Ein Tagebuch 1911 -1919

Menschen, die in keine Schublade passen

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hörmal
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Ein Tagebuch 1911 -1919

Beitrag von hörmal »

Bei meinen Unterlagen habe ich einen Schnellhefter, den ich mal von irgendjemandem bekommen habe. Darin befinden sich 33 Seiten in Druckschrift, die eine Abschrift eines handgeschriebenen Tagebuchs sein sollen. Der Verfasser nennt sich Fritz, stammt wohl aus Erle und wendet sich an seine Kinder und Enkel mit der Bitte diese Geschichte weiter zu geben. Es handelt sich um die Jahre 1911 bis 1919.
Vielleicht weiß ja jemand mehr über diesen Mann und die Personen um ihn herum.
Ich hab mir mal die Mühe gemacht, die Seiten mit einem OCR-Programm einzuscannen und wünsche viel Spaß bei der Lektüre.

Mein Tagebuch von 1911 bis 1919
(Verfasser unbekannt)

Nach meiner Lehrzeit, die 3 Jahre dauerte, und zwar von 1908 bis 1911, arbeitete ich ab Herbst 1911, als ich meine Gesellenprüfung erfolgreich bestanden hatte, auch gleich auf einer landwirtschaftli¬chen Maschinenfabrik in Rein (Ostpreußen), wo der Verdienst sehr gering war. Er betrug in der Woche 3 Mark bei freier Kost.
Weihnachten 1911 kam mein Bruder August von Westfalen zu uns nach Hause um zu heiraten. Nach der Hochzeit sind wir am 28. Dez. dann nach Westfalen gefah-ren. Nach einer langen Fahrt sind wir in der Silvesternacht in Erle angekommen.
Gleich nach Neujahr wollte ich wieder arbeiten (jedoch in Erle), es ist aber alles anders gekommen, als ich es mir vorstellte. Da ich keinen Taufschein besaß, konnte ich keine Arbeit bekommen. Ich mußte mir ihn erst von zu Hause schicken lassen, so daß noch einmal 11 Tage vergingen, bis ich meine erste Schicht am 12. Januar 1912 auf der Zeche Graf Bismarck in der Schmiede verfahren konnte.
Ich durfte wohl arbeiten, jedoch das erste Geld bekam ich nach 6 Wochen. Es blieb also länger als einen Monat stehen. Bis ich es bekam, hatte ich schon über 100 Mark Schulden. Es waren fast 2 Monate Kost zu bezahlen. Meine Tante wollte mir schon nichts mehr zum Essen geben, jedoch hat sich die Sache dann von selbst geregelt.
In dieser Zeit kannte ich nichts weiter als arbeiten und schlafen, so daß ich im ersten Monat 128 Mark in Gold verdient hatte. Kaum war ich aus dem gröbsten Dreck heraus, da kam ein 6 Wochen andauernder Streik. Ich hatte Glück, daß ich arbeiten durfte. Diese Arbeit wurde sogar doppelt bezahlt, und ich bin endlich mal zu Geld gekommen. Ich ließ mir 2 Anzüge und 1 Wintermantel vom Schneider machen, das Stück zu 60 Mark. Es blieb mir sogar noch etwas Geld zurück.
Das war die schönste Zeit meines Lebens, denn im Frühjahr 1913 wurde ich ge-mustert. Ich war gerade 19 Jahre alt, als ich meinen Gestellungsbefehl erhielt. Im September 1913 wurde ich als Rekrut zum Jäger-Regiment zu Pferde 10 zur drei-jährigen Dienstzeit einge¬zogen.
Die Kameraden, die mit mir nach Recklinghausen gefahren sind, haben auch nicht gewußt, wo der Transport mit den 500 Mann hinfährt. Keiner wußte, wo die Garnison war. Die 5 Jäger-Regimente wurden erst 1913 neu aufgestellt. Als wir schon kurz vor Berlin waren, da kam ein Rittmeister von der Kavallerie und teilte uns mit, daß unsere Garnison in Ostpreußen liegt, und zwar in Angerburg. Nach 48-stündiger Fahrt sind wir in Angerburg angekommen, unweit der russischen Grenze. Die Ausbildung war hart, da die meisten meiner Kameraden der SPD angehörten. Dementsprechend sind sie auch behandelt worden.
Nach einer dreimonatigen Ausbildung durften wir zu Weihnachten 1913 das erste mal allein ausgehen. Neujahr 1914 habe ich meinen ersten Urlaub bekommen, in dem ich auch meine Frau kennenlernte. Nun, die 10 Tage Urlaub waren schnell vergangen und der Drill ging von neuem los. Zu Ostern war ich der Erste, der Urlaub haben wollte. Die Fahrt zu meinem Heimatort hat nur 35 Pfennig gekostet.
Ich hatte meine Ausbildung hinter mir. Da ich Hufbeschlag hatte, war ich vom Außendienst befreit, bis wir zum Truppenübungsplatz Aris kamen. Da ging der Drill von vorne los. Die 6 Wochen waren eine lange Zeit, und dann noch über Pfingsten.
Mitte Juli 1914 sind wir von der Kavallerieübung wieder nach Angerburg eingerückt, wo ich dann meinen 10-tägigen Urlaub bekom¬men habe. Kaum zu Hause angekommen, kam nach 4 Tagen ein Telegramm: sofort zurück. Es wurde schon von Krieg gesprochen. Ich bin mit gemischten Gefühlen wieder abgefahren, in dem Glauben, daß der Krieg nicht so lange dauern.
In der Zeit vom 8. bis 26. Juli hatte ich jeden Tag Felddienst. Am 27. Juli wurden wir in die Garnison zurückgerufen. Da hieß es, in 2 Stunden müssen wir fertig sein. Die erste Aufklärungspatrouille, zu der ich auch gehörte, wurde zuerst abge-fertigt. Es ging während der Nacht noch über die Grenze. Es war noch keine Mobilmachung.
Wir besetzten eine Windmühle, und am 28. Juli zeigten sich einzelne Patrouillen. Gegen Mittag tauchte ein Schwadron Kosaken auf, die uns verjagten, wobei wir einen Toten hatten. Die Gefechte bei Mehlkehmen (17.8.14) waren so heftig, daß wir mit größeren Ver¬lusten weichen mußten. Auch in der Schlacht bei Kaweiken und Gumbinen (19. - 20. 1914) haben wir große Niederlagen erlitten. Die Russen jagten uns bis Köngisberg.
Nach der Niederlage sind wir mit 3 Kavallerie-Divisionen in Königs¬berg zu der Schlacht bei Tannenberg (23.8. - 1.9.1914) verladen worden. So kamen wir, wie man sagt, vom Regen in die Traufe. Während unserer Ostpreußenfahrt war es ein einziges Blitzen und Donnern. Und da sollten wir hin. Nun ja, es hat auch geklappt. Unser Transport ging direkt bis in die Stellung, wo wir erst nach 3 Tagen abgelöst worden sind. Unsere Pferde waren noch in den Waggons, als es kopflos weiterging. Unsere Pioniere bauten noch schnell eine Rampe, so daß wir unseren Zug in einer halben Stunde entleeren konnten. Unter Artilleriebeschuß verschwanden wir in den Wäldern. Am nächsten Morgen war es soweit, daß wir alle beisammen waren. Die 1. und 2. Deutsche sowie die 1. und 3. Bayerische Kavallerie-Division waren am 27.8. morgens um 6 Uhr zur Attacke aufmar¬schiert. Es war mein schönstes Geburtstagsgeschenk, daß mich der Allmächtige vor den Dualen und Lanzenstichen beschützt hatte. Die Russen haben nicht schlecht gestaunt, daß auf einmal so viel deutsche Kavallerie da war. Es war immer eine 10-fache Über-macht. Unter großen Verlusten mußten die Russen weichen. Nachmittags kam es zur zweiten Attacke auf eine marschierende Kolonne, die von 2 Divisionen Kosaken gedeckt war. Der Rest flüchtete in die Wälder zwischen Ortelsburg und Willenberg, so daß die gesamte Samsenow-Armee geschlagen war. 120.000 Gefangene und tausende von Pferden. Die Rennekamp-Armee mußte auch von Königsberg zurück. Es kam zu einer Schlacht in den Masurischen Seen. Die meisten sind in den Masurischen Seen ersoffen. Die Verfolgungsgefechte gingen weiter bis Wilkowieschki.
Vom 7. - 15.9.14 war Ostpreußen von den Russen befreit. Jedoch nicht lange. Der Russe hat neue Divisionen eingesetzt. Am 24.9.1914 hat der Iwan von neuem angegriffen, so daß es zu einer großen Schlacht kam. Wir waren im Augustower Wald mit 6 Divisionen eingeschlossen. Den Durchbruch schaffte die Kavallerie in der Zeit vom 25. - 28.9.1914. Die Schlacht bei Suwalki dauerte vom 30.9. -2.10.1914. "Anschließend fand die Schlacht bei Filipowa und die Schlacht im Augustower Wald vom 3.10. - 2.11.1914 statt. Es folgte die Schlacht bei Goritow am 5. - 8.11.1914, wobei uns der Iwan wieder nach Ostpreußen zurückwarf. Wir mußten die alte Feldstellung vom Juli wieder beziehen. Wir hatten die Stellung in der Rominter Heide und das Kaiserliche Schloß dicht an der Grenze besetzt. Das war am Heiligen Abend 1914. Weihnachten hatten wir alle kriegs¬wichtigen Punkte besetzt.
