Scholvener Gemarkungen

... ein Überblick

Moderatoren: Verwaltung, Redaktion-GG

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Scholvener Gemarkungen

Beitrag von gutenberg »

Zu Zeiten, als aus Germanien Deutschland wurde, ließen die Fürsten zwischen ihrem Land und dem "Fürstentum-Erwartungs-Land" eine Pufferzone entstehen, die man Gemarkungen oder "die Mark" nannte. Beispiele: Zwischen dem Reich und den Slawischen Fürstentümer entstand die "Mark Brandenburg" aus der das Königreich Preußen wurde. Zwischen dem Reich und den ungarischen Steppenreitern errichtete der große Otto, der Mann, der "Deutschland entwarf", die Ostmarck oder Österreich.
Als mittelscholvener Staatsbürger kennt man dieses Phänomen. De jure stand die Mühle Kahlen und der Laden mitten in Gladbeck. Aber die facto? De facto stand sie am Scheideweg und fertig. Dondrups Dachdeckerei: Ein Gladbecker Betrieb? Nö, istoch aufe Berliner Straaße!
Haus Beck mitten toften gemütlichen Baanof liegt in Kirchhellen? Also für mich, wissense, isstat Oberscholven.
Lasst uns mal darüber plaudern...
Zuletzt geändert von gutenberg am 17.01.2012, 17:17, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Frage

Beitrag von gutenberg »

Ging man die Schwedenstraße Richtung Süden, an Naber/Auf'n Kamp vorbei und über den Scheideweg, kam man an einen dieser typischen schwarzen Wege, deren Decke aus Kokerei-Asche oder Granulat-Asche bestand.
Der führte direkt an der Zechenbahn entlang zur Winkelstraße. Auf der rechten Seite stand am Beginn des Weges später die Fahrschule Haase. Welcher Zweckelani, Rentfortanese oder Mittelscholfski, der nach dem Krieg, (unserem, nicht dem amerikanischen) geboren wurde, hat dort nicht seine Fleppe gemacht? (Bw-Fahrerlaubnis gilt nicht)
Der Weg ging, mehr oder weniger befestigt bis zur Schröerstraße in Zweckel zur Schreinerei Holländer.
Dann wurde es interessant: Man musste nämlich unter den Hibernia Stacheldraht hindurch, "Kukkn op kein Zuch kommpt", die Gleise queren und gelangte so in den "Holländer Busch". Durch dieses Kleinod eines wilden Gehölzes gelangte man auf die Zweckeler Ausgabe der Feldhauser Straße, musste unter der Bundesbahnlinie durch diesen "Modelleisenbahntunnel" hindurch und kam durch die Kleingarten-Anlage "Nordpark" hindurch nach Downtown Gladbeck.
Markanter Punkt war noch an der Goethestraße/Bahnhof Ost der Schrottplatz Heidelbach.

Aber das ist ja keine Frage, das ist historisch abgesichert und von Ureinwohnern der Ecke dort an der Winkelstraße abgenickt.
Aber ich habe keinen mehr gefunden, der sich an das Kriegsgefangenenlager "Lager 2000" erinnert. Es bestand aus mehr oder weniger gepflegten Holzbaracken und irgendwo stand noch halbverfallener Wachturm. Zwischen den Unterkünften hatten "die Ausgebombten" kleine Gärten angelegt. Es wohnten später hauptsächlich "Flichtlinge" genannte Schlesier und Ostpreußen dort.
Es scheinen auch nicht nur keine Erinnerungen, sondern auch keinerlei Bilder davon mehr zu existieren.
Neben dem Areal in Richtung Praxis Dr. Niewerth (Dienstag Nachmmittag ist ist ab 14.00 Uhr Staublunge) stand die letzte Bombenruine Gladbecks bis weit in die 60er hinein. Auch davon gibt es keine Bilder.
Oder?

Schon auf Gladbecker Seite stand noch so großes, verwinkeltes, ockerfarbenes Haus mit einer der damals üblichen "Hausverkaufsstellen", bei denen man Flaschenbier, Weinbrand-Verschnitt, Koggenack und Mauxion-Schokolade kaufen konnte. Und mir fällt, schon seit Jahrzehnten, nicht der Name ein. Der Mann arbeitete hauptberuflich im Magazin der Zeche und fuhr einen dieser bomastischen Heinckel-Motorroller mit Anhänger.

