Gestern (09.04.2018) in der Bundespressekonferenz lieferte die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina den Bericht zu Stickstoffoxiden und Feinstaub ab, um den die Bundesregierung gebeten hatte.
Wer noch Lust hat auf dieses Thema und sich aus Primärquellen informieren möchte, für den sind diese folgenden Zeilen und Quellenangaben gedacht.
Der angenehm ruhig und aufgeräumt agierende Leiter der Arbeitsgruppe Prof. Dr. Martin Lohse, Vize-Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Wissenschaftlicher Vorstand des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC), erläuterte mit 2 Kollegen die Gesamtzusammenhänge, gab Informationen zu Dingen, über die Klarheit und Einigkeit besteht und zu Dingen, über die man aus Sicht vieler wissenschaftlicher Disziplinen (noch) keine Aussage treffen kann.
Die sehr informative und kurzweilige Pressekonferenz kann man hier nachverfolgen ->
https://www.youtube.com/watch?v=trjMF2G ... tu.be&t=73
Den leicht verständlich geschriebenen Bericht (knapp 50 Seiten) kann man hier herunterladen ->
https://www.leopoldina.org/uploads/tx_l ... _final.pdf
Die Wissenschaftler zogen das Fazit, dass bei den diskutierten Problemen die Priorität bei der Verringerung der Luftbelastung vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss. Sie sagten, es müsse bei den Anstrengungen zur Vermeidung von Emissionen nicht die Gewichtung lauten:
1. Stickoxide,
2. Feinstaub,
3. CO2.
Vielmehr müsse es genau anders herum sein:
1. CO2 (Verbräuche von Antrieben und Motoren aller Art senken),
2. Feinstaub (senken, denn es sei noch weitgehend unerforscht, was dieser im menschlichen Körper tatsächlich auslösen könnte),
3. NO2 (da für gesunde Menschen unkritisch und nur bei bereits geschädigten Atemwegen problematisch).
Ähm, genau das forderte auch Prof. Köhler in dem Interview mit dem SWR, siehe ->
https://www.gelsenkirchener-geschichten ... 231#476231.
Die Journalisten fragten natürlich auch zu Prof. Köhler nach, der im März 2018 damit anfing, die Hysterie um Grenzwerte öffentlich zu hinterfragen. Es wurde dazu angemerkt, Prof. Köhler hätte sich bei seinem Zigarettenrauch-Vergleich „vergaloppiert“. Außerdem habe er sich nur zu Stickoxiden und nicht zu Feinstaub geäußert. Man müsse beides im Zusammenhang betrachten. – Auch hier haben die Wissenschaftler natürlich recht. Die Sache ist so komplex, dass alles mit allem zusammenhängt. Allerdings hatte Prof. Köhler in dem ausführlichen SWR-Interview auf diese Zusammenhänge hingewiesen, was im Laufe der Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung völlig unterging, als nur noch die politische Entscheidung dieses NOx-Grenzwerts in den Focus rückte.
Die ersten drei Punkte aus dem Fazit des Berichts haben direkten Bezug zum Thema Sinn und Unsinn von Fahrverboten, also zu diesem Fred:
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat geschrieben: Empfehlungen
1. Bei Stickstoffdioxid ist der Trend insgesamt rückläufig. Zu Überschreitungen des Jahresmittelwerts kommt es derzeit an etlichen viel befahrenen Straßen. In diesem Fall besteht die juristische Verpflichtung, wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten. Angesichts der im Vergleich zu Feinstaub geringeren gesundheitlichen Belastung durch Stickstoffdioxid erscheint eine Verschärfung des entsprechenden Grenzwerts aus wissenschaftlicher Sicht nicht vordringlich. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die gegenwärtig im Fokus stehende Stickstoffdioxidbelastung durch die Fahrzeugflottenmodernisierung voraussichtlich binnen fünf Jahren so stark zurückgehen wird, dass die geltenden Grenzwerte weitgehend eingehalten werden können.
2. Bei Feinstaub ist der Trend in Deutschland ebenfalls rückläufig, und zwar seit Jahrzehnten. Hier sollte eine weitere Reduktion der Belastung nachdrücklich angestrebt werden – auch wenn die vergleichsweise weniger strengen EU-Grenzwerte für Feinstaub hierzulande eingehalten und zum Teil deutlich unterschritten werden. Zu beachten ist dabei, dass es viele Quellen für Feinstaub gibt.
3. Zu den gesundheitlich wenig sinnvollen Maßnahmen zählen kleinräumige und kurzfristige Beschränkungen, die sich gegen einzelne Verursacher von Stickstoffdioxid-Belastungen richten. Dies gilt unter anderem für Straßen-sperrungen und isolierte Fahrverbote, die zu einer Verkehrsverlagerung in andere Stadtgebiete führen.