Ich und noch einer (Doppelposten) mußten rauf. Wir hatten in diesem Fall Pech. Kaum waren wir 10 Minuten oben, schon mußten wir wieder runter. Ein Schwadron Kosa-ken hatte uns in Empfang genom¬men, so daß wir die ersten Schläge schon weghatten, bis wir unten waren. Man hat uns dann bis auf Hose und Hemd ausgezogen und in die Oberförsterei gebracht, in der meine Schwägerin gewohnt hatte. Damals kannte ich sie noch nicht. Später haben sie uns in einen Holzschuppen eingesperrt. Die folgenden 11 Tage möchte ich nicht aufschreiben - bis später.
Die Stellungskämpfe um die Feldstellung Lötzen in der Zeit vom 16.11. - 14.12 hat unser Regiment viele Verluste gekostet, so daß es neu aufgestellt werden mußte.

Nach ein paar Tagen Ruhe ging der Tanz schon wieder weiter. Wir sind die ganze Nacht durchgeritten (130 km) und landeten in Peit¬schendorf. Von dort waren es noch 7 km bis zu meinem Heimatort, jedoch wir durften nicht weg. Bis zum näch-sten Morgen war unser Regiment auf Quartiere verteilt, wobei unsere Schwadron nach Gutenwalde kam. Die 3. Schwadron kam sogar nach Lindendorf. Ich dachte mir, die 4 km von Gutenwalde bis Lindendorf, die kannst du auch zu Fuß machen. Bin gleich zum Rittmeister und habe mir Urlaub geben lassen, jedoch nur für 6 Stunden.
Zuletzt geändert von hörmal am 22.11.2009, 14:08, insgesamt 1-mal geändert.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Für die 4 Km bis ins Dorf brauchte ich 2 Stunden. Es waren wohl die ersten Soldaten, die in Lindendorf Quartier bezogen hatten. Die Mädels waren alle aufgeregt, bis auf meine Frau und meine Schwe¬stern.
Mein Vater sagte, wenn das Jäger zu Pferde sind, dann kommt auch der Fritz. Tat-sächlich bin ich auch gekommen und erst einmal haben sich alle ausgeweint. Mehr als 6 Wochen habe ich mich nicht rasieren können und war feldmarschmäßig bepackt mit Handgranaten und über 300 Patronen. Trotz allem war die Freude groß.
Ich habe mich mit Vaters Rasierapparat etwas fein gemacht. Dann sind wir erst ausgegangen. Ich wollte wissen, ob die 3. Schwadron schon Marschbefehl hat. Zwar wollte ich mich gar nicht hinlegen, aber nach dem weiten Marsch war ich doch müde. Ich hatte kaum eine Stunde geschlafen, da weckte mich der Vater. Die Soldaten ritten schon weg, aber ich bekam noch Bescheid, daß unser Regiment schon um 6 Uhr bei Rudzany sein soll. Vater ist gleich raus und hat Pferd und Schlitten geholt, und Mutter hat noch so manches einge¬packt. Es war schon spät, aber wir kamen noch zur rechten Zeit. Dann ging das Elend wieder los. Über 1 Meter hoch der Schnee. Die 10 Tage werde ich im Leben nicht vergessen.
In der gleichen Nacht sind wir noch in Schneemänteln bis kurz vor Johannesburg vorgestoßen. Unsere Pferde blieben im Wald zurück. Am 7.2.1915 begann die große Offensive, die bis zum 17.2. dauerte.
Die Kammeraden, die da gefallen sind, haben sie erst im Frühjahr wiedergefunden. Es ging weiter auf die Festung Prasnitz. Das ist eine Vorfestung von Warschau (Polen). Die Kavallerie hatte dann einen freien Weg nach Pinsk und Breslietowsk. Das ist eine Strecke von 300 km. Eine Straße, und rechts und links nur Sümpfe (Rokitna-Sümpfe). Wir haben da mehr mit den Wölfen zu kämpfen gehabt als mit den Russen.
Drei Tage später stießen wir auf das erste Fort von Breslietowsk, und Warschau war immer noch nicht gefallen.
Nach 8 Tagen, in denen Warschau dann fiel, sind wir von den Infanterie-Divisionen abgelöst worden. Die Kavallerie mußte zurück, da der Russe bei Riga angegriffen hatte. Wir wurden verladen, da die ganzen Festungen gefallen sind. Über Usowietz, Prasnitz, Ostrolinka, Kowna, Grodna konnten wir schneller nach Kurland kommen. Jeden Tag Kämpfe längs der Dünen, bis wir in der Durchbruchschlacht bei Prawny landeten (10. - 17.7.1915). Schlacht am Narew: 18.7. -3.8.1915. 8 Verfolgungskämpfe bei Ostrolenka an der oberen Narew vom 4. - 16.8.1915. Schlacht bei Izielock am 19. - 25.8. Schlacht bei Wilna: 9. - 27.9.1915. Gefecht bei Grenzthal vom 11. - 17.10.1915.
Von der Stellung von Dünaburg aus konnten wir wieder in Urlaub
fahren, so daß ich zu Ostern 1915 das Glück hatte.
Es gab 14 Tage Urlaub. Von Grenze zu Grenze gerechnet dauerte die
Fahrt 3 Tage. Der Urlauberzug steckte bis zu 8 Stunden im 2 m hohen Schnee fest. Die letzten 24 Stunden waren für die Entlausung bestimmt. Nach der Entlausung ist man wieder zum Mensch gewor¬den.
In diesem Urlaub haben wir uns verlobt. Drei Tage später sind wir beide nach Szit-kehmen Kreis Goldap zu der Schwester meiner Frau (Tante Malchen) gefahren. Die wohnte in einer Oberförsterei. Die Försterei kannte ich bereits, da wir dort 6 Wo-chen 100 m davon entfernt unsere Feldwache hatten. Wir haben uns viel von ihr zum Essen geholt.
Einmal sagte ein Kamerad von mir: "Du Fritz, Du verstehst Dich mit den Leuten so gut, kannst Du die Frau fragen, ob sie uns nicht ein paar Kartoffeln und eine Brat-pfanne geben kann? Ich habe Appetit auf Reibeplätzchen." Ja, ich habe die Sachen bekommen und noch mehr, als ich haben wollte. Sogar etwas Mehl. Wer die Brat-pfanne nicht wiederbrachte, daß war ich, war aber nicht daran schuld. Ich mußte mit einer Meldung zum Regiment und meine Kameraden haben die Bratpfanne ver-gessen.
Und jetzt kamen wir so vergnügt hierhin. Als die Kinder aus der Schule kamen, da sagte die eine, ich weiß nicht, welche es war, die hatten 5 Mädel und einen Jun-gen, der auch im zweiten Weltkrieg gefallen ist: "Du Mutti, kannst Du Dich noch entsinnen, als ein Soldat wie Onkel Fritz die Bratpfanne geholt und nicht wiedergebracht hat?" Wenn ich geahnt hätte, daß sie meine Schwägerin werden würde! Nun ja, sie hat es mir verziehen und es war alles gut. Trotzdem war die Bratpfanne weg. Wir haben in den drei Tagen noch manchmal darüber gelacht. Die Tage sind so schnell vergangen und ich mußte wieder zur Front. Meine Verlobte blieb noch 8 Tage bei der Schwester.
In der folgenden Abwehrstellung blieben wir ein halbes Jahr. Eines Tages wurde unsere Schwadron aus der Stellung zu einem Sonderauf¬trag gezogen, zusammen mit einem Zug Pioniere. Die Pioniere sollten eine Brücke sprengen. Unsere Schwadron diente als Schutz, 25 Km hinter der russischen Front. Auf Umwegen kamen wir dann dorthin, wo das Gelände noch nicht besetzt war. Die Pioniere haben die Brücke gesprengt, aber dann konnten wir nicht zurück, da der Russe uns den Rückzug versperrt hatte. Nach der Sprengung versuchten ich und noch einer mit einer Meldung zum Regiment durchzukommen, was aber nicht klappte. Wir kamen unter Beschuß und mußten zurück zur Schwadron. Die Russen haben uns in der Nacht zusammengeschos¬sen, und der Rest mußte sich retten. Gut, daß es nachts und im Wald war. Ich selbst habe alles weggeworfen, Lanze und Karabiner, mich im Sattel lang gelegt, und dann ging es auf's Ganze. Ich hatte Glück.
Mit einem Streifschuß im Genick bin ich davongekommen. Auf diese Weise sind 5 andere Kameraden durchgekommen. Der Rest der Schwadron sowie die Pioniere waren verschwunden, in Gefangen¬schaft oder gefallen. Die Pferde trieben sich ta-gelang in den Wäldern rum, bis sie eingefangen wurden. Aus dem ganzen Unternehmen sind 6 Mann und 14 Pferde ohne Reiter wiedergekommen, so daß wir nicht mehr einsatzfähig waren. So mußten wir beim Fuhrpark bleiben, bis Ersatz kam. Das war im Sommer, eine schöne Zeit. 4 Wochen lang nichts tun, bis die Neuen aus der Garnison kamen. Alles junge Burschen, die Bäume ausreißen wollten. Es war für die Brüder was Neues.
Eines Tages hieß es, wir müßten die erste Schwadron ablösen. Kaum haben wir die Höhe 202 besetzt, da fing der Russe an zu trommeln. 60 Stunden lang, und an Essen war nicht zu denken, da man die Gasmaske nicht abnehmen durfte. Nach dem Trommelfeuer folgte der Angriff. Unser Unterstand wurde zusammengeschossen, so daß wir mit unseren 6 MG's nicht rauskonnten. Das war natürlich schlecht. Wir hörten nach dem Beschuß, daß die Russen unseren 1., 2. und 3. Graben besetzt hatten. Wir haben uns auf das Schlimmste, daß wir gefangengenommen würden, vorbereitet.