Benutzeravatar
Lorbass43
Beiträge: 2080
Registriert: 11.02.2009, 10:49
Wohnort: Früher Scholven - heute Herzogenrath

Beitrag von Lorbass43 »

Hallo Gutenberg, wir aus Scholven war schon immer Suchende - erst an unseren Ortsgrenzen später in NRW, Deutschland und der Welt.
Bei meinem letzten Besuch wollte ich meinen wöchentlichen Radweg von der Feldhauserstr. inne Nähe vonne Trinkbude Ernst Hanke nach Zweckel wiederholen - hat nicht geklappt.
Klar mittem Rad, gebraucht und mit Silberbronze und schwarzen Ofenlack geschönt, zur Kinderkommunion bekommen wurde jede Abkürzung nutzend gefahren.
Ungefähr so -
Hinter den Neubauten auf der Feldhauserstr. Xantener- und Werdenerstr. querend über nen Feldweg neben Feldern vom Bauer Lostermann und dem Büschken vorbei Richtung Rückseite der damaligen kath. von Vinkeschule, die eigentlich der Haupteingang ist, aber zu meiner Schulzeit Anfang der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhundertsn nur zur Anlieferung der täglichen Pausenmilch und für Klassenfotos genutzt wurde.
Linker Hand der Bauernhof Lostermann.
Der Lostermannshof hat in den vergangenen Hundertjahren nacheinander die Bezeichnungen "Niederscholven Nr. 10", "Löhstr. 51", "Emmericher Str. 100" und "Buddestr. 40" geführt.
Über wie von Friedhelm beschriebenen typischen schwarzen Wege, deren Decke aus Kokerei-Asche oder Granulat-Asche bestand weiter mitten über das Gehöft von Bauer Mehring.
Nach ca. 200 mtr. rechts wieder an einem Büschken vorbei Richtung Gaststätte Vennemann (Zur Erholung) u.a. Vereinslokal von Hansa Scholven.
Richtung Scheideweg von rechts kam die Nienkampstr. auf der die Strassenbahnlinie 11 auch rechts abbog.
Die Weiterführung als Bülsestr. auf Gladbecker Gebiet gab es noch nicht.
Bis zur Eisenbahnbrücke bei Gaststätte Naber auf der Schwedenstr. genau gegenüber in den "schwarze Weg" wie von Gutenberg beschrieben bis zur Winkelstr. folgend.
Im weiteren Verlauf lag auf der rechten Seite, die Straße machte da einen Bogen nach links, der Platz von SV Zweckel zu der Zeit wie Hansa Scholven Landesligist.
Im weitern Verlauf der Winkelstr. kam das Vereinsloka Bertlich des SV Zweckel in einem Schaukasten wurde der wöchentlihe Spielbetrieb bekannt gegeben.Dann kam die Kirche und das daneben liegende Pfarrhaus. Im obersten Stockwerk hatte der Organist und Klavierlehrer Thomann seine Wohnung. Klein und verwachsen war er ein ganz grosser im Bereich der Kirchenmusik. Ich hoffe das er im himmlischen Konzert nicht soviele Misstöne hört wie ich sie anfänglich in seinem Unterricht produzierte.
Wie mag der von mir geschilderte Weg wohl heute aussehen?
Ich konnte die Wege der Vergangenheit nicht wiederfinden.

Benutzeravatar
Heinz H.
Beiträge: 8615
Registriert: 17.10.2007, 16:54
Wohnort: GE-Buer

Auf alten Pfaden

Beitrag von Heinz H. »

gutenberg hat geschrieben:Ging man die Schwedenstraße Richtung Süden, an Naber/Auf'n Kamp vorbei und über den Scheideweg, kam man an einen dieser typischen schwarzen Wege, deren Decke aus Kokerei-Asche oder Granulat-Asche bestand.
Der führte direkt an der Zechenbahn entlang zur Winkelstraße...
Tach Gutenberg,
mein Kollege hat gestern auf Grund deiner Wegbeschreibung einen virtuellen Spaziergang gestartet und sich dann verlaufen hat er gesagt. Ich habe mal einen Auszug aus der Stadtkarte Gelsenkirchen von 1949 beigefügt, gez dürfte eigentlich nix mehr schiefgehen. :D :wink:
Bild
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... =1624#1624
"Gelsenkirchen kann wirklich froh sein, dass es Buer hat."
Dr. Peter Paziorek

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Beitrag von gutenberg »

@Heinz H.
Die Karte ist sehr interessant.
Aber bei dem von mir beschriebenen Weg hatte ich nie Zweifel.

