Elisenstraße und das Ballin-Haus von Josef Franke

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Elisenstraße und das Ballin-Haus von Josef Franke

Beitrag von Verwaltung »

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Quelle: 125 Jahre StadtGEschichte(n) Gelsenkirchen, Jürgen Boeber-Süßmann, Minerva Buchhandlung
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Beitrag von Verwaltung »

Dieses Wohnhaus in der Elisenstraße baute Josef Franke 1925 für den Maler Wilhelm Ballin, der damals z.B. die Ausmalung der Heilig-Kreuz-Kirche gestaltete:
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Männlein
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Beitrag von Männlein »

Das 2. und 3. Haus stehen noch fast unverändert, das erste ist neu gebaut (ca. 1955).
In meiner Kindheit (also so um 1960) Gehörte das 2. Haus (Elisenstr. 5) der Familie Nevries, Musikhaus Nevries, ich glaube Husemannstraße.
Gruß Männlein
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Josel
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Beitrag von Josel »

Verwaltung hat geschrieben:Dieses Wohnhaus in der Elisenstraße baute Josef Franke 1925 für den Maler Wilhelm Ballin, der damals z.B. die Ausmalung der Heilig-Kreuz-Kirche gestaltete:
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Dieses Haus für Andreas Wilhelm Ballin ist m.E. eines der schönsten und interessantesten Einfamilienhäuser Gelsenkirchens. Dass es noch steht, ist wohl ein Glücksfall, angeblich soll es in den 1980er Jahren schon eine Abrissgenehmigung der Stadt gegeben haben.

Ballin hat für Franke mehrere seiner Kirchenbauten im Innern farblich gestaltet. Aus verschiedenen Berichten drängt sich der Eindruck auf, dass Franke - der zu dieser Zeit schon ganz andere Wohnhäuser entworfen hatte, man denke nur an die Ückendorfer "Unternehmervillen" – Ballin mit dieser Planung eine Art Gefallen tun wollte. Ballin konnte sich anscheinend kaum das Grundstück leisten (damals mit unverstelltem Blick auf den Teich im Bulmker Park), so dass sich offenbar auch keine riesige Villa verwirklichen ließ. Und so plante man ein im Inneren angeblich sehr kleinteilig erscheinendes Haus (ich war allerdings nie selbst drin), das jedoch in seiner äußeren Gestaltung ohne Vorbild in ganz Gelsenkirchen war. So gab es z.B. leuchend bunte Fensterrahmen und eine in vielen Details wie hingewürfelte Fassade (auf dem Bild sieht man z.B. auf der Eingangsseite das dreiteilige Giebelfenster mit der massiven Umrandung, das schon von Anfang durch ein - heute vermauertes - kleines Fenster ohne jeglichen Rahmen ergänzt wurde). Man beachte auch, wie die Nachbarn damals bauten; der Kontrast ergibt sich aus Männleins Bild.

Nach meinem Eindruck dürfte dieses Haus einen gewisse Provokation in der damaligen Zeit gewesen sein. Heute birgt es viele Rätsel. Fest steht, dass Ballin im hinteren Teil ein Atelier hatte; dies muss der einzige großzügigere Raum des ganzen Hauses gewesen sein. Wie die Bemalung u.a. der Heilig-Kreuz-Kirche erkennen lässt, wusste er jedoch, wie man Räume mit Farben gestaltete. Manchen spekulieren daher, dass auch die kleinen Wohnräume des Hauses abenteuerliche Farbgestaltungen hatten. Auf dem obigen Bild gibt es neben dem vermauerten Fenster zwei kleine Vorsprünge, von denen spekuliert wird, dass sie ehemals eine Figur trugen. Es ist allerdings völlig unbekannt, wer da wohl in die Fassade integriert war. Für einen Kirchenmaler liegt allerdings eine religiöse Abbildung nahe. Möglicherweise war dieser Platz aber auch von Anfang an leer.

Wenn sich das ISG wegen der Halmannshöfer auf den Weg nach Berlin macht, könnte es im Hinterkopf vielleicht auch mal Ballin behalten. Da ich nichts genaues weiß, will ich hier ausdrücklich nichts behaupten - weder in die eine oder die andere Richtung -, doch gibt es im Schrifttum immer wieder Andeutungen, dass sich die prekäre Auftragslage von Ballin nach 1933 wesentlich verbesserte. Auch Franke scheint seine Kooperation offenbar eher eingeschränkt zu haben. Aber wie gesagt: Das sind nur Spekulationen.

