht wahr - beide sind evangelische Frauen, beide haben sie einen Mann, beide haben sie oder erwarten sie Kinder, beide wissen, wie gearbeitet wird, beide wissen, wie Brot und Kuchen gebacken werden.. Eigentlich müßte nun alles in bester Ordnung sein, beide müßten nun ein Herz und eine Seele sein. Aber was finden wir stattdessen bei uns vor? Es ist nicht von ungefähr, daß dieses sogenannte Schnärchsystem in den letzten Jahren immer mehr zurückgegangen ist.
Und es ist auch kein Geheimnis mehr in Entre Ríos, daß heute von Schwiegermüttern viele Tränen über ihre Schwiegertöchter geweint werden, ebenso von Schwiegertöchtern über ihre Schwiegermütter. Und manche Familiengemeinschaft ist wegen eines schlechten Zusammenlebens von Schwiegermutter und Schwiegertochter mit Haß und Feindschaft auseinandergebrochen. Wer ist daran schuld, die Schwiegermutter oder die Schnärch? Natürlich sagt die Schwiegermutter immer, die Schwiegertochter ist schuldig und die Schwiegertochter sagt, daß die Schwiegermutter die ganze Schuld hat. Aber ich wage zu sagen, daß in den meisten Fällen weder die Schwiegermutter noch die Schwiegertochter schuldig sind, wenn sie sich nicht verstehen und im Unfrieden miteinander leben. Es liegt einfach daran, daß unsere Zeit schnellebiger ist als vor 50 oder vor 100 oder sogar vor 200 Jahren. Auch die Meinungen über das rechte Leben verändern sich rasend schnell. Was unsere Großeltern und vielleicht noch unsere Eltern als Luxus und Verschwendung ansahen, ist heute bereits für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir brauchen dazu nur durch unsere Häuser zu gehen und sie zu vergleichen mit den Häusern vor 50 Jahren. Heute schon gehen bei den älteren Menschen und bei der Jugend die Auffassungen über das Leben so auseinander, daß man nur staunen kann. Während die Eltern von uns zum Beispiel noch immer nicht verstehen, daß es möglich ist, mit dem Flugzeug durch die Luft zu fliegen, zumal die meisten noch nicht mit der Eisenbahn gefahren sind, träumen die ganz Jungen bereits davon, sich ein Sommerendhäuschen auf dem Mond zu bauen, um ihre Ferien dort zu verleben. Wer von uns will es diesen jungen Menschne verwehren, daß sie mit der überschnellen Entwicklung unserer Zeit mitgehen? So sind aber auch in den meisten Fällen die Meinungen der jungen Mädchen über Kindererziehung, über Lebensart und -form, über das Kochen und Putzen und dergleichen Dinge sehr verschieden von denen der Eltern, vielleicht auch im guten Sinne fortschrittlicher.
Wir können uns sogar durchaus freuen, daß unsere Jugend offen ist und bleibt für alles Neue, das besser ist als das Alte.
Aber dann geschieht es, daß dieses offene Mädchen durch die Heirat als Schwiegertochter, als eine junge evangelische Frau in das Haus der Schwiegermutter kommt, die mit ihrer ganzen Seele in der alten guten Zeit vor 40 oder 50 Jahren hängt. Und was geschieht dann?? Es geschieht das, was mir in den ersten Wochen meines Hierseins auf die Frage, wie sich die Schwiegertochter im Hause eingelebt habe, von der Schwiegermutter geantwortet wurde mit einem Ton der Enttäuschung über diese Frage: Es geht ausgezeichnet, meine Schwiegertochter tut alles, was ich sage.
Hier ist die Schwiegertochter zur Magd der Schwiegermutter herabgesunken.
Damals wagte ich es nicht zu sagen, aber ich dachte bei mir im Herzen:
Was geschieht aber, wenn deine Schwiegertochter das nicht tut, was du sagst?? Na, wir wissen es, dann ist der größte Familienstreit da. Beides aber ist für Christenfrauen eine unwürdige Sache, daß die Schwiegertochter zur Magd der Schwiegermutter wird und daß die Familien durch solche Streitigkeiten auseinanderbrechen.
Da es nur sehr wenige Fälle gibt, in denen im Verhältnis von Schwiegermutter und Schwiegertochter ein anderes ist als in den beiden angegebenen Fällen, scheint es mir, daß das Schnärchsystem, das schon aus der Zeit vor 200 Jahren aus Deutschland stammt, für die kommende Zeit keine Zukunft mehr hat, es sei denn, daß über das Verhältnis von Schwiegermutter und Schwiegertochter neu nachgedacht und neu geordnet und nicht mehr in der alten Weise verfahren wird.
Dieses hier und da doch vorhandene gute Verhältnis von Schwiegermutter und Schwiegertochter ist nur dadurch möglich, daß sie sich nicht mehr als Señora und Magd begegnen, sondern als ältere evangelsiche und als jüngere evangelische Frau. In solch einem guten Verhältnis betrachtet die Schwiegermutter ihre Schnärch gleichwertig als ihresgleichen, beide besprechen in voller Verantwortung einer jeden alle Dinge, die zu tun und nicht zu tun sind. Es wird von der Schwiegermutter nicht herumkommandiert und nicht von der Schwiegertochter herumgeschimpft, sondern da nimmt die Schwiegermutter ihre Schnärch oder die Schnärch ihre Schwiegermutter ganz ernst. Da wird durchaus freiwillig von der Schnärch ein gewisser Respekt vor der Schwiegermutter beachtet werden als von der "jüngeren" evangelischen Frau zu der "älteren" evangelischen Frau. Aber dann ist eine gute Schwiegermutter durchaus bereit, manches Neue von der Schwiegertochter zu lernen, das durchaus besser sein kann als das, was die Schwiegermutter vor 30 Jahren gelernt hat. Dann wird es von selbst nicht möglich sein, daß die Schnärch nichts machen kann, wie sie es einmal auch gerne hätte und dann wird die Schwiegermutter auch nicht sagen: So habe ich es gelernt, so haben das meine Großeltern und meine Urgoßeltern auch schon gemacht und so mußt du es auch machen! - Und dabei hat die Schnärch solch ein gutes und schmackhaftes Rezept, wie man eine andere Torte oder eine andere erstklassige Wurst macht.-
Wenn wir jedenfalls noch für die Zukunft eine Schnärch haben wollen, weil es vielleicht für die Arbeit auf dem Kamp ökonomischer ist, dann dürfen wir mit ihr nicht in der alten angegebenen Weise verfahren. Die Schwiegermutter hat also die Schwiegertochter in ihrem Hause mit ihren Meinungen und Ansaichten ganz ernst zu nehmen und beide haben dann miteinander zu beratschlagen, was zu tun sei. Und dann möchte ich einmal die Schwiegertochter sehen, die nicht gerne im Hause der Schwiegermutter ist und auch gerne bereit ist, ihr den nötigen Respekt als einer "älteren" Frau zu geben und in vielen Dingen gern zu tun, was nach der Meinung der Schwiegermutter richtig und gut ist. Schwiegertöchter und Schwiegermütter begegnen sich nur recht, wenn sie sich gegenseitig als evangelische Frauen begegnen, sich gegenseitig respektieren, beide voneinander lernen, beide auch nachgeben können und beide bereit sind, gemeinsam die Hände zu falten und von der gegenseitigen Vergebung der Schuld zu leben.
Das waren nur einige Ausführungen über das Zusammenleben der evangelischen Frau mit anderen Menschen im Haus und im Hof. Wir nannten den Ehemann, die Kinder, die Schwiegertöchter und Schwiegermütter. Es gibt durchaus noch andere Personen, denen wir begegnen, aber diese sollten genügen.
Erinnern wir uns, was wir bei der Geschichte von Maria und Martha gesagt haben, daß es in dem Leben eines evangelischen Christen, einer evangelischen Frau an erster Stelle darauf ankommt, daß sie auf Gottes Wort hören kann.
Nur die Frau hat ein gutes Verhältnis zu ihrem Mann, zu ihren Kindern und zu ihrer Schwiegermutter und zu ihrer Schwiegertochter, wenn sie das tut, was Maria getan hat, auf Gottes Wort gehört und immerwieder gehört.
Karl Schwittay

Der Vortrag wurde gehalten auf einem Frauentag der Gemeinde und veröffentlicht am 10-9-1957 im
LANDBOTEN.
Die Arbeit in der Gemeinde wurde schon nach 3 Jahren (1958) dadurch gebremst, dass ich bei einem Unfall im Pfarrhaus, die Petroleumslampe in der Hand, (wir hatten noch keinen Strom im Dorf) eine Netzhautabloesung am rechten Auge erlitt, die zu einer voelligen Erblindung des Auges fuehrte, das linke war auch bereits in Mitleidenschaft gezogen. Die noetige Behandlung mit Operationen in Buenos Aires und in Tuebingen in Deutschland hielten mich fuer einige Monate von der Gemeinde fern. Allerdings konnten die notwendigen Dienste in der Gemeinde durch die Nachbarpfarrer, durch den Propst und auch durch meine Frau aufrechterhalten werden. Ein Gutes hatte diese leidvolle Geschichte. Nach Wiederaufnahme der Arbeit wurde mir ein Auto fuer die Arbeit zur Verfuegung gestellt, sie wurde dadurch nicht nur normalisiert, sondern sogar intensiviert.
