Bewußtseinsindustrie

Alles über die Kulturpolitik und Förderung der Kultur in Gelsenkirchen - Schmähkritik und Lobeshymnen

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pito
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Re: Bewußtseinsindustrie

Beitrag von pito »

Bernd Matzkowski hat geschrieben:... es geht beim nichts von enzensberger-siehe meinen text weiter oben- auch um die form der kommunikation(einseitig), die übernahme des aktiven menschen durch eine passive tätigkeit(glotzen) ...
Man kann Fernsehen glotzen - man kann es aber auch aufmerksam verfolgen, so wie man z.B. ein Buch liest (was ja auch ein einseitiges Medium ist). Es liegt wie immer am Betrachter. Was ist nur aus den Betrachtern geworden ...

Bernd Matzkowski
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Re: Bewußtseinsindustrie

Beitrag von Bernd Matzkowski »

pito hat geschrieben:
Bernd Matzkowski hat geschrieben:... es geht beim nichts von enzensberger-siehe meinen text weiter oben- auch um die form der kommunikation(einseitig), die übernahme des aktiven menschen durch eine passive tätigkeit(glotzen) ...
Man kann Fernsehen glotzen - man kann es aber auch aufmerksam verfolgen, so wie man z.B. ein Buch liest (was ja auch ein einseitiges Medium ist). Es liegt wie immer am Betrachter. Was ist nur aus den Betrachtern geworden ...
das lesen setzt in deinem kopf bilder frei, das fernsehen setzt bilder fest

HelmutW
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Beitrag von HelmutW »

Ein Mensch nahm den ersten Stein in die Hand.....betrachtete ihn.....das Werkzeug, die Waffe war geboren.....Der Anfang der Spirale........
Sicherlich wir sind mehr oder weniger denkende, bewußte Menschen......
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pito
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Re: Bewußtseinsindustrie

Beitrag von pito »

Bernd Matzkowski hat geschrieben:... das fernsehen setzt bilder fest
Ein Theaterstück auch. ;-)

Zu Beginn hat man das Fernsehen noch als bloße Technik zur "Television" gesehen. Man machte Theater, wie man es traditionell kannte, bloß jetzt vor der Kamera. Das war der Ursprung, von dem aus sich immer neue Darbietungs-Formen dieses neuen Mediums entwickelten. Aber im Grunde ist Fernsehen immer noch Theater.

Der wesentliche Unterschied ist bloß, dass man nicht wirklich, nicht mit Leib und Seele, vor Ort ist, sondern das Geschehen stark beschnitten durch ein kleines Fenster betrachtet - und jemand anderes bestimmt den Ausschnitt. Das vergessen wir aber leicht und da geht's los mit der Manipulation durch die Bewußtseinsindustrie.

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Rolli66
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Beitrag von Rolli66 »

Rechtschreibfehler sind Spezialeffekte meiner Tastatur .

Bernd Matzkowski
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Re: Bewußtseinsindustrie

Beitrag von Bernd Matzkowski »

pito hat geschrieben:
Bernd Matzkowski hat geschrieben:... das fernsehen setzt bilder fest
Ein Theaterstück auch. ;-)


Der wesentliche Unterschied ist bloß, dass man nicht wirklich, nicht mit Leib und Seele, vor Ort ist, sondern das Geschehen stark beschnitten durch ein kleines Fenster betrachtet - und jemand anderes bestimmt den Ausschnitt. Das vergessen wir aber leicht und da geht's los mit der Manipulation durch die Bewußtseinsindustrie.
nicht nur du bist beim fernsehen nicht mit leib und seele vor ort, sonder das trifft-für das theater-auf die anderen zuschauer zu und die, die agieren. deshalb ist jede aufführung einzigartig und selbst die 100.aufführung ist keine wiederholung. innerhalb des vorgegeben raums ist sogar dein bildausschnitt anders, kommt nämlich drauf an, wo du sitzt. du siehst vom oberrang aus ein anderes stück als vom parkett aus

pito
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Re: Bewußtseinsindustrie

Beitrag von pito »

Bernd Matzkowski hat geschrieben:... innerhalb des vorgegeben raums ist sogar dein bildausschnitt anders, kommt nämlich drauf an, wo du sitzt. ...
Bewußtseinsmanipulation durch Theater-Platzanweiser??? :shock:

