Erinnerungen an den 2.Weltkrieg - 1939-45 - Das Inferno

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Alfons Hölscher
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Erinnerungen an den 2.Weltkrieg - 1939-45 - Das Inferno

Beitrag von Alfons Hölscher »

Das Inferno
Erinnerungen an den 2. Weltkrieg - 1939-45


[center]Der Beginn des 2. Weltkrieges[/center]
Es war Sonntag, der 1.September 1939. Ich war damals 11 Jahre alt und mit meiner Mutter auf dem Weg zur Georgkirche, um die Frühmesse zu besuchen. Auf dem Weg dorthin trafen wir mit anderen Kirchgängern zusammen, die wie wir, ebenfalls auf dem Weg zur Kirche waren. Während sie uns ein Stück des Weges begleiteten, erfuhren wir von ihnen, dass der Sprecher des Rundfunks in den frühem Morgenstunden die Nachricht verbreitet habe: „Deutsche Truppen haben bei Tagesanbruch die polnische Westgrenze überschritten und sind bereits tief in Polen eingedrungen! Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
In den Anfangstagen des Rundfunks waren jene kleinen Radios, die so genannten preiswerten: „Volksempfänger“, mit staatlicher Förderung an die Bevölkerung verkauft worden. Wir selbst hatten damals kein Radio. Für meine Eltern kam die Anschaffung eines Radios – trotz des geringen Anschaffungspreises von fünfunddreißig Reichsmark – nicht in Frage, weil unserer Wohnung damals nicht mit „ Strom“, von alters her mit Gas versorgt wurde. So erfuhren wir die Nachricht vom soeben ausgebrochenen Krieg von den Leuten auf der Straße. Obwohl die konfliktreiche Politik der nationalsozialistischen Machthaber gegenüber den Siegermächten von 1914/18 von Anfang an nichts Gutes verhieß, wirkte die Nachricht von dem soeben ausgebrochenen Krieg wie ein Schock. „Kein Wunder!“ Erinnerte man sich doch noch lebhaft an die Opfer des 1. Weltkrieges und die Leiden der Nachkriegsjahre, die das Deutsche Reich über Jahre hinweg an den Rand des Abgrunds gebracht hatten. Wie viel Not und Elend hatte das wirtschaftliche Chaos der Kriegs- und Nachkriegsjahre dem deutschen Volk gebracht? Wie viele Väter und Söhne waren im 1. Weltkrieg gefallen? Die bange Frage war: „Wie würden sich die Siegermächte von 1918 - Frankreich und England -, verhalten? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Wenige Tage später hatten Frankreich und England dem Hitlerregime den Krieg erklärt. Dumpfe Ahnungen machten sich breit. „Ein neuer Krieg war ausgebrochen“. Erinnerungen an die Leiden des 1. Weltkrieges wurden wach. Besorgte Mienen überall! Entsetzlich! Was würde uns die Zukunft bringen?

[center]Der Krieg verändert den Alltag[/center]

Mit Beginn des Krieges änderten sich die Lebensbedingungen der Bevölkerung von Grund auf. Als Erstes erließen die Behörden Verordnungen zum Luftschutz bei Nacht. Um den Vorschriften zur Verdunkelung zu genügen, bedeckten wir zunächst die Scheiben in den Fenstern mit schwarzem Papier, dem später lichtdichte Rollos und schwarze Vorhänge folgten. Die Straßenlaternen wurden abgeschaltet. Ohne das Licht der Straßenbeleuchtung versank die Stadt nach Sonnenuntergang in tiefste Dunkelheit. Die Leuchten der Lastkraftwagen, Personenwagen, Motorräder und Fahrräder, mussten bis auf einen kleinen Spalt verdunkelt werden. Raucher hatten sich schon bald daran gewöhnt, die Glut ihrer Zigaretten in der hohlen Hand zu verstecken. Gefährliche Ecken an Gebäuden und Briefkästen, wurden zum Schutz vor Verletzungen mit Leuchtfarbe gekennzeichnet. Die nächtliche Dunkelheit auf Straßen und Plätzen veranlasste besorgte Leute schon bald zu der bissigen Bemerkung: „Jetzt gehen in Deutschland die Lichter aus!“
Innerhalb weniger Wochen wurde die gesamte Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umgestellt. Von da an waren die Güter des täglichen Lebens streng bewirtschaftet. Für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln wurden Lebensmittelkarten mit Abschnitten für Brot, Fleisch, Mehl, Zucker, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Milch und Käse eingeführt. Alle anderen Dinge des täglichen Lebens, wie Kleidung, Schuhe und Eisenwaren wurden nur noch auf Bezugschein abgegeben. Das galt vor allem für die Versorgung mit Benzin, Kohle, Öl und Buntmetallen. Es dauerte nicht lange, bis die Bronzeglocken – wie im 1. Weltkrieg geschehen -, abermals von den Kirchtürmen heruntergeholt wurden, um sie für die Herstellung von Kriegsgerät einzuschmelzen. Damals entgingen nur wenige – insbesondere historisch wertvolle Glocken – der staatlich verordneten Beschaffungsaktion.
Wir Schüler wurden angehalten, Altmetall zu sammeln und zur Schule zu bringen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich einen großen Haufen alter Eisenteile aus dem Keller der Metzgerei in die Schule schleppte, um meinen Anteil an der vorgeschriebenen Altmetallsammlung zu erfüllen. Im Großen und Ganzen ging jedoch – von den Maßnahmen der eingeführten Zwangswirtschaft abgesehen – das Leben der Bevölkerung in den ersten Kriegsjahren noch seinen gewohnten Gang.

