Marianthi Jakobs-Samolis

Menschen die Eindruck in Gelsenkirchen hinterlassen

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zuzu
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Marianthi Jakobs-Samolis

Beitrag von zuzu »

Marianthi Jakobs-Samolis ist in Athen geboren. Nach Abschluß des Abiturs in Griechenland studierte sie in Deutschland Physik. Danach machte sie eine Ausbildung als Sozialsekretärin für ausländische Arbeitnehmer und deren Familien.
Drei Jahre hat sie in Griechenland beim konsularischen Dienst gearbeitet. Während der Diktatur in Griechenland wurde sie entlassen.
Marianthi Jakobs-Samolis ist Gründungsmitglied mehrerer Initiativen mit Ausländern und Deutschen regional in Gelsenkirchen sowie überregional auf Bundesebene.
Seit Anfang der siebziger Jahre lebt sie in Gelsenkirchen.

Quelle: Texte aus dem Literaturcafé
Herausgeber: Türkische Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt KV Gelsenkirchen
Eine Jahreszahl fehlt leider.

Heute lebt Marianthi zwischen Gelsenkirchen und Athen.

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Beitrag von zuzu »

Eine Kurzgeschichte

Irgendwann mal kam ein Jüngelchen zu mir. Ich weiß nicht mehr, was er damals von mir wollte. Er war verlegen und ich auch nicht weniger. Er sprach über Dinge wie: Menschen mit Jacken, die mit eisernene Knöpfen verziert waren, natürlich Mädchen, Motorräder, Bier. Er erzählte über Partys, in Gärten, irgendwo weit von der Stadt, Gruppenreisen, über Präsidenten und Führer und über die Stellvertreter von Präsidenten und Führern (dabei musste ich ständig an die Erzengel und ihr Gefolge denken).
Er kam einmal in der Woche zu mir.
Sein Vater war autoritär und ein "echter" Grieche, seine Mutter eine hübsche Griechin, die sich immer über das Vertrauen ihres Chefs freute.
Sie putzte sein Büro und nachdem sie ihm bewies, wie ehrlich sie war und nicht klaute, wurde sie befördert. Somit durfte sie jeden Morgen den Kaffee für ihn kochen. Sie durfte ihm sogar den Kaffee servieren. Der Chef trank den Kaffee und sagte immer zu ihr: "Du gute Frau!"
Sie freute sich und war sehr stolz deswegen.
Der Junge hatte auch zwei Schwestern.
Junge, hübsche Mädchen, mit den selben leuchtenden Augen wie die Mutter.
Sie gingen in die Schule.
Sie waren sogar gut. Die Lehrerin sagte immer zum Vater: "Die beiden sollen weitermachen. Sie sind gut."
Der Vater war stolz und froh, und er sagte daraufhin:
"Siehst du, was für gute Mädchen ich habe?"
Irgendwann fragte ich das Jüngelchen, ob er ab und zu mit seinen Schwestern was unternimmt, ich hatte an spazieren oder ins Kino gehen gedacht. Nein antwortete er. Die Mädchen haben ihren Platz zu Hause! Sie sollen Mutter bei der Arbeit helfen. Sie sollen bügeln oder sticken!
So oft er Besuch hatte - männliche Freunde oder Mädchen, in seiner Mansardenwohnung in dem Haus, wo auch die Familie wohnte, schickte er seine Schwestern weg. Sie sollten in die elterliche Wohnung oder auf den Hof runter gehen. Warum eigentlich? fragte ich ihn mal.
Er gab mir ernst - sehr ernst - mit einer ganz typischen Kopfbewegung - er hatte einen schönen Kopf und wunderschöne schulterlange, pechschwarze Haare - die Antwort:
Nein, nein, unsere Mädchen sollen später verheiratet werden.
Er kam weiter zu mir.
Einmal pro Woche.
Er sprach mit mir und erzählte all diese Dinge, die er in seiner Freizeit bewältigte.
Motorräder, Partys in eigenartigen Gärten, irgendwo am Rande der Stadt, Mädchen, starke Freunde, mit Jacken, natürlich mit eisernen Knöpfen und Anstecknadeln. Er ging auch arbeiten. Er machte sogar eine Lehre. Er spach so gut Deutsch, dass ich oft Angst hatte, beim Sprechen Fehler zu machen. Wenn ich einen Fehler machte, sagte er immer lächelnd zu mir: "Siehst du, deine Sprache ist griechisch. Meine ist Deutsch." Gelichzeitig bewegte er seinen Kopf mit der für ihn typischen Kopfbewegung.
Eines Tages wollte er Griechisch lernen. Er hatte die starken Freunde, das Bier, die Mädchen satt, sagte er mir.
Er kam weiter jeden Donnerstag gegen sechs Uhr nachmittags und lernte Griechisch. Ich freute mich darüber. Monate waren vorbei.
Draußen lag Schnee, ich kann mich ganz genau daran erinnern.
Ich öffnete die Tür. Vor mir stand ein junger Mann, groß, schlank, mit schulterlangen blonden Haaren!
Ich schaute zu ihm hin und fragte:
"Bist du das?"
Er sagte: "Ja".
Ich stand noch an der Tür, als ich ihn fragte:
"Was hast du mit deinen Haaren gemacht, Mensch?"
Er antwortete:
"Sie waren das Einzige, was mich verraten konnte! Deswegen ließ ich sie färben".

Marianthi-Jakobs Samolis
Quelle: Texte aus dem Literaturcafé
Herausgeber: Türkische Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt KV Gelsenkirchen

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