So nach und nach spuerte man bereits im Kontakt mit Gemeindegliedern und Kollegen, die hier in der Nazizeit ihren Dienst getan hatten, eine gewisse Ratlosigkeit heraus, mit dieser ihrer Vergangenheit fertig zu werden, die einmal dazu fuehrte, ueber diese Zeit zu schweigen, manches bewusst zu verschweigen. Unter den Kollegen spuerte man auch Spannungen, die das Miteinander spaeter noch immer belasteten.So habe ich erst in diesem Jahre erfahren, was zufaellig herausgekommen ist, dass sich damals in unserer Kirche die Vereinigung DEUTSCHE CHRISTEN gebildet hatte, mit namhaften Kollegen an der Spitze. Es wurde spaeter alles versucht, in neuen Statuten und Kirchenordnungen diese Vergangenheit zu ueberwinden oder wenigstens zu verbergen, wenn auch heute noch hier und da diese Vergangenheit zu merken ist.
Da ich mich zuerst in das Ambiente hier einleben musste und mich ganz der Gemeindearbeit widmete und wegen der weiten Entfernungen, blieb keine Moeglichkeit, mich mit dem gerade erwaehnten Aspekt mit den Kollegen auseinanderzusetzen..
Eine Auseinandersetzung begleitete uns hier vom Anfang bis heute, der Versuch, unsere Kirche, die in ihrer Zusammensetzung eine unierte Kirche war und ist, ganz in das lutherische Lager zu ueberfuehren, wie es in Brasilien gelang. Der Versuch ging einmal von der Vereinigten Evgl.-Lutherischen Kirche in Deutschland und zum anderen vom Lutherischen Weltbund aus. Bereits Dez. 1958 besuchte der amerikanische Vertreter des Lutherischen Weltbundes mit unserem Propst Gemeinden unserer Kirche, so auch unsere Gemeinde in Aldea Protestante, um durch Vortraege den Beitritt zum Lutherischen Weltbund schmackhaft zu machen. Es hat dabei immerhin in Aldea Protestante eine harte Auseinandersetzung gegeben.
Zum anderen kam dieses Bemuehen selbst aus der eigenen Kirche, konnte doch dadurch wenigstens etwas vom propagierten und verteidigten Deutschtum gerettet werden, indem
man den "deutschen" Luther zum Symbol erhob.
Heute kann man sagen, dass dieses ganze Konfessionsproblem in unserer Kirche einen gewissen Abschluss gefunden hat und wir unseren unierten Charakter stark bekraeftigten und zwar dadurch, dass wir die Leuenberger Konkordie fue uns bindend erklaerten und dass wir gleichzeitig als volle Mitglieder dem Lutherischen und dem Reformierten Weltbund beitraten. Dass das vom Lutherischen Weltbund akzeptiert wurde, ist sehr erstaunlich gewesen.
Erfreulich ist es auch, dass auf unserer letzten Synodal- und Generalversammlung wieder staerker neben den lutherischen die reformierten Bekenntnisschriften in unseren Statuten und in der Synodalordnung zum Ausdruck gebracht worden sind.
Man kann wohl sagen, mit allen Vorgegebenheiten, die vorhanden waren, brauchten wir die ganze erste Periode von 6 Jahren, um die komplette Situation der Gemeinde, des Bezirks Entre Ríos, der Kirche und des Landes mit seiner Politik zu erfassen und daraus Schluesse zu ziehen, wie eine Gemeindearbeit auszusehen hat, und zwar durchaus auch mit der Respektierung der bestehenden Traditionen.
Die finanzielle Lage konnte auf eine etwas sichere Basis gestellt werden und durch das Auto wurden die Dienste in den Filialgemeinden vermehrt. Wir erlebten eine gewisse Aufbruchsstimmung, die dazu fuehrte, dass neue Filialgemeinden entstanden, wie Diamante, Grabschental und Grl. Racedo.
Waehrend meiner ganzen Dienstzeit in der Gemeinde stand fuer die Konsolidierung der Gemeinde das Bestreben der Nachbargemeinde CRESPO, Glieder aus unserer Gemeinde abzuwerben, im Wege. Es kam ihr dabei gut zustatten, dass sie durch ihre Gemeindesituation die Moeglichkeit hatte, ihren Gemeindebeitrag sehr niedrig zu halten und darum fuer unsere Glieder immer eine grosse Anfechtung bedeutete. Selbst eine Absprache vom 28.9.1976 der Vorstände und Pfarrer der Gemeinden von Crespo, General Rfamírez und Generla Alvear zzur Beachtung der Gemeindegrenzen und über Fragen der Mitgliedschaft wurde nicht beachtet.
In der Konsolidierungsphase mit einer Aufbruchsstimmung, zu der auch gehoerte, dass die Bauern von ihrer Monokultur abgingen und sich mehr nach den Beduerfnissen des Marktes richteten und die Regierung ihnen etwas mehr als ueblich vom erhaltenen internationalen Preis der Produkte uebrig liess, konnten sie ihren Hausstand verbessern und ihre Arbeitsgeraete erneuern. Sie fuehlten sich nach langer Zeit eines sehr engen Lebensstiles etwas wohler und waren auch gebefreudiger fuer die Gemeindearbeit und fuer gesamtkirchliche Aufgaben. Sie stellten fest, dass die Raeume, die fuer die Gottesdienste und sonstigen gemeindlichen Zusammenkuenfte nicht mehr ihrer eigenen Lebenssituation entsprachen. Als dann fuer die neu gegruendete Filialgemeinde Diamante die Kirchenleitung sich fuer den Bau einer Kirche beim Gustav-Adolf-Werk in Deutschland einsetzte und eine finanzielle Hilfe zur Verfuegung stellte und der Kirchbau in Diamante "wuchs", waren auch anderen Fialialgemeinden nicht zu halten, neue, den heutigen Verhaeltnissen entsprechende Gotteshaeuser zu bauen. Ausser der Beihilfe vom Gustav-Adolf-Werk in Deutschland und der Evgl. Kirche von Westfalen haben die Gemeinden Aldea Protestante, Camarero/Puiggari, Grabschental und Reffino das meiste Geld selbst dazu beigetan, um ihre gottesdienstliche Raeume zu bauen, auch ihr Arbeitseinsatz beim Bauen war einfach erstaunlich. Auf Initiative der Kirchenleitung wurde zum Schluss das alte Pfarrhaus durch ein neues direkt neben der Kirche ersetzt.
In diesem Jahrzehnt der Kirchneubauten und des Pfarrhausbaues in unserer Gemeinde, da es den Kleinbauern etwas besser ging, nahm nicht nur in der ganzen Welt die Armut zu, sondern auch auf unserem Kontinent und in unserem Land Argentinien. So hoerte auch fuer unsere Kleinbauern die gute Zeit wieder auf. Der Peronismus hatte sich schon vorher der Arbeiter und der Armen angenommen, wurde allerdings von den Militaers durch Staatsstreiche an die Wand gedrueckt und machtlos gemacht.. In dieser Ratlosigkeit sahen viele Kreise in einem revolutionaeren Sozialismus die einzige Moeglichkeit, eine Loesung der anstehenden Probleme zu finden. Das geschah nicht nur in unserem Lande, sondern in der ganzen Welt. Besonders waren die Studenten davon erfasst, auch die Theologiestudenten der verschiedenen evangelischen Denominationen und der roemisch-katholischen Kirche, die durch einen Aufklaerungsfeldzug (proceso de conscientización} die Bevoelkerung auf die Situation der Armen und Unterdrueckten in der Welt aufmerksam machten.
Dass bei der Kirchwerdung der Evgl. La Plata-Synode von vornherein klar war, dass diese Kirchwerdung nur moeglich sein wird, wenn die Pfarrer nicht mehr aus der deutschen Heimatkirche, sondern aus unseren eigenen Gemeinden kommen muessen. Darauf haben schon gleich nach Beendigung des Weltkrieges die aus Deutschland ausgesandten Pfarrer hingewiesen. Es standen uns bereits die Evgl. und die Lutherische Theologische Fakultaet in Buenos Aires zur Verfuegung.
