Emschertinte - Geschichten aus Gelsenkirchen selbst gemacht

Stellt hier bitte eure Fotos, Bilder, Gemälde, Skulpturen, Lieder, Songs, Texte und Filme über Gelsenkirchen ein. Liebeserklärungen sind ebenso willkommen wie Hass- Spott- und Schmähgesänge .. Kreisler war doch so schön!

Moderatoren: Verwaltung, Redaktion-GG

Benutzeravatar
Benzin-Depot
Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 18790
Registriert: 19.01.2008, 02:38
Wohnort: Gelsenkirchen

Beitrag von Benzin-Depot »

Lo hat geschrieben:mein Hüfthalter bringt mich heute noch um!:roll:
Liebe Lo,

das ist wirklich ein starkes Stück (Klick) :shock:
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

Schacht 9
† 17.07.2016
Beiträge: 2418
Registriert: 04.07.2007, 21:45
Wohnort: Gelsenkirchen Bismarck

Beitrag von Schacht 9 »

Bild
Lo hat Recht, es gibt für alles eine Lösung. Ein Geschenk zum Vatertag.

von waldbröl
Abgemeldet

Beitrag von von waldbröl »

Tach gesacht :D
@ Schacht 9. Hab einige Kartons Aspirin zu hause, wenn du das leckere Licher getrunken hast, kannste gerne bei mir vorbei kommen und dir gegen deine Kopfschmerzen einigeTabletten abholen. :wink:
LG Wolle

Benutzeravatar
Lo
Ehemaliges Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 6724
Registriert: 22.09.2007, 17:34
Wohnort: Oberhausen (früher Erle...)
Kontaktdaten:

Beitrag von Lo »

[center]
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 174#153174

Das ist des armen Dichters Los:
er dichtet einfach rigoros,
schreibt Reime hin, vergisst die Zeit,
bedenkt nicht, dass auch Übelkeit
die Leser, die sehr schwach im Wesen,
ereilen könnte dann beim Lesen.
Heut wurd schon wieder einem schlecht.
So´n Dichter macht es keinem recht.

Lo :computer:
Gestern dicht.
Heute Dichter.

[/center]
Komm´doch mal gucken: https://www.kohlenspott.de/

Benutzeravatar
Kalle Mottek
† Leider verstorben
Beiträge: 880
Registriert: 06.07.2007, 20:55
Wohnort: Dorsten
Kontaktdaten:

Beitrag von Kalle Mottek »

Dem WoKaDeh,dem geht es schlecht,
Lo trifft seinen Kunstgeschmack nicht recht.
Doch muss man darum dissen?
Das könn`n wir gut vermissen.

Les`ich den Lo,
so werd ich froh.

Lo mach weiter so!

Schönen Gruß!

Kalle Mottek
S04-mein Verein.
GE - meine Stadt.
GEW - meine Gewerkschaft!

Benutzeravatar
Lo
Ehemaliges Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 6724
Registriert: 22.09.2007, 17:34
Wohnort: Oberhausen (früher Erle...)
Kontaktdaten:

Nieder mit den Sitzriesen!

Beitrag von Lo »


Nieder mit den Sitzriesen!

Dat Leben is ungerecht.

Neulich im Aalto-Theater.
Architektonisch ein Traum - auch dat Programm-Angebot.
Ballett, Oper, allet, wat das Härz begehrt.
"La vie en rose" - immer ausverkauft.
Gottseidank wurde et wegen großer Nachfrage inne neue Saison wieder aufgenommen.
Dat heißt: die Schangsse, datte Karten dafür kriss, war da.
Und et klappte: ich hab Karten!
Töfte.
War zwar noch Monate hin, aber egal: Hauptsache, erst mal Karten.
Erster Balkon, zweite Reihe.
Erste Reihe wär auch noch frei gewesen,
aber der Unterschied im Preis ist schon wat happich.
Also zweite Reihe.
Die Monate der Vorfreude verrauschen - und der Abend is da.
Baden, Fußnägel schneiden und frische Unterbuxe an,
falls man unterwegs ungeplant in´t Krankenhaus kommt - Schickmachen, einmüffeln,
und dann ab mitte Limousine nach Essen.