Leider scheint sich außer mir niemand an das Lager 2000 zu erinnern.

Die Häuser für das Wachpersonal während des Krieges, es war ja ein Kriegsgefangenenlager, lagen übrigens gegenüber, drei oder vier Steinbaracken, die bewohnt waren. Neben der Gärtnerei Balk.
Von "unserem" Wald aus gesehen in der ersten Baracke herrschte der hinterlistigste und gefährlichste Köter der Welt. Er näherte sich dir winselnd und mitleidheischend, wenn du das Haus passiertest. Ging dann zurück um Anlauf zu holen und mit Höllenlärm richtete er deine Hose hin.
Jungens trugen damals, entgegen vieler Jungen-Geschichten war der Tag der ersten langen Hose ein Trauertag und ein Tag des Abschieds, gerne kurze Hosen, am liebsten sogar im Winter.
So manche Narbe, die heute ein Großvater seinem Enkel präsentiert, stammt von jenem Mistviech...

Übrigens gegenüber am Scheideweg, aber noch nicht auf Scholvener Hoheitsgebiet, lag das Haus der Familie Schwering (manchmal fallen einem Namen nach Monaten wieder ein).

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Beitrag von gutenberg »

@ Lorbass

Das mit dem Vordereingang habe ich lange nicht gewusst, bis der Herr Lehrer Reddig ("Herr", schreibe ich, weil ich vor dem Manne und seiner Pädagogik noch heute eine absolute Hochachtung habe. Es scheint ein Schicksal meines Heimatlandes zu sein, dass das "Gute" immer in der Minderzahl ist) mich mal bat "zum Vordereingang" zu gehen, um aus seinem DKW 3/6 (dem sog. "Lehrerauto") das Portemonaie herauszuholen etc.

Ab Lostermann hat sich der Weg nicht verändert. Ich bin mal vor - mindestens - 20 Jahren dahergegangen und, außer dass man keine Lerchen über den Feldern mehr hörte, denn die waren alle totgegüllt worden, eigene Schuld, warum brüten sie nicht später?, habe ich keine Veränderung bis Ortmann bemerkt.
Die Winkelstraße und untere Dorstener Straße waren verkehrsberuhigt. Und Luggenhölschers alte Felder waren komplett zugebaut.

Das schöne, alte Dorf Zweckel, wo ich geboren wurde und getauft und das der Hort so vieler Erinnerungen ist, ist zu einem Industrievorort ohne Industrie verkommen. Einzig meine alte Herz-Jesu-Kirche steht noch da wie ein Fels in der Brandung. Und weil man sie mit Kupferhauben versehen und gesandstrahlt hat, steht ihr die Röte der Scham ins Gesicht getrieben. Sie, eine Erzpfarre, deren Pfarrherr ein Ehrendomherr war, hat keinen Priester mehr und kämpft ums Überleben.

Mit viel Verhandlungsgeschick gelang es meinem Bruder, das Totenamt für unsere Mutter, einer Urzweckelerin, in der Kirche ihrer Kindheit lesen zu lassen. Aber nicht, wie es ihr Wunsch war, auf Latein.
Und der junge Mann an Thomanns Orgel: Er war des Musikprofessors würdig!

