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Kaufhaus Sinn & Leffers

Verfasst: 23.02.2007, 07:00
von Verwaltung
WAZ hat geschrieben:Meilenstein der Moderne

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Klar gegliederte Fassade von 1927/28, neu restauriert: das Haus Sinn-Leffers an der Bahnhofstraße. Foto: WAZ, Martin Möller

Lutz Heidemann dokumentiert in einer Publikation die Baugeschichte des Kaufhauses Sinn und Leffers an der Bahnhofstraße. Architekt Bruno Paul wirkte als Designer

"Eine vergessene Architektur-Avantgarde" nennt Lutz Heidemann, ehemaliger Stadtplaner und Architekt in der Stadtverwaltung, in einer Publikation das Geschäftshaus Sinn-Leffers an der Bahnhofstraße 39/47. Wie von der WAZ berichtet, legte man jetzt nach 80 Jahren die alte Fassade des Komplexes frei - eine völlig neue Ansicht eines historischen, mehrmals veränderten Gebäudes mitten in der City.

Was Heidemann an dem "Fall" interessierte, ist seine Beispielhaftigkeit und seine Entwicklung über Jahrzehnte: Wie man ein Haus, eine Architektur hinter Fassaden "versteckt" hat. Das öffentliche Interesse an diesem "Kommerztempel" sei verbunden mit einem emotionalen Erinnerungswert, so der Autor. Ein Mode-Haus sei schließlich auch "ein Stück Lebensgefühl" für die Menschen.

Bruno Paul hieß der Architekt des 1927/28 errichteten Kaufhauses Sinn: ein Dokument der Bau- und Wirtschaftsgeschichte. Sinn reihte sich ein in ein neues Warenhaus-Konzept, das Leonhard Tietz (1879 Stralsund) nach den Vorgaben in Paris (Bon Marche?, 1852) in Deutschland etablierte. Tietz (Hertie, Kadewe, Alsterhaus), Karstadt und Wertheim waren Pioniere dieser Entwicklung. In Gelsenkirchen hat sich aus jener Zeit (mit Veränderungen) nur das Weka, Kaufhalle-Woolworth, Boecker, Kaufhof-Galeria und eben Sinn-Leffers erhalten. Seit 1904 wurde an dieser Stelle ein Kaufhaus Sinn betrieben. Das Eckhaus Nr. 34 kam erst 1920 hinzu.

Die Bahnhofstraße wurde 1847 als unbefestigter Weg angelegt - nach Fertigstellung der Köln-Mindener Eisenbahn. Die Husemannstraße war damals eine Bahntrasse. Heidemann dokumentiert die Immobilie, deren "Gesicht" sich veränderte: Loggien, Ziergiebel, Türmchen, Pilaster, Friese usw. verschwanden im Laufe der Zeit - von der Gründerzeit ging es zur neuen Sachlichkeit.

Das Kaufhaus Stamm, von Sinn übernommen, vertraute um 1899 dem Gußstahl. Man hatte die Pariser Oper im Auge. Die Montanregion sei auf diese Materialvariante zu Stein gern eingegangen. Sinn profitierte von dieser Vorgeschichte. Allerdings gab es härtere Brandschutzauflagen. Architekt B. Paul, Professor an der Berliner Kunsthochschule, strebte eine neue Aufmerksamkeit an: In fünf Monaten wurde das Haus als Eisenbeton-Skelettbau hochgezogen. Die Fassade Ecke Bahnhof-/Beskenstraße wurde zum Blickfang gerundet. Ebenso das turmförmige Treppenhaus und die glatten Fassadenbänder nebst Opakglas, die wieder zu sehen sind. Das "Designer-Konzept" sorgt(e) für Aufsehen. Bergschäden veranlassten 1936 Änderungen an der Außenhaut. Ab 1954 wurde der Komplex "modernisiert" - bis heute wieder die alte Fassade gilt. Heidemann: "Ein langer Weg - ein richtiger."

WAZ HJL 22.02.2007
Die Arbeitsfassung von Herrn Heidemanns Arbeit kann online gelesen werden:

http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... php?t=3648

Verfasst: 23.02.2007, 11:16
von Josel
Schade, dass man sich nicht auch von diesem komischen Vordach getrennt hat. Sein Wegfall hätte die Fassade für den Passanten weitaus erlebbarer gemacht.

J.

Verfasst: 23.02.2007, 18:23
von pito
Aber das Kaufhaus will seine Schaufenster-Gucker natürlich auch nicht im Regen stehen lassen. :wink:

Was aber wirklich fehlt, ist der Sinn-Schriftzug oben am Turm. Dort gab es einen Ausleger mit einem recht einfachen Logo aus Neon-Röhren. Das sollte unbedingt wieder hergestellt werden.

Verfasst: 23.02.2007, 18:26
von Josel
Wer schön sehen will, muss leiden.

J.