[center]Luftschutzmaßnahmen[/center]

Eine der wichtigsten und – wie sich später herausstellen sollte – folgenschwersten Maßnahme zum allgemeinen Luftschutz waren die gleich nach Kriegsbeginn auf den Dächern der höchsten Gebäude in Stadt und Land aufgestellten Luftschutzsirenen. Die Sirenen dienten als Signalgeber. Sie ermöglichten den Behörden, die Bevölkerung im Gefahrenfall mit Heulsignalen, z.B. vor anfliegenden feindlichen Flugzeugen zu warnen. Das auf- und abschwellende Geheule der Sirenen bedeutete: „Achtung. Fliegeralarm!“ Ein gleichbleibender Dauerton dagegen. „Entwarnung, was bedeutete: Die feindlichen Flieger sind inzwischen wieder abgezogen!“. Die Dachböden mussten von allem dort lagernden Gerümpel geräumt werden, um der Feuersgefahr zu begegnen. In jedem Haus war ein „Luftschutzkeller“ einzurichten. Hierzu wurde in jedem der vorgesehene Keller eine spezielle Luftschutztür eingebaut. Fall vorherzusehen war, dass die Kappengewölbe der Kellerdecke keine zusätzlichen Lasten tragen könnten, musste die Kellerdecke zusätzlich mit Querbalken und dicken, hölzernen Stempeln ab gesichert werden. Bauarbeiter schlugen große Öffnungen in die Giebelwände der Keller zu den Nachbarhäusern, um den Insassen im Gefahrenfall einen die Flucht durch den Keller des Nachbarhauses zu ermöglichen. Sicherheitshalber wurden an die Zivilbevölkerung Volksgasmasken ausgegeben. Die Hauseigentümer wurden außerdem dazu verpflichtet, auf jeder Etage des Hauses Löschwerkzeug wie: Feuerspritze, Schüppe, Hacke sowie Eimer mit Wasser und Löschsand bereitzustellen.
In den Anfangstagen des Krieges hat sich wohl niemand träumen lassen, dass die Musik der heulenden Sirenen später einmal alle unsere Tage und Nächte begleiten würde. Sobald die Sirenen aufheulten, tat man gut daran, die Wohnung so schnell wie möglich zu verlassen und die Luftschutzräume aufzusuchen. In manchen Städten wurden Blockwarte ernannt, die unter anderem die Aufgabe hatten, die Stimmung in der Bevölkerung zu überwachen und regelmäßig nach dem Rechten zu sehen. Als in späterer Zeit die Luftangriffe mehr und mehr zunahmen, wurden behördlicherseits Rettungstrupps aus rüstigen Invaliden zusammengestellt, die bereitstanden, im Gefahrenfall – noch vor dem Eintreffen anderer Rettungsmannschaften – erste Hilfe zu leisten.
Die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung verschlechterten sich im Laufe der Zeit immer mehr. Die Maßnahmen zum Zivilschutz und die Einführung der Zwangswirtschaft mit Bezugscheinen und Lebensmittelkarten waren das Erste, was die Bevölkerung an der Heimatfront zu spüren bekam.
Anfangs blieb es – von vereinzelten Luftangriffen auf kriegswichtige Anlagen abgesehen– noch verhältnismäßig ruhig. Die Zivilbevölkerung bekam von den Schrecken des Krieges nur wenig mit. Die Kämpfe fanden irgendwo in weiter Ferne statt. Noch hatte keiner auch nur eine blasse Ahnung von den todbringenden Gefahren des Krieges. Das sollte sich jedoch schon bald ändern. Nach den ersten Angriffen englischer Bomberverbände war es mit der anfänglichen Sorglosigkeit schnell vorbei. Richteten sich die ersten Luft angriffe zunächst überwiegend auf militärisch oder wirtschaftlich Ziele, so ging nach Eintritt Amerikas in den Krieg das alliierte Bomberkommende schon bald dazu, ganze Städte durch groß angelegte Flächen-Bombardierungen in Schutt und Asche zu legen, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen.
Eines Tages demonstrierten Feuerwerker der deutschen Wehrmacht auf dem Marktplatz in Gelsenkirchen der Bevölkerung die Wirkungsweise englischer Stabbrandbomben. Die Soldaten demonstrierten der staunenden Bevölkerung , wie leicht es war, das Feuer einer Stabbrandbombe durch beherztes Eingreifen und das Ersticken mit einer Tüte Sand zu löschen. Vorausgesetzt, die sechseckige Stabbrandbombe hatte keinen eingebauten Sprengsatz, was an einer versenkten Schraube im sechseckigen Boden der Bombe zu erkennen war. Die Belehrung war erfolgreich. Als ich nach einem Luftangriffe bei einem Kontrollgang durch das Hinterhaus eine Stabbrandbombe fand, die lichterloh brannte, gelang es mir, das Feuer, das sich bereits in den Holzfußboden eingefressen hatte, ein paar herumliegenden Tüchern und einem auf dem Kochherd stehenden Topf Erbsensuppe zu löschen. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn ich diese Brandbombe nicht rechtzeitig gefunden und gelöscht hätte. Wahrscheinlich wäre das ganze 4-stöckige Wohnhaus zusammen mit den angrenzenden Nachbarhäusern ein Raub der Flammen geworden. Nach den schweren Luftangriffen gab es in der allgemeinen Verwirrung weder Wasser zum Löschen, noch Feuerwehren, die in der Lage gewesen wären, alle über die Stadt verteilten Brände zu löschen.