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Frage

Beitrag von gutenberg »

Wenn man zu Zeiten, als man noch jung und schön war und voller Tatendrang von Buer nach Gladbeck lief, hatte man zwei Möglichkeiten: Die Buer-Gladbecker-Straße immer geradeaus, durch den Lösterheide-Park auf die Vestische Allee, jetzt Adenauerallee (ab Stadtgrenze Gladbeck, soviel zu Straßennamen und deren Konstanz), oder, wenn man am anderen Ende Buers war, in Beckhausen beispielsweise, ging man über das Rosenhügelgebirge oder Schaffrath und kam quasi durch die Hintertür nach Gladbeck. So ungefähr jedenfalls.
Wie man auch ging, man kam auf dem Gladbecker Gebiet, (in der Nähe stand nachher ein Möbelhochhaus, Buick, glaube ich) an einer Radrennbahn vorbei.
So in den späten 60er fing das Ding an zu vergammeln. Auf dem in den Städten üblichen Weg:
Wilde Müllkippe, alte Autoreifen, zum Schluss alte Opel-City-Kumpel-Kadetts.
Es mag an meinem Alter oder dem zeitlichen Abstand liegen oder beidem, aber mir fällt ums Verflixen der Name nicht ein. Ich habe eine ganz schemenhafte Erinnerung an früheste Kindertage, dass dort sogar Berufboxkämpfe "Open Air" stattfanden.
Kann sich noch jemand an dieses Beton-und Asphalt-Oval erinnern?

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Von Wäldern, Elfen und Kinderparadiesen

Beitrag von gutenberg »

Seit meiner frühen Kindheit, soll heißen, soweit die Erinnerungen zurückreichen, sind die Begriffe „Zweckeler Busch“ und „Opas Land“ in meinem Herzen eingegraben. Geht man von der Zweckeler Seite, der Gluckstraße etwa, an die Geographie, könnte man denken, „wie kommt der Gutenberg bei dem Wald auf ,Scholvener Gemarkung’?“ Fährt man von der Buerelterstraße mit dem Fahrrad die Kirchhellener Straße in Richtung Zweckel herunter, an der alten Mühle Eing vorbei und den mächtigen Aushubhalden der Hydrierwerk-Erweiterung und der Allee zum Haus Beck vorbei, sieht die Sache schon anders aus. Ob das stimmt, dass man sentimal wird, steht erst die „6“ vorne im Pass? Nun denn:

Nennt mich einfach „den Träumer“. Das taten fast alle, die mit einem 5- oder 6-jährigem Jungen verwandt oder bekannt sind, die seinen Geschichten nicht glaubten, obwohl er ihnen doch versicherte, dass seine Geschichten alle selbst erlebt und keinesweg geträumt waren. Es gäbe drüben, in Amerika, ein Mädchen namens Alice, der so etwas auch immer passierte.

Von einer dieser Geschichten, oder sagen wir besser: einem dieser Abenteuer, ist er noch heute, als, nunja, „reifer“ Mann, was dessen Wahrheitsgehalt anbelangt, überzeugt.

Hören wir sie uns mal an:

„Ich ging an diesem schönen Wiesentag, ach, ihr Erwachsenen wisst nicht, was ein Wiesentag ist? Ist denn alles so trist in eurer Welt? Dort möchte ich nicht leben, das ist mal klar.

Also, ein Wiesentag ist einer von den Tagen, die nach dem Winter kommen. Wenn alle einst meisterlich hingepinkelten Schlinderbahnen getaut sind, der Schnee und sogar der eklige Matsch weg sind und die Wiesen wieder beginnen, nach Wiesen zu riechen. Die Luft riecht anders, die Mädchen fallen über Franzens und meiner Wiese her um Gänseblümchen oder Marienblümchen für ihre albernen Kränze zu pflücken. Die Kränze gelingen nie und die Mamas bekommen Zustände wegen der grünen Flecken in der Mädchenkleidung.
Aber die Weiber kommen und gehen, richtige Freunde, zumal, wenn sie bald eingeschult werden, die bleiben. Die legen sich mit dir in das noch feuchte Gras, was soll’s, man hat ja die Kniebundhose aus Leder an. Die ist schon so alt, dass sie dunkelbraun und ganz glatt ist, obwohl sie vor vielen Brüdern und Onkeln mal grau und aus Wildleder angefangen hat.
Und der Freund und der Träumer warten darauf, dass der erste Zitronenfalter über ihren Köpfen seinen Torkelflug vollführt. Oder dass der Himmel mit den Wolken zu ihrem Vergnügen ein Figurenrate-Spiel aufführt. Und wenn man dann eine Lerche steigen hört, und man wirklich schon auf der Haut die Sonne spüren kann, ist der perfekte Wiesentag richtig perfekt.