[…]
( auf Seite 8 )
Ebenfalls interessant:
Stickstoffdioxid ist ein Gas, das sich lokal sehr ungleichmäßig verteilen kann und schnell mit anderen Stoffen reagiert, also leicht wandelt. Die kleinräumige Umleitung von Verkehr erzeuge woanders ähnliche ungleichmäßige Verteilungen und bringe nichts. Eine klare Absage an Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuge auf einzelnen Straßen (z.B. Kurt-Schumacher-Straße).
Feinstaub verteile sich sehr großflächig. Bislang werden Feinstäube nur nach ihrer Größe unterschieden und anfallende Mengen gewogen. Man wisse aus den Messdaten nichts über die chemische Zusammensetzung der Feinstäube. Das Gebiet mit der größten Feinstaubbelastung in der Welt sei die Sahara. Die früher über dem Ruhrgebiet sichtbare Dunstglocke war hauptsächlich Feinstaub. Die Belastung durch diese Stäube ist im Ruhrgebiet seit den 1960ern um über 95% zurückgegangen.
Hoch interessant waren die Äußerungen zum Ende der Pressekonferenz ab ca. hier:
https://www.youtube.com/watch?v=trjMF2G ... .be&t=3345
Die Landwirtschaft ist Feinstaubproduzent durch Ammoniak, das mit Stickstoffdioxid reagiert und Partikel in der Luft bildet, also Feinstaub.
Es wurde gesagt, dass praktisch alle modernen Antriebe (also Verbrennungsmotoren und E-Antriebe) "gleichgut" sind, was die Entstehung von Schadstoffen angeht, die bei der Herstellung und dem Betrieb anfallen. Die meisten Entwickler würden derzeit Gasantriebe für Fahrzeuge empfehlen.
Mehrfach hervorgehoben wurde eine Abbildung, in der die unterschiedlichen Quellen für Feinstaub, der Anteil an der Gesamtbelastung und die zeitliche Entwicklung seit 1995 dargestellt sind. Es handelt sich um ein bislang unveröffentlichtes Diagramm des Bundesumweltamtes. (Wir erinnern uns, das ist die staatliche Organisation, die mit dem Verein Deutsche Umwelthilfe e.V. direkt zusammenarbeitet.)
Man erkennt wie die Feinstaubbelastung durch Verbrennungsmotoren (violette Linie) seit Jahrzehnten als einzige Feinstaubquelle linear immer weiter zurückgeht.
Die rote Linie zeigt den Abrieb von Reifen und Bremsen, was unabhängig von der Antriebstechnik bei jedem Fahrzeug (ja auch bei durch Menschenkraft betriebene Fuhrwerke und E-Autos) anfällt.
Addiert man beides zusammen, ergibt sich die blaue Linie. Diese zeigt, was der Verkehr in Summe an Feinstaub erzeugt.
Die gelbe Linie zeigt Feinstaub, der aus Holz- und Kohleöfen aus Kleinfeuerungsanlagen ausgestoßen wird. Staatlich geförderte Pelletheizungen und Holzöfen, die in jedem Baumarkt bereits am Eingang beworben werden, sind für diese Luftschadstoffe direkt verantwortlich. Projekte wie „Biomasseparks“ (Hugo) geben sich also zu Unrecht das Siegel gut für die Umwelt zu sein, wenn die schnellwachsenden Bäume schließlich zu Pellets oder Holzschnitzel verarbeitet und verheizt werden. Einige Menschen argumentieren bei Pelletöfen sogar, man müsse zwischen gutem CO2 aus heute nachwachsenden Bäumen und bösem CO2 aus zu Zeiten der Dinosaurier gewachsenen Bäumen unterscheiden. Nun holt der Feinstaub die guten Gewissen ein, denn ungefähr die Hälfte des Feinstaubs in Deutschland stammt aus diesen staatlich geförderten Raucherzeugern.
https://www.bafa.de/DE/Energie/Heizen_m ... _node.html
Der Blick in die heutige Presse zeigt, dass einige Publikationen (z.B. die Süddeutsche Zeitung und die Zeit) dieses Faktum nicht nennen. Es kommt also möglicherweise auch auf die eigene Leserschaft an, die man nicht vergraulen will. Möglicherweise bestellen einige ihre Tageszeitung vor allem deswegen, weil sie Papier zum Entzünden des wohligen Feuers in ihren Kachelöfen benötigen. Wer weiß?
Schließlich sieht man in der Grafik noch (grüne Linie), wie gering im Vergleich dazu der Anteil von Feuerwerken an der Feinstaubbelastung ist.
Fazit: Bitte in Zukunft mehr von dieser Art der Faktenklärung, bevor Medien wieder durchdrehen und Interessensgruppen im Namen der Umwelt ihre Geschäfte betreiben.
Stell dir vor, es geht und keiner kriegt's hin.