[center]Fluchtburgen aus Beton[/center]

Gleich nach Kriegsbeginn errichteten die Behörden in den Ballungszentren der großen Städte dickleibige Betonbunker zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Angriffen aus der Luft. Die mächtigen Betonbunker mit den dicken Wänden und Decken aus Stahlbeton boten der schutzsuchenden Bevölkerung sicheren Schutz selbst vor schwersten Fliegerbomben. Die in aller Eile errichteten Luftschutzbunker bestimmen heute noch hier und da das Straßenbild der Städte. Als die schweren Bunker gebaut wurden, vermochte sich kaum jemand vorzustellen, welche Rolle diese Betonklötze eines Tages für den Schutz der Zivilbevölkerung spielen würden. Mancherorts wurden auch tiefe Stollen ins Erdreich gegraben, die jmeist einen offenen Eingang hatten und daher im Gefahrenfall dem Luftdruck explodierender Bomben ausgesetzt waren.
In der Folgezeit gehörten schon bald die regelmäßigen Fliegeralarme zum Alltag, wie das tägliche Brot. In späteren Jahren verging kaum ein Tag, an dem die Bevölkerung nicht irgendwann – sowohl am helllichten Tage, als auch in dunkler Nacht – vom durchdringenden Geheule der Luftschutzsirenen aufgeschreckt worden wäre. Sobald die Sirenen aufheulten, flüchteten die Leute, mit einigen wenigen Habseligkeiten unterm Arm, in den Luftschutzkeller oder in die nächstliegenden Luftschutzbunker und Stollen. Die Luftschutzräume waren den Leuten schon bald genau so vertraut, wie die eigenen vier Wände. Die dickleibigen Betonbunker haben bis auf wenige Ausnahmen die Kriegs-und Nachkriegsjahre unbeschadet überstanden. In der Zeit des Wiederaufbaus nach 1945 hatten die Behörden anderes zu tun, als über die weitere Verwendung diese Kolosse nachzudenken. Dennoch hat es in der Folgezeit immer wieder mal Überlegungen gegeben, ob man die schützenden Bunker nicht erhalten solle, weil man sie möglicherweise nochmal brauchen werde. Wer konnte das in der Zeit andauernder Ost-Westkonflikte schon so genau wissen?
Heute gehen die Leute an den Überbleibseln des Krieges achtlos vorbei. Keiner der Vorübergehenden hat heute noch eine Vorstellung davon, welche Rolle die Bunker während der schweren Luftangriffe gespielt haben. Es sind wohl nur noch ein paar ältere Zeitzeugen, die sich beim Anblick dieser gewaltigen Ungetüme mit gemischten Gefühlen an die Zeit der verheerenden Bombenangriffe erinnern.
Wenn die Leute in die Schutzräume geflüchtet waren, harrten sie ängstlich der Dinge, die da kommen sollten. Während sie in den Bunkern auf das Ende der Luftangriffe warteten, versanken manchmal um sie herum ganze Stadtviertel in Schutt und Asche. Wenn die Bomberverbände endlich abgezogen waren und ein paar unbeschädigten Sirenen von weither zur Entwarnung heulten, verließen die Leute, so schnell es ging, die schützenden Bunker, um zu sehen, was die Angreifer angerichtet hatten. Oft fanden sie an Stelle des Hauses, in dem sie gewohnt hatten, nur noch einen Haufen rauchender Trümmer. An solchen Tagen begegnete man immer wieder verzweifelten Menschen, die vor den Trümmern ihrer zerstörten Häuser herumliefen und wehklagten: „Wir sind ausgebombt. Wir haben alles verloren!“ Wir besitzen nur noch die Kleider, die wir am Leibe tragen!“ Es ist nicht zu beschreiben, was die Bevölkerung während der schweren Bombenangriffe mitgemacht hat. Augenzeugen erinnern sich noch heute mit Grauen an das maßlose Werk der Zerstörung. Wer wollte die furchtbaren Ereignisse des Krieges und das grenzenlose Leid der Betroffenen jemals vergessen? –

