Gelsenkirchen-Planspiel: Jugendliche planen ihre Stadt

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seko1979
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Gelsenkirchen-Planspiel: Jugendliche planen ihre Stadt

Beitrag von seko1979 »

Vier Tage lang hatten interessierte Jugendliche die Möglichkeit im Gelsenkirchen-Planspiel, ausgerichtet von der Junior-SGK und den Jusos Gelsenkirchen, in die Rolle eines Stadtverordneten zu schlüpfen und eigene Ideen für Gelsenkirchen einzubringen. Ein ausgebautes Nachtexpress-Netz, mehr Orte für Jugendliche und besser ausgestattete Schulen sind dabei nur ein paar Beschlüsse des Planspiel-Rates.



Auftakt: Kennen lernen mit "Buuaaahhh!" und "Buh! Buh!"

Etwas seltsam scheinen die neuen Stadtratsmitglieder schon zu sein. Aber schnell zeigt sich, dass dies nur ein Aufwärmspiel namens "Zombie" ist, damit alle wach und locker werden. Nachdem das passiert ist geht es erst einmal ans gegenseitige Kennen lernen. Neben einigen Jusos haben auch zahlreiche Jugendliche, die bisher nichts mit Politik zu tun hatten, den Weg ins Bulmker Alfred-Zingler-Haus der Falken gefunden. Die Palette reicht vom 13-jährigen Schüler bis zur 31-jährigen Sozialpädagogin - ein bunter Haufen also.

Nach einem theoretischen Einstieg in die Kommunalpolitik folgt die Einteilung in Fraktionen. Zu welcher Fraktion man gehört, entscheidet das Los. "Rot, grün oder schwarz?", das ist hier die Frage. Dabei stellt Rot (SPD) - wie im Gelsenkirchener Stadtrat - die größte Fraktion dar, gefolgt von Schwarz (CDU) und dann als kleinste Fraktion die Grünen.

Tag 1: Viele Ideen für ein neues Gelsenkirchen

Nun geht es in die Fraktionsräume, wo die Arbeit beginnt: "Was wollen wir besser, anders, schöner, größer machen?" Alle drei Fraktionen sammeln jede Menge Ideen für ein zukünftiges Gelsenkirchen. Ausbau von Ganztagsschulen, mehr Aktivitäten gegen Rechtsextremismus, eine bessere Schulausstattung, die Stärkung der Arminstraße als Ort zum Ausgehen, ein besseres Nachtexpress-Netz, ein dichteres Radwege-Netz, eine eigene Schalker-Meile, das Sozialticket, mehr Plätze für Jugendliche und noch viele weitere Vorschläge. An Ideen fehlt es den neuen Stadtverordneten auf keinen Fall.

Fraktionstypisch scheinen die Ideen hier nicht unbedingt zu sein. "Das ist auch nicht das Ziel der ersten Phase", erklärt Sebastian Kolkau, Planspiel-Leiter der Jusos. "Jetzt geht es erst einmal darum, dass sich alle mit ihren Ideen und Vorstellungen einbringen können." Ein wenig mehr nach den typischen Parteimeinungen hört es sich aber manchmal auch an: "Wir brauchen unbedingt eine Kameraüberwachung öffentlicher Plätze", fordert Maik (16) in der CDU-Fraktion. Taner (16) fordert mehr Grünflächen in der Stadt - natürlich für die Grünen. Auch die SPD betont ihre soziale Ader: "Ein kostenloses Mittagessen in Schulen für alle Kinder sowie ein Sozialticket für Menschen mit niedrigem Einkommen, das müssen wir noch mit aufnehmen", stellt Lukas (16) fest.

Tag 2: Wichtige Themen in den Ausschüssen

Am zweiten Tag gibt es dann schon die Vorlagen für den Jugendhilfe- und den Bildungsausschuss mit den Vorschlägen und Ideen aus den Fraktionen. Die Grünen, bei denen Taner zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, konzentrieren sich dabei auf ihren Vorschlag, die Arbeit gegen Rechtsextremismus in Schulen zu stärken. "Wir brauchen in jeder Schule einen Arbeitskreis aus Schülerinnen und Schülern zu diesem Thema, die mit Material und Angeboten unterstützt werden", erklärt Behlül (16) die Forderung seiner Fraktion. Die SPD-Fraktion konzentriert sich auf eine Resolution zur Abschaffung des Religionsunterrichtes; stattdessen plädieren die Genossen für einen gemeinsamen Ethik-Unterrichtes. "Das kann zwar nur eine Resolution des Rates sein, die an die Landesregierung weitergereicht wird, aber trotzdem eine wichtige Forderung", erklärt der Vorsitzende der SPD-Fraktion Lukas.

"Mit den Punkten Ausbau der Ganztagsschulen und kostenloses Mittagessen für die Kinder scheinen wir die gleiche Position wie die CDU zu haben", erklärt Katharina (15) von der SPD. "Da scheinen wir eine entsprechende Mehrheit zu haben", stell sie abschließend fest. Dies bestätigt auch Sandra (21), Fraktionschefin der CDU. "Ganztag und Mittagessen sind für uns ja kein Problem mehr. Da wir die CDU vertreten, müssen wir natürlich gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts sein", erklärt sie ihren Mitstreitern. "Im Jugendbereich wollen wir uns auf eine Verbesserung bei der Drogenberatung konzentrieren. Wer möchte denn diese Forderung nachher vorstellen?", fragt sie in die Runde. Clarissa (21) darf dies dann im Jugendhilfeausschuss für die CDU-Fraktion machen.

