Ich denke, der Hauptgrund dafür, dass die Schulgebäude so gut in Schuss sind, ist, dass die Schüler und Eltern mit in die Verantwortung genommen werden. Die Schule wird dort nicht als "öffentliche Anstalt" gesehen, in der "der Staat" schon alles regelt. Den Satz: "Das müssen DIE doch mal endlich machen" wird man dort selten hören.
Ein paar Beispiele: Jede Klasse hat ein eigenes Klassenhaus. Darin gibt es jeweils eine eigene Mädchen- und Jungentoilette. Es gibt einen Vorraum mit Schuhregalen, wo die Schüler ihre Straßenschuhe ausziehen und ihre Hausschuhe für die Innenräume anziehen.(!) Der Klassenraum besteht aus 2 Ebenen und wird von den Kindern eigenverantwortlich besenrein gehalten. Die obere Ebene - so eine Art Gallerie - wird von der Klasse individuell gestaltet und während der Pausen brauchen die Schüler das Klassenhaus nicht zu verlassen. Die Pflege der Außenanlagen (Beete, Teiche) wird von den Schülern in ihrem Gebäudebereich übernommen. Es gibt einen wechselnden Ordnungsdienst, der defektes und zerstörtes Inventar meldet. "Müllrumschmeißen" wird von den Schülern geächtet, sie müssen den Schulhof nämlich selber sauber halten. Was die Schüler selbst pflegen, das zerstören sie nicht. Die Schüler lernen Eigenverantwortung und nehmen - im positiven Sinne - besitzt von der Schule. Dazu die reformpädagogischen Ansätze (2 Klassenlehrer als Ansprechperson pro Klasse, Schulstunden 60-Minuten lang, Wochenplan in den Hauptfächern, Einbeziehung der Eltern in Klassenprojekte, etc): ich finde, damit zeigt diese Schule, wohin sich das deutsche Schulsystem entwickeln könnte. Das Achten aufeinander, der Respekt voreinander, die gegenseitige Unterstützung und die Schaffung einer funktionierenden Klassen- und Schulgemeinschaft sind Ziele der Schule.
Als dreifacher Vater bin ich mit unserem Bildungssystem - genauso wie Kalle Mottek - nicht zufrieden. Mir wäre eine viel spätere Differenzierung auch lieber.
In den 70ern trainierte sich die Bevölkerung an (oder wurde es ihr antrainiert?), immer nach dem Staat zu rufen. Das war so praktisch, weil niemand persönlich angesprochen werden konnte. Und dann erhoben die großen Parteien, die Gewerkschaften und Interessensverbände das Wort und wollten alle die ihrer Meinung nach einzig richtige Lösung für das Bildungssystem durchdrücken. Es wurde und wird immer noch gekämpft, wie Kalle Mottek es formulierte.
Funktioniert so Demokratie? Schafft man durch Kampf eine solidarische Gesellschaft? Schafft gewerkschaftlicher Kampf Frieden und Völkerverständigung? Warum ist es so schwer, verschiedene Lösungen gleichwertig nebeneinander zu stellen? Wo ist das Problem, Kompromisse einzugehen und Zwischenschritte zu akzeptieren? Das Grundgesetz sieht Schulen in nicht-staatlicher Trägerschaft ausdrücklich vor. Wenn es der Staat aus welchen Gründen auch immer nicht schafft, eine bessere Schule am Ort zu organisieren, dann müssen es nicht-staatliche Einzelinitiativen tun. Was ist schlecht daran, wenn in einer pluralistischen Gesellschaft die Schulen unterschiedliche Ausprägungen haben? Es erstaunt mich sehr, dass die GEW in Gelsenkirchen eine Gesamtschule in nicht-staatlicher Trägerschaft anscheinend grundsätzlich ablehnt. (@ Kalle Mottek: Tut sie das wirklich?) Fachlich müsste doch jeder Lehrer jubeln über die vorhandenen Möglichkeiten.
Es geht in unserem Land bei Veränderungen leider nur in kleinen Schritten vorwärts. Die EGG ist für mich ein Beispiel dafür, wie man ein Gesellschaftsproblem angehen kann. Es ist ein Modell, dass hoffentlich Ausstrahlung auf weitere Schulen hat. Und es zeigt, dass mit viel Engagement von Seiten der Lehrer, Eltern und Schüler und dem sprichwörtlichen "Ziehen an einem Strang" viel bewegt werden kann.
Wie sich die verschiedenen Parteien zur Gründung dieser Schule gestellt haben und wie sich die selben Parteien Jahre vorher anders verhalten hatten, das ist doch sowas von egal. Es geht jetzt um die Kinder von heute, denn ihre Kindheit ist kurz!
So, jetzt wieder Du, Kalle