Dass natuerlich die junge Theologengeneration, die aus den hiesigen Fakultaeten kamen, dann hier und da Unverstaendnis entgegennehmen mussten und vielleicht sogar Unruhe hervorriefen, war klar. Zumal die verschiedene Sicht von reich und arm, Norden und Sueden, Kolonialismus und Ausbeutung, Versklavung und Unterdrueckung, Stellung der Kirche und der Christen in solchen Situationen, um nur einige wenige Stichpunkte, zu nennen, des Kommunismus verdaechtigt und diffamiert wurde. Der Peronismus mit seiner arbeiterfreundlichen Haltung hatte ja jahrzehntelang den kommunistischen Eingang in Argentinien aufgehalten, weil er viele Ziele des Sozialismus zu seinen eigenen Zielen gemacht hatte. So wurde jetzt der Kommunismus wie der Peronismus gleichermassen als Unruhefaktoren in Argentinien angesehen und von den Gutsituierten angegriffen und Militaer und Polizei auf sie angesetzt. Die Bewusstseinsbildung, "conscientización", der Bevoelkerung ueber das, was in unseren Laendern Argentinien. Uruguay und Paraguay und ueberhaupt in ganz Lateinamerika geschehen war und noch geschieht, war schon sehr weit fortgeschritten. Allerdings, wie schon erwaehnt, hatte die junge Theologengeneration in unseren Gemeinden mehr Widerstand als Erfolg. Unsere Gemeindeglieder hatten von ihrer Vergangenheit als Immigranten her wenig Verstaendnis fuer die allgemeine Situation und sie hatten auch Angst vor den Folgen, die sie daraus haetten ziehen muessen.
In dieser Zeit, da durch Misswirtschaft und Korruption im eigenen Land und durch politischen und wirtschaftlichen Druck von Nordamerika und Europa, das Leben immer beschwerlicher und die Armut immer groesser wurde, geschah an den evangelischen und katholischen Fakultaeten etwas, was man fast nicht glauben konnte, es entstand ein neues christliches Liedgut, das melodisch nicht abhaengig war von der ueberlieferten pietistischen Form , aber auch nicht mit den Massstaeben, sagen wir, des deutschen Chorals, gemessen werden konnte.. Dieses Liedgut ist gepraegt durch die alten und neuen Stilelemente unserer lateinamerikanischen Laender und hat als Hintergrund das hier gelebte Leben. Es wollte Zeugnis sein von unserem Herrn Jesus Christus, der allen Menschen, nicht nur einigen wenigen, auf dieser Erde eine Lebensmoeglichkeit vorbereitet hat und uns befreit von aller Sklaverei und Bindung jeglicher Art und von derUnterdrueckung und uns wieder als wahre Menschen leben lassen will, also das in Ordnung bringen will, was wir zum Teil willkuerlich ausser Kraft gesetzt hatten. Wenn wir das verstanden haben, haben wir etwas verstanden, von dem, was
THEOLOGIE DER BEFREIUNG
bedeutet.
Das ganze Tun Jesu Christi ist ja gepraegt durch seinen Einsatz fuer die Unterdrueckten und an die Seite gedrueckten und versklavten Menschen.. Er will ihr Heiland, ihr Helfer und ihr Befreier von allen sklavischen Bindungen sein. Er kaempfte ja dafuer,. Dass wir auf dieser Erde wider als Menschen menschlich leben koennen.
Alle theologischen Voraussetzungen meines Lebens und meines Studiums gaben mir die Moeglichkeit, offen fuer die Probleme und Noete unserer Laender und des ganzen Kontinentes zu sein, auch meine Frau begleitete mich in dieser meiner Haltung. Sie war es denn auch, die durch ihre chorische Arbeit in Aldea Protestante de Gemeinde selbst, uebrigens als erste Gemeinde in Entre Ríos, fuer das neue Liedgut oeffnete und vorbereitete. Das war nicht immer leicht.
Da der groesste Teil der Gemeinde General Alvear Kleinst- und Klein-Bauern sind, und die Zeit, da es auf den internationalen Maerkten fuer ihre Produkte einen annehmbaren Preis gab, nur sehr kurz war, der Kampf durch die auslaendischen Grosskonzerne immer haerter wurde und unsere Regierung die Landwirtschaft nicht in den Griff bekam, litten unsere Bauern sehr grosse Not. Und sie wussten sich nicht zu wehren. Ich will nur 2 Beispiele nennen, durch die viele Bauern in den Ruin gezogen wurden. In unserer Zone hatten viele kleine Bauern angefangen, durch die Huehnerzucht einige gute Erfolge zu erzielen, die Eier hatten einen guten Preis, auch das Huehnerfleisch. Und durch die Erweiterungen der Anlagen hatten sie Hoffnung, ihr Leben als Bauern zu ermoeglichen oder sogar zu verbessern, auch mit wenig Land. Da setzte ein ausländischer Konzern zur Eroberung dieses Marktes an. Er kaufte zu einem aeusserst ueberhoehten Preis alle zu erreichenden Eier auf und setzte sie in seine Frigorificos (Kuehl- und Schlachthaeuser). Und als er nach etlichen Monaten die Zeit fuer gekommen hielt, ueberschwemmte er den Eiermarkt mit einem Preis, der die Haelfte eines normalen Preises ausmachte. Mit diesem Preise konnten unsere Huehnerzuechter nicht mithalten und blieben voellig verschuldet auf der Strecke. Inzwischen hatte der Konzern an anderer Stelle die groessten eigenen Huehnerzuchtanlagen eingerichtet. Und dazu kamen noch nach einer gewissen Zeit die Agenten des Konzerns zu den ehemaligen selbstaendigen Huehnerzuechtern und boten ihnen die Moeglichkeit an, fuer den Konzern zu arbeiten, und zwar fuer die Haehnchenproduktion. Der ehemalige Bauer sollte nur seine Stallungen zur Verfuegung stellen und seine Arbeitskraft, alles andere wurde frei Haus geliefert, die Kueken, das Futter und die Medizin und auch das Abholen der schlachtreifen Haehnchen. Der Lohn wurde kiloweise gemaess den abgelieferten Haehnchen berechnet, der aber so niedrig war, dass der ehemalige Bauer jetzt zum einfachsten Landarbeiter geworden war, mit einem Erloes, womit er nicht leben und nicht sterben konnte. Aus Not haben eine ganze Reihe von ehemaligen Huehnerzuechtern dieses schmaehliche Angebot angenommen, andere in Entre Ríos haben ihr Bauernsein verschuldet aufgeben müssen.
Der andere Fall sah so aus.
Die Bauern, die in unserer Zone Milchwirtschaft betrieben, lieferten die Milch an einen bekannten internationalen Konzern in die Stadt Nogoyá, der sie normalerweise sogar vom Bauernhof abholte. Die Milch wurde nach ihrem Fettgehalt bezahlt, den die Fabrik selbst feststellte. Aber unsere Bauern konnten nicht verstehen, dass dieser immer, bei guenstiger oder bei schlechter Weide, sehr niedrig war. Sie hatten keine Moeglichkeit, die Richtigkeit der Feststellung des Fettgehalts selbst nachzupruefen. Verschiedentlich haben sie die Milch von Spezialisten der INTA kontrollieren lassen und dabei gesehen, dass sie schon seit langem uebers Ohr gehauen wurden. Die Bauern waren oft ratlos. Es war jahrzehntelang niemand da, der den kleinen Bauern zu ihrem Recht verhalf, die groesseren landwirtschaften Betriebe hatten mehr Moeglichkeiten, auch von Seiten des Staates.
Gerade in dieser Zeit begann die internationale Organisation FAO, die sich besonders um die armen Landarbeiter und die kleinen Bauern bemuehte, ihre Arbeit auch in Argentinien. Sie, in Verbindung mir der roemisch-katholischen Kirche, bildete junge Menschen fuer diesen Hilfsdienst aus, damit diesen Landarbeitern und den kleinen Bauern eine wirkliche Stelle der Hilfe zur Verfuegung stand.
Und so stand einer von diesen jungen Leuten vor der Pfarrhaustuer in Aldea Protestante und warb um Verstaendnis fuer die Gruendung der Ligas Agrarias Entrerrianas, denen er als Generalsekretaer der Organisation Impulse gab, die im Raume der Gemeinde bei den Bauern der Gemeinde ein gutes Echo fand. Er selbst als ein bekennender Katholik suchte weiterhin den Kontakt mit mir und wir fanden uns oft im Pfarrhaus zusammen und berieten, wie den kleinen Bauern geholfen und sie vor den Manipulationen der groesseren landwirtschaftlichen Betriebe usw. geschuetzt werden koennten. Bei Streikvorhaben gingen die Ueberlegungen vor allem dahin, alles zu vermeiden, was Sachschaden, besonders aber Koerperverletzungen, bedeuten koennte.. Die Landbevoelkerung bekam neuen Mut, wenn es auch Gemeindeglieder gab, denen diese Ligas nicht gefielen. Allerdings habe ich wegen meiner bejahenden und foerdernden Haltung gegenueber dieser Arbeit nie in der Gemeinde Schwierigkeiten gehabt, nur ein Pfarrkollege aus der Nachbarschaft klagte bei "Brot fuer die Welt" in Deutschland an, die die Arbeit als foerderunswuerdig anerkannte, dass ich eine kommunistische Organisation unterstuetzen wuerde. Der Kollege soll aber eine harte Antwort von Brot fuer die Welt bekommen haben.