J.
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Heinz
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Beitrag von Heinz »

@josel

schicke bitte sofort den Text an: stefan.goch ätt gelsenkirchen.de

wahrscheilich ist er schon unterwegs..

Männlein
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Beitrag von Männlein »

Irgendwie fühle ich mich genötigt, etwas zur Elisenstraße/Ballinhaus zu schreiben. Habe das schon vor längerer Zeit mal kurz gemacht.
Diese Straße ist eigentlich mein Kinderzimmer, d.h. dort habe ich im Alter von 4 bis 14 fast meine komplette Freizeit mit meinen Freunden verbracht.
Dass dieses wundervolle Haus einen Namen hat, habe ich erst durch dieses Forum erfahren.
Hatte vorher keine Ahnung, kannte aber dieses Räuber- oder Hexenhaus recht gut. So ab 1955 hatten wir damit zu tun, weil wir Kinder immer wieder versuchten, durch die völlig verdreckten Fenster zu schauen. Hoffnungslos.
Das Haus schien völlig vergammelt, war zugewuchert, außerdem mit irgendwelchen rankenden Pflanzen, also Efeu oder Knöterich etc. überzogen.
Es existierten für uns Kinder 2 Varianten, die wir - leider,aus jetziger Sicht - beide glaubten:
1. das Haus ist unbewohnt und kann jeden Moment einstürzen,
2. in dem Haus wohnen Verbrecher.
Die Folge war, dass wir es doch ziemlich gemieden haben. Wir hatten schlichtweg Angst.
Umso erstaunlicher, weil wir uns ansonsten vor nichts fürchteten.
Die Gärten der Häuser/Villen wurden gegen die Häuser der Waltraudstraße (Parallellstr.)durch eine hohe, sehr schmale Mauer begrenzt, die zusätzlich mit Glasscherben bestückt war.
Wir Kinder konnten also auf dieser Mauer die ganze Elisenstraße langbalancieren, kannten jeden Garten mit entsprechenden Obstbäumen, sogar einen kleinen eierförmigen Bunker gabs auf einem Grundstück, wir wurden von den Hausbesitzern gejagt, nie erwischt natürlich.
Brenzlig wurde es nur, wenn auch die Waltraudstraßler auf uns Jagd machten. Haben alles überlebt.
Nur zum Ballinhaus kamen wir nie, weil die Mauer -in meiner Erinnerung- zu Ende oder unpassierbar war.
Also auch hintenrum mehr als geheimnisvoll.
@josel: woher hast du diese recht umfangreichen Informationen?
also das Haus links daneben ist ein Neubau, wurde erst in den 80ern gebaut, da stand vorher ein altes.
Das Ballinhaus war eigentlich das letzte, weil die Häuser rechts daneben erst so gen 1955 gebaut wurden und allgemein als Neubauten bezeichnet wurden. Die Bewohner wurde auch als Zugezogene gesehen, zumindest anfangs. Ansonsten stehen in der Elisenstraße fast nur ganz alte Häuser.
Was die Farbgebung angeht habe ich irgendwo mal (weiss nicht mehr wo) gelesen, dieser gelbe und teilweise auch blaue Lackierung sei erst später gemacht worden und habe das Haus fürchterlich verschandelt.
Noch was zur Elisenstraße. Ein alter Freund aus meiner Kindheit hatte mir es letztens erzählt.
Wir wurde als Kinder öfters von fremden Erwachsenen nach dem Haus von Mölders gefragt. Wir hatten natürlich überhaupt keine Ahnung.
Eigentlich bis heute nicht. Hat der da mal gewohnt? Deshalb der frühere Straßenname?
Wenn ja, wo denn? Oder alles nur Zufall?
Gruß Männlein

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so um 1950, also links daneben ein altes Haus

Josel
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Beitrag von Josel »

@Männlein

Wie schon andernorts erwähnt: Am Ricarda-Huch-Gymnasium befassten wir uns mal mit dessen Baugeschichte, noch lange vor dem Franke-Hype. Daher rühren einige Informationen über ihn und seine Häuser in Wattenscheid, Ückendorf und Rest-Gelsenkirchen. Aber ich ich bin dem Thema auch später treu geblieben und habe vieles von dem gelesen, was im späteren Hype so publiziert wurde. Meistens kann ich gar nicht sagen, woher eine Information genau stammt.

