Tun wir das Richtige? Unser Verhältnis zu Hubert Nietsch ...

Werke, Ausstellungen, Künstler, Bewohner und Geschichte der 1931 gegründeten Künstlersiedlung Halfmannshof

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Malte T.
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Beitrag von Malte T. »

Die Sozialdemokratische Partei (SPD) beschloss auf ihrem Hallenser Parteitag im Oktober 1890, den 1. Mai als dauerhaften "Feiertag der Arbeiter" einzuführen. Um der Provokation die Spitze zu nehmen, wollte sie von Arbeitsruhe dort absehen, wo sich ihr Hindernisse in den Weg stellten. Partei und Gewerkschaften machten den Aufruf zum Streik von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Betriebs abhängig. Wo er nicht möglich war, sollten am ersten Maisonntag Umzüge und Feste im Freien stattfinden.

Im April 1919 erklärte die Nationalversammlung den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag. Das Gesetz war aber auf den 1. Mai 1919 begrenzt, die spätere Regelung sollte in eine internationale Lösung eingebunden werden und nach Friedensschluss und Verabschiedung der Verfassung erfolgen. Versuche des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) und der SPD, den Tag der Arbeit über 1919 hinaus als gesetzlichen Feiertag dauerhaft zu sichern, blieben vergeblich. Lediglich in den Ländern Braunschweig, Lübeck, Sachsen und Schaumburg-Lippe hatte er nach 1922 Bestand.
Mir geht es nur darum, das es nicht seine "Erfindung" ist, wie hier suggeriert wurde!

Gruß
Malte
Round my hometown
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Verwaltung
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Beitrag von Verwaltung »

Gerade in einem interessanten Buch gelesen: Es gab bereits einmal eine Veröffentlichung zum Thema Hubert Nietsch in den 30ern und zwar bereits Anfang der 90er von dem Halfmannshof-Künstler Heiner Szamida. Das wird aber leider nur am Rande erwähnt und nicht weiter erläutert.

Quelle: Herbert Knorr - Zwischen Posie und Leben - Geschichte der Gelsenkirchener Literatur und ihrer Autoren von den Anfängen bis 1945, Klartext, 1995

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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

Heidemann warnt vor "NS-Keule"
WAZ Gelsenkirchen, 12.05.2008, loc

Der Heimatforscher und Stadtplaner Lutz Heidemann warnt davor, in der Diskussion über die Vergangenheit des Bildhauers Hubert Nietsch und der Künstlersiedlung die "NS-Keule" hervorzukramen.

Bei einer historischen Aufarbeitung müssten ganze Biographien und das Spannungsverhältnis von Auftragsgeber und Künstler einbezogen werden, fordert Heidemann.

Grundsätzlich finde er es gut, dass in der Öffentlichkeit und in den Fach-Institutionen wie zum Beispiel dem Institut für Stadtgeschichte sich über einen Künstler ausgetauscht werde, von dem es eine ganze Reihe Werke an allgemein zugänglichen Räumen gebe. Vor Urteilen oder Verurteilungen wäre es aber gut, so Heidemann, wenn noch mehr Fakten bekannt würden und dann auch die Rahmenbedingungen eines lokalen Künstlers einbezogen würden.
Gegen Hass, Hetze und AfD
überalteter Sittenwächter

MichaL
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Re: liest Du in GG, vergiss die Peitsche nicht...

Beitrag von MichaL »

erloeser hat geschrieben:Meine Erfahrungen, die ich in zwei Jahren als Gelsenkirchener
gemacht habe, sind die, dass hier weder für geschichtsträchtige Projekte noch für
Archive das nötige Geld vorhanden ist.
Vielleicht kennst Du nur noch nicht alles.
Es gibt ja neben dem Dokumentationszentrum auch Schriftenreihen des Instituts
für Stadtgeschichte. Den Band 3 "Historische Spuren vor Ort - Gelsenkirchen im
Nationalsozialismus" habe ich doppelt. Kannste übrigens haben, bei Interesse
melde Dich mal, kann ich z.B. bei der Bunkerbesichtigung mitbringen.