Mitten in der guten Arbeit, die geleistet wurde, kam der Militaerputsch im Maerz 1976, der alle soziale Arbeit, alles Eintreten fuer Arme und Notleidende ein Ende setzte. Schon vorher waren Staatsstreiche durch Militaers geschehen. Es ging dabei meistens um ihren Hass gegen den Peronismus, der die Herzen der armen Leute Argentiniens erobert hatte, besonders natuerlich dadurch, dass er erstaunliche Sozialgesetze durchgesetzt hatte, wie z.B. Versicherungen verschiedener Art, Krankenfuersorge, eine angemessene Entlohnung etcta. Bereits war auch durch den "proceso de conscientización" von verschiedenen Seiten, auch von der christlichen Botschaft her, die Verantwortung fuer die Zukurzgekommenen und fuer die Armen gesehen worden und die das Offenlegen der staatlichen Stellen, die durch Korruption die Gelder, die fuer das Wohlergehen der minderbemittelten Bevoelkerung bestimmt waren, in die eigene Tasche wirtschafteten, forderte. Ebenfalls wuchs der Kampf gegen die grossen Gesellschaften (empresas), die auf Kosten der Arbeiter immer reicher wurden und die Arbeiter immer aermer. Es entstand im Lande eine unruhige und unsichere Situation, als unter den Peronisten und den Linken sich die Gruppierungen Montoneros und ERP bildeten, die durch Gewaltaktionen gegen einen unfaehigen und korrupten Staat und gegen eine Gesellschaft kaempfte, die nur sich selbst zu erhalten suchte, ohne nach dem Leben der anderen Menschen zu fragen. Um Verstaendnis fuer diesen Kampf warb auf Weltebene von einer christlicher Seite her eine Theologie der Revolution, die aber bald, wie schon erwaehnt, in der Theologie der Befreiung, entstanden unter Theologen der roemisch-katholischen Kirche in Brasilien, bessere Impulse fuer ganz Lateinamerika, auch fuer Argentinien, im Sinne Jesu Christi gab und mehr ihre Aufgabe nicht im Kampf mit Gewalt sahen, sondern in einem helfenden Kontakt mit der leidenden Bevoelkerung und einer weiteren conscientización.
Es war schon eine unfaehige Regierung, die nach dem Tode des als Idol verehrten Prasidenten Juan Peron, seine 2. Ehefrau Isabelita fuehrte. Es herrschte ein Durcheinander auf allen Gebieten, die Gewaltaktionen nahmen immer mehr zu. Dazu kam, dass die revolutionaeren Kraefte ueberall mehr Macht gewannen und so unter Studenten und Arbeitern grossen Anhang fanden. Es war schon so weit, dass in der Provinz Tucumán bereits ein kleiner Teil von den Revolutionaeren beherrscht und regiert wurde und sie dabei waren, dieses Gebiet als selbststaendigen Staat auszurufen.
In dieser Zeit dachten viele an einen Staatsstreich, die einen wuenschten ihn und die anderen befuerchteten ihn.
Da die Argentinier schon einige Male einen Staatsstreich erleben und erleiden mussten, dachten viele, das sei nicht so schlimm, wie der augenblickliche Zustand. Niemand aber hatte damit gerechnet, dass er sich diesmal in solch grausamer Weise vollziehen wird, mit einer Sprachregelung, die alles, was ein Hohn fuer den christlichen Glauben ist, vertuschen und verbergen sollte. Aus Massaker und Morden und das Einbeziehen von unschuldigen Angehoerigen der Bekaempften in das Ermorden und das verheimlichte Abgeben von Saeuglingen der Frauen, die ermordert wurden an andere Familien, alles das wurde als ein schmutziger Krieg bezeichnet und aus meuchlings Hingemordeten wurden Verschwundene (desaparecidos), jegliche soziale Arbeit wurde als Terrorismus verdaechtigt und bekaempft. Und was man als Staatsstreich bezeichnen muss, war nicht nur ein bestimmter Augenblick, sondern dauerte jahrelang und machte unzaehlige Argentinier heimatlos, die als Verfolgte fliehen mussten.
Im Maerz 1976, am Tage vor dem besagten Militaerputsch, kam unser Freund von den Ligas Agrarias Entrerrianas ins Pfarrhaus und wir fuhren aufs Land und setzten uns an einem Feldweg nieder und er erzaehlte, was er von dem Militaerstreich am kommenden Tage erfahren hatte. Es war uns klar, dass damit die Arbeitsmoeglichkeit der Ligas zu Ende sei, da ein Widerstand gegen eine brutale Militaermacht unmoeglich und sinnlos ist und der Landbevoelkerung nur unnuetze Leiden auferlegen wuerde. Wir hatten gerade in dieser Zeit geplant, in unserer Zone einen Landmaschinenpark einzurichten, da der Kauf dieser Maschinen von einzelnen Bauern einfach unmoeglich war, selbst mittlere Bauern wurden durch den Kauf zum Beispiel eines Traktors in den Ruin getrieben. Beim Abschied befahlen wir uns, er als Katholik und ich als Evangelischer, in die Haende unseres Gottes und dankten auch uns gegenseitig fuer die gute Zusammenarbeit - und warteten der Dinge, die da kommen werden. Gleich am Anfang der Militaerregierungszeit wurden mit anderen Organisationen die Ligas Agrarias Entrerianas verboten , allerdings gab es fuer sie nur an wenigen Stellen von Entre Ríos Schwieirgkeiten. Jedenfalls war ein Versuch der Hilfe fuer die aermere Landbervoelkerung gescheitert und sie musste ihren Weg allein weitergehen, bis heute.
Es ist sicher nicht noetig, ueber die grausame Militaerzeit 1976 - 1982 mehr zu schreiben, da das schon in irgendeiner Weise von anderer Seite geschehen ist, z. B. durch den Schriftsteller SABATO und durch den Gerichtsprozess gegen die Militaers mit ihren Formationen, die daran beteiligt gewesen waren.
Allerdings sollen doch einige wenige Erlebnisse familiaerer Art noch erwaehnt werden.
Unser Sohn Joachim, geboren 1956 musste sein Psychologiestudium mit den anderen Psychologiestudenten an der Fakultaet in La Plata in Gegenwart schiessbereiter Soldaten durchfuehren. Sein Wohnraum in einem lutherischen Heim wurde von geheimer Militaerpolizei in Zivil durchwuehlt.
Sohn Ruben,geboren 1956, waehrend seiner Militaerdienstpflicht als Sanitaetssoldat bekam die ganze Grausamkeit dieser Militaerepoche zu spueren. Wenn Sanitaetsgruppen starteten, um nach angeblichen Kaempfen zwischen Miltaers und guerrilleros in Aktion zu treten und gefragt wurde, warum sie kein Material mitbekaemen, um Verwundeten zu helfen, war die Antwort: Ach das sind ja doch nur die guerrilleros und wenn sie noch nicht tot sind, dann muesst ihr sie noch ganz totschiessen, psychologisch und koerperlich krank, beendete er seine Militaerzeit. Ruben hatte in dieser ganzen Zeit wegen des Militaerdienstes und wegen des Beagle-Konfliktes und des Malvinen -Krieges 3x das Eintrittsexamen, das jaehrlich stattfand, fuer die Universitaet in La Plata machen muessen.Obwohl alle bestanden wurden, konnte er erst nach dem 3. Examen das Biologie-Studium beginnen .
Da in dem vor dem Staatsstreich liegenden.Zeitabschnitt die verschiedenen Kirchen in die soziale Arbeit eingestiegen waren, weil die immer groesserwerdende Armut es erforderte, gehoerte die gesamte kirchliche Arbeit zu den Terrorismus-Verdaechtigen, selbst Teile der Arbeit der roemisch-katholischen Kirche gehoerten zu diesen Verdaechtigten. Durch den Staatsstreich sollte auch die Arbeit der christlichen Kirchen unter Kontrolle genommen werden. Gottesdienste, andere Gemeindezusammenkuenfte, Kurse, Vorstandssitzungen, Jugendstunden und Gemeindefeste sollten erst nach Genehmigung der betreffenden Militaerstellen erlaubt sein.
Da ich den Dienst der Gemeinde und in der Gemeinde nicht vom Militaer abhaengig wusste, habe ich mich waehrend dieser Zeit in der ganzen Gemeindearbeit von diesen Anordnungen nicht beeinflussen lassen, was manchmal wohl bei den Verantwortlichen der Gemeinde nur mit Angst akzeptiert wurde.