Gläsken Sekt im Forjeh und den Balkon aufsuchen.
Schöne Plätze mit Blick direkt auffe Bühne.
Im Orchestergraben Übungsgedudel, kann gleich losgehen.
Kurz, bevor dat Licht schummerich wird, kommt ein Pärchen.
Sie klein, er erstmal auch.
Dann setzt der Kerl sich vor mich und....?

Ja, watt is datt denn?
Der scheint zu stehen!
Der wird nich kleiner!
Ich seh nix!
Hömma!
Hallo?
Der sitzt!
Und vor mir is allet dunkel!
ALARM!
Dat is ein SITZRIESE!
Der verdeckt mit seinen Schultern die ganze Bühne.
Und der Kopp: mal nach rechts, dann mal nach links.
Um wat zu sehen, mache ich genau dat Gegenteil: er nach rechts - ich nach links.
Wat zur Folge hat, dat mein Hintermann dat Gegenteil von dem macht, wat ich mache.
Und dem sein Hintermann wiederum - und so weiter.
Dat heißt: der Sitzriese löst, ohne datter dat weiss,
mit jeder seiner Bewegungen hinter sich eine La-Ola-Welle aus!
Der ganze Balkon is am Bewegen!

Boah, ich hasse Sitzriesen im Theater oder im Kino.
Die müssten vorher anne Ticketkasse vermessen werden.
Und nur auffe hinterletzte Plätze dürfen.
Oder et müssten Sondervorstellung geben: nur für Sitzriesen.
Die sitzen sich dann ja nich gegenseitig im Weg.

Vonne Vorstellung happich nur die Hälfte mitgekricht.
Aber einen Trost happich - und dat is auch gerecht:
in sonnem Steh-Imbiss,
da hat son Sitzriese dann aber die Arschkarte,
da kannet schomma passieren,
dat so ein Sitzriese im Steh-Imbiss verhungert,
weiler nich drankommt.
Von mir aus....

Bissi Tage!

Lo

Benutzeravatar
Lo
Ehemaliges Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 6724
Registriert: 22.09.2007, 17:34
Wohnort: Oberhausen (früher Erle...)
Kontaktdaten:

Beitrag von Lo »

[center]


Irgendwann fand ich irgendwo im weltweiten Netz
eine Idee, die mir spontan gefiel und die ich gerne einmal
umsetzen und weitergeben wollte.
Heute erinnerte ich mich wieder an sie.

Man fotografiert einen Teil seines Bücherregals
und lässt die Buchrücken erzählen.
Nachmachen ist unbedingt erwünscht...[/center]
[center]Nennen wir sie doch ganz einfach

Bücherregalgeschichten.
Wenn Bücherregale Geschichten erzählen.[/center]
[center]Bild
Eine ganz andere Geschichte.
Der Mann, der den Zügen nachschaute.
Eine Stadtbereisung.
So schön wie hier kann`s im Himmel gar nicht sein.
Ich bin dann mal weg.
Nachtzug nach Lissabon.
Choral am Ende der Reise.
Feuchtgebiete.
Happy Days?
Frau Malenki liebt Heinz Maegerlein.
Manchmal nur in Unterbuxe.
Komm, wir schießen Kusselkopp.
Gut gegen Nordwind.
Pokorny lacht.
Irre!
Hummeldumm.
Schluss mit Lustig.

________________

Der Titelfolge etwas nachzuhelfen ist nicht verboten ;-)

[/center]

Benutzeravatar
-Locke-
Beiträge: 1560
Registriert: 26.06.2008, 18:09

Beitrag von -Locke- »

[center]Bild[/center]

[center]Einstein in der Küche oder warum das Wasser Tango tanzt :
- Mathematik für die Fachhochschulreife ???
- Hackfleisch ???
- Dimensionen des Unbewußten ???
Die Sprache des Zufalls,
Der Weg des Künstlers.
C r a z y
Götter des Wandels !
"Drehen Sie sich um, Frau Lot !"
........640x3 Aspekte Alle 12 Winkel :
*Female Body Parts
*Sexy Robot
*Gesichtsdeutung und Astrologie
*Himmelsgefährten
Magischer Spiegel Liebe !!!
Geschichte des Glaubens:
G ä n s e h a u t Schauergeschichten !
Astrologie, Karma und Transformation,
Optische Täuschungen .
Die verzauberte Katrin
Apfelessig für Küche, Haushalt und Schönheitspflege.
Vergiss deine Brille !
[/center]
[center]____________________________________________________________
Nunja, die Satzzeichen sind geflunkert.[/center]

Benutzeravatar
Anne Bude
Beiträge: 1302
Registriert: 16.10.2008, 19:09
Wohnort: hart an den Grenzen

Beitrag von Anne Bude »

Das hat was!