An so einem Wiesentag war ich bei meinem Opa auf seinem „Land“. Dieses Land gehörte eigentlich meinem Vater und lag zu fast drei Vierteln in einem Waldrand. In einem Waldrand, nicht an einem. Denn in einem solchen Fall läge es ja auch zu drei Vierteln im Schatten. Weil es aber rein gemüsegärtnerisch genutzt wurde, sorgte Opa mit seiner Säge dafür, dass der Wald immer in der Sonne lag. Opa hatte eine kleine Gartenlaube gebaut, sogar mit Toilette, in die das Fenster eines abgeschossenen Bombers eingearbeit war. Also, die Fensterscheibe mit ihrer Dichtung. Der Wald war der „Zweckeler Busch“, zwischen Zweckel und Feldhausen. Nicht zu verwechseln mit dem „Zweckeler Wald“, der zwischen Zweckel, Schultendorf und Rentfort lag und - in Resten - noch liegt.

Zwei künstliche und eine natürliche Schneise teilten den Busch auf. In der Mitte lief der Liboriweg, der von der Arenbergstraße aus in Richtung „Haus Beck“ verlief. Die zweite war die Eisenbahnlinie von Wanne-Eickel nach Winterswijk/NL und die dritte war der Mühlenbach, der zwischen Zeche und Phenole entsprang, den großen Bunker im Kriege mit Wasser versorgte und in den Schlossteich des „Hauses Beck“ mündete. Dabei sogar ein Gebiet (damals, wenn mich nicht alles täuscht) Scholvens streifte.
Der Eisenbahnlinie verdankte der Busch viele schöne Lichtungen, denn die US-Army-Airforce warf die dicken „Rail-Buster“, Bomben wie Litfass-Säulen, um die Geleise zu zerstören. Diese dicken Koffer rissen dem Wald natürlich schreckliche Wunden, aber wie alle Wunden verheilten auch diese. Meist wurden kleine Teich daraus mit seltenen Tieren und Pflanzen. Der Wald hatten einen sehr feuchten Boden, fast Sumpf, und deshalb gibt es diese Teichlein noch heute. Sie trockneten nie aus. Spaßvögel von der KLJB setzten kleine Goldfische da ’rein und gruben Verbindungen, kleine Kanäle, und schufen so einen zerklüfteten Großen See, dadurch war die Gefahr der Inzucht unter den Fischen gebannt (wie sagte Opa immer: Auch unter Stichlingen gibt es Hengste!) und ein Wasserfloh-Paradies entstanden.

Etwa dort, wo der Mühlenbach in den Wald fließt, war so eine Lichtung. Der Bach floss mitten durch einen Bombentrichter hindurch. Diese Lichtung, mit dem klaren Wasser und der herrlichen Sonne, war einer meine Lieblingsplätze. Ich habe ihn, außer jetzt natürlich, nie jemandem verraten. Auch Franz, meinem Freund, nicht. Denn es war ein ganz besonderer Ort.

Die Lichtung und ich hatten nämlich ein Geheimnis. Erstens war das die einzige Stelle, die ich je gesehen habe, auf der wilder Waldmeister wuchs. Wenn man von diesem Grünzeug etwas zwischen den Fingern zerrieb und dann an dem Ergebnis roch, bekam man unweigerlich Durst auf Brausepulvergetränke von „Fridel mit dem Matrosen“. Oder auf Waldmeistersirup mit Wasser von unserem Hofwasserkran. Manchmal ging ich an dem Bach entlang ein wenig in den Wald hinein. Hier trank ich ein zwei Schlucke von dem kristallklaren Wasser. Ich habe es überlebt, ohne irgendwelche Symptome im Bauch zu verspüren.
Bild
Ein Kinderparadies, mit Opa, Vater, Bruder und dem Träumer Sommer 1951 oder '52