Im Theater kann ich, egal wo ich sitze, entscheiden, welchen der Schauspieler auf der Bühne ich ansehe. Ich kann auch zur Seite gucken, oder nach hinten, kann Details des Bühnenbilds studieren. Vor dem Fernseher dagegen entscheidet ein unsichtbarer Regisseur welchen Bildausschnitt ich wann zu sehen bekomme, und auch, was ich nicht sehe. Dafür bekomme ich eventuell Blickwinkel, die kein Theaterbesucher jemals hat (Nahaufnahme, Vogelperspektive etc). Aber die aus der Kulisse ragenden Schuhspitzen des jugendlichen Liebhabers, der am Bühnenrand bereits auf seinen Auftritt wartet, entgehen mir.

Bernd Matzkowski
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Re: Bewußtseinsindustrie

Beitrag von Bernd Matzkowski »

pito hat geschrieben:
Bernd Matzkowski hat geschrieben:... innerhalb des vorgegeben raums ist sogar dein bildausschnitt anders, kommt nämlich drauf an, wo du sitzt. ...
Bewußtseinsmanipulation durch Theater-Platzanweiser??? :shock:

Im Theater kann ich, egal wo ich sitze, entscheiden, welchen der Schauspieler auf der Bühne ich ansehe. Ich kann auch zur Seite gucken, oder nach hinten, kann Details des Bühnenbilds studieren. Vor dem Fernseher dagegen entscheidet ein unsichtbarer Regisseur welchen Bildausschnitt ich wann zu sehen bekomme, und auch, was ich nicht sehe. Dafür bekomme ich eventuell Blickwinkel, die kein Theaterbesucher jemals hat (Nahaufnahme, Vogelperspektive etc). Aber die aus der Kulisse ragenden Schuhspitzen des jugendlichen Liebhabers, der am Bühnenrand bereits auf seinen Auftritt wartet, entgehen mir.
nicht durch den platzanweiser, sondern deine entscheidung, wo du sitzt(wenn du kohle hast, dich zu entscheiden). aber ich stimme dem allen, was du hier schreibst zu, also: so viele argumente für einen untreschied zwischen fernsehen und theater, darauf kam es mir an
Aber im Grunde ist Fernsehen immer noch Theater.

hast du geschrieben.doch wohl also eher nicht und auch nicht umgekehrt[/quote]

HelmutW
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Beitrag von HelmutW »

E sgibt einen gewaltigen Unterschied zwischen Theater und Fernsehen....nämlich der Raum, der atmet......man ist Teil.......
Bis zu einem gewissen Zeitpunkt war ich nich so ein großer Freund von Shakespeare......
Dann habe ich Anfange der 80ger im Hamburger Schauspielhaus Othello in der Inzinierung von Peter Zadek gesehen....mit Eva Mattes und Ulrich Wildgruber, gesehen......das Ganze hat mich dann (bildlich) umgehauen......
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JürgenB
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Beitrag von JürgenB »

Fernsehen vs. Theater...

Bernd, du bramabarsierender Germanist :wink:, was du kritisierst ist eigentlich nicht das Fernsehen, sondern der Film. Der ist es schon, der das Bild im Kopf festsetzt, der dir ein Bild und einen Bildausschnitt - vom Regisseur ausgewählt - vorgibt.

Im Theater gibt mir auch ein Regisseur was vor: einen Nicht-Raum, in dem etwas gespielt wird. Da ist mir das konkrete Bild im Film allemal lieber.

Habe gerade zwei tolle Interviews für meine Sendung geführt a) mit Lutz Hachmeister (ehemaliger Grimme-Direktor) und b) mit Peter-Paul Kubitz, Leiter der Fernsehabteilung im deutschen Filmmuseum in Berlin. Es ging um die Geschichte des Fernsehens (wie gesagt: feiert übernächsten Montag seinen 75.) und es waren noch einmal ein paar erhellende Einblicke über die Rolle, die das TV hierzulande ab den späten 50ern bis weit in die siebziger gespielt hat. Z. B. Kubitz:
Jürgen Roland nimmt sich in den 50er Jahren Polizeiberichte vor, also dokumentarisches Ausgangsmaterial und erzählt dann fiktionalisierend zusammen mit Wolfgang Menge Verbrechen, die damals in der jungen Bundesrepublik Furore machten.

