Friedrich Wilhelm Vattmann

Menschen die Eindruck in Gelsenkirchen hinterlassen

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Tekalo
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Friedrich Wilhelm Vattmann

Beitrag von Tekalo »

Wilhelm Vattmann, Erster Bürgermeister (1877-1900)
geb. 03.08.1847 in Haarbrück/Höxter
gest. 12.04.1902 in Paderborn
wurde am 20.09.1900 Ehrenbürger von Gelsenkirchen.

Der Bahnhof Gelsenkirchen sollte ursprünglich der große Verkehrsknotenpunkt für die Strecke Berlin - Hamburg werden, auch Nebenstrecken waren eingeplant. Doch dieses grandiose Vorhaben scheiterte an dem kurzsichtigen Protest des 1. Oberbürgermeistes Vattmann, ein sittenstrenger Moralist, der seinen Einspruch folgendermaßen begründete: „Nein, wir wollen den großen Bahnhof nicht haben, dann kommen all die schlechten Leute nach Gelsenkirchen, die wollen wir nicht“. Gelsenkirchen wurde darauf hin nur an einer Nebenstrecke angeschlossen. Die Fehleinschätzung Vattmanns war folgenschwer und hat die Entwicklung Gelsenkirchens bis in die heutige Zeit schwerstens gehemmt. Der neue Gelsenkirchen Bahnhof wurde nur ein bescheidenes Stückwerk. Der große Bahnhof kam nach Wanne und indessen später auch der große Kanalhafen. Anstelle von Gelsenkirchen wurde der Bahnhof Essen zum Favoriten.

Warum ist dieser Mensch immer noch Ehrenbürger der Stadt Gelsenkirchen??

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brucki
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Beitrag von brucki »

Danke tekalo für diesen Beitrag. Ich wußte das und ärgere mich darüber immer wieder!

Es ist ja wirklich beeindruckend, wie weitreichend die Folgen einer solchen Entscheidung sein können. :?

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Tekalo
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Beitrag von Tekalo »

Ich ärgere mich auch schon länger darüber. Jetzt hatte ich mir nur mal wieder die Geschichte vom Bahnhof rausgeholt. Eigentlich sollte so ein Ehre nur jemand verliehen werden der etwas für die Stadt und nicht gegen die Stadt gemacht hat.
Mönting der die Bahnhofstraße geplant und gegründet hat ist kein Ehrenbürger. Ich frage mich wie Vattmann zu dieser Ehre kam.
Bild
(Vattmann, der Gegner des Bahnhofs)

Josel
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Beitrag von Josel »

Tja, wenn man sieht, wo Wanne heute steht... Da hat GE wahrlich was verpasst.

J.
Vertrödeln Sie keine Zeit mit dem Lesen von Signaturen!

KarlB
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Beitrag von KarlB »

Der Bahnhof Gelsenkirchen sollte ursprünglich der große Verkehrsknotenpunkt für die Strecke Berlin - Hamburg werden, auch Nebenstrecken waren eingeplant.
Berlin - Hamburg über Gelsenkirchen? Ziemlich lange Nebenstrecke über Gelsenkirchen. Verstehe ich nicht ganz.

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Tekalo
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Beitrag von Tekalo »

Josel hat geschrieben:Tja, wenn man sieht, wo Wanne heute steht... Da hat GE wahrlich was verpasst.

J.
Mit Wanne ist der Güterbahnhof gemeint. Und wenn Du irgendwo hin willst musst Du über Essen.

Karlheinz Rabas
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Beitrag von Karlheinz Rabas »

@ tekalo, brucki

Der Bahnhof Gelsenkirchen lag nie an einer Nebenstrecke sondern ist aus dem Haltepunkt Hibernia an der sehr bedeutenden Strecke der Eisenbahn von Köln nach Minden entstanden.
Ausschlaggebend für die Bahnhöfe waren die Güterumschlagspunkte und das waren zunächst die Zechen und Stahlwerke.
Einen Knotenpunkt zur Strecke Hamburg - Berlin konnte doch nur Wunschdenken in einigen Köpfen sein, denn das Ruhrgebiet liegt sicherlich nicht in diesem Verbindungsbereich.

Die Ehrenbürgerschaft an einer Entscheidung zur Eisenbahnverbindung festzumachen, ist aus meinen Sicht mehr als fraglich.

Karlheinz Rabas
Jeden Dienstag von 17.00 bis 19.00 Uhr sind
Besucher bei uns im Stadtteilarchiv Rotthausen, Mozartstraße 9, herzlich willkommen 10.000 Fotos zu Rotthausen und mehr

pito
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Beitrag von pito »

pito hat geschrieben:Das Grab (oder zumindest der Grabstein) von Oberbürgermeister Wilhelm Vattmann auf dem katholischen Altstadtfriedhof. Amtszeit: 1877 - 1900. Wikipedia führt ihn als ersten Oberbürgermeister von Gelsenkirchen überhaupt.