[center]Flakstellungen schützen die Stadt[/center]

Die Maßnahmen zur Luftabwehr beschränkten sich nicht allein auf den Schutz der Zivilbevölkerung. In aller Heimlichkeit errichteten Militärs ein dichtes Netz militärischer Anlagen zum Schutz der Städte vor Angriffen aus der Luft. Hierzu brachte man in günstiger Lage jeweils 4 bis 6 Flakgeschütze mit Horchgeräten und Suchscheinwerfern in Stellung. Das Kriegsgerät wurde zum Schutz vor neugierigen Blicken sorgfältig unter Tarnnetzen versteckt. Der Zivilbevölkerung blieb die wahre Bedeutung der errichteten militärischen Anlagen vorerst verborgen. Der Sinn dieser militärischen Anlagen offenbarte sich der Zivilbevölkerung erst später, als die Suchscheinwerfer zum ersten Mal aufleuchteten, um den nächtlichen Himmel nach feindlichen Flugzeugen abzusuchen. Sobald ein Flugzeug von den Scheinwerfern aufgespürt worden war wurde es sofort von der Flak unter Feuer genommen. Das ohrenbetäubende Krachen der Mündungsfeuer schallte wie ein gewaltiger Donnerschlag durch die Straßen der Stadt. In den Anfangstagen des Luftkrieges waren die aufgestellten Kanonen für die anfliegenden Flugzeuge eine ernstzunehmende Gefahr. Bevor das Radar erfunden wurde holten die Flakgeschütze die anfliegenden feindlichen Flugzeuge serienweise vom Himmel. Die Besatzung eines von Granaten getroffenen Flugzeuges konnte von Glück sagen, wenn es ihr gelang, das getroffene Flugzeug rechtzeitig zu verlassen, auszusteigen und mit dem Fallschirm den sicheren Boden zu erreichen. Die meisten Piloten wurden jedoch – während sie noch in der Luft schwebten – ein Opfer von umher fliegenden Granatsplittern. In der ersten Tagen des Luftkrieges war die Erfolgsquote der Fliegerabwehrgeschütze teilweise derart hoch, dass die „Flying Fortress“, die schwer bewaffneten „Fliegenden Festungen“ der amerikanischen Bomberflotte von der deutschen Propaganda „Fliegende Särge“ genannt wurden. Die hohen Verluste veranlassten die Kriegsgegner schon bald, ihre Angriffstechnik von Grund auf zu ändern.
Sobald die Suchscheinwerfer das Flugzeug mit ihren Lichtfingern eingefangen hatten, war das Flugzeug als leuchtender Punkt deutlich zu sehen. Dann war es um das Flugzeug und seine Besatzung schlecht bestellt. In dieser Situation versuchten die Piloten meist, der drohenden Gefahr durch waghalsige Flugmanöver wie Sturzflüge oder seitliches Ausscheren zu entkommen. Ich habe während des Krieges oft beobachtet, dass von der Flak getroffene Flugzeuge wie Steine vom Himmel fielen. Manchmal war am helllichten Tage zu sehen, wie die Besatzung eines getroffenen Flugzeugs aus dem Flugzeug ausstieg und die Piloten an ihren Fallschirmen hängend als kleine, weiße Punkte am Himmel schwebten.
Bei Kriegsbeginn war die Kriegstechnik noch nicht so weit entwickelt. Deshalb war die Luftabwehr auf die – wie sich später herausstellen sollte – völlig erfolglose Idee gekommen, die Industriezentren durch aufgelassene Fesselballone vor angreifenden Tieffliegern zu schützen. Die Fesselballone hingen an dünnen Stahlseilen, die am Boden verankert waren. Es war lustig anzusehen, wie die aufgelassenen Ballone vom Winde hin- und hergetrieben wurden und sich die Sonne auf den dicken Bäuchen der silbrigen Kolosse spiegelte. Das eindrucksvolle Schauspiel der am Himmel schwebenden Ballone, die wegen ihrer hellglänzenden Leiber schon von weitem zu sehen waren, war nur von kurzer Dauer. Bereits beim ersten Luftangriff auf die Industrieanlagen in Gelsenkirchen-Horst, waren die aufgelassenen Ballone ein leichtes Ziel für die Tiefflieger. Als der Angriff vorüber war, lagen alle Ballone– von Granaten zerfetzt –wie schlaffe Säcke am Boden. Nach den negativen Erfahrungen verschwanden die Fesselballone über Nacht von der Bildfläche. An ihre Stelle trat ein dichtes Netz leichter Flugabwehrgeschütze mit geballter Feuerkraft, die sich über das Stadtgebiet verteilten.