Was Ähnliches passiert auf der anderen Seite – noch steht die Mauer nicht – in der DDR. Dort heißt das „Stahlnetz“ „Blaulicht“. Und wenn Sie die 10 Jahre Laufzeit nehmen, die beide etwa haben, (...) so zwischen 1958/59 und 68/69. Wenn Sie die parallel gucken, wenn Sie so ein Zuschauerprogramm heute machen würden, hätten Sie eine wunderbare Kalte Kriegs-Geschichte über beide Systeme, denn z. B. in der DDR galt im Krimi: das Verbrechen kann nur importiert sein aus dem Kapitalismus, aus den imperialistischen Ländern. Ein Land auf dem Weg in den Sozialismus kennt das hauseigene Verbrechen nicht.
oder noch mal Kubitz:
Das begann übrigens auch schon in den 50er Jahren (...) auch erst mal mit etwas ganz Dokumentarischem. Peter von Zahn ließ seine Frau für die Fernsehzuschauer eine Waschmaschine vorstellen. Oder er ritt mit seinen Töchtern auf Pferden durch amerikanische Landschaften und der Zuschauer saß da und sah (...) aufgeregt zu, wie denn dieses Land der unbegrenzten Möglichkeiten aussah.
oder Hachmeister:
Es gab unheimlich viele Operetten-Shows mit Anneliese Rothenberger, ein Primetime-Programm, das heute wahrscheinlich keiner mehr aushalten würde. Als Kind habe ich das Gefühl gehabt, dass es doch ein sehr bürgerliches, altes Fernsehprogramm war, natürlich durchsetzt mit erstaunlichen Reporterfiguren wie Georg Stephan Troller oder Gordian Troeller, die einem auch Paris oder Dublin auf eine ganz andere Art, faszinierende Art näher brachten als es heute (...) der solide farblose Auslandskorrespondenten-Typus tut.
Von wegen Null-Medium... (heute vielleicht).

Ach, im Übrigen mährt sich der von Rabe zitierte Medienkritikaster ja nicht nur über das TV aus,sondern beschreibt auch die Produktionsbedingungen für Retortenbands (damals noch verhältnismäßig selten, heute dagegen dominierend).

Ja, ja, "Bewußtseinsindustrie". Mal ganz blöd die Frage in den Raum gestellt: wie würde Kommunikation über unsere Massengesellschaft heute eigentlich aders funktionieren, wenn das nicht industriell organisiert wäre?
Geboren im Jahre der Meisterschaft - nicht wie ihr alle denkt, sondern 3 Jahre früher!

cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

Ich habe noch so im Kopf, dass es mal Freiheit bedeutete, alles medial, kulturell konsumieren zu dürfen, keine Bevormundung durch diejenigen, die ideologisch oder auch nur lehrmeisterhaft lenken wollten.

Vielleicht stellt man aber jetzt wieder fest, dass Grenzen und Einschränkungen auf die jetzige Situation bezogen evtl. viel eher Freiheit bedeuten.
Persönliche Grenzen - persönliche Freiheit

Und bei den Inhalten ist das ja weniger das Problem, wählen ist möglich.
So wie's aussieht, kann jeder für sich gewichten und braucht keinen Schaden nehmen.
Der Ausknopf ist ja immer noch da.
Auch im Netz oder beim Handy oder i-pod.

Und trotzdem seh ich es auch so, dass die Vielfalt mit einer Gewalt da ist, die erdrückt.
Sie hat was Suggestives.
Der natürliche Drang zur Wissensgier, zur visuellen, akustischen Anregung wird verschüttet von dem, was auf einen hereinbricht, der sich aussetzt.
Geräuschsberieselung im öffentlichen Raum, optische Reize, Studien und Erhebungen, verwandte Themenbereiche und überall Meinungen, von Menschen, deren Meinung ich nicht wissen will.
Und trotzdem bekomme ich sie mit.

Die Energie, die ich früher aufwendete, um etwas zu erfahren/erspüren ist fast gleich mit der Energie, die ich heute brauche, um erst mal all das abzuwehren, was ich nicht erfahren/erspüren will.