Am vierten Tag, als sie uns noch nicht geholt hatten, da fingen wir an, unsere Ausgänge freizumachen. Am fünften Tag setzte dann von unserer Seite die Artille-reie ein. 2 Tage später folgte der Angriff. Unser Zugführer, Wachtmeister Fried-rich, hat es fertiggebracht, den Angriff zu beobachten. Als die Russen unsere 3 Stellungen nicht halten konnten und zurück mußten, da haben wir mit unseren 6 MG's von hinten angegriffen. Die Verwirrung war so groß, daß alle die Gewehre weggeworfen haben und mit erhobenen Händen in unseren Drahtverhau kamen. Da lagen tausende Verwundete und Tote und außerdem noch 15.000 Gefangene. Nach einer genauen Untersuchung handelte es sich um lauter Frauen-Bataillone.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Unsere Schwadron wurde dann nach den Kämpfen um Dünaburg rausgezogen und in den landwirtschaftlichen Dörfern für die neue Ernte eingesetzt. Ich wurde dann zum Regimentsstab versetzt.
Kaum bin ich warm geworden, schickten sie mich 3 Monate auf eine Be-schlagschule in ein Pferdelazaret nach Kawna, die ich auch mit Erfolg bestanden habe. Kaum war ich wieder 4 Wochen beim Regi¬mentsstab, da mußte ich wieder für 3 Monate fort. Diesmal zu einem Arznei-Kursus in Wilna. Hier kam man von sämtlichen Truppenteilen zusammen.
Erst wurden wir 3 Tage lang entlaust, da wir für die 3 Monate in Privatquartiere eingeteilt waren. Das war eine schöne Zeit. Wir hatten vormittags nur 2 Stunden Dienst und nachmittags noch einmal 2 Stunden. Die übrige Zeit haben wir uns mit Skat vertrieben. Ja, auch diese Zeit war schnell weg. Ich hatte mich beim Regi-mentsstab sehr gut eingearbeitet.
Es war mit der Zeit auch Herbst geworden. Der Russe hatte wohl auch keine Lust, denn er hat nicht mehr angegriffen. Dann am 7.12.1917 war Waffenruhe und am 17.12.1917 Waffenstillstand. Am 5.1.1918 Verschiebung der 88 Invanteriedivision an die Westfront.
Während des Waffenstillstandes haben wir uns mit den Russen ganz gut vertragen. Wir haben uns gegenseitig besucht, und sie haben uns Brot und Machorka gegeben. Wir gaben ihnen, was es in der Marke¬tenderkantine zu kaufen gab: Messer und Feuerzeuge.
Die Russen haben ihre Frauen-Bataillone frühzeitig rausgezogen und dafür Polen eingesetzt. Es ware viele, die masurisch konnten, so daß man sich ganz gut verständigen konnte. Das ging so 8 Tage lang, bis wir weggekommen sind. Das war so die letzte Woche vor Weihnachten 1917. Am Heiligabend sind wir dann an die Westfront verladen worden. Die Transporte sollten über Ostpreußen gehen. Wir kamen bis Cumbinen, da hieß es, wir müßten zurück. Die Strecken waren verschneit, so daß wir wieder bis Wilna und von dort nach Warschau¬Lodz, nach Kalisch in Schlesien zurück mußten. Dann wurden wir erst entlaust. Das hat 3 Tage gedauert. Dann ging es weiter. Auf einmal waren wir in Metz. Empfangen wurden wir durch Flieger, was wir im Osten bei den Russen nicht gekannt haben. Der Zug blieb eine Stunde im Tunnel stehen, bis alles vorbei war. Dann hieß es, in einer Stunde sind wir am Ziel.
Am 5.1.1918 wurden wir zwischen Frankreich und Belgien auf 'einen kleinen Bahnhof in Sedan ausgeladen. Es war das reinste Frühlings¬wetter, und wir konnten unsere Pferde auf die Weide schicken.
Am 6.1.1918 haben wir schon an den Stellungskämpfen bei St. Quentin teilnehmen müssen, aber natürlich ohne Pferde, da diese weggekom¬men waren.
Aus unserer Kavallerie hat man Schützenbataillone gemacht. Da wir noch aktives Regiment waren, konnten sie uns bei der fliegenden Division gut gebrauchen.
Die nächste Nacht sind wir nur marschiert. Als der Morgen kam, waren wir auf dem gleichen Fleck, an dem wir am Abend losmar¬schiert sind. Truppenverschie-bungen fanden jede Nacht statt.
Nach der großen Schlacht in Frankreich (21.2. - 6.3.1918) hieß es, von jeder Kompanie könnten 2 Mann in Urlaub fahren. Ich war damals an der Reihe. Es war von der Schreibstube schon alles zu einer Kriegs¬trauung vorbereitet worden, so daß ich zu Pfingsten daheim sein wollte. Mein Kamerad Graul von der Schreibstube hatte mir schon verraten, daß mein Urlaubsschein fertig und unterschrieben ist. Am nächsten Tag konnte ich fahren. Zum nächsten Bahnhof waren es 6 km zu laufen.
Wir warteten 2 Stunden auf den Zug und er kam immer noch nicht. Durch Lauts-precher haben sie bekanntgemacht, Urlaubszüge sind eingestellt (Urlaubssperre) und wir müßten zu unserer Truppe zurück. Erst da habe ich festgestellt, daß ich meinen Brustbeutel verloren hatte mit 300 Mark, Ring und Soldbuch. Da ist die Kriegstrauung in die Brüche gegangen. Nun hieß es, bis zum Schluß aushalten. Es war eine Pleite auf ganzer Front.
Während den Kämpfen beim Übergang über die Somme und den Grozat-Kanal bei St. Christ am 7. - 24.3.1918 sind wir bis 60 km vor Paris vorgestoßen. Was haben sie dann mit uns gemacht? Alle Schleusen geöffnet, so daß die ganze Niederung unter Wasser stand, und wir bis über die Knie im Wasser wateten. Ein Zurück gab es nicht.
Am fünften Tag wurden wir abgelöst, aber die meisten Soldaten waren lazaretreif. Vom 25. - 31.3.1918 Verfolgungskämpfe bis Monti¬tier und Najon. 7.4. - 8.6.1918 Kämpfe an der Mune und Montitier. 9. - 13.6.1918 Schlacht bei Najon. 14.6. - 13.7.1918 Kämpfe an der Mune und an der Maas. 14.7. - 15.8.1918 Stellungs-kämpfe in Französisch-Flandern. 16.8. -3.9.1918: von den Stellungkämpfen in Französisch-Flandern sind wir im Eilmarsch nach Belgisch-Flandern zum Toten Mann, kamen aber nur bis Lille. Uns zuvor kamen drei Marine-Divisionen, und wir konnten wieder abmarschieren.
Abwehrschlacht zwischen Somme und Oise vom 4.9. - 18.9.1918. Abwehrschlacht zwischen Cambrai und St. Quentin vom 11.10. -4.11.1918. Kämpfe vor und in der Hermannstellung am 18.10.1918. Schlacht bei Le Petit und Misonville 4.11.18. Schlacht bei Le Grande Verly 5. - 10.11.1918. Rückzugskämpfe vor Antwerpen und Maasstel¬lung vom 12.11. - 11.12.1918. Räumung des besetzten Gebietes und Marsch in die Heimat.
Am 9.10.1918, bei der Abwehrschlacht vor der Hermannstellung, hat unser Regi-ment wieder seine Pferde bekommen. Wir wurden als Feldgendarmerie eingesetzt, um die Soldaten, die die Schnauze voll hatten und sich von der Truppe entfernt haben, einzufangen und bei der Kommandatur abzuliefern. Es war so oder so alles verloren. Ich selbst hatte keinen gesehen, da auch ich die Nase voll hatte. Mein Kamerad hat einen mit auf die Wache gebracht. Wir haben uns erschrocken als er reinkam. In Lumpen eingewickelt und schwarz wie ein Neger. Er hatte schon 4 Tage nichts gegessen.
Während meine Kameraden ihn betreut haben, habe ich ihm das Soldbuch abge-nommen, und ich mußte feststellen, daß er mein Schulfreund war. Er gehörte zur Infanterie, Regiment 151 in Sens- burg, 9. Kompanie, in der auch mein Bruder Gottlieb war. Ich habe ihm mein letztes Brot gegeben mit der Bitte, er möchte keine Wege benutzen: Ich gab ihm meine Anschrift und die meiner Eltern. Er hat mich nicht erkannt. Falls er nach Hause komme, sollte er zu meinen Eltern gehen und Bescheid sagen, daß ich noch am Leben bin und hoffe, bald zu Hause zu sein. Er ist tatsächlich vier Wochen vor Weihnachten zu Hause gewesen.
Bei unserem Rückmarsch war immer Glatteis auf den Straßen und die Berge in dar. Eifel haben uns zu schaffen gemacht. Bis Bonn sind wir marschiert, aber jetzt noch rüber über den Rhein. Die Truppen von 2 Armeen sind am Rhein zusammengekommen und bis 24.00 Uhr am 27.11.1918 mußte linksrheinisch alles geräumt sein.
Wir von der Feldgendarmerie mußten doch einen Ausweg finden, um rüberzukom-men. In die Marschkolonne durften wir nicht rein, da gab es auch so schon Mord und Totschlag. Uns blieb nur ein Weg: mit den Pferden schwimmend das andere Ufer zu erreichen. Es war gut, daß die Nacht nicht ganz so kalt war.