Zum Ricarda gibts eine sehr genaue historische Darstellung der Gestaltungsüberlegungen Frankes, die mich damals sehr fasziniert haben. Seine Gebäude berücksichtigen in einem unheimlichen Grad der Detaillierung gleichzeitig funktionale und ästhetische Aspekte, Sichtachsen, Himmelsrichtungen, Lenkungswirkungen und vieles mehr. Beim Ballin-Haus wollte er - so jedenfalls mein Eindruck - ein bisschen signalisieren: Hey, hier kommt mit Ballin das Enfant terrible, "der Künstler" in die schmucke Straße. Die Farben sind wild, die Fenster sind aberwitzig gegen die Grundsätze der Symmetrie auf der Fassade verteilt, nicht einmal die Tür ist in der Mitte der Fassade und wirkt in ihrer trapezförmigen Verzierung irgendwie verzerrt. Und an den Säulen lassen wir einfach mal ein paar Steine herausschauen....

Dein Familienfoto erklärt übrigens, warum dieses Grundstück so teuer war. Ein "Haus am See" mitten in Gelsenkirchen. Das hatte was.

Dass rechts vom Haus Ballin bis 1955 nichts gebaut wurde, lag meines Wissens übrigens daran, dass dort zunächst eine neue Straße errichtet werden sollte. Deshalb hat das Ballin-Haus auch rechts einen weiteren Giebel.

Die Farbgebung war - wie oben schon ausgeführt - keine spätere Verschandelung, sondern meines Wissens schon Teil des Franke/Ballin-Entwurfs. Aber das zeigt, das das Haus noch lange Jahre provozieren konnte.

Ob wir hier wohl noch herausbekommen, welche Figur oben am Giebel angebraucht war?


J.
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pito
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Beitrag von pito »

Josel hat geschrieben:Franke-Hype
:lol:

Männlein
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Beitrag von Männlein »

Das mit der Straße könnte stimmen, müßte dann aber zeitlich mit dem Bau des Ballinhauses übereinstimmen, sonst wäre der 2. Giebel reine Spekulation gewesen.
Nach 1950 war eine neue Straße wohl kaum geplant, die Neubauten waren aber extrem teuer, das konnte sich kaum einer leisten. Das waren wohl fast Millionenobjekte, das letzte Haus baute ja auch ein Direktor der Eisenwerke-so hieß es immer.
Die Elisenstraße passt ja so gar nicht das restliche Umfeld, sie ist ein fantastisches Kleinod, echte Villengegend direkt im Grenzgebiet zur Armut (Emma-/Olgastr.).
Wenn ich wieder mal in Gelsenkirchen bin, werde ich zum Nachbarn des Ballinhauses Kontakt aufnehmen. Die Vorgängergeneration kenne ich noch, da dürfte schon ein Gespräch entstehen.
Was war von 1955 bis heute? Die sollten es ja als Nachbarn am besten wissen.
Gruß Männlein

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Beitrag von Verwaltung »

Das Haus hat heute eine Erweiterung nach hinten hin, die man von vorne aber kaum sieht.
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Beitrag von zuzu »

Männlein hat geschrieben:Das 2. und 3. Haus stehen noch fast unverändert, das erste ist neu gebaut (ca. 1955).
In meiner Kindheit (also so um 1960) Gehörte das 2. Haus (Elisenstr. 5) der Familie Nevries, Musikhaus Nevries, ich glaube Husemannstraße.
Gruß Männlein
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Das Haus gehört immer noch den Erben Nevries. In dem Haus habe ich 15 Jahre gewohnt. Tolle Wohnlage!

Männlein
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Beitrag von Männlein »

Dann bist du also da rein- und rausgegangen.
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In meiner Kindheit hatte das Haus im Garten noch einen riesigen Hühnerstall, seitlich am Garagenhof des Nachbarhauses. Da konnte man vom Garagendach draufspringen, dass das Federvieh so richtig in Panik geriet.
Manchmal lagen wir auf dem Dach und hatten was Fressbares am Bindfaden. Wollten irgendwie so auf Max und Moritz machen.
Hat leider nie geklappt.
Gruß Männlein

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Beitrag von Verwaltung »

Die Diskussion über den Maler Ballin und seine Geschichte bitte hier weiterführen: http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... php?t=4586
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