Der Waldmeister war also das eine. Aber dass das zweite Geheimnis stimmt, das es wahr ist und dass ich es wirklich gesehen habe, das werde ich nie aufhören zu glauben und zu bestätigen.
Ich habe gesehen und gehört, wie Elfen um die Waldmeisterpflanzen flatterten und dabei kicherten und sangen. Sie bestanden eigentlich nur aus Licht, aber dieses Licht hatte Körperformen. Eigentlich sahen sie aus, wie in einem dieser Hollywoodschinken um Peter Pan oder Genossen. Nur, als ich sie das erste Mal sah, war ich vorher noch nie in einem Kino.
Fernsehen gab sowieso nicht. Und mein großer Bruder konnte zwar lesen, aber er hatte anderes zu tun, als mir vorzulesen. Ich hatte nie etwas von Elfen oder Peter Pan gehört. Meine ersten Buchhelden waren die Kinder, die Constable Grimm bei Enid Blyten so nervten, in den „Geheimnis um...“-Büchern.

Nein, ich lasse es mir nicht ausreden: Ich habe sie gesehen und gehört. Und wenn ich Noten schreiben könnte, würde ich ihre Symphonien zu Papier bringen und mich nicht nur doof, sondern doof und dusselig damit verdienen.

Als ich den ersten Herzinfarkt durchlebte und der Arzt mich aufforderte, zu versuchen, langsamer zu Atmen, und um das zu erreichen an etwas wunderschönes zu denken, dachte ich nach mehreren Versuchen, die nur zu einem Hecheln führten und hörte, wie eine Schwester zur anderen sagte: „Hat denn der Herr Träumer nicht anderes im Kopf?“, dachte ich wieder an meine Elfen. Und ich wurde ruhig, so ruhig, dass ich mit den Elfen gemeinsam sang und in eine vielleicht lebensrettende Melodie verfiel.

Daran sieht man, wozu solche Gemarkungen oftmals zu gebrauchen sind...

matz
Beiträge: 1094
Registriert: 02.01.2008, 15:07

Re: Frage

Beitrag von matz »

gutenberg hat geschrieben:Wenn man zu Zeiten, als man noch jung und schön war und voller Tatendrang von Buer nach Gladbeck lief, hatte man zwei Möglichkeiten: Die Buer-Gladbecker-Straße immer geradeaus, durch den Lösterheide-Park auf die Vestische Allee, jetzt Adenauerallee (ab Stadtgrenze Gladbeck, soviel zu Straßennamen und deren Konstanz), oder, wenn man am anderen Ende Buers war, in Beckhausen beispielsweise, ging man über das Rosenhügelgebirge oder Schaffrath und kam quasi durch die Hintertür nach Gladbeck. So ungefähr jedenfalls.
Wie man auch ging, man kam auf dem Gladbecker Gebiet, (in der Nähe stand nachher ein Möbelhochhaus, Buick, glaube ich) an einer Radrennbahn vorbei.
So in den späten 60er fing das Ding an zu vergammeln. Auf dem in den Städten üblichen Weg:
Wilde Müllkippe, alte Autoreifen, zum Schluss alte Opel-City-Kumpel-Kadetts.
Es mag an meinem Alter oder dem zeitlichen Abstand liegen oder beidem, aber mir fällt ums Verflixen der Name nicht ein. Ich habe eine ganz schemenhafte Erinnerung an früheste Kindertage, dass dort sogar Berufboxkämpfe "Open Air" stattfanden.
Kann sich noch jemand an dieses Beton-und Asphalt-Oval erinnern?
War zu meiner Kindheit wohl schon eine Ruine. Ich weiß nicht mal, ob ich sie noch selbst gesehen habe, jedenfalls hieße es auf dem Weg nach Gladbeck immer, hier sei mal eine Radrennbahn gewesen.

Was ist denn das Rosenhügelgebirge?

Wolf
Beiträge: 1944
Registriert: 24.02.2008, 20:05

Beitrag von Wolf »

Heute erinnert wohl nur noch der Strassenname an die -Alte Radrennbahn-

Schaffrather38
Beiträge: 3014
Registriert: 22.02.2011, 17:50
Wohnort: Schaffrath

Scholvener Gemarkungen

Beitrag von Schaffrather38 »

Hallo liebe Scholvener
Hab da was in meinen Unterlagen
über die Scholvener Gemarkungen gefunden.
Möchte euch hiermit diese Unterlagen zukommen lassen.

