pito hat geschrieben:Goch fährt nach Berlin, um nachzuschauen, wer eventuell Mitglied der NSDAP war.
Um die Parteizugehörigkeit zu klären muss man nicht nach Berlin fahren. Selbst wenn sich das nicht in Gelsenkirchen klären ließe, kann man eine solche Anfrage auf dem Postweg, telefonisch oder per Email stellen...
pito hat geschrieben: Ich habe das auch nicht zu hoffen gewagt, halte das aber für ein tolles Ergebnis unserer Arbeit.
Wenn demnächst eine wissenschaftliche Aufarbeitung zu diesem Thema als Buch erhältlich ist, vom Halfmannshof mitgetragen und unterzeichnet, dann kann man wirklich sagen, das Thema ist geklärt.
Natürlich kann man sich über jede Arbeit freuen, die Licht in die dunkle braune Zeit vor 1945 wirft. Aber die derzeitige Konzentration auf den Künstlerhof geht zu Lasten anderer Themen, die in Gelsenkirchen meines Erachtens eine viel größere Rolle spielen als ein Künstler oder eine Künstlergruppe, von denen ein Teil bestimmt in der Partei war und vielleicht nicht nur mitgeschwommen ist sondern auch davon profitiert hat. Mich würde aber wundern, wenn im Zusammenhang mit dem Halfmannshof spektakuläres ans Tageslicht käme, weil von denen jemand übermässig Dreck am Stecken hat. Das ISG wird wahrscheinlich Hubert Nietsch mit seiner Studie 63 Jahre nach dem Nationalsozialismus nachträglich einen wissenschaftlich fundierten Persilschein im Wert von 30.000 Euro ausstellen...
Ich frag mich allen ernstes, wann endlich mal die Industrieunternehmen Gelsenkirchens und deren herausragende Köpfe Gegenstand der historischen Forschung in Gelsenkirchen werden. Wir waren einst die größte Kohlenstadt Europas, aber die Zechen Gelsenkirchens sind diejenigen, die man am wenigsten kennt. 2010 feiert sich Gelsenkirchen mit dem Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas und alles dreht sich um Zollverein in Essen, um die Jahrhunderthalle und das Berbaumuseum in Bochum, um Zollern in Dortmund etc. Die Bergwerke der grössten Kohlenstadt allerdings sehen im Rahmen dieser Feierlichkeiten eher bescheiden aus, weil sie niemand kennt. Nicht unbegründet, denn es forscht ja auch niemand nach in Gelsenkirchen.
Das erste, was der Stadt für 2010 einfiel, war wieder mal nur Fussball. Aber seit das Thema, auf Schalke ein UEFA Cup Endspiel auszutragen vom Tisch ist, gibts eigentlich auch nichts wirklich großes, mit dem Gelsenkirchen auf der Kulturhauptstadtfeier aufwarten kann.... Nicht, dass wir hier nichts vergleichbares hätten, unsere Industriekultur kennt nur nicht jeder ausserhalb der Stadt.
Wenn man sich die Publikationen des ISG anschaut, dann gibt es zwar den einen oder anderen Bildband über die Kolonien mit alten Fotos von Industrieanlagen, aber das war es. Gegenstand grösserer Forschungen waren sie noch nie.
Wann heißen die Themen in Gelsenkirchen endlich mal GBAG und Rheinelbe? Wann stehen Personen wie Emil Kirdorf im Visir der Arbeiten? Da reichen wahrscheinlich 30.000 Euro nicht aus und dafür wird man nicht nur nach Berlin fliegen müssen.
Wenn das scheinbar einzige Thema des ISG schon Nationalsozialismus heisst, wieso muss man sich mit Nazis der hinteren Reihen auseinandersetzen, wenn diese Stadt auch welche aus vorderster Reihe zu bieten hat? Was ist Mit Dürfeld und Ambros? Wieso kennt die kaum jemand in Gelsenkirchen, wo sie doch namhafte Kriegsverbrecher waren, die wegen ihrer Beziehung zu Auschwitz sogar bei den Nürnberger Prozessen abgeurteilt wurden? Wieso fällt Gelsenkirchenern zum Stichwort "Hydrierwerk Scholven" fast nur die Pionierleistung in Sachen Kohlenhydrierung ein, nicht aber Ambros oder Göring oder Rüstungskonzern? Weil es ihnen niemand sagt. Weil in Gelsenkirchen niemand darüber diskutiert. Vielleicht weil man Leute wie Ambros selbst beim ISG nicht kennt und gar nicht weiss, welche Rolle sie in Gelsenkirchen einst spielten...