Bild
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... =8238#8238

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Tekalo
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Beitrag von Tekalo »

Mit Berlin - Hamburg ist sicherlich ein Dreieck gemeint. Du kommst von Gelsenkichen ja noch nicht einmal nach Bochum ohne umzusteigen. Der Angesprochene Knotenpunkt wäre dann Gelsenkirchen und nicht Essen gewesen.

pito
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Beitrag von pito »

Kann man eine einzige, vor über 100 Jahren getroffene Entscheidung wirklich als entscheidend für die Entwicklung einer ganzen Region ansehen? Hätte Gelsenkirchen sich wirklich so anders entwickelt, wenn es den Bahnhof bekommen hätte? Wäre Essen dann nicht zu seiner heutigen Bedeutung aufgestiegen?

Ich habe Zweifel. Da spielen zu viele Dinge eine Rolle. :?

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Tekalo
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Beitrag von Tekalo »

Da hast Du sicherlich recht. Jetzt zu sagen alles wäre dann heute besser. Jedoch hätte es sich anders enwickelt. Auf jeden Fall war es keine glückliche Ausage von ihm.

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Verwaltung
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Beitrag von Verwaltung »

L. Heidemann hat geschrieben:Ich stöberte mal wieder in den Gelsenkirchener Geschichten und kam zu "Vattmann und der Bahnhof". Ich vermisse da eine Quellen-Angabe, um die Aussage überprüfen und ggf. einordnen zu können.
Als Anstoß für mögliche weitere Vattmann-Recherchen biete ich einen Ausschnitt aus einem Verwaltungsbericht an.
Mit freundlichen Grüßen
Bürgermeister Vattmann und seine Sicht der öffentlichen Ordnung

Es ist nicht einfach und in der Regel einseitig, allein durch ein Quellen-Zeugnis sich ein Bild von den Lebensverhältnissen früherer Zeiten zu machen. Das gilt auch für Gelsenkirchen in den Jahren um 1875. Die hier so plötzlich angebotenen Arbeitsplätze hatten zu einer unkontrollierten Zuwanderung geführt. Zeitzeugen verglichen das mit „amerikanischen Zuständen“ während des Goldrauschs. Die Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit war eine gemeindliche Aufgabe. Der gerade gewählte Bürgermeister Vattmann hat im Verwaltungsbericht für das Jahr 1877 längere Ausführungen dazu gemacht. In den Folgejahre hat er nie wieder so ausführlich dieses Thema behandelt. Vielleicht wollte er 1877/78 dokumentieren, dass nun mit ihm an der Spitze und der Einrichtung einer Stadtverwaltung, zu der die kommunale Polizei gehörte, in Gelsenkirchen Verhältnisse, die vielleicht „aus dem Gleis zu laufen drohten“, wieder geordnet worden seien. Vattmann stammte aus einem Dorf bei Höxter, seine Maßstäbe kamen aus „ruhigen“ Klein- und Mittelstädten, wo jeder Jeden kannte. Er war dann allerdings in Beuthen, wo auch der Bergbau die traditionellen Lebensverhältnisse verändert hatte. Ich finde seine „Momentaufnahme“ alles in allem ein interessantes sozialgeschichtliches Dokument.

„Sittlichkeit und Sittenpolizei"
Wenn Sittlichkeit, wie das in einer Stadt , wo verschiedene Nationen (Polen, Italiener, Holländer, Schweden) neben der einheimischen und zwar gerade nicht immer in den besten Elementen vertreten sind, zu wünschen übrig lassen muß, aber das Kostgängerwesen den sittlichen Ruin manches Haushaltes herbeiführt, so darf man doch sagen, daß in anderen Industrieorten es noch schlechter steht.
Soweit die ehebrecherischen und Konkubinats-Verhältnisse zur Kenntnis kamen und polizeiliches Einschreiten möglich machten, ist letzteres erfolgt. Die Lokale, in denen, besonders aus Düssel-dorf und Köln, Zugang von liederlichen Weibspersonen stattfand, die unter dem Namen von Schenk-, Näh- und Dienstmädchen ihre wahre Stellung verdeckten, sind beseitigt, und durch den Abzug verschiedener unsauberer Familien und Wirte, welche ihnen Obdach gaben gaben und dem Treiben in der erdenklichsten Form Vorschub leisteten, ist die Grundlage des Übers gehoben. Wenn trotzdem sporadisch noch hier und da sich Strichvögel sehen lassen, so sind sie durch schleunige Beförderung an die Königliche Polizeianwaltschaft oder Heimschaffung in den früheren Aufenthaltsort unschädlich gemacht worden, es würde aber noch mehr zu erreichen sein, wenn die Bürgerschaft durch schleunige Mitteilung von Vorkommnissen dieser Art der Polizei entgegen käme. Die Glücksspiele sind wohl nur in wenigen Wirtschaften betrieben, hier aber mit solcher Vorsicht, daß erst, trotz nächtlicher Posten und aller Mühe, spät, wenn dieser oder jener Mitspieler zu große Verluste nicht verschmerzen konnte und Anzeige machte, dem Unwesen Einhalt getan werden konnte. Bei einem Wirt, wo das Spiel oft bis zum frühen Morgen in der Küche stattfand, wurde sogar, ähnlich wie früher in den noblen Spielbädern, Eintrittsgeld erhoben. Die schlechte Zeit macht sich auch, hier allerdings in guter Weise, fühlbar.
Die Polizeistunde ist für sämtliche Lokale, mit Ausnahme von einigen Gastwirtschaften, auf 11 Uhr festgesetzt, wird aber häufig und zwar vorzüglich an den Sonntagen überschritten.
Die Bettelei hat sich vielfach bemerklich gemacht; das Einschreiten gegen sie ist um deßwillen von so wenig Erfolg, weil die Personen, bei denen gebettelt ist, um nicht etwa einen Termin in Bochum zu haben, die Polizei-Organe nicht unterstützen. Nach Errichtung des Amtsgerichtes hier wird das hoffentlich besser werden.
Nachdem sich herausgestellt hat, daß eine Anzahl wirte unter dem Namen „Concert“ „Tingel-tangel“ halten, ist generell bestimmt, daß Aufführungen, bei denen gewerbsmäßige „Sängerinnen“ mitwirken, polizeilich nicht mehr gestattet werden.