Von Bonn ging es dann weiter bis Siegen. Für den Fall, daß wir noch weiter mar-schieren sollten, wollte ich mich entlassen lassen. Dann hieß es, wir sollten noch diese Nacht verladen werden. Da waren wir schon weit genug. Ich wollte gar nicht glauben, daß es in Richtung Heimat ging. Wir waren volle 6 Tage unterwegs. Wo sie mit uns herumgefahren sind, weiß ich nicht. Ich habe die ersten 3 Tage und Nächte nur geschlafen, bis der Zug in Danzig im Bahnhof einfuhr, und die Leute uns mit Rauchwaren und Blumen empfangen haben. Aber der Zug blieb nur kurze Zeit stehen. Dann stellten Sie uns auf's tote Gleis, wo wir die ganze Nacht stehenblieben. Angeblich um die Pferde zu tränken und zu füttern sowie für uns Proviant zu holen. Am nächsten Tag ging es weiter bis Königsberg. Auch diese Nacht verbrachten wir auf dem toten Gleis. Am nächsten Tag, 19.12.1918, waren wir in Angerburg. Die ersten 2 Tage hatten wir kein Quartier, da der Soldatenrat die Kaserne besetzt hatte und nichts freigeben wollte. So mußten wir uns erst etwas freikämpfen, wobei es noch Tote auf beiden Seiten gegeben hat. Dann haben wir uns um Urlaub bemüht, wozu es schon reichlich spät war. Am Heiligabend bin ich morgens dannzum Rittmeister gegangen.
Ich hatte schon 6 Weihnachtsfeste nicht zu Hause verbracht und wollte also Urlaub haben. Unser Rittmeister meinte, Urlaub könnten wir kriegen, aber wir könnten nicht weg, da am Heiligabend kein Zug mehr ginge. Meinen Urlaubsscheine habe ich bekommen und bin dann zur Bahn gegangen. Ein Bahnbeamter meinte, daß ich mit einer Lok bis Rastenbürg fahren könnte. Die Lok brauchte eine Stunde. In Rastenburg hatte ich die Hälfte geschafft und bin dann mit einer kleinen Bahn bis Sensburg gefahren. Allerdings mußte ich auf die kleine Bahn 4 Stunden lang warten, und zwar bis 8 Uhr abends. Aber die Hauptsache war, daß ich noch weg-kam. 2 Stunden dauerte die Fahrt bis Sensburg. Die Bahn hat an jeder Milchkanne gehalten. Endlich, um 22 Uhr abends, waren wir in Sensburg.
Erst habe ich meine Sachen aufgegeben, dann bin ich losmarschiert. Es waren im-mer noch 13 km durch den Wald zu laufen und die Wege waren verschneit. Es war 1 Uhr nachts, als ich im Dorf ankam.
Zuerst habe ich meine zukünftige Frau, die in der Nähe wohnte, rausgetrommelt. Ihre Mutter fragte erst wer da ist, und ich meinte, sie sollte nur mal aufmachen, ich wollte etwas fragen. Da meinte Mutter: "Anna, das ist Fritz, mach auf." Die Freude war groß. Zuerst habe ich tüchtig gegessen, und dann sind wir beide zu meinen Eltern gegangen. Diese Nacht haben wir fast alle vor Freude nicht geschla¬fen. Ich hatte zwar bis 10. Januar Urlaub, jedoch bin ich bereits am 3. Januar wieder zurück zur Entlassung. Als ich meine Entlassung in der Tasche hatte, bin ich auch ganz schnell weg. Man wollte uns noch festhalten, denn die Kämpfe gegen die Bol-schewiki gingen weiter.
Diesmal klappte die Rückfahrt besser, so daß ich am nächsten Tag um 2 Uhr mittags in Sensburg war. Meine Frau hatte mich abgeholt.
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Beitrag von hörmal »

Es war noch vieles zu besorgen, denn ich hatte all meine Sachen verloren, als ich gegen den Willen meiner Eltern beschloß, so sehnen wie möglich zu heiraten. Mein Vater wünschte eine Heirat mit der Tochter eines Arbeitskollegen. Da ich nicht wollte, bin ich zu meiner Braut gezogen. Meine Eltern waren so erbost, daß sie nicht einmal zu unserer Hochzeit kamen. Vater hat mir dann nachträglich 25 Zigarren geschickt. Das war meine Aussteuer.
Ich war immer der Dumme. Die ganze Zeit, in der ich an der Ostfront war, habe ich jede Woche 2 Briefe geschrieben und in jeden Brief 20 Mark gesteckt. Vater hatte im Krieg keine Arbeit, denn wer läßt im Krieg schon etwas bauen. Also mußte ich die Familie unterstützen. Ich hatte noch darum gebeten, falls sie nicht alles verbrauchen, sollten sie den Rest beiseite legen, denn sicher würde ich bei meiner Rückkehr auch etwas brauchen. Als ich nach Hause kam, war jedoch kein Geld da. Ich selbst war 6 Jahre Soldat, da kann man keine Reichtümer erwerben. Zur Trauung habe ich mir einen schwarzen Anzug leihen müssen. Ich war arm wie eine Kirchenmaus. Zuerst wollte ich auch nicht heiraten. Aber dann habe ich auch gleich Arbeit gesucht und auf einer landwirtschaftlichen Maschinenfabrik (Oma-Werke) gefunden. Das war eine Zweigstelle von Duisburg. Dort habe ich auch ganz schön verdient. Ich mußte jeden Tag sehr weit laufen, was ich bald leid wurde.
Meine Frau hat mich dann doch überredet, und so heirateten wir am 21. Februar 1919. Meine Frau hatte Geld, vielleicht sogar mehr als ein Bauernmädel, jedoch habe ich nie danach gefragt.
Im April 1919 kamen wir dann nach Erle. Eine Wohnung haben wir auch gleich gehabt. Familie Pastewka, die im Haus die Wohnung oben hatte, zog nach unten, und wir bekamen die Wohnung oben. Für 3500 Mark konnten wir die ganze Wohnung einrichten. Es fehlte nichts und wir hatten sogar noch etwas Geld übrig behalten. Wir waren denkbar
die Glücklichsten.
Wir haben beide sehr viel gearbeitet. Meine Frau hat viel genäht. Als Hufschmied auf der Zeche verdiente ich nicht schlecht. Bischhoff aus Gelsenkirchen, der die Pferde für Bismarck gestellt hat, legte viel Wert darauf, daß die Pferde durch einen geprüften Hufschmied beschlagen wurden. Ein alter Major der Kavallerie, den Bischhoff als Betriebsleiter eingesetzt hatte, prüfte die Sache, und ich durfte die Arbeit übernehmen.
Ich muß noch etwas ergänzen, nach der Schlacht bei Tannenberg: Ich war nicht derjenige, der sich freiwillig zu einer Fernpatrouille meldete.
Wir Schmiede hatten überhaupt keinen Ruhetag, bei 250 Pferden war immer was los. Unser Zugführer, Leutnant von der Gräben, sollte die Fernpatrouille durchführen. Er wußte, daß ich aus der Gegend bin. Er hat mich so fertiggemacht, bis ich mit mußte. Jedoch stellte ich die Bedingung, daß ich, falls wir in die Nähe kommen sollten, meine Eltern sehen könnte. Dies hat er mir auch versprochen. Fast wäre mir diese Patrouille zum Verhängnis geworden, aber davon später.
In derselben Nacht sind wir bis nach Peitschendorf gekommen. Von den Russen keine Spur zu sehen. Am nächsten Tag sind wir dann weitergeritten, bis wir in Kleinort waren. Dort haben wir uns getrennt. Ich mußte um 23 Uhr an der Brücke in Nikolaiken sein. Der Rest hat die andere Richtung genommen. Dabei sind sie mit einer versprengten Schwadron Kosaken in ein Gefecht gekommen und haben dann in Selbungen, 4 km von Nikolaiken, übernachtet.
Als ich in unser Dorf kam, war es wie ausgestorben. Ich ritt von einem Ver-wandten zum anderen, aber keiner war da. Ich schaute durch die Fenster, überall das gleiche Bild: auf dem Tisch standen Töpfe und Teller. Es waren alle in die Wälder geflüchtet. Ich habe noch schnell eine Karte geschrieben und an die Tür geklebt. Ich bin dann weitergeritten zur Oberförsterei. Als ich auf den Hof kam, sah ich, daß jemand am Fenster war. Ich winkte, sie sollte rauskommen, aber sie hielt mich wohl für einen Russen und hatte Angst. Dann kam die alte Frau doch noch raus. Ich sagte ihr, sie brauche keine Angst zu haben, ich sei ein Salewski und suche meine Eltern. Sie sagte mir, daß vor 5 Minuten ein Kind hier war, um Wasser zu holen. Ich solle auf die "Kreuzung reiten, vielleicht würde ich es noch treffen. Tatsächlich war sie noch da und ich war froh, wenigstens einen Menschen gesehen zu haben.
Ich bin ihr gleich nach, aber das Mädel hat geschrien und lief in den Wald hinein. Ich habe sie doch noch gefunden und erst einmal beruhigt. Dann setzte ich sie in den Sattel und gab ihr eine Tafel Schokolade: Ich fragte sie nach ihrem Namen und ob Oma und Opa auch in der Nähe seien. Die wären weiter in der Schonung, erzählte sie mir. Sie hatten zwar das Schreien des Mädels gehört, trauten sich aber nicht herauszukommen.