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Verwaltung
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Beitrag von Verwaltung »

WAZ hat geschrieben:Nicht zur Keule „NS-Zeit“ greifen
Halfmannshof und Nietsch: Lutz Heidemann warnt vor schnellen Urteilen und Verurteilungen

WAZ Gelsenkirchen, 12.05.2008, loc

Der Stadtplaner und Heimatforscher Lutz Heidemann warnt davor, in der Diskussion über die Vergangenheit der Künstlersiedlung Halfmannshof und des Bildhauers Hubert Nietsch zur Keule „NS-Zeit" zu greifen. Die gesamten Biographien der Künstler sowie das Spannungsverhältnis von Auftragsgeber und Künstler müssten bei der Betrachtung einbezogen werden, erklärt Heidemann.
Grundsätzlich finde er es gut, dass sich in der Öffentlichkeit und in Fach-Institutionen wie dem Institut für Stadtgeschichte über einen Gelsenkirchener Künstler ausgetauscht werde, von dem es eine ganze Reihe von Werken an zugänglichen Orten gebe. Aber: „Vor Urteilen oder Verurteilungen wäre es gut, wenn noch mehr Fakten bekannt würden und dann auch die Rahmenbedingungen eines lokalen Künstlers einbezogen würden", so Lutz Heidemann.
Durch Stilvergleiche könnte man Hubert Nietsch möglicherweise noch weitere Plastiken im öffentlichen Raum zuschreiben: „Dann würde seine Rolle klarer und ließe sich auch über seine künstlerische Entwicklung diskutieren."
Heidemann vermutet, dass Hubert Nietsch beispielsweise auch die „dekorativen Plastiken" an den Häusern Grillostraße 10 bis 16 in Schalke oder an den Stallmann-Häusern an der Wittekindstraße zuzuschreiben sind.
Bei den späteren Werken des Bildhauers wie „Mann im Sturm" (am buerschen Rathaus) sowie beim „Lachenden" (den die Gelsenkirchener Geschichten bekanntlich aus Lieberhausen zurückholen wollen) finde er die künstlerische Entwicklung bemerkenswert.
„Warum sollte er nicht auch in anderer Weise eine Entwicklung genommen haben?", fragt Lutz Heidemann.

Bild Lutz Heidemann nimmt die Werke Nietschs in den Blick ... und glaubt, dass diese Plastik an der Grillostraße dazugehört.
Dieser Artikel basiert auf einem Leserbrief von Herrn Heidemann, den er auch uns (zuzüglich eines kleinen Vorsatzes) zukommen ließ:
Lutz Heidemann hat geschrieben:Es freut mich,dass mir die WAZ das Forum gegeben hat, weiter öffentlich über Nietsch zu diskutieren. Es liegt in den Rahmenbedingungen einer lokalen Zeitung, dass sie Zuschriften und Leserbriefe kürzt. Das geschah hier keineswegs sinnentstellend, aber ein paar Argumente mehr wollte ich schon in die keineswegs beendete Debatte einbringen. Wer kennt noch weitere gesicherte Werke von Hubert Nietsch? Wo gibt es begründete Vermutungen für seine Autorschaft?"

Gruß
L. Heidemann
PS. Ich habe die Ehre in Wiki als Biographie erschienen zu sein!
  • 8. Mai 2008
    Lutz Heidemann

    Zur Diskussion über den Bildhauer Hubert Nietsch

    Ich finde es grundsätzlich gut, daß in der Öffentlichkeit und in den Fach-Institutionen, z.B. dem ISG, sich über einen Gelsenkirchener Künstler ausgetauscht wird, von dem es eine ganze Reihe Werke an allgemein zugänglichen Räumen gibt, der vielleicht auch noch mehr Werke in Privatbesitz oder außerhalb unserer Stadt geschaffen hat. Vor Urteilen oder Ver-Urteilungen wäre es gut, wenn noch mehr Fakten bekannt würden und dann auch die Rahmenbedingungen eines lokalen Künstlers einbezogen würden. Dass Künstler in einen kommunalen Beirat gerufen werden, ist an sich nicht schlecht, wäre auch heute eher positiv zu werten. Es gab Zeiten, da namhafte Gelsenkirchener Architekten in städtischen Beiräten saßen und die Ankaufs- und Vergabepolitik der Stadt mit beeinflußt haben. Warum nicht, wenn es dadurch zu einer Bereicherung des Stadtbildes kam?