Bei unseren normalen Entre Ríos-Pfarrfamilientreffen tagten wir im Pfarrhaus, waren aber bereit, wenn wir Nachricht bekamen, dass eine Militaerstreife in der Naehe sei, uns in die Kirche zu begeben, um zu singen und zu meditieren und zu beten Probleme entstanden mir dadurch, dass ein junger Chilene, der nach dem Militärputsch dort in Chile verhaftet und gefoltert wurde, dann nach Argentinien floh, von meiner Frau, beim Besuch unseres Sohnes im Studentenheim in La Plata, zu einem mehrwöchigen Aufenthalt zur Erholung ins Pfarrhaus eingeladen wurde, dass auch ich einen von den Militärs gefälschten, angeblich von Firmenich-Montoneros, an Pfarrer und Priester gerichteten Brief erhielt, dass ich in Vertretung zur Beerdigung eines von einem Wachsoldaten in Crespo, Mitglied der dortigen Gemeinde, erschossenen Mannes, ebenfalls Glied der dortigen Gemeinde, gerufen wurde, dass während dieser Zeit in einer verdächtigen Weise in Crespo der Tempel der Zeugen Jehovas angezündet wurde und verbrannte, ohne dass von irgendeiner Seite, auch nicht von unserer Seite, ein Widerstand sich regte. Die Zeugen Jehovas haben ja ein zwiespältiges Verhältnis zum Staat und besonders zum Militär und verweigern auch den geforderten Respekt vor der argentinischen Fahne. In dem Zusammenschluss COCO hatten die Kirchenfuehrer von verschiedenen evangelischen Kirchen sich eine Moeglichkeit geschaffen, im Falle aussergewoehnlicher Zusammenstoesse oder Probleme durch die Militaerrs, gemeinsam Front zu machen und in der Oeffentlichkeit aufzutreten.
Allgemein muss man sagen, dass innerhalb unserer Kirche, besonders aber in Entre Ríos, nur vereinzelt Schwierigkeiten aufgetreten sind, was wohl daran lag, wie ich es schon erwaehnt habe, dass unsere Glieder wohl apolitisch, aber staatstreu waren .
In unserer Gesamtgemeinde ging waehrend dieser ganzen Zeit das Gemeindeleben normal weiter. Selbstverstaendlich sah ich auch meine Aufgabe darin, sie in Predigten und sonstigen Zusammenkuenften auf die furchtbare Situation in unserem Land, ja in ganz Lateinamerika, aufmerksam zu machen und versuchte, dass sie das alles im Lichte des Evangeliums sehen und erkennen und ihre Stellung dazu beziehen konnten. Leider gab es im Beagle- Konflikt (1978 mit Chile) und im Malvinen-Krieg (1982 mit Grossbritannien) nationalistische Kraefte, die sich in einer gewissen Kriegsbegeisterung gegen die Englaender auswirkten und es gab dadurch auch einige Schwierigkeiten, weil wir als Pfarrersleute diese Begeisterung nicht mitmachen konnten. Diese Schwierigkeiten loesten sich aber bald auf, als der Malvinen-Krieg schmaehlich endete. Durch dieses Ende war auch das Ende der grausamen Militaerdiktatur eingelaeutet. Und dieses Ende fiel auch zusammen mit dem Ende meines Dienstes als Pfarrer in der Gemeinde General Alvear durch meine Pensionierung vom 1 Juli 1982 ab. Wir schieden im vollen Einvernehmen mit der Gemeinde, in der wir 27 Jahre unseren Dienst taten. Wir taten ihn sehr gerne, auch in und durch alle Schwierigkeiten und Probleme hindurch. Aber wir waren etwas muede geworden und so zogen wir bald nach Buenos Aires in den Vorort ITUZAINGÓ, wo uns unsere Kirchenleitung eine Wohnung fuer unseren Ruhestand zur Verfuegung gestellt hatte.

Pastor Schwittay Teil 4

Verfasst: 16.01.2007, 10:22
von Heinz
Ich bin schon oft gefragt worden, ob sich seit 1955 in unserer Kirche etwas veraendert habe. Allgemein muss man sagen, dass sie sich mehr als nur etwas veraendert hat. Aber eine andere Kirche ist sie nicht geworden, denn sie hat immer noch den gleichen Herrn, der Jesus Christus heisst, wenn er auch manchmal in einem fuer uns unbekannten Gewande erscheint und vielleicht so, wie er erscheint und erscheinen will, von uns nicht erkannt wird oder nicht erkannt werden will.
Ich will nun das, was mir als Differenz von damals und heute erscheint, ohne zu entscheiden oder zu unterscheiden, was wichtiger oder was weniger wichtig ist, anfuehren:
Wir sind aus einer Deutschen Evangelischen La Plata-Synode eine Evgl. La Plata-Kirche, aus einer von der Evgl. Kirche in Deutschland abhaengigen eine selbstaendige, aus einer durch die deutsche Sprache gepraegte Kirche eine Kirche geworden, die fast ganz in einem natuerlichen Prozess in die nationale Sprache uebergegangen ist.
Das Letztere ist einfach die Folge der Situation unserer Gemeindeglieder, die den Kontakt mit ihren Kindern und erst recht nicht mit ihren Enkelkindern in der deutschen Sprache aufrecht erhielten , auch nicht aufrecht erhalten konnten. Allerdings muessen wir auch sagen, dass jetzt neben der spanischen Sprache die auslaufende deutsche Sprache, die portugiesische der Glieder, die von Brasilien in unseren kirchlichen Raum kamen und kommen und die Tobasprache der Urbevoelkerung (paisanos), die zu unserer Kirche gehoeren, immerhin beachtet werden muessen.
Fuer alle ist es bereits eine feste Tatsache, dass nicht mehr die ESMERALDA, sindern die SUCRE das Zentrum unserer Kirche ist und dass der Vorsitzende unserer Kirche nicht mehr Propst genannt wird, sondern Kirchenpraesident.
Schon 1955 bestanden oertliche Beziehungen zu Gemeinden anderer Kirchen, allerdings von 1956 ab auch direkte oekumenische . Unsere Kirche stellte den Antrag auf Aufnahme in die FAIE (Bund Evangelischer Kirchen in Argentinien), ebenfalls auf Aufnahme in den Oekumenischen Weltrat der Kirchen. Die oekumenischen Kontakte wurden zuerst besonders zu den evangelischen Denominationen hergestellt, dann auch mit der roem.-katholischen und der orthodoxen Kirche.
Unsere Kirche hat inzwischen ein Dokument unterschrieben zur Anerkennung der Ordination mit der reform., methodistischen, valdenser Kirche und der Kirche der Juenger Jesus Christi {Discípulos de Cristo) und den Presbyterianern, gleichfalls haben die Leuenberger Konkordie angenommen die IELU, die reform., die valdenser und die method. und unsere Kirche, die die volle Kirchengemeinschaft ermoeglicht.
In einer gemeinsamen theologischen Kommission mit der IELU, der roem.-kath. Kirche und unsere IERP haben wir ein gemeinsames Dokument ueber die Taufe und ueber das Abendmahl erarbeitet, ebenfalls wurden Moeglichkeiten ueber eine gemeinsame Trauung bzw. die Anerkennung der Trauung in der jeweilig anderen Kirche aufgezeigt.
Ebenfalls sind wir als eine bewusst unierte Kirche simultan dem Lutherischen Weltbund und der Reformierten Welt-Allianz beigetreten. Auch gehoeren wir dem lateinamerikanischen Kirchenbund an und arbeiten mit in der Ecumenischen Arbeitsgemeinschaft zur Verteidigung der Menschenrechte (MEDH). Vergessen duerfen wir benfalls nicht die Mitarbeit beim Lateinamerikanischen Kirchenbund.
Ich koennte auch noch die vielen oekumenischen Beziehungen auf gemeindlicher Ebene aufzaehlen, aber das wuerde doch zu weit fuehren.
Ein Pfarrer hat einmal etwas ungeduldig gesagt:
"Wir sind oekumenisch bereits so verzahnt, dass wir fast alles nur noch zusammen mit einer anderen Kirche machen koennen".
Man kann das allerdings auch in einem gewissen Sinn als einen grossen Hoffnungsschimmer fuer die Zukunft der Kirchen sehen, wenn wir im Zuge der sich immer mehr ausbreitenden Christus-Gleichgueltigkeit, ja -feindschaft und der sonstigen Saekularisierung, immer kleiner werden und einfach zusammenruecken muessen. Uns ist es ja nicht verheissen, die ganze Menschheit zum Christusglauben zu fuehren, sondern Jesus Christus hat uns ein anderes Kirchenverstaendnis vor Augen gefuehrt:
"Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen".
Unser Verhaeltnis zur Evangelischen Kirche in Deutschland bedeutet schon etwas mehr als ein oekumenisches Verhaeltnis, es hat sich ja inzwischen auch grundlegend geaendert. Aus einer Mutter-Tochter-Verbindung ist eine Verbindung von Schwesternkirchen geworden. Wir sind gewiesen, unseren Weg als selbstaendige Kirche zu gehen, wenn auch mit ihrer Hilfestellung. Und nur zu gerne strecken wir immer noch unsere offene Hand nach ihr aus.