Dann zeigte mir das Mädel den Weg. Den Ersten, den ich sah, war mein Onkel, der Vater von Tante Luise. Ich fragte ihn, ob meine Eltern da wären. Darauf fragte er mich, wer ich sei. Ich sagte ihm meinen Namen und fragte nach Vater und Mutter. Daraufhin setzte ein Getue ein, das einen glatt umschmeißen konnte. Zuerst kam meine Frau (damals meine Braut) aus der Schonung.
Der Onkel meinte, wenn der Fritz da sei, könnten wir alle nach Hause. Als wir im Dorf ankamen, wollte mich jeder zum Abendessen einladen. Da ich nur 2 Stunden Zeit hatte, ich mußte ja um 23 Uhr in Nikolaiken sein, bin ich um 22 Uhr wieder weitergeritten. Immerzu durch den Wald. Ich kam auch rechtzeitig an.
Ich traf Metzgermeister Bimbinek, der schon früher, als ich noch lernte, den Zoll erhob, wenn einer über die Brücke wollte. Er erzählte mir, daß Pioniere die Brück gesprengt haben. Da bin ich dann bei den alten Leuten geblieben. Ich kannte ihn gut. Er war Kunde bei uns, als ich noch in der Lehre war. Ich bat ihn, er möchte für 10 Minuten zur Brücke gehen und aufpassen. Ich wollte mein Pferd versorgen. Nach kurzer Zeit kam er zurück und erzählte, daß von der anderen Seite ein Kahn herüberkomme. Ich nahm meinem Karabiner und ging selbst zur Brücke.
Tatsächlich waren es Kosaken, die auf dieser Seite requirieren wollten. Ich habe sie gleich ins Visier genommen. Der eine fiel ins Wasser, die beiden anderen kamen bis an unser Ufer, wo sie liegen blieben. Am anderen Morgen haben wir gesehen, daß sie keine Gewehre hatten. Es waren nur 6 Schüsse gefallen, die je-doch die Schwadron Kosaken, die mit unserer Patrouille in einen Kampf verwi-ckelt war, hörten. Sie sind daraufhin in den Wald, aus dem ich vor einer halben Stunde gekommen war, verschwunden. Gegen morgen kamen meine. Leute, die schon damit gerechnet hatten, daß mich die Kosaken geschnappt haben. Unser Zugführer war froh, als er mich sah. Ich machte Meldung, daß ich pünktlich um 23 Uhr hier war und durch 3 Kosaken von der anderen Seite gestört wurde. Die 6 Schuß, die ich abgegeben hatte, hatte sie vertrieben. Die Schwadron, mit der ihr zu tun hattet, kam bis in meine Nähe und ist dann nach rechts in den Wald abgebogen. An diesem Morgen, als wir alle wieder beisam¬men waren, kam eine Schwadron Husaren, die die Verfolgung der Kosaken aufgenommen haben.
Unsere Fernpatrouille hatte den Auftrag, die andere Seite der Talter¬gewässer zu säubern. Jetzt hieß es erst mal warten, da wir nicht wußten, ob die andere Seite noch besetzt ist. Dies wurde erst klar, als die Menschen aus ihren Verstecken auftauchten. Sie kamen gleich in drei Kähnen und meinten, die Russen wären heute abgerückt. Sie hätten es eilig gehabt und sogar die beiden Toten liegengelassen. In die Kähne haben wir die Sättel und einen Teil der Mannschaft verladen. Der Rest mußte mit den Pferden rüberkommen.
Auf dem Marktplatz wurde wieder alles in Ordnung gebracht, überall wurden Dop-pelposten aufgestellt. Es wurde jedoch kein Russe gesich¬tet. Wir blieben dann in Nikolaiken über Nacht. Am Nachmittag kam der Bursche des Leutnants. Sein Pferd hatte Eisen verloren. Da wir keine Ersatzeisen hatten, bin ich zu meinem Lehrmeister gegangen. Die Schmiede war offen und im Haus war niemand. Als ich schon fast fertig war, kam der Meister, blieb erst in der Tür stehen und kam dann bis ans Feuer. Er hatte gleich gesehen, daß die von ihm versteckte Kiste of-fenstand und fragte, ob ich aus der Kiste Hufeisen entnommen hätte. Als ich dies bejahte, fragte er mich, wer denn die Kosten dafür übernehmen würde. Er hätte nur ein paar Eisen und könnte nicht mehr bekommen. Ich sagte dem Meister, daß dies alles für's Vaterland sei. Ich würde ihm einen Schein ausschreiben und er könne sein Geld dann von der Kommandantur abholen. Er meinte, das wäre eine gemeine Sache, und woher ich überhaupt Wüßte, daß in der Kiste Eisen versteckt waren. Ich sagte dem Meister, das wäre nicht das erste Mal, daß ich Eisen aus der Kiste genommen hätte. Da wurde er stutzig und fragte, wer ich sei. Ich sagte ihm, wenn er sich an einen Fritz Salewski erinnern könnte, der stünde jetzt vor ihm. Er erkannte mich und fragte, wo ich herkäme. Er erzählte, daß heute morgen noch alles voller Russen war und ihn einer mit einem Vollbart auf beide Backen geküßt hatte.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Er meinte, seine Frau müßte mich auch unbedingt sehen und sie sollte ein gutes Abendbrot machen. Also blieb ich noch eine Stunde länger als geplant. Später hat er dann an die Eisen nicht mehr gedacht. Ich habe ihm aber trotzdem einen Schein zurückgelassen, auf dem er sich so viele Eisen aufschreiben konnte, wie er es wollte.
Am nächsten Tag sind wir in aller Frühe in Richtung Lötzen weiter¬geritten. Von dort aus sollte eine Meldung zur Division und zum Regiment gehen. Der Wach-tmeister meinte, ich müßte die Meldung hinbringen. Als wir zur Fernpatrouille aufgebrochen sind, hatte ihm der Rittmeister gesagt, daß er den Salewski mit der nächsten Meldung wieder zurückschicken müsse, da er in der Schmiede ge-braucht würde. Hätte ich das vorher gewußt, wäre ich gar nicht erst mitgeritten.
Ich habe mich gleich fertiggemacht und bin mittags schon losgeritten. Allerdings habe ich es am ersten Tag nicht geschafft. Es waren allein bis zur Grenze schon so 120 km. Die Division war schon weit in Polen. Mein Pferd wollte auch nicht mehr, und so mußte ich das erste beste Gehöft aufsuchen und über Nacht bleiben.
Die Polen waren sehr freundlich und haben mir auch Abendessen gemacht. Mein Pferd bekam Hafer. Ich hätte dann weitergekonnt, aber mein Gewissen sagte mir, bleib noch. Ich hatte mein Pferd in der Scheune untergestellt, jedoch nicht abgesattelt, um jederzeit starten zu können. Im Schein einer Taschenlampe sah ich dann auf der Karte nach, wie ich am besten die Straße Kalwaria -Seine erreichen kann.
So zwei Stunden später hörte ich die Tür zuschlagen. Ich sah, wie zwei Männer aus dem Haus kamen. Ich konnte aber nicht erkennen, was sie in der Hand hatten. Ich hab bei meinem Pferd den Gurt vom Sattel angezogen und zog meinen Degen heraus und wollte dem Ersten, der den Kopf durch die Tür steckt, eine verpassen.
Der Erste hatte ein Beil in der Hand. Er machte die Tür ein wenig auf und wollte reinkommen, als er auch schon einen weghatte. Der Zweite ist weggelaufen. Ich habe mich nicht länger aufgehalten und bin gleich ins nächste Dorf geritten. In dem Dorf lag Artillerie, die in Alarmbereitschaft war.
Ich machte Meldung, daß ich von einer Fernpatrouille käme und zum Di-visionsstab wollte. Ich habe dann auch gleich vorgebracht, was mir auf dem Gehöft passiert war. Man schickte dann Leute dorthin, die das Gehöft ausräucherten. Ich selbst mußte weiter. Am gleichen Tag habe ich dann auch die Division getroffen. Unser Regiment lag 6 km davon entfernt in Ruhestellung. Ich war froh, als ich bei der Schwa¬dron ankam und mich beim Rittmeister melden konnte. Er meinte nur, da seien wir ja gut vorwärts gekommen. Zwei Tage später begann der Vormarsch auf Grodno, wo unsere Schwadron in lauter Aufklärungspatrouillen aufgeteilt wurde. Ich war bei einer Seitenpatrouille dabei, an deren Spitze jemand sein mußte, der etwas polnisch oder masurisch sprechen konnte. Wir hatten nur 3 Mann in der Schwadron, die masurisch konnten. Wir sind dann bis an den Fluß Nimen (Memel) vorgestoßen. Auf der anderen Seite des Flusses wimmelte es von Russen.
Die Nimen verbindet alle Festungen, die an der Grenze liegen. Wir sind bis zum Fluß gekommen und beobachteten durch das Fernglas. Es fiel nur ein Schuß, aber mein Pferd hatte es erwischt. Ich konnte gar nicht schnell genug aus dem Sattel kommen. Auf diese Weise habe ich 4 Pferde verloren. Ich mußte machen, daß ich wegkam.
Die Kosaken haben uns 10 km weit verfolgt. Die Patrouille ist laufend zum Gefecht abgesessen, um die Russen aufzuhalten, damit ich weiter konnte. Zuletzt war ich so erschöpft, daß ich nicht mehr vorwärts kam. Als die anderen Kameraden bei mir ankamen, habe ich den Karabiner um den Hals gehängt, die Lanze liegenlassen, und mich links und rechts am Steigbügel festgehalten. Im Galopp ging es dann weiter. In diesem Tempo ging das jedoch nicht lange gut.