Anmerkung.
Diese Unterlagen habe ich gestern zum Kilo Preis erworben,
also ganz neu !(Auf einen Büchermarkt in Buer)
BildBildBildBildBild

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

Rosenhügelgebirge

Beitrag von gutenberg »

@ Matz

Das mag so 1964 gewesen sein, da standen wir mit mehreren Jungens an der Straßenbahnhaltestelle "Horster Stern" und warteten auf die 1(?) nach Buer. Irgendjemand schaute auf die "drübensche" Straßenseite.
"Ist da nicht irgendwo die Rosenhügelstraße?"
"Jau, da isse".
"Iss datt nich sozusagen das Grenzgebirge nach Gladbeck?"
"Jau, datt isset!"

Und schon hatte die Ecke ihren Namen weg.

Benutzeravatar
Lorbass43
Beiträge: 2080
Registriert: 11.02.2009, 10:49
Wohnort: Früher Scholven - heute Herzogenrath

Beitrag von Lorbass43 »

In Scholven boten die unasphaltierten Straßen die herrlichsten Spielplätze. Auf der Straße waren wir Kinder unter sich und hatten unsere selbst bestimmten Regeln und Ordnungen. Dort erlebten wir ungezwungene Nachmittage weit weg von der Welt der Erwachsenen.
Ein Traumland gab es im Dreieck Feldhauserstr.- Bülsestr. - Bachstr.
Dort war ein zerbomtes Freibad.
In friedlichen Tagen war es ein Anziehungspunkt für Jung und Alt gewesen.Bild
Im Bildhintergrund die Häuser lagen an der Feldhauserstr. Der Kirchturm mit Spitze ist St. Urbanus in Buer. Rechts hinter den Bäume die Bachstr.
Hinter dem Rücken des Betrachters die Bülsestr.
Es gab einen Schwimmer- (Vordergrund) einen Nichtschwimmerteil Mittig abgeteilt.
Dahinter die Liegewiese.
So 1950 hatte sich die Natur vieles wieder zurück erobert. In dem zerstörten Becken gab es zu unseren Freude Molche Stichlinge und Wasserflöhe zum kurzfristigen Besatz unserer Aufbewahrungsgläser zuhause. Wer ein fast dichtes Aquarium sein eigen nannte war König.
Selbstverständlich haben wir da auch ohne Aufsicht im Sommer gebadet und im Winter die zugefrorene Eisfläche betreten. Auf Trampelpfaden kam man zu diesem "Abenteuerspielplatz" und das sogar ohne Eintritt. Ich möchte nicht sagen, dass es damals grundsätzlich besser war, aber die ein oder andere Tugend, die sich dahinter versteckt, sollte wieder aufleben, weil sie fast ausgestorben ist.
Naja - oftmals fehlte der Vater weil er entweder im Krieg gefallen war in sibirischer Gefangenschaft oder hat es sich anders überlegt und ist mit ner Neuen irgendwo untergetaucht.
So "durften" halt einige von uns mehr und kriegten nicht so schnell den A...
Ojeh, wenn das wieder die Hüter des Wortes lesen.
Aber so haben wir damals die erzieherischen Maßnahmen im Elternhaus umgangssprachlich genannt.
voll. Klar wenn natürlich einer dich inne Schule verklappt hat gab es da halt körperlichen Stress, es sei den man hatte Molche, Stichlinge usw. da war das praktische Naturkunde.

Heute befindet sich in dieser Gemarkung die Steinheimerstr.

Benutzeravatar
gutenberg
† 26.10.2015
Beiträge: 1309
Registriert: 14.04.2009, 18:42

De Jure und De Facto

Beitrag von gutenberg »

Es gab also rechtliche, eingetragene Gemarkungen tatsächlich in Scholven, wie sie der Kollege SCHAFFRATHER38 so trefflich gefunden und veröffentlicht hat.