Nach dem Mittag geht es auch schon in die Ausschüsse. Insgesamt stehen elf Vorlagen zur Beratung. SPD, CDU und Grüne tauschen ihre Meinungen aus, finden Gemeinsamkeiten oder auch die - teilweise künstlich aufrecht erhaltenen - Unterschiede. "In Wirklichkeit bin ich persönlich auch für die Abschaffung des Reli-Unterrichts, aber ich spiele ja heute einen CDU-Ratsherr", erklärt Tobias (22) augenzwinkernd. "Die Diskussion war auf jeden interessant und lustig", resümiert der Planspiel-Konservative.

Tag 3: Kompromisssuche und hitzige Ausschussdebatten

Am Tag 3 stehen der Sozial- sowie der Verkehrs- und Stadtplanungsausschuss an. Auch hier beraten die Fraktionen am Vormittag ihre Strategien und Forderungen. "Wir müssen möglichst viele neue Naturflächen durchbekommen", schwört Sybille (31) die Grünen-Fraktion auf den Nachmittag ein. "Vielleicht kriegen wir ja Kompromisse mit der SPD oder der CDU hin", ergänzt Taner als Grünen-Chef.

"Der Nachtexpress ist unser Thema. Wir müssen eine Ausweitung der Taktzeiten hinbekommen", fordert Julia (21) in ihrer SPD-Fraktion. "Als CDU setzen wir unseren Schwerpunkt auf den Bereich Stadtplanung. Wir brauchen mehr Orte zum Ausgehen in Gelsenkirchen. Weitere Ansiedlungen in der Arminstraße und in Buer sowie eine Großraumdisko auf einer Brachfläche sollen Ziele für die Stadtmarketing und die Wirtschaftsförderung werden", erklärt Sandra ihrer CDU-Fraktion. "Die Kameraüberwachung von öffentlichen Plätzen müssen wir auch gut einbringen. Hier werden SPD und Grüne Stimmung machen. Wer möchte da in die Diskussion?", fragt Sandra verantwortungsbewusst. Maik meldet sich freiwillig dafür.

In den Ausschüssen geht es natürlich bei der Kamera-Diskussion hoch her. Wie erwartet. "Kameras schützen keine Menschen, sind teuer und einen Überwachungsstaat lehnen wir grundsätzlich ab", gibt Lukas die Position der SPD wieder. Bei den Punkten Nachtexpress und Verbesserung der Arminstraße sind sich wieder alle drei Fraktionen einig: Hier muss sich einiges tun.

Tag 4: Show-down im Stadtrat

Die Rats-Sitzung mit dem großen Show-down folgt am vierten und letzten Tag des Gelsenkirchen-Planspiels. Jetzt geht es bei den Forderungen ums Ganze: Gibt es eine Ratsmehrheit für die Vorschläge und Ideen? Haben sich die Fraktionen auf gemeinsame Positionen einigen können, oder ist alles zum Scheitern verurteilt? Eines steht aber schon fest: Spaß gemacht hat es bereits allen und eigentlich sind die Teilnehmer irgendwie traurig, dass es schon der letzte Tag sein soll.

"Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Ich freue mich, Sie herzlich zur ersten Ratssitzung begrüßen zu dürfen. Die Tagesordnung liegt Ihnen ja vor. Sie sehen, es gibt viel zu beraten", stellt der Spiel-Oberbürgermeister Sebastian (24) fest. Diszipliniert sitzen die Stadtverordneten auch bei ihrer Fraktion. Alle sind gut vorbereitet und warten gespannt auf ihre Wortbeiträge zu den Anträgen und natürlich auf die Abstimmungen. "Wir starten mit dem Tagesordnungspunkt 1: Verkauf öffentlichen Eigentums der Stadt Gelsenkirchen", fährt Planspiel-OB Sebastian fort. "Ein Antrag der CDU-Fraktion. Wer möchte dazu was sagen?". Nach einigen Wortbeiträgen aus allen drei Fraktionen lehnen die Fraktionen von SPD und Grüne den CDU-Antrag erwartungsgemäß ab. Weiter geht es zu Punkt 2 "Flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen" und es folgen noch weitere 24 Punkte, bei denen sich SPD, CDU und Grüne noch einmal einige abschließende Wortgefechte liefern.

Abschluss: Party, Resüme und Ausblick

"Es war auf jeden Fall eine interessante Erfahrung und es hat super viel Spaß gemacht", resümieren Jason (18) und Kevin (13) die vier Tage im Alfred-Zingler-Haus. Auch Vanessa (26) konnte viele neue Eindrücke sammeln. "Kommunalpolitik ist gar nicht so einfach, wenn man möglichst viele Interessen unter einen Hut bekommen soll", stellt sie fest.

Auf der abschließenden Party konnten sich alle noch einmal austauschen und Spaß haben. Die Vorschläge, die die jungen Teilnehmer beim Planspiel entwickelt haben, bleiben aber danach noch erhalten und sollen bald dem echtem Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Frank Baranowski, übergeben werden. Wer weiß, vielleicht wird aus der einen oder anderen Idee dann doch Realität.

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