    Und wenn noch weitere durch eine Signatur oder über andere Schriftdokumente bezeugte Werke von Nietsch aufgelistet wären, könnte man ihm durch Stil-Vergleiche möglicherweise noch weitere Plastiken zuschreiben. Dann würde seine Rolle klarer und ließe sich auch über seine künstlerische Entwicklung diskutieren. Ich vermute, daß von Nietsch auch die dekorativen Plastiken an den Häusern Grillostraße 10 bis 16 oder an den Stallmann-Häusern an der Wittekindstraße stammen, darunter auch der „auf den Hund gekommene Mann“. Ich finde es bei seinen späten Werken, z.B. dem „Mann im Sturm“ und dem „Lachenden“ ganz bemerkenswert, wie von Nietsch technische Bedingungen, Gußplastiken sind bis auf Kleinkunstwerke immer innen hohl, nun als Gestaltungsmittel eingesetzt werden. Da ist eine künstlerische Entwicklung ablesbar. Warum sollte er nicht auch in anderer Weise eine Entwicklung genommen haben? Deshalb bitte bei einer Geschichtsaufarbeitung des Halfmannshofes nicht die „Keule“ NS-Zeit hervorkramen, sondern ganze Biographien und das Spannungsverhältnis von Auftragsgeber und Künstler bei „Kunst am Bau“ oder der Ankaufs- und Vergabepolitik von weltlichen und geistlichen Körperschaften dokumentieren!

Josel
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Beitrag von Josel »

Neulich in einem Gespräch über die Ausgangsfrage dieses Threads brachte mich mein Gesprächspartner auf ein ganz ähnliche Diskussion (die allerdings insofern ganz anders läuft, als dass man dort - anders als bei Nietsch – die Rolle des Künstlers im Nationalsozialismus sehr genau kennt und der Künstler in jedem Fall eine weitaus größere Rolle gespielt haben dürfte als das bei Nietsch vorstellbar ist):

http://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Breker

Die erste Überlegung meines Gesprächspartners war sinngemäß, dass man mit unserem Kopp - selbst wenn man schlimmste künstlerischen Verwicklungen unterstellt - wohl keine Probleme haben kann, wenn staatliche Museen wie das in Schwerin sogar Breker-Ausstellungen mit "problematischen" Ausstellungsstücken organisieren.

Andererseits geschah auch das nicht ohne Widerspruch, siehe etwa:

http://www.sueddeutsche.de/kultur/artik ... print.html

Nur um es nochmal klar zu sagen: Ich stelle Nietsch ausdrücklich nicht in eine Ecke mit Breker, zumals ich über Nietsch und seine Vergangenheit bislang kaum etwas weiß.

J.
Vertrödeln Sie keine Zeit mit dem Lesen von Signaturen!

Heinz
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Beitrag von Heinz »

Breker & Riefenstahl sind ja nicht einfach einzusortieren. Hier mal dazu ein Künstler aus der Nachbarstadt Gladbeck:

http://www.signarowski.artprovocation.de/

bernd als gast
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breker riefenstahl

Beitrag von bernd als gast »

es gibt einen wichtigen unterschied, was die ns-zeit angeht. breker hat sich später(1981) deutlich distanziert, riefenstahl immer geleugnet, politisch was mit der ns-zeit am hut gehabt zu haben. soweit-so gut.
künstlerisch gehörten beide während der ns-zeit aber zu den haupt-prpoaganda-künstlern, so nenne ich das mal.
breker wurde in die "liste A" aufgenommen, auch "liste der unsterblichen" genannt, das waren bildhauer/künstler, die selbst während der kriegszeit keine einschränkung ihrer künstlerischen tätigkeit zu befürchten hatten(breker hatte ein staatsatelier). breker hat nun wirklich alles an propaganda bildhauerisch umgesetzt, was man sich an verschwiemelter ns-ideologie nur so denken kann. riefenstahl konnte sich für ihre projekte der unterstützung der staatsführung auch in kriegs- und krisenzeiten sicher sein(tiefland-film).sie ging bei hitler(auch auf seinem berghof) ein und aus.sie hat ihm mit dem olympia-film und dem film "triumph des willens" ja auch denkmale gesetzt.
dass beide später ehrungen erhalten haben(riefenstahl etwa vom ioc) mildert diese näher zum regime für mich nicht, sagt eher was darüber aus, wie bestimmte institutionen, also das ioc, mit geschichte umgegangen sind.
bei beiden kann man, so glaube ich, durch ihre arbeit und teilweise ihr handeln die nähe zum ns-regime nun unzweifelhaft festhalten, weitaus weniger brüchig jedenfalls als bei dem künstler, um den es hier geht

