Minchen hat geschrieben:
„Der Anstieg der Armut im Ruhrgebiet kann vor allem auf den noch nicht vollständig bewältigten Strukturwandel zurückgeführt werden“, formuliert es Bertelsmann-Forscher Riedel.
„noch nicht bewältigter Strukturwandel“ Dafür gibt es das schöne Fremdwort „Euphemismus“ , für das mir Google die Erklärung liefert: beschönigende, verhüllende, mildernde Umschreibung. Klarer ausgedrückt: Der Strukturwandel ist seit Beginn der Kohlenkrise Anfang der 1960er Jahre einfach nur verpennt worden, im fast ganzen Ruhrgebiet, besonders aber in Gelsenkirchen. Ob die Statistik besser aussähe, wenn Zugereiste herausgerechnet würden, wage ich zu bezweifeln. Die Statistik ist das Ergebnis der Wirtschaftspolitik der vergangenen 50 Jahre mit den Merkmalen:
- Verklärung und Romantisierung der alten Schwerindustrie. Kein evangelischer Pfarrer demonstrierte mit, als Nokia in Bochum schließen wollte; in Rheinhausen oder beim Schalker Verein wehten die Beffchen um die Wette (gilt auch für die mit dem römischen Kragen). Halten von Industrien, die nicht zu halten waren. Hier war auch die Nostalgiefraktion aus Gewerkschaften und Parteien immer vorne mit dabei.
- Auf der anderen Seite der Versuch modern zu sein, ohne einen wirklich marktgerechten Plan zu haben. „Solarstadt Gelsenkirchen“ war wahrscheinlich schon zur Geburtsstunde auf Flop hin programmiert. „Solar“, weil es chic war, nicht weil es nachhaltig Arbeitsplätze versprochen hat.
- Wirtschaftsförderung ohne wirkliche Beachtung der Zielgruppe: Es sind Industriearbeitsplätze verloren gegangen, also brauchte man für diese personell sehr starke Bevölkerungsgruppe auch wieder Industriearbeitsplätze und nicht unbedingt High-Tech mit wenigen Jobs für Hochqualifizierte.
- Statt Schaffung einiger weniger, dafür aber hochattraktiver Industrie- und Gewerbegebiete, das Offenlassen einer Vielzahl von Industriebrachen, mit Altlasten und maroder Infrastruktur. Da beißt kein Fisch an.
In solchen Freds neigen einige dazu, immer die Symptome zu beklagen. Wenn ein Massenauszug aus Gelsenkirchen stattgefunden hat, dann muss sich absolut niemand wundern, wenn Habenichtse in den billigen Wohnraum einziehen und die miserable Statistik noch ein kleines bisschen miserabler machen. Das ändert aber nichts an der Ausgangslage.
Aber Hoffnung kommt ja aus der Ostzone. Dort soll es Parteien geben, die richtig viele, echte Fachleute haben, die sich mit Wirtschaft hervorragend auskennen, überzeugend ganz speziell auf ausländische Investoren und ausländische Fachleute zugehen können, welche dann endlich scharenweise in Gelsenkirchen investieren wollen. Dann gibt es auch endlich den von vielen ersehnten Dexit, der uns in UK zur Zeit als Brexit schon mal in ähnlicher Form vorgeführt wird. Und wir bekommen die gute, alte D-Mark wieder. Es wird dann nur noch aufwärts gehen, ganz besonders in Gelsenkirchen.
MK
"Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher." (Charlie Rivel, Clown)