Die Industrie Gelsenkirchens, die entscheidend zur Stadtentwicklung beigetragen hat und ohne die die Großstadt gar nicht möglich wäre, scheut das ISG scheinbar, wie der Teufel das Weihwasser und in dem Punkt, besonders was den Nationalsozialismus angeht, ist in Gelsenkirchen noch gar nichts geklärt, nicht einmal Ansatzweise.
Wahrscheinlich werden das irgendwann auch die historischen Forschungseinrichtungen anderer Ruhrgebietsstädte für Gelsenkirchen übernehmen. Auch in diesem Zusammenhang lohnt ein Vergleich mit Hagen, Bochum, Essen etc. ...
ein bisschen noch was zur Präsentation und dann hör ich auf zu meckern:
Ein Institut, welches sich mit der Stadtgeschichte auseinandersetzt, sollte sich nicht nur der Forschung verpflichtet fühlen, sondern auch daran interessiert sein, seine Ergebnisse weiterzugeben. Nicht nur an andere Forscher, sondern auch an die interessierten Bürger. Stichwort Didaktik. Wie gross das Interesse in Gelsenkirchen an der Geschichte ist, sieht man am besten hier bei den Gelsenkirchener Geschichten. Je mehr in diese Internetseite reingestellt wird, um so neugieriger werden die User. Das ISG mag zwar vom Anspruch her selbständig und unabhängig sein, aber nach außen hin wirkt es eher wie ein Amt, da kann auch die wunderschöne Behausung im Wissenschaftspark nichts dran ändern. Öffnungszeiten Di. Mi. Do. 10 bis 17 Uhr. Nein, Bücher können sie nicht ausleihen und ihren Laptop und Scanner können sie leider auch nicht mitbringen...
Was ich vermisse ist eine Bürgernähe, die die Einwohner Gelsenkirchens mit in die Forschung einbezieht, das sind Workshops und Arbeitsgruppen unter wissenschaftlicher Leitung, die genauso zu einem vernünftigen Ergebnis führen können, welches für weitere Forschungszwecke als Buch oder Schriftenreihe aufgemacht werden kann. Es ist unglaublich, wie viel einem zum Beispiel alte Bergleute über ihren Pütt erzählen können und was diese Leute an Fotos, Büchern oder anderen Dokumenten in ihren Regalen stehen haben. Wieso nutzt man diese Chance nicht aus mit solchen Menschen zusammen zu arbeiten, solange sie noch leben und über den Bergbau erzählen können? Beim ISG arbeitet Akademiker, die alle mit Bergbau nichts am Hut haben, die allerdings in der Lage wären, solche Informationen vernünftig aufzubereiten und in den entsprechenden Kontext zu stellen. Mit der Künstlersiedlung Halfmannshof wäre es vielleicht auch möglich gwesen im Rahmen eines Workshops deren Geschichte aufzuarbeiten, immerhin haben die Mitglieder dieser Gruppe reges Interesse an der Aufarbeitung bekundet. Wenn es da wirklich ein Archiv gibt, dann könnte man denen zum Beispiel zeigen, wie man in so ein Archiv Ordnung bringt um es über das Thema Nietsch hinaus längerfristig für andere Forschungsprojekte zugänglich zu machen.
Eine Anfrage oder einen Sachverhalt mit einer Studie bedienen zu können, ist natürlich die Krönung eines jeden Wissenschaftlers und Instituts. Aber wieso muss es der Mercedes sein, wenn man auch mit einem Golf ans Ziel kommen kann? Wenn es sich Gelsenkirchen noch nicht einmal leisten kann, dass sich zumindest die Internetpräsenz des ISG ein wenig informativer und für den User spannender gestaltet, dann stehen die 30.000 Euro für eine Studie erst recht in keinem Verhältnis...
pito hat geschrieben:Wenn dein Webmaster dir für jede noch so kleine Änderung deiner Webseite gleich eine nicht zu knappe Rechnung schickt, dann kannst du deine Seite nicht so pflegen, wie du es gerne wolltest. Und Zeit kostet das ja auch. ...
... wenn mein Webmaster das mit mir machen würdemein lieber Pito, dann würde ich mir wahrscheinlich einen anderen Webmaster suchen, immerhin gilt auch in dieser Branche die freie Marktwirtschaft. Aber wahrscheinlich wird alles, was mit "Gelsen" anfängt, auch mit Unternehmen arbeiten müssen, wo "Gelsen" draufsteht ...