Verfasst: 23.02.2007, 18:29
von pito
Bild
1941

sinn Leffers

Verfasst: 23.02.2007, 18:31
von Detlef Aghte
Hat denn jemand ein Foto von KOGGE, das gefiel mir als Kind so gut,die hatten auch ein Riesenschild in der Glückaufkampfbahn

detlef

Verfasst: 23.02.2007, 18:41
von Josel
@pito

Angesichts des Fotos hast Du eindeutig recht: Die Reklame muss wieder her. Man kann aber auch schön sehen, wie störend das Vordach heute ist.

Wenn man das Auto betrachtet, kann man sich einigermaßen vorstellen, wie avangardistisch die Gelsenkirchener die Fassade damals empfunden haben müssen.


Interessant übrigens auch das Eckhaus hinter Sinn. Die Fassade ist heute ebenfalls verhängt.

J.

Verfasst: 23.02.2007, 18:50
von pito
Josel hat geschrieben:Interessant übrigens auch das Eckhaus hinter Sinn. Die Fassade ist heute ebenfalls verhängt.
Soweit ich weiß, steht dieses Haus als nächstes auf der Liste des Stadtumbau-Büros.

Verfasst: 27.02.2007, 12:46
von Josel
In suentes Blog heißt es, daß die beiden unteren Fensterbänder lediglich auf die Fassad aufgeklebt sind... Das ist ja zum Würgen!

:shock:

J.

Verfasst: 27.02.2007, 12:59
von pito
Najaaaa ... Ich weiß nicht ob man angesichts der dankenswerten Tatsache, dass der Investor überhaupt Interesse an einer Rekonstruktion hatte und Geld investiert hat, allzuviel Kritik üben sollte. :wink:

Natürlich wäre es genial gewesen, wenn man die alten Fenster wieder geöffnet hätte. Nicht zuletzt hätte das auch dem Modehaus ganz neue Raumeindrücke verschafft. Auch runde Scheiben wären toll gewesen. Aber das kostet natürlich alles. Vielleicht kommt das ja noch. Eines Tages.

Ich weiß noch nicht in welcher Form Herr Heidemanns Publikation nun veröffentlicht werden soll und wo man die kriegt. Aber sie ist absolut lohnend. Habe hier eine Vorversion liegen. Er hat wirklich intensiv recherchiert und viele beeindruckende Fotos gefunden. Von innne, von aussen, bei Nacht, vom Treppenhaus. Ich musste ihm bloß versprechen, nichts davon ins Netz zu schicken, bevor die Arbeit nicht öffentlich herauskommt.

Verfasst: 27.02.2007, 16:47
von Josel
Wer ist denn der Heidemann eigentlich?

J.

Verfasst: 27.02.2007, 19:30
von pito
Dr. Lutz Heidemann ist kein gebürtiger Gelsenkirchener, hat aber lange Jahre als Stadtplaner für die Stadt gearbeitet. Heute ist er im Ruhestand, jedoch sehr aktiv was die baugeschichtliche Forschung und Aufarbeitung der Gelsenkirchener Baukultur angeht. War an der Rettung von Schloß Horst beteiligt. Hat Broschüren über Backsteinexpressionismus und die Baugeschichte von Bismarck herausgebracht. Aktuell ist er Sprecher des von ihm gegründeten Bürgerforum Hans-Sachs-Haus und arbeitet an neuen Infotafeln für Gelsenkirchener Gebäude. Ist eifriger und professioneller Archivgänger. Den kannst du nach jedem Haus in Gelsenkirchen fragen, und er nennt dir den Architekten.

Hier kann man einen Vortrag von Lutz Heidemann über das Hans-Sachs-Haus, seine Stilgeschichte, das alte Rathaus, Gelsenkirchener Verwaltungsgeschichte etc hören. (Er holt gerne mal weit aus. :wink: )

KLICK

Verfasst: 09.03.2007, 16:38
von JürgenB
Josel hat geschrieben:Wer ist denn der Heidemann eigentlich?

J.
Lutz Heidemann war einer der wenigen Menschen in der Stadtverwaltung, dem das Gesicht der Stadt ein Herzensanliegen war - immerhin war er oberster Denkmalschützer. Er hat oft Bürgerinitiativen unterstützt, die sich für den Erhalt von Gebäuden usw. eingesetzt haben. Dafür hat er nicht selten von seinen Vorgesetzten einen auf's Dach gekriegt, sodass er insgesamt immer auch sehr vorsichtig war.

Ich glaube, ohne ihn gäb's die Alte Post nun wirklich nicht mehr.

Sinn

Verfasst: 26.06.2007, 23:57
von brucki
Bild
Klar gegliederte Fassade von 1927/28, neu restauriert: das Haus Sinn-Leffers an der Bahnhofstraße. Foto: WAZ, Martin Möller

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wahrscheinlich 1931

Verfasst: 27.06.2007, 00:07
von Fuchs
Hammer! :up: