Kulturhauptstadt-Tagebuch

[hörmal]

Jetzt ist es so weit.
Seit gestern sind wir Kulturhauptstadt, na ja, zumindest ein Teil davon.
Und jetzt, was passiert jetzt?
Was haben wir jetzt davon?
Wo und wie können wir davon profitieren, was gibt uns dieser Titel und wie erleben wir das kommende Jahr?
Ist es eine Chance oder nur ein Event an bei dem sich der Eine oder die Andere in den Vordergrund stellen kann?
Fragen über Fragen und das ist erst der Anfang.
Schreibt doch mal auf, wie und wo euch Kulturhaupstadt begegnet, was alles dazu gehören kann und wie vielleicht jede/r einzelne von uns einen kleinen Beitrag leisten kann, wenn er/sie das überhaut will.
Vielleicht können wir ja am Ende des Jahres sagen: Mensch, wir haben was draus gemacht und eigentlich sollten wir weiter machen, auch wenn dann den Titel eine andere Stadt bekommt.
Lasst uns mal protokollieren, was da zusammen kommt in unserer Stadt, der mancher Kultur so gerne absprechen möchte.
Auf gehts!

[hörmal]

Die Gelsenkirchener Geschichten, bzw. ganz viele User davon, gehen ja mit einigen Dingen für 2010 schon lange schwanger. Die Urbanausen, bereiten ihre Projekte schon seit der Mitte des letzten Jahres vor und und einiges steht nun in den Startlöchern.
Die Buchredaktion hat den größten Teil ihres Projektes schon fertig, nämlich das Buch.
Für 2010 sollen damit dann Vorlesungen veranstaltet werden.

[Troy]

Liebes Tagebuch,

...gezz ma ganz unter uns, man willja nix unnötig mit ins Neue Jahr schleppen...
Silvester, da hab ich deshalb die Jahreswechsel-WAZ ins Altpapier tun wollen.
Und siehe da, überlesen hatte ich ne ganze Seite extra zum Thema von hörmal sein Fred, hier mit Namen "Kultur geht alle an", aber leider nicht online.
Jedenfalls war da ne Frau (Mitarbeiterin einer Parfümerie) abgebildet mit einem Kulturbeutel unterm Arm. Ihre knappe Feststellung zitiere ich hier mal WAZ-getreu:

Ein Kulturbeutel, sagt Michaela L. aus Bochum, "sei eine Anschaffung fürs Leben," ... "Hinein kommt, was sonst im Regal steht, sagt die Filialleiterin: Deo, Abdeckrcreme, Nageletui, Lippenstift: "aufklappen, alles rein, und ab geht die Reise". Das Pflegeritual "gehört zur Kultur, das gab es immer schon und wird es immer geben" und macht man sich nicht auch hübsch für einen Theater-Abend?

So, und nun meine Kreativ-Anfrage zum Mitmachen:
Wo finden sich Austattungstipps, die dekorativ den GG-Kulturbeutelhauptstadtbeutel-Style ergänzen könnten...
Düfte 2010
Make-Up 2010
Frisuren 2010
Mode 2010

Troy

[Troy]

So, habe also das Kulturhauptstadt-Tagebuch wieder rausgeholt.

Liebes Tagebuch,

es ist wie es ist:
Man kann auch ohne offizielle "Ruhr 2010" durch die Woche kommen.
Da ist schonmal tröstlich, mann MUSS nirgends hin und überlebt trotzdem.

Mein herzallerliebster Alternativ-Auftakt 2010 war die Lesung von Michael-Klaus-Texten am 13.Januar in der werkstatt.
Eine Perle von Veranstaltung:
Klein, fein, stimmungsvoll - und sie entführte in die unendlichen Weiten von Michaels Textwelt.
Der größte Geschichtenerzähler des Ruhrgebietes - mal sehen, ob und wo er in der offiziellen Kulturhauptstadt-Parallelwelt nochmal auftaucht.
Ich hab da so meine Vermutungen...

Mein alter Kumpel P. fragt mich am Telefon: "Und, wie findste die Hymne?"
"Jau, die hab ich noch nichtmal gehört. Nur so`n Ausschnitt: Komm zur Ruhe!"
"Nööö," sagt mein Kumpel, "das heißt "Komm zur Ruhr!"
Ach so. Ich denke nach: Und das mit dem Timbre von "Bochum"?
Ich antworte: "Der kann sich nicht mehr selbst kopieren."
Und ich denke an meine wenigen ARENA-Besuche: "Wir sind das Ruhr-ge-biiiiiiiiet!!!"
"Nö", sag ich zu P., "lass mal stecken, das mit der Hymne, das ist doch schon erledigt, den Wolle kannz da nich toppen!"