In der Gestaltung unserer Kirche waren unsere Gemeinden auf die direkte Verbindung mit der Kirchenleitung angewiesen. Nur die Gemeinden in Entre Ríos bildeten einen festen Bezirk. Dadurch hatten sie die Moeglichkeit, bestsimmte Probleme in eigener Verantwortung zu loesen, auch konnten ihre Fragen gemeinsam an die Kirchenleitung gerichtet werden. Dieses hatte sich so bewaehrt, dass das ganze Arbeitsgebiet unserer Kirche jetzt in feste Bezirke aufgeteilt ist und diese Bezirke uebernehmen immer mehr kirchenleitende Verantwortungen. Unsere Kirche ist in den letzten Jahrzehnten sehr gewachsen . Gemeinden haben sich neu gebildet oder bestehende haben sich geteilt, sodass die ganze Verwaltung nicht mehr nur von einer Stelle aus wahrgenommn werden kann. Wir haben die verschiedenen Kommissionen, die besondere kirchliche Aufgaben uebernehmen, wie z.B. Liturgie, Erziehung, Oekumene, Literatur etcta., die es frueher nicht gab.
Als ich 1955 nach Argentinien kam, war ich der 16. Pfarrer unserer Synode, heute zaehlen wir ca. 93 Pfarrer, einschliesslich Vikare und pensionierte Pfarrer. Dazu hat sich die diakonische Arbeit von ehemals dem einen Waisenhaus in Baradero in einer Weise vermehrt, dass dadurch ganz neu ein Diakonen- und Diakoninnenstand mit einer besonderen Vorbildung ins Leben gerufen wurde. Zu den Aufgaben gehoeren jetzt auch ein Sanatorium, Altersheime, eine landwirtschaftliche Schule und ein Schuelerheim und anderes mehr.Ich habe nach dem Adressenverzeichnis bereits 14 Diakone bzw. Diakoninnen gezaehlt.
Die Vermehrung der Gemeinden und der diakonischen Arbeit erscheint mir wie ein Wunder. Was ich ebenfalls erstaunlich und als einen Fortschritt empfinde, ist, dass Diakone/innen und Parrer/innen gleichgestellt sind im Sinne unserer Kirchenordnung. Sie sind nur verschieden in ihren Aufgaben. Die Gesamtpfarrkonferenz hat daraufhin ihren Namen geaendert.
Wenn wir die Schar der Pfarrer heute ansehen, dann ist das zu sehen, dass nur noch eine Minderheit von Deutschland ausgesandte Pfarrer ihren Dienst tun, alle anderen sind bereits hier in der Theol. Schule in Camacuá bzw.in der ehemaligen Lutherischen Fakultaet ausgebildete Pastoren.
Damit ist das, was wir als ausgesandte Pfarrer damals vor ca. 40 Jahren geplant und vorbereitet hatten, jetzt zum Ziel gekommen: Eine bodenstaendige Pfarrerschaft. Wir haben bereits den 2. bodenstaendigen Praesidenten.
Dazu ist auch noch zu sagen, dass der Uebergang der Praegung der Pfarrerschaft durch die ausgesandten zu den bodenstaendigen bruederlich abgelaufen ist und von den Gemeinden auch gut akzeptiert worden.
Was etwas schwerer, auch von den Pastoren selbst, die vor 40 Jahren noch sehr maennerbetont ("machistisch") eingestellt waren, hingenommen wurde, war die Erweiterung des Pfarr(er)kollegium durch Pastorinnen. Sie haben sich ueberhaupt selbst durch eigenes Engagement einfach durchgesetzt. Wir zaehlen heute bereits 16 Pastorinnen und 7 Diakoninnen. Auch wurden durch Pastorinnen und Diakoninnen unsere Gemeinden ueberhaupt mit dem Kampf der Frauen um ihre Gleichberechtigung im Verhaeltnis zu den Maennern konfrontiert. Das zeigt sich darin, dass Frauen jetzt auch immer mehr in verantwortlicher Stellung in den Gemeinden praesent sind. Leider sind aber in die Junta Directiva unserer Kirche, auch bei der Wahl 1998, nur 2 Frauen gewaehlt worden, was allerdings dafuer durch 3 Reservekandidatinnen ausgeglichen wird.
Man muss schon sagen, dass durch die Praegung unserer Kirche durch den bodenstaendigen Pfarrerstand die ehemalige Isolierung inmitten der realen und politischen Wirklichkeit weitgehend durch ein kritisches Miterleben des Geschehens um uns her, im eigennen Land und auf dem selben Kontinent und in der ganzen Welt aufgehoben worden ist, was allerdings von den Gemeinden nur schwer mitvollzogen wird. Ich denke an die diktatorische Zeit im ganzen Cono Sur mit den grausamen Menschenrechtsverletzungen, ebenfalls an den Beagle-Konflikt und an den von Argentinien begonnenen Malvinen-Krieg mit England.
Langsam lernen wir auch innerhalb unserer eigenen Kirche, u.z. am eigenen Leibe, was es heisst KIRCHE DER ARMEN zu sein und bekommen immer mehr Verstaendnis fuer die Noete in der Welt, die sich unter dem Namen der GLOBALISIERUNG als Heil fuer die Zukunft der Menschheit, in einer unbeschreibbaren Weise ausbreitet und fuer viele Millionen in der Welt die Zukunft vollkommen verdunkelt. Wir sind bereits in eine andere antichristliche Aera uebergegangen. Wenn wir nicht Jesus Christus haetten, den wir in unserer Kirche verkuendigen wollen, saehe ich auch schwarz fuer sie in die Zukunft.
Es faellt mir nicht leicht, an die Zukunft der christlichen Kirchen in der Welt mit ihrer Botschaft vom Heil in Jesus Christus im naechsten Jahrtausemd und damit an die Zukunft unserer Kirche im naechsten Jahrhundert zu denken.
Viele Realitaeten der jetzigen Zeit werden sich immer mehr durchsetzen und das Christsein und das Gemeinde- bzw. Kirchesein total veraendern, bzw. in der alten Form unmoeglich machen. Dass dieser Prozess bereits zugange ist, zeigen ueberall die Gottesdienste, an denen wir Christen uns immer weniger beteiligen, weil wir sie nicht ernst nehmen. Ebenfalls wird kaum noch das Wort, das die Kirchen in die Oeffentlichkeit hineinsprechen, wahrgenommen, geschweige denn ernst genommen., hoechstens wenn es dieser Oeffentlichkeit selbst nuetzlich erscheint. Von sogenannten Volkskirchen, ganz gleich ob katholisch, evangelisch oder orthodox, kann man schon gar nicht mehr reden.
Wir leben in einer Welt, die wieder trotz aller Fortschritte zurueckfaellt auf das, was im alten roemischen Reich das Leben praegte: BROT UND SPIELE, zu mehr bleibt ausser der Arbeit keine Moeglichkeit Werden wir heute als gesamte Menschheit, ohne die wenigen zu rechnen, die sich, ausserhalb dieser Menschheit stehend, als die Herren der Welt auffuehren, nicht direkt auch gezwungen, uns mit diesen 2 Notwendigkeiten wie Brot und Spiele, Existenzminimum und Vergnuegen, wenn auch noch so primitiv, zu befassen, um dieses sogenannte globale Zeitalter, das uns als einzige moegliche Zukunft angepriesen wird, zu durchstehen, bzw. zu ueberleben.
Und gleichzeitig sind wir ebenfalls auf einem getriebenen Rueckzug von einer gewissen Groesse des sogenannten Christentums in die Anfaenge unseres christlichen Glaubens, da es noch nicht die so unglueckliche Verbindung von Staat und Kirche oder von Thron und Altar gab.
Immer, wenn in der Heiligen Schrift von der christlichen Gemeinde bzw. Kirche die Rede ist, handelte es sich um kleine Gruppen von Christen, die Jesus Christus nachfolgten, um Aktionsgruppen, die sich zum Dienst berufen wussten. Das, was wir jetzt allgemein erfahren, ist schmerzhaft und wird noch schmerzhafter werden, aber es fuehrt alle, die es wirklich ernst meinen mit ihrer Nachfolge Jesu, immer naeher zu ihm, dem einzigen Herrn dieser Welt.
Die Grossartigkeit der Kirchen mit den vielen Erscheinungsformen geht wieder zurueck auf die anfaengliche Form der Urchristenheit, die kleine Gruppe. Diese kleinen Gruppen koennten fuer das neue Jahrtausend die Grundlage fuer eine total neue Entwicklung des christlichen Glaubens sein, durch die Jesus Christus seine Herrschaft ausueben wird.
Zunaechst aber haben wir das Ende einer Epoche wahrzunehmen und zu akzeptieren.