Heinz
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Beitrag von Heinz »

Bernd Matzkowski hat geschrieben:bei beiden kann man, so glaube ich, durch ihre arbeit und teilweise ihr handeln die nähe zum ns-regime nun unzweifelhaft festhalten, weitaus weniger brüchig jedenfalls als bei dem künstler, um den es hier geht
Bei Reifenstahl schimmert noch etwas durch in der Schilderung von Zuckmayer - Ehrgeiz und "Kunst machen wollen um jeden Preis" - was wohl bei vielen auch heute noch eine Treibfeder ist.
Carl Zuckmayer - Geheimreport - Seite 93 Wallstein Verlag hat geschrieben:7. Leni Riefenstahl - die "Reichsgletscherspalte" - auch im Ausland bekannt geworden durch Berg- und Skifilme - schwer hysterische Person - masslos ehrgeizig. Ihr ist zugute zu halten dass sie keine Renegatin ist, sondern immer an Hitler glaubte als an den Erlöser. Ihrer Karriere ist aber die Erlösung gut bekommen - nachdem vorher ihre Gesinnung sie nicht gehindert hat beim "Juden" saftige Filmhonorare zu beziehen und sich mit Antinazis für alle Fälle zu stellen. - Als Hitler ihr für ihre Inszenierung des Olympiade - und eines Nürnberger Parteitag Films persönlich das Goldene Ehrenabzeichen oder sowas überreichte, fiel sie auf der Bühne vor Aufregung in die Freissen, (in Ohnmacht) wobei es ihr misslang dem Führer in die Arme zu sinken - sie sank ihm zu Füssen und er musste, sichtlich angewidert, über sie wegsteigen um abzugehen. Dieses spielte sich im Berliner Ufapalast ab und wurde auch von Newsreels verfilmt - aber natürlich nicht öffentlich vorgeführt. Der später zu behandelnde Filmregisseur Willy Forst hat den Streifen gesehen und dem Verf. die Szene unvergesslich komisch vorgespielt.-
Leni R. soll angeblich jüdischer Abstammung sein. Schon möglich. Es würde ihren Fall nicht verfeinern. Soll auch mit Hitler geschlafen haben was Verf. aber nicht glaubt. (Beiderseitige Impotenz anzunehmen)

erloeser
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Flieger, grüß mir die Sonne....

Beitrag von erloeser »

Leni Riefenstahl und Carl Zuckmayer haben einen gemeinsamen Bekannten und Freund und zwar den Flieger Ernst Udet, der seinerzeit mit Manfred von Richthofen und Werner Mölders als "erfolgreichster" deutscher Jagdflieger galt. Das Schicksal Udets ist die Vorlage für Zuckmayers Drama "Des Teufels General" und mit Riefenstahl hat Udet die Kinoerfolge "Die weiße Hölle von Piz Palü (1929), "Stürme über dem Mont Blanc" (1930) und "SOS Eisberg" (1933) gedreht. Alle drei Filme entstanden bereits vor der Machtergreifung.

Ernst Udet war alkohol- und drogenabhängig und beging am 17. November 1941 Selbstmord... angeblich, weil er mit Hermann Göring im Klinsch lag.

Was mich in diesem Zusammenhang interessieren würde: Wieso setzt Zuckmayer dem Flieger Ernst Udet in seinem Drama durch die Gestalt des Harras ein Denkmal und wieso haut er Leni Riefenstahl in seinem Geheimreport so in die Pfanne? (Ist bei Zuckmayer eventuell auch Impotenz anzunehmen?)

Sowohl Riefenstahl als auch Udet waren bis zum Hals in die Maschinerie der Nazis verstrickt, (Udet war als Flieger sogar an militärischen Auseinandersetzungen beteiligt)... beide Personen waren über die Deutschen Grenzen hinaus im Ausland bekannt und geachtet...

Schade, dass alle drei Beteiligten bereits tot sind und man sie nicht mehr fragen kann...

Des Teufels General von Zuckmayer ist übrigens ein sehr spannendes Drama hinsichtlich der Verstrickung der Menschen mit dem Nationalsozialismus und der Schuldfrage. Ein Flieger aus Leidenschaft wird zum Mitläufer in einem ihn anwidernden System, um seiner Leidenschaft nachzugehen... und daran geht er auch zugrunde.

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