Dann Menschen um mich rum, die ständig beschäftigt sind mit ihren persönlichen Kultur-Planungen:
Hierhin und dorthin gehen im Februar,
und dann auf jeden Fall im Mai,
und danach Bochum, und in Essen soll ja auch...
Meine Güte, Konzerte mit Orgel, ach wie lieb ich die!

Ich stumpfe bereits jetzt ab, duch bloßes Zuhören.
Ich fürchte, ich werde kulturhauptstadt-resistent.

Allerdings: Freu mich darauf, bald mal vonner Nebenstraße in die Hauptstraße zu gehen.
Und mir den Kopf von der auf Planen gebannten Kunst verdrehen zu lassen!

[hörmal]

[Troy]

Liebes Tagebuch,
neulich saß ich mit einem Kollegen zusammen, der aus Istanbul stammt und schon lange in GE lebt und arbeitet.

"Hey", sag ich zu ihm, "ihr habt ja auch Kulturhauptstadt, oder?"
"Ja," sagt er, "aber man merkt hier nix davon!"

Liebes Tagebuch,
das stimmt, mir ist bisher noch nichts über den Weg gelaufen, was die beiden Kulturhauptstädte zusammen bindet.
Und dann war da doch noch eine dritte Stadt - in Ungarn.
Gibt es eigentlich Ungarn in Gelsenkirchen?

[Troy]

Liebes Tagebuch,

beim Aufräumen bist du mir heute aus dem Regal entgegen gefallen.
Tja, passgenau zum Thema "Kulturranking", das momentan in der WAZ verhackstückt wird.
Da steht viel:
http://www.derwesten.de/staedte/gelsenk ... 45260.html
Kurz: GE ist nicht der Knaller, aber auch nicht der Looser.
Und wer das in Auftrag gegeben hat, das ist auch so'ne spezielle Sache.
Es geht natürlich um Wirtschaftsperspektiven... klar.
In 2010 waren wir Ruhr 2010 ja alle mal wer im Kulturwirtschaftsbetrieb, mit Istanbul und dieser Stadt in Ungarn (die ich schon wieder nicht weiß).

Meine größten Fragezeichen habe ich hier:

"...und wie hoch die Künstlerdichte je 1000 Einwohner im Jahr 2012 ausfällt."

Wie wird das denn gemessen?
Wer ist ein Künstler bzw. wird als solcher gezählt?
Und wer legt die Parameter für "Künstlersein" fest?

Liebes Tagebuch,

auch nach dem Kulturhauptstadtjahr sind wir irgendwie noch nicht richtig weiter...
und weißt du zufällig, wie es in Istanbul und Ungarn aussieht?

[pedder vonne emscher]

Nach dieser Umfrage stellt sich bei mir die Frage, wie Kultur definiert wird. Kultur ist für mich was anderes, als es in diesem Ranking bewertet wurde.

Die Anzahl von Theater-/Kinoplätzen ist für mich kein Kriterium. Ebenso die Anzahl der Büchereiausweise oder andere Posten in dieser Studie.

Stuttgart liegt in dieser Studie an erster Stelle. Von mir aus. Ich möchte dort nicht begraben sein. Meine Heimat ist hier zwischen Lippe und Ruhr. Hier fühle ich mich wohl.

Was ist mit der Kneipenkultur? Wurde die in der Studie genügend berücksichtigt? Glaube ich kaum. Es wurde meiner Meinung nach nur Kultur für Besserverdiendende ausgesucht. Es gibt aber gerade hier im Ruhrgebiet auch eine Kultur, die das schmale Budget der Bevölkerung beinhaltet.

Kultur ist vom Betrachtungswinkel abhängig.

Da fällt mir soeben noch was ein. Die Szenerie der ehemaligen Bergbaustandorte. Was ist aus den ehemaligen Kauen, Maschinenhallen, etc. geworden? Route der Industriekultur. Diese Fuzzies aus Hamburg haben doch gar kein Gespür, was hier Kultur ist.