Ich bin dann vom Weg abgekommen und in ein Roggenfeld geraten. Die Kosaken immer hinter mir her. Meine Kameraden die das sahen, besetzten seitlich ein kleines Wäldchen und lagen auf der Lauer. Die Russen sollten näher rankommen. Ich war froh, denn ich konnte nicht mehr weiter. Die 4 Verfolger mußten ihr Leben lassen. Auf diese Weise bin ich noch einmal mit einem blauen Auge davongekom-men. Nach dieser Seitenpatrouille landeten wir bei der Artillerie Regt.37 als Mel-dereiter, aber nur für kurze Zeit. Es kam ein Anruf, ich müßte zum Regiment kom-men.
Außer mir war noch unser Schwadronskoch dort und uns wurde das EK II angehef-tet. Dann konnten wir wieder gehen. Mich konnten sie damit nicht erfreuen, ich hätte es am liebsten nicht angenommen. Unser Regiment hatte von der Garnison keine Feldküche gehabt. Nach der Schlacht bei Tannenberg haben wir eine russi-sche erbeutet, die wir auch behielten. Vorher war der Koch ständig bei der Bagage und hat für die Herren gekocht. So ist er auch zu einem EK gekommen. Wir von der Schwadron mußten uns selbst versorgen.
Nach drei Tagen habe ich das schwarz-weiße Bändchen wieder ehgenommen, bis mich unser Wachtmeister danach fragte. Ich sagte ihm, ich hätte es verloren. Ich mußte auf die Schreibstube und erhielt ein neues Stück. Der Wachtmeister hatte es meterweise im Schrank. Er selbst hatte kein EK.
Ein paar Monate später, an einem Ruhetag, hatten wir Appell. Da hat er den Rittmeister darauf aufmerksam gemacht, daß ich wieder kein Bändchen trüg. Daraufhin hat mich der Rittmeister mit drei Tagen bestraft, aber nicht im Bau. Drei Tage wurde ich morgens, mittags und abends je 2 Stunden an einem Wagenrad angebunden. Diese Zeit ging auch vorüber.
1915 hatten auch schon viele das EK und so trug ich es dann eben auch. Dann bin ich ein zweites Mal mit Strafe drangekommen. Die Schwadron sollte geimpft werden. Ich bin auch mit angetreten, bin dann aber weggegangen. Ich kam auf das Gehöft, wo wir im Quartier lagen und sah, daß ein Kamerad von uns ein Schwein jagte. Es lief in den Garten und wir haben unsere Lanzen genommen und sind hinter ihm her. In dem Augenblick, als wir gerade zugestochen hatten, kam ein Oberleutnant und hat uns erwischt. Auf diese Weise bekam ich nochmals 3 Tage.
Fast wäre es ein drittes Mal soweit gewesen. Aber der Kamerad hat mich nicht verraten. Wir Schmiede hatten einen Wagen, in dem wir die Feldschmiede, die Eisen und Koffer, Flaschen mit Rum und Schnaps der Herren Zugführer transportierten.
Eines Tages, es war ein Ruhetag und wir hatten tagsüber Pferde beschlagen, kam abends der Wachtmeister und brachte einen, um ihn am Wagenrad festzubinden. An diesem Abend hat jeder seinen Trink¬becher voll Schnaps bekommen. Derjenige, der angebunden war, hat gern einen getrunken. Ich wollte meinen Wagen in Ordnung bringen, und als er seinen Becher leer hatte, fragte ich ihn, ob er noch einen haben wolle. Selbst trinken konnte er allerdings nicht, da seine Hände ja festgebunden waren.
Solange er festgebunden war ging es ja gut, aber als die Zeit herum war, und der Wachtmeister ihn losgebunden hatte, sackte er zusam¬men. Der Wachtmeister stellte fest, daß er besoffen war und fragte, wer ihm den Schnaps gegeben hätte. Aber der Kamerad hat ihm keine Antwort gegeben. Der Wachtmeister mußte 4 Mann holen, um ihn in die Scheune zu bringen, wo wir alle geschlafen haben. Am Morgen, als er munter wurde, mußte er gleich zum Rittmeister. Er hat aber nichts verraten. Seit dieser Zeit wurden wir nicht mehr an die Wagenräder gebunden.
Bei den Stellungskämpfen vor Dünaburg 7.2.1915 hatte unsere Brigade 10 Jägerregimenter zu Pferde und 8 Ulanen-Regimenter. Wir mußten im Eilmarsch nach Riga, so daß wir in drei Stunden dort waren. Wir waren in dem Glauben, daß der Russe wieder einmal durchgebrochen ist. Aber alles war in bester Ordnung.
Wir sind vor dem Riganischen Meerbusen 30 km ostseitwärts geritten, bis wir in ein Dorf Sawischki kamen.
Am nächsten Morgen haben wir Schlittschuhe, Spitzhacke, Stoßeisen und Schnee-mantel empfangen. Unser Auftrag war, über den Rigani¬schen Meerbusen nach Est-land, Richtung Reval zu kommen. Unsere Vorausspatrouille (30 Mann) mußte fes-tellen, wie dick die Eisdecke war. Je näher wir nach Estland kamen, desto dicker wurde die Eisdecke. An manchen Stellen 1 1/2 m dick. Alle 1000 m mußten wir ein Loch schlagen und mit Reiser bestecken, damit auf dem Rück¬marsch keiner rein-fiel. Wir sind auch am gleichen Tag wieder zurück.
Am anderen Tag sollten wir dann rüberreiten, aber zu unserem Haufen kamen noch mehr. Ein Bataillon Jäger zu Fuß. Die haben dann in Schneemänteln die Spitze übernommen. Die Kavallerie mußte bis zum Abend warten.
Als es dunkel war, sind wir in großen Abständen durchgekommen, aber in Estland war kein Russe zu sehen. Man konnte dort noch alles kaufen. Die Geschäfte waren voll mit Lebensmitteln. Aber in den 6 Wochen, als wir dort waren, war alles ausverkauft.
Erst waren wir nur 4000 Mann, aber so nach und nach kamen noch Minenwerfer und leichte Artillerie. Zuletzt kam noch ein Infanterie-Regiment. Anschließend sind wir als Kavallerie wieder zurück nach Kurland, so daß wir wieder in die alte Stellung vor Dünaburg kamen und die gleichen Quartiere beziehen konnten.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Als wir zurückkamen, war es schon dunkel. Aber die Bauersfrau war noch wach. Ich bin zu ihr gegangen und fragte, ob sie uns einen Liter Milch abgeben könnte. Sie wollte sie uns erst warmmachen. So gingen wir noch für eine halbe Stunde in den Stall zu den Pferden. Als wir zurückkamen, stand die Milch auf dem Tisch. Sie sah aber unappetit¬lich aus, so, daß wir davon nicht tranken. Unser Wachtmeister, der nebenan im Zimmer lag, bekam es mit und meinte, die Milch ist vergiftet. Am nächsten Morgen mußte der Regimentsarzt kommen und die Milch untersuchen. Er stellte fest, daß sie vergiftet war. Aber wir wollten ganz sicher gehen.
Daraufhin mußte ich die Frau holen, die eine Tasse davon trinken mußte. Nach einer halben Stunde war sie tot.
Die tote Russenfrau hatte 3 Töchter, die sich an uns rächen wollten. Sie haben aber doch den Kürzeren gezogen. Zwei Tage später kamen sie weg in ein großes Waldlager. Ein paar Tage später wurde der Bauer auf eine Festung Kowno gebracht.
Der Nachbar des Bauern, es war ein Verwandter, meinte, wir sollten den Misthau-fen wegmachen, da würden wir was schönes finden. Ich holte den Wachtmeister, und der Bauer mußte noch einmal erzählen. Als der Wachtmeister verstand, was er meinte, mußten wir mit 4 Mann den Mist wegräumen.
Nach kurzer Zeit haben wir eine Falltür entdeckt. Jetzt wollten wir gerne wissen, was weiter kommt. Wir räumten sie ganz frei, und mit einem dicken Vorschlag-hammer sprengten wir das große Vorhang-schloß. Als wir in das Kellergewölbe reinkamen, blieb uns die Spucke weg. Nicht weniger als Fleisch von 60 Schweinen, 15 Fässer Schmalz, 120 Seiten Speck und eine Unmenge Schinken, schön geräuchert und in Stoff eingenäht, lagerte hier. Das war ein Fang, der nicht alle Tage vorkommt.
Wir konnten nicht alles behalten, und so hat die ganze Division etwas davon abbekommen. Uns blieb nur der schöne Luftschutzkeller.
Der Bauer, .der seinen Verwandten verraten hatte, war ein Spion. Er ging jeden Tag zum Angeln und kam nach Hause, wenn es dunkel war. In dieser Zeit schoß er Leuchtkugeln für den Russen ab. Die 6 Batterien Artillerie konnten jeden Tag die Stellung wechseln. Kurze Zeit darauf wurden wir auch schon unter Feuer ge-nommen.
Eines Tages hieß es, unsere Schwadron solle 3 Reihen Posten aufstel¬len. Hauptsächlich um den See, der seitlich von uns lag. Gleich am ersten Tag haben wir ihn schon gehabt. Erst hat er einmal Prügel bezogen. Als er immer noch nicht sagen wollte, wo er die Leucht¬pistole gelassen hat, hat er noch einmal Schläge gekriegt. Da kam er damit raus, daß er sie unter einem Baum versteckt habe. Unter diesem Baum hatte er auch seinen Vorratskeller. Am gleichen Tag kam er weg. Wohin weiß ich nicht, daß gehörte nicht zu unserer Aufgabe.