In unmittelbarer Nähe des Rhein-Herne-Kanals stand der damals größte Gasometer Europas. Der riesige Stahlbehälter wurde gleich nach Kriegsbeginn das Ziel angreifender Tiefflieger. Die glänzenden Wasserläufe von Kanal und Emscher leiteten die Piloten ohne Umschweife an ihr Ziel. Bei dem Luftangriff neigte sich der Gasometer bedrohlich auf die Seite. Der schrottreife Koloss sah fortan aus, wie der schiefe Turm von Pisa. Der spektakuläre Angriff auf Europas größten Gasometer ging damals als Meldung durch die Weltpresse. An den folgenden Tagen wanderte die Bevölkerung in Scharen nach Horst, um sich das Werk der angerichteten Zerstörung und den schiefen Gasometer aus der Nähe, anzusehen.
Am 11.Dezember 1941 erklärte Deutschland Amerika den Krieg, nachdem Japan Tage zuvor die amerikanische Flotte in Pearl Harbor hinterrücks angegriffen und zerstört hatte. Wie bereits gesagt, trat an die Stelle zielgerichteter Luftangriffe auf einzelne, meist kriegswichtige Ziele, die großflächige Bombardierung ganzer Stadtgebiete, die zunächst in Pulks aus Hunderten von Flugzeugen und später dann in einem nicht enden wollenden Bomberstrom ihr Ziel anflogen, um in einem Bereich, der vorher von schnellem Pfadfinder-Flugzeugen - mit sogenannten Christbäumen – markiert worden waren, ihre tödliche Fracht abzuladen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste jedem halbwegs gescheiten Menschen klar geworden sein, dass der Krieg nur noch durch ein Wunder oder – wie man damals meinte – durch eine Wunderwaffe zu gewinnen sei. Bei der Wunderwaffe, von der damals unter der Hand die Rede war, handelte es sich vordergründig um ein Objekt der Raketentechnik, um jene fliegenden Objekte, die V1 und V2 genannt wurden, die gleichzeitig das Zeitalter der revolutionären Antriebstechnik für Düsenflugzeuge einleitete, die nach Kriegsende von den Siegermächten als leichte Beute entführt und militärtechnisch ausgenutzt wurde.
Die in Deutschland entwickelten Techniken wurden nach Kriegsende einschließlich sämtlicher deutschen Patente von den Siegermächten vereinnahmt und später zu eigenem Nutzen verwendet. Nach dem Kriege wurde oft versucht, die brutalen Bombardements auf zivile deutsche Städte mit dem Hinweis auf eine mögliche Gefahr durch die Entwicklung einer deutschen Atombombe zu rechtfertigen. Tatsächlich blieb jedoch die Entwicklung und Erprobung der ersten Atombombe den Amerikanern vorbehalten. Der Abwurf der Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki – wenige Tage vor Kriegsende – war nach Auffassung von Historikern nicht mehr kriegsentscheidend. Sachkundige Experten nehmen jedoch an, dass sich den Amerikanern hier die letzte Möglichkeit bot, die von ihnen entwickelten, neuen Bomben - allerdings auf Kosten hunderttausender japanischer Zivilisten – auszuprobieren..
Während sich die amerikanische Wirtschaft fernab von jeder Gefahr in aller Ruhe auf die Produktion von Kriegsgerät, insbesondere auf die Herstellung von Bombenflugzeugen konzentrieren konnte, geriet die deutsche Wirtschaft durch die ständig zunehmende Bedrohung aus der Luft mehr und mehr in Bedrängnis. Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, wann die Amerikaner mit ihrem gewaltigen Potential an Bodentruppen in das Kriegsgeschehen eingreifen würden.