Sicherheitswesen und Polizei
Von dem Grundsatz ausgehend, daß Gesetze und Polizei-Verordnungen im allgemeinen Interesse gegeben seien und daß es nicht genüge, daß sie gedruckt und publiziert werden, sondern daß es jeden Bürgers Pflicht sei, sie zu befolgen und sich genau darnach zu richten, ist die Polizei strenger gehandhabt, als das bisher üblich und bei der großen Ausdehnung des dem betreffenden Beamten unterstellten Bezirks möglich war.
So übel dies mitunter seitens derjenigen gedeutet ist, welche sich Nichtbefolgungen oder Übertretungen zu Schulden kommen ließen und deshalb ohne Ansehen der Person und Stellung in Strafe genommen wurden, so deutlich zeigen sich dem unbefangenen Beobachter die günstigen Wirkungen.
Es ist hierüber bei den einzelnen Titeln schon gesprochen worden und soll deshalb nur noch etwas über das veränderte Nachtwachewesen bemerkt werden.
Es fungierten im Anfang des Jahres sechs Nachtwächter (Schleichwache), die paarweise den ihnen zugewiesenen Bezirk versehen. Eine Kontrolle, ob sie wirklich wachten, ließ sich nicht führen, es sei denn, daß man ihnen gleich von der Wachstube aus folgte, ohne Kontrolle war aber nicht viel zu erwarten.
Wollte jemand in der Nacht Hülfe haben, so mußten die Polizei-Beamten geholt werden, denn ob und wo die Nachtwächter zu finden, wußte man nicht. In größeren Städten, wo genügend Polizeikräfte vorhanden sind, mag die Einrichtung einer Schleichwache zweckmäßig sein, für kleinere ist sie es meines Erachtens nicht. Nach der mit dem 1. Oktober in Kraft getretenen Bestimmung, ist die Stadt in sechs Reviere geteilt, für jedes ist ein Nachtwächter vorhanden. Die Nachtwächter haben die Verpflichtung allstündlich von 9 Uhr abends bis 5 Uhr Morgens an den ihnen bezeichneten Stellen die Stunden abzupfeifen und sofern sie um Hülfe angegangen werden, solche zu leisten oder verdächtige Wahrnehmungen dem wachthabenden Polizei-Sergeanten (je alle 8 Tage wechselnd haben die Sergeanten Nachtdienst, d.h. die Verpflichtung von 9 – 12 Uhr im Wachtlokal zu sein) zu melden. Die Bezirke sind so gelegt, daß der Ton der Notpfeife den Wächter zur Hülfeleistung herbeirufen kann.
Polizeilich bestraft sind 1068 Personen, davon die meisten wegen Straßenunfugs, versäumter Anmeldung, Übertretung der Polizeistunde.
Im Lauf des Jahres sind 394 Personen und zwar 324 männliche und 70 weibliche zur Haft gebracht worden, davon wegen

Ruhestörung und groben Unfugs 81
Diebstahls 78
Bettelns 65
Trunkenheit 34
Körperverletzung 32
Straßenraub 5
Hehlerei 2
Münzvergehen 1
Kindesmord 1

sodann auf auswärtige Requisitionen 53
und liederliche Frauenzimmer 21.
Hiervon sind 80 Personen der Königlichen Staatsanwaltschaft in Bochum zugeführt.“
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Heinz
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Beitrag von Heinz »

Was wohl eine Schleichwache und was Straßenunfug sein mag? :D

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