Ich habe darin eine hübsche Anekdote gefunden, nämlich der Kampf gegen das Plattdeutsche. Diese Sprache muss irgendwie etwas Dämonisches an sich haben. Sie wird, bis auf den heutigen Tag verfolgt oder schlimmer, von Eltern nicht mehr weitergereicht. Mir fiel auf, dass aus der plattdeutschen "Schlippstraße" (Slippstroat) nach dem Kriege die hochdeutsche "Schlüpfstraße" wurde. Op Platt oder "no de S-chrippt" also hochdeutsch (nach der Schrift): es ist eine der schönsten Straßen des Ruhrgebietes. Vielen Dank, lieber SCHAFFRATHER38, für die Veröffentlichung.

Aber es gibt neben diesen "echten" Gemarkungen auch die "nach Volksverhalten". Da ist zum Beispiel die Dorstener Straße, die ziemlich schnurgerade zur Zweckeler Herz-Jesu-Kathedrale führt. Mit der heute querenden Scheideweg-Führung (er selber biegt ja ab) und den Sportplätzen war das zu meiner Kindheit für die Schweden- und Mentzelstraßen-Bewohner ein Teil ihrer Welt. Inklusive Kirche (Herz-Jesu war füher zur 9-Uhrs-Messe zur Hälfte mit Scholvenern gefüllt), Chemischer Reinigung (Luggenhölscher), Gaststätten gab es derer fünf: Klopries, Mekke, Siebert, Bertlich, Haus Holländer; Lottobuden, Schuhgeschäft und wenn irgendetwas im Haushalt fehlte, etwas Mechanisches oder die Zeitung oder eine Blumenvase oder ein Liebesroman (damals gab es als Anhängsel am Laden noch eine Leihbücherei) "Haushaltswaren Holländer" hatte alles! Damals wie heute. Und nebenbei ist Herr Friedhelm Holländer noch der sympathischste Ladenbesitzer den ich kenne!

Ohne diese Gemarkung wäre der Einkauf, der Kirchenbesuch und vieles mehr für die Bewohner der genannten beiden Straßen und der Glückaufstraße zum echten Problem geworden.

Benutzeravatar
Buerelter
Beiträge: 1223
Registriert: 25.06.2007, 18:58
Wohnort: Zweckel bei Scholven

Re: De Jure und De Facto

Beitrag von Buerelter »

  • gutenberg hat geschrieben: Ich habe darin eine hübsche Anekdote gefunden, nämlich der Kampf gegen das Plattdeutsche. Diese Sprache muss irgendwie etwas Dämonisches an sich haben. Sie wird, bis auf den heutigen Tag verfolgt oder schlimmer, von Eltern nicht mehr weitergereicht. Mir fiel auf, dass aus der plattdeutschen "Schlippstraße" (Slippstroat) nach dem Kriege die hochdeutsche "Schlüpfstraße" wurde. Op Platt oder "no de S-chrippt" also hochdeutsch (nach der Schrift): es ist eine der schönsten Straßen des Ruhrgebietes. Vielen Dank, lieber SCHAFFRATHER38, für die Veröffentlichung.
    Platt hatte in den 60ern wohl wirklich etwas "Dämonisches". So war es meiner Großelterngeneration verboten, mit uns Kindern platt zu sprechen, obwohl sie untereinander immer platt küerten. Gelernt hat man die Sprache dann doch ein wenig, die Nachbarskinder sprachen ja auch so. Mit der Übersetzung der Straßennamen war man aber inkonsequent: Man hätte die Reubekampstraße dann auch in Rübenfeldstraße übersetzen müssen.
    Für alle Freunde des Platts:

    [center]Dat Pöggsken

    Pöggsken sitt in'n Sunnenschien,
    O, wat is dat Pöggsken fien
    Met de gröne Bücks!
    Pöggsken denkt an nicks.
    Kümp de witte Gausemann,
    Hät so raude Stiewweln an,
    Mäck en graut Gesnater,
    Hu, wat fix
    Springt dat Pöggsken met de Bücks,
    Met de schöne gröne Bücks,
    Met de Bücks in't Water! [/center]

    [center]Augustin Wibbelt[/center]

    Übersetzungshilfe:
    Pöggsken - Fröschlein, Pogge - Frosch
    Gausemann - Gänserich, Gaus - Gans

Antworten