Aus Gedanken und Erinnerungen. ©Alfons Hölscher

Lukullus
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Beitrag von Lukullus »

Na, das ist 'mal wieder einer der Beiträge, die einen zum Fan dieses Forums hier werden lassen, danke dafür.
Ja, es muß jedem von uns klar sein, daß die Zeiten der Kriege, die ein paar Armeen gegeneinander geführt haben, unwiederbringlich vorbei sind. Krieg betrifft immer die gesamte Bevölkerung, und dieser Beitrag zeigt das sehr schön.
Wir können solche Beiträge kaum hoch genug einschätzen, denn die, die das aus eigener Erfahrung berichten können, waren für uns in unserer Kindheit normal....aber es werden immer weniger.
und wenn alle einmal nur Gutes über mich reden, dann weiß ich, daß ich tot bin

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

@Alfons Hölscher: Dankeschön für Deinen tollen Beitrag.
Alfons Hölscher hat geschrieben:(...)Nach dem Kriege wurde oft versucht, die brutalen Bombardements auf zivile deutsche Städte mit dem Hinweis auf eine mögliche Gefahr durch die Entwicklung einer deutschen Atombombe zu rechtfertigen. Tatsächlich blieb jedoch die Entwicklung und Erprobung der ersten Atombombe den Amerikanern vorbehalten(...)
Das Team um den Physiker Werner Heisenberg war seit 1941 an der Entwicklung einer deutschen Atombombe am Kernreaktor der Universität Leipzig und später in Haigerloch beschäftigt. Das Kriegsende verhinderte die Fertigstellung deutschen Atombombe .

Die erste Atombombe auf Hiroshima soll mit Hilfe von 1500 kg angereichertem deutschen Uran U235 aus dem Reaktor in Haigerloch und des 1945 aus dem deutschen U-Boot "U 234" erbeuteten - für Japan bestimmten - 550 kg Uran fertig gestellt worden sein.
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

gelsenjung
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Beitrag von gelsenjung »

Benzin-Depot hat geschrieben:
Alfons Hölscher hat geschrieben:(...)Nach dem Kriege wurde oft versucht, die brutalen Bombardements auf zivile deutsche Städte mit dem Hinweis auf eine mögliche Gefahr durch die Entwicklung einer deutschen Atombombe zu rechtfertigen. Tatsächlich blieb jedoch die Entwicklung und Erprobung der ersten Atombombe den Amerikanern vorbehalten(...)
Das Team um den Physiker Werner Heisenberg war seit 1941 an der Entwicklung einer deutschen Atombombe am Kernreaktor der Universität Leipzig und später in Haigerloch beschäftigt. Das Kriegsende verhinderte die Fertigstellung deutschen Atombombe .

