August Gärtner - Bürgermeister

... ein Überblick

Moderatoren: Verwaltung, Redaktion-GG

Antworten
Benutzeravatar
Heinz O.
Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 17470
Registriert: 10.04.2007, 19:57
Wohnort: Erle bei Buer in Gelsenkirchen
Kontaktdaten:

August Gärtner - Bürgermeister

Beitrag von Heinz O. »

[center]Unmittelbar nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen 1945 und nachdem Ostern 1945 der gesamte Stadtnorden befreit war, übten die alliierten Truppen im Stadtgebiet die höchste Gewalt aus. Daraus ergab es sich, daß der damalige amerikanische Stadtkommandant, Leutnant Schwobeda, punktuelle Stadtverwaltungen einsetzte. Dies geschah noch am gleichen Osterwochenende. Eigene Bürgermeister erhielten die Stadtbezirke Horst (Bürodirektor Kölling), Resse (Stadtinspektor Lanfer) und Hassel (Polizeisekretär Schortemeyer). In Erle wurde es der Kaufmann August Gärtner.

Wer war dieser August Gärtner?
An der Niefeldstraße in Buer hatte sich August Gärtner 1908 mit seinem ersten Lebensmittelgeschäft selbständig gemacht.
Bild
August Gärtner

1924 eröffnete er in Erle auf der Cranger Staße 295 sein zweites Geschäft. Die Geschäftsbedingungen waren so günstig, daß sich das Unternehmen ausdehnen konnte. Ein weiteres Geschäft an der Cranger Straße 205, an der Heistraße 48 und in der Resser Mark (Standort unbekannt) wurden eröffnet. In Buer an der Goethestraße kam dann noch eine weitere Verkaufsstelle hinzukam.

Bild
"Erler Kaufhaus" Gärtner, Cranger Straße 295

Die Dienststelle des amerikanischen Ortskommandanten befand sich in der Polizeiwache an der Cranger Straße. Dort wurde Gärtner mit einigen anderen Erler Bürgern hinbestellt. Der amerikanische Kommandant fragte in erster Linie nach der Parteizugehörigkeit und den damit verbundenen Funktionen. Da Gärtner sich zu keinem Zeitpunkt politisch betätigt hatte fiel die Ernennung zum Bürgermeister auf ihn.

Die ersten Tage der Besatzung waren für die Kaufmannsfamilie nicht einfach. Die amerikanischen Truppen durchsuchten seine Geschäfts- und Wohnräume, in denen ja noch gewisse Lagerbestände, u.a. auch Schnaps, vorrätig waren.
Erst mit der Anbringung des Schildes "OFF LIMITS'" mit der Unterschrift des amerikanischen Ortskommandanten änderte sich die Situation fast schlagartig. Amerikanische Truppen hatten danach die Wohnung nicht mehr zu betreten.

Nun begann die tägliche und damit mühsame Kleinarbeit vor dem Hintergrund der
großen Sorgen und Nöte. Die Wohnung war ständig belagert. Er wurde um Vermittlung bei der Lösung persönlicher Probleme eingeschaltet, die ihn mitunter auch in Situationen brachte, die möglicherweise mit Auswirkungen auf das Geschäft verbunden waren; denn auch den Bürgern, die zu seinem Kundenstamm zählten, mußte gelegentlich ein abschlägiger Bescheid erteilt werden. Es war also nicht immer einfach, bei den erforderlichen Entscheidungen das richtige Händchen zu haben.

Nachdem er bereits 14 Tage später wieder von seinem Bürgermeisteramt entbunden wurde widmete er sich wieder hauptamtlich seiner Tätigkeit als Lebensmittelhändler.

Zunächst gab es große Schwierigkeiten in der Beschaffung der Ware; denn die vom Ernährungsamt zugeteilten Warenbezugsscheine waren nicht immer deckungsgleich mit der tatsächlichen Ware. Wenn er zum Beispiel einen Bezugsschein über 5.000 Kilogramm Zucker hatten, so kam es oft vor, daß unser Großhändler nur 500 Kilogramm liefern konnte.

Durch einen glücklichen Umstand hatte sich die Situation bald zu seinen Gunsten
verändert. Durch einen Kriegskameraden seines Sohnes bekam er Verbindungen zu einer
bäuerlichen Absatz- und Bezugsgenossenschaft, die von den Amerikanern u.a. mit Mehl
und anderen Lebensmitteln beliefert wurde. Hier konnten er die Großbezugsscheine
voll einlösen. Nun war er in der Lage, seinen Kunden auf der Grundlage amtlich festgesetzter Zuteilungsmengen voll zu beliefern.

Gärtner`s Sohn erinnert sich:
Nun hatten wir auch einen kleinen Spielraum, um bestimmte Nahrungsmittel gegeneinander zu tauschen.
Mit besonderer Freude wurde z.B. von unseren Kunden die Nachricht aufgenommen,
daß Puddingpulver verteilt werde. Wir hatten das nur anbieten können, nachdem es
uns gelungen war, im Raum Bielefeld Mehl gegen Puddingpulver einzutauschen. Das
war mit großen technischen Schwierigkeiten verbunden. Der für das Fahrzeug erfor-
derliche Fahrbefehl der Fahrbereitschaft in Buer war nicht leicht zu haben. Außerdem
konnte es passieren, daß man mehrere Tage unterwegs bleiben mußte, um die Tausch-
geschäfte abzuwickeln. Aber irgendwie haben wir es doch immer wieder geschafft
und gemeinsam die schwierigen Jahre meistern können.
Bild
Werbeanzeige von 1945
[/center]

Quellen: Niederschrift von Heinrich Meya und eigene Sammlung
Gegen Hass, Hetze und AfD
überalteter Sittenwächter

Antworten