Nach der Schlacht bei Wilna am 9. bis 27.9.1915 kamen wir nach Schlossberg. Der Besitzer war ein Deutscher, dessen Vater nach dem Krieg 1866 in Litauen ge-blieben ist und große Besitztümer aufgekauft hat. Fast halb Litauen gehörte ihm. Er hieß Baron Graf Gurski und war mit unserem Kaiser Wilhelm II verwandt. Als damals ganz Litauen besetzt wurde, wurde ihm eine Schwadron Kavallerie und 10 Mann Landjäger zur Verfügung gestellt. Er konnte sich frei bewegen, allerdings unter der Aufsicht von Landjägern.
Der Graf von Gurski hatte damals schon als hoher Offizier bei der Zarengarde in Petersburg gedient. Er besaß viele Waldungen und außerdem 11 Webereien, die in ganz Litauen verstreut lagen. Sein Hauptbetrieb lag in Illings mit 500 Beschäftig-ten.
Illings lag dicht am Fluß Düna. Diese Stadt war noch nicht ganz frei. Ein Teil war noch in der Hand der Russen. Eines Tages mußten wir dort hin. Der Einsatz war kurz und schmerzlos. Über eine Woche blieben wir in der Stellung. Wir hatten die Kirche und den Friedhof besetzt. So eine grauenhafte Stellung hatte ich noch nie erlebt.
Die Stellung auf dem Friedhof war eine Katastrophe. Beim Schüt-zengrabenausheben kamen so manche alte Särge zum Vorschein. Die Kirche mit dem Aussichtsturm war dem Russen ein Dorn im Auge. Er hat in noch in der gleichen Nacht umgelegt. Der Russe hatte gleich spitz gekriegt, daß auf dem Turm ein
Artilleriebeobachtungsposten war.
Ein paar Tage später kam eine vermummte, schwarz gekleidete Dame mit 2 Land-jägern mit dem Auftrag, unsere Schwadron solle die neueren Webstühle demon-tieren und mitbringen, und zwar die, die sie kurz vor dem ersten Weltkrieg von Königsberg geholt hatten. Aber die Weberei war ganz zusammengeschossen. Also haben wir zwei andere demontiert und diese mit der Feldküche nach hinten ge-schickt. In der nächsten Nacht kam die vermummte Gräfin mit 2 Landjägern und gab Anweisung, wo die gewünschten Webstühle stehen müßten.
Die Nacht war sehr unruhig, da der Russe dauernd geschossen hat. In der darauffolgenden Nacht, als die richtigen Webstühle auf Schloss¬berg waren, da sind wir wieder abgelöst worden und kamen in unser altes Quartier. Das war ein Erlebnis, das nicht alle Tage vorkommt.
Wir hatten einen Wachtmeister, der hieß auch Gurski. Die junge Gräfin, die die-sen Namen auch nach einer Verheiratung weiterführen wollte, hätte ihn gern zum Manne gehabt. Jetzt waren natürlich die Herren Offiziere eifersüchtig. Denn schließlich waren es doch alles Adlige, vom Rittmeister bis zum Leutnant. Aber die Gräfin wollte von ihnen nichts wissen. Sie wollte nur den Wachtmeister Gurski haben.
Eines Tages sollte der Wachtmeister versetzt werden. Da hat die Gräfin sogar bis zum Kaiser geschrieben.
Nach und nach wurden alle Offiziere versetzt und natürlich wollte auch der Wachtmeister weg. Er hat sich einfach bei der Staffel Richthofen gemeldet und mußte dann auch zu einer kurzen Ausbil¬dung dort hin. Er kam in den Westen als Kampfflieger. Er hatte Glück, in kurzer Zeit seinen 42sten Luftkampf hinter sich zu bringen und wurde Oberleutnant. Die Gräfin hat ihn dann 1916 geheiratet.
In der Zeit, in der wir auf Schlossberg waren, haben wir die alte Gräfin nie zu sehen bekommen. Die junge Gräfin sahen wir öfter, aber immer mit Schleier. Dann hieß es auf einmal: sie schielt. Das kann ich aber nicht bestätigen. Als die Gräfin die Frau von Gurski wurde, waren wir schon längst weg.
Dem Erzählen nach wollte eines Tages der Oberleutnant Gurski mit seinem Flug-zeug bei seiner Frau landen, stürzte dabei jedoch ab und ist umgekommen.
Als ich, wie schon einmal erwähnt, zum Regimentsstab versetzt wurde, kamen wir auf ein Gut für die Landwirtschaft. Das hat mir erst gar nicht gefallen, weil bei dem Haufen keine Handwerker dabei waren. Da sollten die Zivilisten alles machen.
Die Männer waren alle im Lager und die Frauen und Mädchen mußten alle schwer auf dem Gut arbeiten. Als die Schusterarbeiten zu viel wurden, mußte etwas geschehen. Es wurde nach einem Schuster geforscht. Der Mann der Gutsbesitzerin war Schuster, war jedoch im Lager in Kowno.
Als eines Tages der Wachtmeister mich bei der Arbeit besuchte, habe ich ihm den Vorschlag gemacht, den Mann aus Kowno zu holen. Also hat der Wachtmeister mit dem Regi-mentskommandeur Rücksprache
gehalten, und dieser war einverstanden. Er hat sich dann mit dem Lagerkommandeur in Verbindung gesetzt und binnen 3 Tagen konnte der Mann geholt werden.
Jetzt war ich derjenige, der ihn holen mußte. Gleich am nächsten Tag bin ich losgefahren. Als ich in Kowno im Lager ankam, wollten sie den Mann nicht freigeben. Aber nach vielem Hin und Her konnte er dann doch mitkommen.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Der Mann war ganz fertig, als er mich gesehen hatte. Er hat geweint und gemeint, er hätte doch nichts verbrochen, was wir denn von ihm wollten. Ich sagte ihm, er solle sich gut anzie-hen, er käme ins andere Lager.
Am gleichen Tag konnten wir nicht mehr fahren, da der Zug schon weg war. Kurz vor der Front verkehrte die Bahn nur einmal am Tag. Am nächsten Morgen, als ich ihn mit aufgepf-lanztem Karabiner abholte, hat er wieder geweint. Als wir im Zug waren, hab ich ihm erklärt, was das ganze bedeutet, und daß er nach Hause käme. Zu seiner Beruhigung hatten mir die Frau und die Tochter ein altes Foto mitgegeben. Ich erklärte ihm, daß, wenn er sich gut führe und die Schusterarbeiten machen würde, es ihm bei uns sehr gut gehen würde. Da hat er mir versprochen, alles zu tun, was von ihm verlangt wird. Als wir am Endbahnhof ausstiegen, waren die Frau und Tochter zum Empfang da. Sie hatten sich vom Kommandanten einen Passierschein geben lassen und kamen zur Bahn. Als wir in den kaputten Bahnhof einfuhren, da erblickte er die beiden Frauen. Er wäre am liebsten aus dem Fenster gesprungen. Da habe ich erst gesehen, was Liebe und Treue in einem solchen Fall bedeuten.
In der nächsten Woche bin ich in Urlaub gefahren. Frau und Tochter haben mir als Dank ein Paket mit Speck, Eiern und Butter mitgege¬ben. Erst wollte ich es gar nicht nehmen, habe es aber dann doch getan. Ich dachte mir, diese Sachen sind in Deutschland Mangelware.
Als ich nach Hause kam, öffnete mir die Mutter. Sie fragte mich dann, wo ich die Sachen denn her hätte. Ich erzählte ihr alles, und sie war beruhigt. Während des Urlaubs meinte der Vater, wir hätten 2 Schweine im Stall, ob wir denn nicht eines schlachten sollten. Ich war gleich dafür. Mein zweitältester Bruder war auch hier im Urlaub, und von den Marken konnten 2 hungrige Soldaten nicht satt werden. So haben wir kurzentschlossen ein Schwein geschlachtet.
Es hat auch wunderbar geklappt. Als wir das Schwein hängen hatten, war auch schon der Feldgendarm da. Wo er herkam, hatte keiner gesehen. Er meinte, da hätte er einen schönen Fang gemacht und das Schwein wäre beschlagnahmt. Ich sagte ihm, er solle nur zusehen, daß er wegkäme, es würde hier nichts beschlagnahmt. Ihm Hause wären 2 hungrige Frontsoldaten, die etwas zu Essen haben müßten. Er wollte dann am nächsten Tag wiederkommen, um das Schwein abzuholen.
Am nächsten Morgen war er wieder da. Aber als er uns in Uniform sah, wollte er nichts mehr mit uns zu tun haben. Ich gab ihm meine Anschrift mit Feldpostnummer und sagte ihm, wenn er etwas auf dem Herzen habe, solle er direkt an meine Einheit schreiben. In den 14 Tagen, in denen ich im Dorf war, lies er sich nicht wieder blicken, aber gemeldet hat er mich doch.

Als ich zum Regimentsstab zurückkam, erzählte mir der Wachtmei¬ster, daß eine Meldung über mein Verhalten im Urlaub vorläge. Am nächsten Morgen mußte ich zum Major kommen. Der alte Herr hat nur gelacht und meinte, hoffentlich hätten wir nichts davon abgege¬ben. Ich sagte ihm, daß davon kein Gramm abgegeben wurde, denn 2 Frontsoldaten auf Urlaub wollen auch Essen. Da klopfte er mir auf die Schulter und meinte, ich hätte die Sache richtig gemacht. Damit war für mich alles erledigt.