Die erste Atombombe auf Hiroshima soll mit Hilfe von 1500 kg angereichertem deutschen Uran U235 aus dem Reaktor in Haigerloch und des 1945 aus dem deutschen U-Boot "U 234" erbeuteten - für Japan bestimmten - 550 kg Uran fertig gestellt worden sein.
Das stimmt, angeblich sollen aber im März 45 zwei Versuchsexplosionen auf Rügen und in Thüringen statt gefunden haben.
Da die aber zu schwach waren, sollen eigentlich die nächsten 3 Bomben aus Deutschland stammen.
Die Testbombe und die beiden Japanbomben, während die ersten US Bomben erst 46 auf Bikini gezündet worden seien.
Aber ob es stimmt..............

Alfons Hölscher
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Beitrag von Alfons Hölscher »

In dem Spiegelartikel, auf den sich wahrscheinlich eure Angaben beziehen, heisst es
an einer anderen Stelle;
An der Entwicklung der Atombombe waren beteiligt:
125.000 Arbeitskräfte
6 aktuelle Nobelpreisträger
und ein Etat von 20 Milliarden Doller.
Abgesehen von den Industrieanlagen, die zur Herstellung der Bomben erforderlich waren.

Wie sollte das in Deutschland möglich gewesen sein, wo sich damals nicht einmal ein Eisenbahnzug auf die Schienen trauen konnte, ohne von Tieffliegern attakiert zu werden.
Vergessen wir nicht die Mittel der Irreführung, wie die:
Der Irak besitzt, wie in Fotos dokumentiert, bedrohliche Atom-und chemische Vernichtungswaffen.
Von Atomwaffen war bekanntermaßen in den Kriegsjahren nie die Rede, Das hätten sich die propagandistisch begabten NS- Größen bestimmt nicht entgehen lassen. Und wo hätten die Versuche mit Atomwaffen in einem dicht besiedelten Land stattfinden sollen, wenn selbst die Alliierten die Südsee Atolle für ihre Versuche benutzt haben?
Gruß Alfons

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

Hallo Alfons, der Spiegelartikel ist mir nicht bekannt, aber die Auflistung des Aufwandes der amerikanischen Fertigung hat m.e. nichts mit der Tatsache zu tun, dass in Deutschland Physiker Kernforschung betrieben haben, mit dem Ziel eine Atombombe zu entwickeln. Ich denke, dass das hinreichend belegt worden ist.
Alfons Hölscher hat geschrieben:(...) Vergessen wir nicht die Mittel der Irreführung, wie die:
Der Irak besitzt, wie in Fotos dokumentiert, bedrohliche Atom-und chemische Vernichtungswaffen. (...)

Du ziehst die Möglichkeit einer gezielten amerikanischen Falschinformation in Betracht?
Alfons Hölscher hat geschrieben:(...) Von Atomwaffen war bekanntermaßen in den Kriegsjahren nie die Rede, Das hätten sich die propagandistisch begabten NS- Größen bestimmt nicht entgehen lassen.(...)
Das in Deutschland damals von Atomwaffen nicht die Rede war, muss nicht zwangsläufig heißen, dass es keine Bemühungen in diese Richtungen gab.
Von zahlreichen menschenfreundlichen Einrichtungen der damaligen Machthabern war bekanntlich auch nicht die Rede - das ging sogar soweit, dass ganze Orte von den Landkarten verschwanden.
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
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-Locke-
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Beitrag von -Locke- »

Ja, ein toller Beitrag.
Als ich ihn heute morgen durchlas, fiel mir ein, dass es schon urlange her ist, dass ich Sirenen hörte. Sie wurden früher zwischendurch mal getestet oder so... Gibt es überhaupt wohl noch welche ?

Lukullus
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Sirenen

Beitrag von Lukullus »

Zur Frage von Locke:
Am Ende des kalten Krieges wurden die Warnämter aufgelöst, von denen aus die Sirenen zentral angesteuert wurden (allerdings konnten sie auch kleinräumig bei lokalen Ereignissen durch lokale Behörden ausgelöst werden). Die Sirenen gingen in das Eigentum der Kommunen über (wenn sie diese haben wollten), die sie für eigene Zwecke nutzen konnten, dann aber auch für den Unterhalt aufkommen mußten. Wenn die Kommunen ablehnten wurden sie auf Kosten des Bundes abgebaut.
In den Städten wurden als Folge dessen die Sirenen meistens abgebaut, einige Städte unterhalten sie allerdings noch. Im ländlichen Raum werden sie noch häufig zur Zusammenziehung der freiwilligen Feuerwehren zum Einsatz genutzt (und daher auch regelmäßig getestet).
Vereinzelt werden die Sirenen übrigens im Umfeld von kerntechnischen Anlagen betrieben um hier bei schwerwiegenden Störfällen die Bevölkerung zu warnen.
Soviel hier in Kürze.
Sehr ausführlich findest Du die Strukturen und Aufgaben des Warndienstes auf
http://www.geschichtsspuren.de/artikel/ ... dienst.htm l
Gruß
Luk
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-Locke-
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Beitrag von -Locke- »