Nun gilt es, diese zukuenftige Einzigartigkeit unseres Glaubens allein oder in Gruppen vorzubereiten, zu praktizieren und zu erleiden. Wir haben aber die Verheissung unseres Herrn, die wichtiger ist als aller Glanz und alle Herrlichkeiten und der Erscheinungsformen der bisherigen und der noch bestehenden Kirchen, wir haben das schon erwaehnte Wort:
"Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen".
Es es gut, kurz darauf einzugehen, wie es zu dieser Ablehnung des Christentums, einschliesslich des echten christlichen Glaubens gekommen ist und noch kommt.
Ich sehe das an 3 Fakten:

Der Fortschritt (oder wie man es auch nennen mag) der Wissenschaft und der Technik usw., der uns ein vollkommen anderes Bild von der Welt und von uns Menschen gibt, das nicht in Uebereinstimmung ist mit dem, was uns die Heilige Schrift ueberliefert. Das erfordert eine grundsaetzliche theologische Auseinandersetzung. Weil das noch nicht oder nur an wenigen Punkten geschehen ist, ohne die Gemeinden damit zu konfrontieren, fuehlt sich der Mensch von heute durch den christlichen Glauben nicht mehr angesprochen und verlaesst die Kirche und gibt zum groessten Teil seinen Glauben auf. Er gibt sich einer verschwommenen Religioesitaet hin.
Das 2. Faktum, das uns heute und in der kommenden Zeit auf die Probe stellen wird und uns in unserem Glauben an den Herrn dieser Welt, Jesus Christus, ins Wanken bringen will und wird, ist der uns Christen und den Gemeinden und Kirchen gegebene Auftrag, uns der Armen, Notleidenden und Unterdrueckten und der auf dieser Erde Zukurzgekommenen anzunehmen und uns fuer sie einzusetzen, d.h. auch gegen die Ursachen und Maechte, die dahinterstehen, wie auch gegen eine Geldpolitik, die nur auf viel Gewinn aus ist, wie Korruption, Verschleuderung von Staatsgeldern, wie Regierungen und besonders Diktaturen mit ihrem menschenfeindlichen und verbrecherischen Gehabe, wie die Fortschritte, die mit der Vergiftung der Umwelt einhergehen. Das Gleiche gilt fuer das, was aus diesem allem folgt, Verbrechen jeglicher Arft, Alkoholismus, Drogenabhaengigkeit. Zu diesem Kampf sind die wirklichen Nachfolger und Nachfolgerinnen aufgerufen. Aber dieser Kampf fuehrt uns als Christen und als Kirchen in eine grosse Feindschaft und Veraechtlichmachung durch die angefuehrten Maechte. Dadurch werden wiederum im grossen Stile viele schwachen und Namenschristen dazu gefuehrt, besonders natuerlich die, die mit diesen Maechten zusammenarbeiten, den christlichen Glauben aufzugeben und die christliche Gemeinde zu verlassen.. Die Gemeinden und Kirchen werden immer kleiner.
Das 3. Faktum, mit dem in der Zukunft gerechnet werden muss, heisst:
Wir werden immer mehr ebenfalls eine "arme" Kirche, die ehemals eine Kirche fuer
mittelstaendische Gemeindeglieder war, nun aber bereits auf dem Wege ist, eine Kirche
zu werden, die aus Gliedern besteht, die an der Armutsgrenze leben und kaum mehr
etwas finanziell zur Gemeindeerhaltung,
geschweige zur Ausfuehrung des der Gemeinde bzw. der Kirche gegebenen
Auftrags finanziell beizutragen in der Lage sind..


Dazu kommt, dass die grossen Hilfen aus der Evangelischen Kirche in Deutschland mit den verschiedenen Verzweigungen und anderen Hilfsorganisationen immer geringer ausfallen bzw. ganz eingestellt werden. Sie hat durch die Herrschaft des Neokapitalismus, ausgedrueckt auch durch das Wort Globalisierung dieselben Probleme wie wir, wenn auch in einem geringeren Masse. Diese Hilfen haben uns wirklich in mancherlei Hinsicht geholfen, aber gleichzeitig daran gehindert, die wirkliche Situation unserer Kirche zu erkennen oder auch zu akzeptieren und danach zu handeln.
Aus dem allem folgt. Dass wir die Organisation der Kirche und der Gemeinden, einschliesslich der dazu gehoerenden Werke in dem gleichen Umfange wie bisher aus eigenen Mittel nicht mehr halten koennen. Was geschieht mit den vielen Pfarrstellen und diakonischen Diensten und kirchlichen Gebaeuden, die im Stile der mittelstaendischen Epoche entstanden und jetzt auch dementsprechend unterhalten werden muessen.
Die Grossgemeinde Buenos Aires mit ihren 9 Pfarrern, einschliesslich der Gemeindezentren etcta. zaehlt nur 2000 Gemeindeglieder, nur als Beispiel erwaehnt. Um alles das, was wir in unserer ganzen Kirche in Argentinien, Uruguay und Paraguay laufend unterhalten, muss bald aus unseren Gemeinden selbst kommen oder wir muessen vieles aufgeben. Kein Wunder zur Loesung dieser Probleme kann man erwarten, aber schier uebermenschliche Wunder erwarten zu wollen, grenzt an Verantwortungslosigkeit.
Es gibt heute bereits viele Familien, z.B. in Buenos Aires, im Umfeld unserer Gemeinden, die nicht einmal das Fahrgeld fuer den Omnibus zur Verfuegung haben, um am Gottesdienst der naechsten Gemeinde teilzunehmen, geschweige den Gemeindebeitrag zu bezahlen. Wir stehen also bereits in einem Prozess hin zu einer Kirche der Armen und haben ganz neu zu lernen, was es zunaechst heisst, eine "arme" Kirche fuer noch Mittelstaendler und gleichzeitig fuer Menschen an der Armutsgrenze zu sein.
Wenn wir das bisher Gesagte ernst nehmen, das uns gewissermassen einen Einblick nicht nur in unsere Kirche, sondern in die meisten Kirchen der Welt, gibt, dann muss uns von vornherein klar sein, dass der Weg einer 2-tausendjaehrigen Geschichte der Kirche Jesu Christi, den man mit Thron und Altar oder Staat und Kirche charakterisieren, ferner unter dem Aspekt der VOLKSKIRCHE mit ihren verschiedenen Erscheinungsformen sehen kann, sich seinem Ende naehert. In dieser Geschichte sind viele Irrtuemer und Abwege, auch Verleugnung des christlichen Glaubens unter einem christlichen Gewand, erkennbar. Allerdings hat es immer wieder aufs neue bis auf den heutigen Tag Beweise eines echten Zeugnisses des Evangeliums von Jesus Christus gegeben und dass seine Stimme gehoert und seinem Wort gefolgt wurde.
Die Abloesung dieser 2-tausendjaehrigen Geschichte wird einmal ein langjaehriger Prozess sein und zum anderen nicht ohne Probleme und Schwierigkeiten und Noete selbst innerhalb der Christenheit vor sich gehen. Aber wir duerfen als Christen, die es mit ihrem Glauben an Jesus Christus ernst nehmen, trotzdem getrost nicht nur in die Zukunft blicken, sondern sogar gehen, weil auch in diesem Umbruch Jesus Christus an unserer Seite mit uns den Weg gehen wird. Das Endziel dieses Weges ist noch nicht erkennbar, es liegt ausschliesslich und allein in SEINEN Haenden. Aber was erkennbar erscheint, ist, dass wir als Christen, als Kirchen und als gesamte Christenheit an den Ursprung unseres Weges zurueckgefuehrt werden. Dieser Weg begann vor 2000 Jahren dort im Lande Palaestina mit den bekannten Orten Bethlehem und Nazareth und Jerusalem, da dieser Jesus von Nazareth wirkte und um sich eine kleine Schar von Nachfolgern sammelte und dieselben wiederum beauftragte, nach seinem Tode und nachdem er sich als lebend erwiesen hatte, ebenfalls Aktionsgruppen zu sammeln, um die Botschaft vom Heil fuer uns Menschen, das uns die Moeglichkeit gibt, als Menschen menschlich zu leben, weiter zu sagen und selbst zu praktizieren. Wenn in dieser ersten Zeit der Urchristenheit von Gemeinden und Kirchen die Rede ist, dann sind eben solche Aktionsgruppen oder auch Hausgemeinden oder Hauskirchen gemeint, in denen Mitlaeufer sich nicht halten konnten, sondern alles auf echte Nachfolge eingestellt war. Es wird um die echte Nachfolge eines jeden gerungen und das Wort Jesu von jedermann ernst genommen:
"Wollt Ihr auch weggehen?"
Aber gleichzeitig wird auch das andere Wort Jesu akzeptiert:
"Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende".