Ich möchte noch mal auf die Rominter Heide zurückkommen, wo uns die Kosaken von dem trigonometrischen Punkt geholt haben. Ich erwähnte schon einmal, daß sie uns erst verhauen und dann bis auf Hemd und Reithose ausgezogen haben lind uns dann in den Holzstall einsperrten. Am nächsten Tag haben sie uns verhört, ein Leutnant, ein Dolmetscher und zwei Soldaten mit aufgepflanztem Gewehr.
Während des Verhörs hat uns unsere Patrouille unter Feuer genom¬men, so daß der Leutnant bei der ersten Feuergarbe tot umfiel. Wir schmissen uns auch gleich hin, so daß der Leutnant auf mich fiel. Natürlich war mein Hemd nicht mehr weiß, son-dern rot vom Blut. In diesem Moment dachte ich an Flucht, aber es wurde nichts draus. Gefesselt kamen wir wieder in den Holzstall. Am zweiten Weih¬nachtstag sind die Kosaken durch Infanterie abgelöst worden. Diese waren etwas humaner und haben uns die Fesseln abgenommen.
Es hat den ganzen Tag über geschneit und während der Nacht kam noch mehr he-runter. Da wir in dieser Nacht flüchten wollten, hat sich jeder ein altes Beil in dem Holzstall gesucht. Der Posten hatte hinter der Tür Schutz gefunden. Es hatte immer noch geschneit. Der Posten wurde alle 2 Stunden abgelöst.
Kaum war der neue Posten da, da hat er auch schon geschlafen. Wir konnten hören, wie er geschnarcht hat. Da haben wir uns ans Werk gemacht, die Tür aufgerissen und mit dem Beil dem Posten einen versetzt. Er fiel hin, hatte aber sein Gewehr entsichert, so daß ein Schuß fiel. Der benachbarte Posten wurde dadurch alarmiert. Wir hatten Glück gehabt, daß es so stark geschneit hatte, denn dadurch wurden die Spuren verwischt. Wir liefen von einer Schonung in die andere. Ich weiß nicht, wie lange wir gelaufen sind. Immer in Richtung Goldap, so daß wir bald hinter den russischen Stellungen waren. Nun mußten wir uns verstecken.
In der Schonung fanden wir eine alte Tanne, die vor etlichen Jahren durch einen Sturm umgeknickt war. Am Wurzelende haben wir unser Lager aufgeschlagen und die trockenen Blätter zum Abdecken genom¬men.
Etwa 3 Tage später haben die Russen die gesamte Rominter Heide abgesucht, so-gar mit Spürhunden. Sie riefen: "Germanski komm, kriegst Brot."
Sie waren bereits kurz vor uns, als sie auf einmal in die andere Richtung gingen, und zwar zur Straße nach Schloß Rominten. Dort sind sie dann in Richtung Szitkehmen verschwunden.
Wir saßen also noch 3 Tage in dem Loch, bis sich alles beruhigt hatte. Das Schlimmste war, daß wir schon 5 Tage ohne Essen waren, und das Ende war noch nicht abzusehen. Was wir in den ganzen 10 Tagen zu Essen hatten war Schnee und etwas Baumrinde. Ich dachte auch schon, daß wir verhungern müßten, aber es sollte nicht sein.
Es war ca. der 2. oder 3. Januar, als unsere Artillerie einsetzte und etwa anderthalb Tage lang trommelte. Als die Infanterie zum Sturm vorging, haben wir uns ganz tief verkrochen und warteten ab, bis alles vorüber war. Auf einmal war es ruhig. Wir wußten allerdings nicht, ob der Angriff von deutscher Seite kam oder von den Russen. Wir schlichen uns von einem Baum zum anderen, bis wir an der Straße waren und beobachten konnten, daß der Russe zur Grenze türmte. Dann war alles ruhig.
Nach einer ganzen Weile sahen wir wieder einzelne Soldaten. Wir konnten aller-dings nur Schatten erkennen, da es Nacht war.
Als wir auf eine Infanterie-Patrouille stießen, hörten wir, daß diese deutsch spra-chen. Daraufhin verließen wir die dunkle Schonung. Wir hatten nichts bei uns, da uns die Kosaken unsere Papiere weggenom¬men hatten. Wir konnten uns also nicht einmal ausweisen. Also hat uns die Patrouille abgeführt.
Wir mußten noch 5 km bis Schloß Rominten auf Socken über die gefrorene Straße laufen. Unterwegs habe ich noch von einem toten Russen den Mantel angezogen. Schuhe hatte er nicht mehr gehabt.
So gegen morgen kamen wir auf Schloß Rominten an, wo ein Bataillon Bayrische Infanterie lag. Zuerst haben wir jeder ein paar alte Schuhe bekommen. --Ich konnte mit meinen kranken Füßen gar nicht darin laufen.
Am selben Tag sind wir dann nach Trakehnen gekommen. Mit einer Munitionsko-lonne wurden wir zum Divisionsstab gebracht. In der Zwischenzeit hatte uns unse-re Schwadron als vermißt gemeldet. Der Divisionsstab teilte uns mit, daß unsere Kavallerie-Division zwischen Tilsit und Memel läge. Wenn wir wollten, könnten wir nachfahren. Ich meinte, das könnten wir nicht, denn wir hätten seit Weihnachten nichts mehr gegessen. Dann zog ich den Russenmantel aus. Mein Körper war eine einzige Blutkruste, so daß man uns zu einem Genesungsurlaub von 14 Tagen nach Trakehnen schickte. Aber mit den 14 Tagen war es nicht getan, da auch unsere Nasen, Ohren und Füße angefroren waren. Es hat 4 Wochen gedauert, bis es soweit war, daß wir eingekleidet werden konnten. Dann hatten wir noch weitere 14 Tage Urlaub.
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Nach meinem Urlaub bin ich dann nach Lauenburg (Pommern) gefah¬ren und habe mich wieder als Jäger zu Pferde einkleiden lassen. Unsere Ersatz-Schwadron aus Angerburg mußte schon am Anfang des Krieges nach Lauenburg verlegt werden. Von Lauenburg sind wir dann zu unserer Heeresführung nach Insterburg gefahren. Dort hat man uns dann mitgeteilt, wo unsere Schwadron steckt.
Nach 8 Tagen kamen wir bei unserem Regiment an. Schon beim
Regimentsstab hatte man uns gesagt, daß wir nicht eingeteilt werden, aber sie schickten uns doch zur Schwadron.
Als wir dort ankamen, fragte unser Rittmeister als erstes, ob wir denn schon nach Hause geschrieben hätten, denn wir waren ja als vermißt gemeldet. Wir hatten auch in der Zwischenzeit geschrieben. Trotzdem mußten wir auf der Schreibstube noch eine Karte schrei¬ben. Wir verrieten auch nicht, daß wir bereits zu Hause waren.
Ich meinte, man sollte uns doch in Urlaub schicken, wenn wir sowieso keinen Frontdienst machen bräuchten. Darauf fragte der Rittmeister, wer uns denn dies erzählt hätte. Wir antworteten ihm, daß man uns beim Regimentsstab gesagt hätte, wer in Gefangenschaft war, der darf 1 Jahr lang keinen Frontdienst machen.
Am nächsten Tag hat uns der Rittmeister rufen lassen, und wir bekamen unseren Urlaubsschein in die Hand gedrückt. Er war für 18 Tage ausgestellt. Also sind wir auch gleich am selben Tag noch losgefahren.
Als ich nach Hause kam, meinte der Vater: "Junge, was machst Du für Sachen." Ich hätte jetzt richtigen Urlaub erwiderte ich, so daß mein Vater sich zufrieden gab. Nach meinem Urlaub sollte ich ein ganzes Jahr bei der Bagage bleiben und nichts weiter tun als Pferde zu beschlagen. Länger als einen Monat habe ich es nicht ausgehalten und bin dann wieder bei der Schwadron geblieben.
Die erste Zeit nach dem Krieg war für mich nicht ganz einfach. Immerhin war ich 5 Jahre lang Soldat. Die Umstellung vom Soldaten-in das Zivilleben hat so manche Träne gekostet. Aber meine liebe Frau hatte Geduld und Verständnis, da auch diese Zeit vorübergehen würde.
Wir als Kavalleristen hatten natürlich auch Pferde, und für diese wurde mehr ge-sorgt als für die Soldaten. Wir waren immer froh, wenn wir bei den Pferden bleiben durften. Unsere Schlafstelle haten wir unter der Krippe gehabt. Während der ganzen Zeit waren die Nerven so überspannt, daß ich einmal geträumt habe - wir waren schon verheiratet - das Pferd hätte mir das ganze Nachtlager unterm Hintern weggefressen. Da hab ich im Traum die Beine angezogen und mein Pferd an den Kopf gestoßen. Aber es war gar kein Pferdekopf, den ich trat, sondern Mutter's Schienbein. Es war eine solche Wucht dahinter, daß Mutter eine lange Zeit mit blauem Schienbein herumge¬laufen ist. Aber so nach und nach durch die gute Pflege, und daß man in Erle nicht mehr in einem Bett schlafen mußte, kam man dann doch zur Ruhe.
Zum Abschluß möchte ich sagen, daß ich das alles wirklich erlebt habe.
In meinem handgeschriebenen Tagebuch sind einige Fehler drin, die Ihr mir nicht übelnehmen müßt. Es war sehr schwierig von Deutscher Schrift auf Lateinische Schrift umzudenken, und es hat eine Menge Zeit gekostet.
Also lest diese Zeilen und gebt sie weiter.
Euer Vater und Opa Fritz
Ich bremse auch für Obst!
Rauchen verkürzt ihre Zigarette!

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