@Lukullus: Dankeschön, das sind sehr umfangreiche Infos.
Ob die Sirenen hier in GE wohl alle demontiert, oder vielleicht nur abgeklemmt wurden…
Hab auch mal bei den GG gestöbert und bin auf diesen Fred gestoßen:

http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 31cd5538d3

und dazu aus dem Link von Neustädter
http://www.zwickau.de/de/bkr/medien/probe.mp3

Ich fand das damals schon ziemlich unheimlich so einen Ton lautstark zu hören.

pito
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Beitrag von pito »

  • 1944, 2. Woche

    Die Kreisleitung der NSDAP startete eine Kistenaktion. Wertvoller Hausrat, insbesondere Textilien, der vor den Folgen der Luftangriffe geschützt werden sollte, konnte in Kisten verpackt werden, die auf der Zeche Consolidation untertage eingelagert wurden. Die Kisten durften nicht größer als 1,30 x 0,60 x 0,60 m sein. Sammeltag der Kisten war bis auf weiteres jeder Freitag.
Quelle: Chronik der Stadt Gelsenkirchen, Stadtbücherei

gelsenjung
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Beitrag von gelsenjung »

Gut nur, das diese Nazilumpen selber in Kisten liegen, schade aber um all die Menschen und kulturellen Werten, die dieser Barbarei zum Opfer fielen!
Soweit ich weiss, stand in der ganzen Hohenzollernstrasse nur noch ein Haus heil, das wo der Kartoffel Krug sein Geschäft hatte, da zog 1950 mein Vater und meine Oma ein!

Sie kamen aus Schlesien mit Nix!

Das hatten wir alle einem Verbrecherregime zu verdanken, für das ich mich als Deutscher und Demokrat immer noch schäme!

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brucki
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Beitrag von brucki »

Gelsenzentrum hat geschrieben:6. November 1944 - Bomben auf Gelsenkirchen

Die meisten Menschen saßen beim Mittagessen, es war der 6. November 1944, ein Montag, kurz vor 14 Uhr. Der Drahtfunk meldete starke feindliche Bombenverbände auf dem Anflug auf Gelsenkirchen. Nur Sekunden später: Sirenengeheul. Um genau 13.47 Uhr wurde Fliegeralarm ausgelöst. Es war der schwerste Bombenangriff des Zweiten Weltkriegs auf Gelsenkirchen.

Zeitzeugen erinnern sich: http://www.gelsenzentrum.de/bombenangriff_1944.htm

Mücke
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Beitrag von Mücke »

Zum Gedenken an die Toten sollten heute um 13:50 Uhr in GE alle Kirchenglocken Leuten, das wäre mal was.
(Natürlich mit Vorankündigung in der Presse, damit es auch jeder erkennt)

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Heinz O.
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Re: Erinnerungen an den 2.Weltkrieg - 1939-45 - Das Inferno

Beitrag von Heinz O. »

Absturzstelle einer Short Stirling Maschine im Juni 1942 in Buer
Bild
kann jemand die Stelle zuordnen ? Ich vermute die Hochstraße.
Quelle: eigene Sammlung
Gegen Hass, Hetze und AfD
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Heinz H.
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Re: Erinnerungen an den 2.Weltkrieg - 1939-45 - Das Inferno

Beitrag von Heinz H. »

Heinz O. hat geschrieben:
11.05.2021, 13:01
...kann jemand die Stelle zuordnen ? Ich vermute die Hochstraße.
Ich habe in meinem Archiv etwas gefunden...
Bild
Bildtext: Buer Im Huck abgeschossenes Flugzeug Foto Eßmann
  • Bild
    Bildtext: Buer Maximilianstr Buersche Volkszeitung Trümmer (Urheber unbekannt)
Quelle: Beide Fotos Heimatverein Buer
Zuletzt geändert von Heinz H. am 12.05.2021, 17:07, insgesamt 2-mal geändert.
"Gelsenkirchen kann wirklich froh sein, dass es Buer hat."
Dr. Peter Paziorek

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