Ich bin da noch nicht ganz im medialen Jetzt angekommen.
Vom Kopf her sehe ich es weiterhin eher als Privileg in extremer Vielfalt zu leben als in Monotonie.

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JürgenB
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Beitrag von JürgenB »

Na, das ist doch mal ein diskutierenswerter Ansatz
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Bernd Matzkowski
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Bramarbas und Radiotüte

Beitrag von Bernd Matzkowski »

Bernd, du bramabarsierender Germanist
:
jürgen, du alte radiotüte- dir ist beim bramarbas das r verrutscht, wenn dem germanisten der hinweis gestattet ist.
allem, was du- auch in den zitaten- über die entwicklung des fernsehens schreibst, stimme ich doch zu, natürlich gibt es eine entwicklung zum(überwiegend) schlechten hin, das leugne ich nicht- ich bin ja immerhin zu großen teilen durch die augsburger puppenkiste und die cartwright-familie (richtig geschrieben?) sozialisiert worden
Von wegen Null-Medium... (heute vielleicht).
nochmal: das hebt nicht so sehr auf die qualität einzelner programme ab, sondern auf weg und form der kommunikation- und ist natürlich überspitzt.
ausgangspunkt war doch die als sensation verkaufte fernsehschelte- und die habe ich als abgelutscht bezeichnet(ich verteufele das medium nicht).
über das theater könnte man jetzt noch lange diskutieren- dein bild von der leeren bühne finde ich spannend(immerhin war schon bei den alten griechen die bühne leer-von -zumeist- zwei säulen abgesehen, kulissen kannte man ja nicht, erst nach dem goldenen 5. jahrhundert gab es sowas wie bühnenprospekte)
das ich so am theater hänge, hat natürlich was mit mir zu tun. ich habe mittlerweile mit schülern/jugendlichen rund 60 produktionen eingerichtet, und jahr für jahr erlebe ich halt die faszination dieser kunstform. und damit komme wir, so glaube ich, auf das wesentliche:rezeption und produktion. das tun, das machen, das sich aus der auf ein gerät in der ecke oder an der wand angebrachten blickrichtung lösen. das ist es.
liebe grüße ins dicke b bernd
ps:halte durch mit deiner schalke-schelte, mach du da weiter den mephisto, schreibt ein ganz alter blau-weißer
fehler,tipp-fehler etc möge man mir verzeihen- dein bramarbas

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JürgenB
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Re: Bramarbas und Radiotüte

Beitrag von JürgenB »

Bernd Matzkowski hat geschrieben:
Bernd, du bramabarsierender Germanist
:
jürgen, du alte radiotüte- dir ist beim bramarbas das r verrutscht, wenn dem germanisten der hinweis gestattet ist.
Gerne doch. Ich wußte, dass ich besser noch mal in einem Wörterbuch hätte nachschlagen sollen, war aber zu faul.
ausgangspunkt war doch die als sensation verkaufte fernsehschelte- und die habe ich als abgelutscht bezeichnet(ich verteufele das medium nicht).
Bei der ich dir ja auch zugestimmt habe...
über das theater könnte man jetzt noch lange diskutieren
Tu ich nicht. Wäre fruchtlos. Theaterfans gegen Theaterhasser kann nix bei rauskommen.
auf das wesentliche:rezeption und produktion.
Ich gebe zu: Fernsehen ist schon sehr oberflächlich. Du musst für alle Gedanken Bilder haben, wenn nicht, dann kommt es in dem Film nicht vor. Abstrakte Themen gehen fast gar nicht. Wie lange habe ich z.N. einen Film angeboten über Verslumungstendenzen. Ohne Personalisierung wollte das kein Redakteur haben, aber ich wollte nicht die x-te Sozialreportage machen, sondern Strukturen zeigen.
liebe grüße ins dicke b bernd
ps:halte durch mit deiner schalke-schelte, mach du da weiter den mephisto, schreibt ein ganz alter blau-weißer
Danke. Ich ketzere gerne in der Kirche. Sonst bleibt eben alles bei Selbstbeweihräucherung. Ansonsten siehst du mich bei der aktuellen Tabellensituation im Dilemma: Wenn schon, denn schon, dann soll lieber die Pest deutscher Meister werden.
Geboren im Jahre der Meisterschaft - nicht wie ihr alle denkt, sondern 3 Jahre früher!

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