Das ist etwas anderes als unser Bemuehen um jedes Mitglied unserer Gemeinden, um finanziell ihre Strukturen moeglichst aufrecht zu erhalten. Wie schon gesagt wurde, der Weg in die erwaehnte Zukunft, auf dem wir uns schon befinden, wird ein langer Prozess sein und je nach der Situation sich anders gestalten und unter keinen Umstaenden in voelliger Uebereinstimmung von uns allen gegangen werden, mehr gezwungen als freiwillig, der "Not gehorchend und nicht dem eigenen Triebe". Das gilt fuer die ganze Christenheit, fuer alle Kirchen in der Welt. Das gilt selbstverstaendlich auch fuer unsere Evangelische Kirche am La Plata.
Wie koennte die Vorbereitung dieses Weges fuer alle, die wirklich glauben und Verantwortung zu uebernehmen bereit sind, die wirkliche Nachfolger Jesu sein wollen, aussehen?

Teil 7

Verfasst: 10.10.2007, 23:52
von Verwaltung
In Zukunft sollte noch mehr als bisher das, was wir als verschiedene Gemeinden gemeinsam tun koennen, auch getan werden oder wenigstens probiert werden.
Das Niveau der theologischen Ausbildung sollte auf alle Faelle, solange es noch moeglich ist, auf voller Hoehe aufrecht erhalten werden, damit die Auseinadersetzung mit der Modernitaet in den wissenschaftlichen Erkenntnissen intensiv ausgefuehrt, bzw. unter Umstaenden sollten diese Erkenntnisse auch von uns akzeptiert werden und ihren Ausdruck auch in Liturgie, Predigten, Katechesen und sonstigen Verlautbarungen finden.Alle, die Christen sein wollen, sollten damit vertraut gemacht werden. Trotzdem muss aus ehrlichen Gruenden bei der zukuenftigen Theologenausbildung darauf hingewiesen werden, dass dieser Dienst in Zukunft nur part-time ausgeuebt werden kann, vielleicht sogar ganz ohne Bezahlung. Dann waere zunaechst als Bedingung zur Berufung in einen pfarramtlichen Dienst die Erlernung eines 2.Berufes zu stellen. Mit dem diakonischen Dienst ist ja bereits immer als Voraussetzung die Ausbildung in einem sozialen Beruf gegeben, der auch allgemein anerkannt wird.
Alles, was zum Verstaendnis der Botschaft vom Heil fuer uns Menschen in der Heiligen Schrift dient, sollte in der naechsten Zeit in den Gemeinden intensiviert werden, damit jeder der zur augenblicklichen Form der Kirche gehoert und ein Christ sein will, weiss, an wen und was er glaubt und was von ihm erwartet wird. Um das zu ermoeglichen, sollten alle Wege genutzt werden. Ziel sollte sein, jeder Christ ein Zeuge Jesu Christi.
Das waere auch eine gewisse Voraussetzung dafuer, dass der professionelle Dienst in der "armen" Kirche immer mehr und kontinuierlich aufgegeben werden kann, ja muss, weil diese Dienste einfach in Zukunft finanziell nicht mehr zu halten sind, ebenfalls das nicht, was an Ausgaben fuer die Erhaltung der Pfarrhaeuser, Gemeindezentren, Kirchenleitungs- und auch diiakonischen Dienste, die wir nur durchfuehren konnten, weil wir das Geld aus der Heimatkirche etcta. bekommen hatten. Wir koennen nur das ausgeben, was wir als Christen in einer Gruppe oder in einer Gemeinde oder in einer Kirche durch eigene Mittel auszugeben in der Lage sind und wozu uns unser Herr willig macht.
Diese Entwicklung am Ende einer Zeitepoche, gekennzeichnet durch Thron und Altar und Staat und Kirche und was wir unter Volkskirche verstehen, kann und sollte dazu fuehren, dass jeder, der sich Christ nennt, auch als ein gehorsamer Juenger Jesu lebt. Dazu werden immer nur wenige gehoeren, die, wenn es hoch kommt, zur Bildung von kleinen Aktionsgruppen fuehren. Massen in den Kirchen sind Ergebnisse der vergehenden Epoche, die einem echten Juengergehorsam selten helfen, meistens aber im Wege stehen, unter Umstaenden sogar verhindern. Ich stehe dem Versuch, sich durch die Entwicklung der sogenannten "charismatischen Bewegung" der angegebenen Entwicklung entgegen zu stemmen und die Massen wieder dem christlichen Glauben naeher zu bringen, wie z.B. durch Krankenheilungen, sehr kritisch gegenueber. Letzten Endes geht es doch um die Erneuerung, wenn auch in einer anderen Form, einer Volkskirche. Hoffentlich ist es nicht eine Parallele zu dem, was heute unter der Bezeichnung Pop-Musik oder Pop-Star ueberall in der Welt hochkommt und Massen begeistert zusammenbringt und im Nu ist alles wieder in ein Nichts zerronnen. Meines Erachtens wird auch der Versuch der roemisch-katholische Kirche, krampfhaft an diesem Modell Thron und Altar, sogar mit der Variante KIRCHE IST STAAT (Vatikanstaat) scheitern.
Das, was Jesus Christus von einem gehorsamen Juenger erwartet, koennen wir in einer dreifachen Weise beschreiben, einmal, dass er sein Leben als Einzelner, in der Ehe, in der Familie und in der Gesellschaft als ein Christ im Sinne Jesu fuehrt, zweitens, dass er vor anderen Menschen in Wort und Tat bezeugt, dass er zu dem Herrn Jesus Christus gehoert und dass nur in ihm das Heil fuer sie und alle Menschen liegt, und drittens, dass er da, wo er steht, lebt und arbeitet, sich um die Armen und Notleidenden, Zukurzgekommenen und Kranken bemueht, selbst wenn das nur mit den ihm verliehenen Faehigkeiten und Moeglichkeiten geschehen kann, selbst wenn er einem Durstigen nur ein Glas Wasser reichen kann. Dazu gehoert auch der Einsatz, wenn er auch noch so klein ist, fuer die Erhaltung dieser Erde, die bereits durch uns Menschen so geschaedigt ist, dass sie als Grundlage fuer das Leben der Menschen und der Tiere und der Pflanzenwelt in Gefahr ist. Diese angefuehrten Auftraege im Dienste unseres Herrn sind selbstverstaendlich leichter auszufuehren, wenn einige mehr da sind, die den gleichen Weg mit uns gehen, die eine Aktionsgruppe bilden, sich gegenseitig im Dienst helfen und stuetzen und auch ermahnen und die vielleicht gemeinsam an die Ausfuehrung ihres Auftrages gehen koennen und gemeinsam ihren Herrn durch die Heilige Schrift konkret fragen, was sie tun sollen.

JESUS SAH EINEN MANN AM ZOLL SITZEN, DER HIESS
MATTHAEUS; UND ER SPRACH ZU IHM:
FOLGE MIR!
UND ER STAND AUF UND FOLGTE IHM. -Matth.9, 9-




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Die vorausgehenden Gedanken sind entstanden durch folgende Orientierungsfragen fuer eine Reihe von Gespraechen mit Dr. Alejandro Zorzin

Angaben zum eigenen Lebenslauf (wichtigste Daten; soziale Herkunft/ Elternhaus; Schulbildung; Jugendzeit/ Stellung zu Kirche und Politik; der zweite Weltkrieg)
Angaben zum theologischen Werdegang (VerhaELTNIS ZUM Ortspfarrer/ E. Kaesemann - Kirchenkampf?; praegende Dozenten; Vikariat - erstes Pfarramt in Deutschland)
Der Entschluss in den Auslandsdienst der EKD zu treten (Gruende?;Erwartungen?; warum in die La Plata Synode?)
Die pastorale Taetigkeit in der Landgemeinde Aldea Protestante - die Entwicklung der Gemeinde (u. Gemeindearbeit) in den Jahren der Amtstaetigkeit (Problemfelder, Herausforderungen, Gefahren, Erfolge)
Der Einfluss (od. Gravitation) der Russlanddeutschen (Tradition) innerhalb derIERP?
Die Einbindung (od. Das Einfuehlen) in die nationale Realitaet Argentiniens (welche sozialen oder politischen Ereignisse waren fuer die Entwicklung deiner theologischen Einstellung hier praegend?)
Einige deiner Predigten, die fuer dich einen besonderen bleibenden Wert behalten haben.
Bedeutende Veraenderungen innerhalb der La Plata Synoder u. Kirche in den v ierzig letzten Jahre (Auffallendes beim Vergleich ihreer Wahrn ehmnung der synodalen Taetigkeit im Jahre 1955 und im Jahre 1955: Enttaeuschungen?
Hoffnungen und Erwartungen im Hinblick auf die naechsten 50 Jahre dieser (unserer) Kirche am La Plata. (Worin bestuende ihr proprium, ihr unverzichtbarer Beitrag im Rahmen des oekumenisch-evangelischen Wirkungskreis am La Plata, der ihre Existenz -ueber die Eigendynamik ihrer Traditionss od. Sprachgebundenheit hinaus- rechtfertigt?)

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Buenos Aires, den 31. Dezember 1999