Hier das zweite Motiv: Dr Manfred Scholle, Vorstandsvorsitzender der Gelsenwasser AG. Ein drittes müsste es auch noch geben, das habe ich aber bisher nicht gesehen.
Soso, Yves Eigenrauch ist also der Urheber. Logisch, in der Fußballstadt Gelsenkirchen gestalten die Fußballer auch die Plakate.
Mich würde bloß interessieren, wie das Briefing dazu aussah. Etwa: Stellen Sie die üblichen Vorzeige-Chefs unserer Selbstvermarktung in einen möglichst schwachbrüstigen Kontext in flauen Farben???
Der Brief von André Wülfing enthält vieles, dem ich nur zustimmen kann. Nur wäre ich niemals so weit gegangen und hätte so zum Rundumschlag ausgeholt. Andererseits gut, wenn es mal einer macht.
André Wülfing hat geschrieben:Es braucht hier nicht die Ausbildung zum Grafiker, um behaupten zu dürfen, dass die jetzt öffentlich gemachten Entwürfe handwerklich in vielerlei Beziehung eine echte Schlamperei darstellen.
Als momentan studierender Kommunikationsdesigner, der schon viel Web und Print für Gelsenkirchener Akteure (auch für die Stadt) gestaltet hat, kann ich vielleicht ein paar Worte zur fachlichen Seite sagen:
Zum Motiv: Die Gebäude, die man doch eigentlich präsentieren will, treten völlig in den Hintergrund. Erst bei genauem Hinsehen läßt sich das Theater vom Gelsenwasserhaus unterscheiden. Durch die Verbindung mit der davor liegenden Ebene der Papierschnipsel verflachen sie zudem völlig.
Die Person klebt jeweils in der unteren linken Ecke. Beim OB geht das ja noch, weil er aufwärts blickt. Aber der Vorstandschef dreht uns sogar (fast) den Rücken zu. Wer soll den noch erkennen?
Zur Gewichtung: Diese Plakate wirken auf mich wie ein erster schneller Konzept-Entwurf, von Hand zusammengeklebt und grafisch nicht zuende gedacht. Die Gewichtung der Element liegt auf den Rändern. In der Mitte tut sich nicht viel. Der Rhythmus dieser komischen Papierschnipsel stimmt nicht. Sie sind wie zufällig mit absteigender Linie über die Fläche verteilt. Dazu noch ein großes leeres Feld oben drüber. Alles fällt nach unten und gibt dem Ganzen so einen negativen Zug.
Zur Typo: Durch die Verwendung von 5 (mit Hauptstadtlogo sogar 6) verschiedenen Schriften wollte man wohl einen Eindruck von Vielfalt erwecken. Der Effekt ist aber eher der von Uneinheitlichkeit, Überfrachtung und willkürlichem Ausprobieren. Mehr als 2 verschiedene Schriften darf man eigentlich keinem Plakat zumuten!
Zur Fernwirkung: Die ist immer ein wichtiger Aspekt, denn so ein Citylight-Plakat sieht man ja erst aus der Ferne und kommt dann näher. Was sieht man also zuerst? Eine helle Fläche mit einen dunklen Gewicht unten links und einem fetten schwarzen Balken in der Mitte. Der Slogan "mit Schmackes" ist optisch so unklar, dass man schon direkt davor stehen muss, um ihn überhaupt lesen zu können. Und dann erst schälen sich aus dem verwaschenen Hintergrund die Gebäude heraus.
Zur Farbigkeit: Das Stadtlogo hat offiziell den Blauton HKS42. Man sollte nicht ohne Not vom CID-Manual abweichen und es in einer anderen Farbe setzen. Und erst recht nicht in solchen kraftlos weichen Flieder-Pastell-Tönen. Die mögen sich für die Einrichtung von Babys erstem Kinderzimmer eignen, aber in Verbindung mit dem Schmackes-Slogan wirken sie wie ein Scherz.
Dadurch, dass das ganze auf weißem Grund steht, wirken die Plakate wir Zweifarbendruck. Es gibt nur eine Farbe und Schwarz. Eine Grundregel der Farbenlehre besagt, dass Schwarz jede andere Farbe automatisch mit runterzieht. Nimm eine kräftige warme Farbe, kombiniere sie mit Schwarz und schon erhält sie einen ganz anderen Charakter (Beispiel BVB). Hätten die Plakate einen kräftigen Kontrast ginge das vielleicht noch. Stattdessen sind da aber auch noch diverse Grautöne mit im Spiel. Ergebnis: Die Plakate wirken farblich flach, kraftlos, ausgewaschen. Wie von der Sonne ausgeblichen.
Soweit aus der Sicht des Grafikers. Zum Konzept der Plakate und dass man uns den Vorstandsvorsitzenden der Gelsenwasser AG als
unseren Kulturmenschen verkaufen will, schweige ich lieber mal. Nicht zuletzt weil es viel leichter ist, Kritik auszuteilen als selbst eine gute Lösung anzubieten. Aber mein Ehrgeiz ist geweckt. Ich mache mir bereits Gedanken.
Wer hat eine gute Plakat-Idee?
Wer hat ein Konzept, dass unsere Stadt und ihre Kultur wirklich präsentiert? Einfach mal machen und hier einstellen. Es kommt nicht auf technische Perfektion an. Eine Konzeptidee muss her. Also ran an den Rechner oder ans Zeichenbrett, gestalten und hier einstellen.