Benutzeravatar
Lo
Ehemaliges Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 6724
Registriert: 22.09.2007, 17:34
Wohnort: Oberhausen (früher Erle...)
Kontaktdaten:

Beitrag von Lo »

[center]Bild

DINER FOR ONE IM RUHRPOTT
Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers.
„Darf´s ein bißchen mehr sein?“
„Maria, ihm schmeckt´s nicht!“

Meine Mutter und ich. Eine von uns.

Hömma, Härzken!
Frau Malenki liebt Heinz Maegerlein.

Mein erstes Auto
Im Schatten der Zeche

Gehen wa baden nach Grimberg?
Das Parfum.
Als die Pille in die Emscher flog.

Das rote Sofa der Gelsenkirchener Geschichten.
Am Fuß der blauen Berge.
Als der Kohlenpott noch schwarz-weiß war.

Hasenbrot.
Bullemann & Co.
Wie haben wir das nur überlebt?

_______________ o _______________


[/center]

Benutzeravatar
Lo
Ehemaliges Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 6724
Registriert: 22.09.2007, 17:34
Wohnort: Oberhausen (früher Erle...)
Kontaktdaten:

Kommen Sie zurecht?

Beitrag von Lo »

[center]"Kommen Sie zurecht?"
Bild[/center]
"Ganz schön schubbich isset!"

Oder "usselig", wie man in Gelsenkirchen und Umgebung zu sagen pflegt, wenn eisigkalter Wind mit Nieselregen gepaart die Menschen lieber ins Warme flüchten lässt, als dass sie durch die vorweihnachtlich lichterstrahlende City flanieren und windowshopping betreiben, wie es heute auf neudeutsch heißt.

Trotz des ungemütlichen Usselwetters brummt es aber in der Fußgängerzone.
Vor den Weihnachtsmarkt- und Bratwurstbuden - und besonders um die Glühweinstände herum - scharen sich fröhliche, manchmal schon leicht angeglühte Menschen, ihre heißen Tassen mit beiden Händen umfassend, um sich auch äußerlich ein wenig daran zu erwärmen.

Mir ist kalt. Ich schaue mir das bunte Treiben an und erinnere mich plötzlich an Bilder aus meiner Kindheit, um wieviel schlichter doch die Geschäfte früher zur Weihnachtszeit geschmückt und beleuchtet waren: meist mit Tannengirlanden und vielen Glühbirnen daran. Die Spielzeugläden hatten als Attraktion eine elektrische Eisenbahn im Schaufenster, die dort stundenlang ihre Runden drehte und für Spuren von plattgedrückten Kindernasen auf den Schaufensterscheiben sorgte.

Ein wenig sentimental gehe ich weiter,
der Wind ist ungemütlich, ich schlage meinen Mantelkragen hoch und betrete wenig später das strahlend hell erleuchtete Bekleidungshaus. Licht lockt Leute!, so sagt man. Und warm ist es dort.
Gleich im parterre - die Herrenabteilung. Ein Tick von mir: Hemden.
Wenn mir eines spontan gefällt, nehme ich es mit. Bezahlt natürlich.
Die Wärme des Hauses genießend schaue ich mir Hemden an, fühle den Stoff, schaue auf den Preis, suche weiter.

Plötzlich erscheint neben mir eine junge Frau, wie aus dem Nichts, schaut mich sehr freundlich an und fragt:

"Kommen Sie zurecht?"

Ein Glücksgefühl überkommt mich. Überraschend.
Ein Mensch interessiert sich für mich,
für mein Leben, möchte wissen, ob ich zurecht komme.
Ich bin sprachlos und spüre einen leisen Hauch von Gerührtheit:
es gibt also doch noch Menschlichkeit, ehrliches Interesse am Mitmenschen, Empathie, Anteilnahme.
Mag sie mich? Wirke ich vielleicht interessant auf sie?

"Kommen Sie zurecht?"

Diese Frage, ich habe sie noch im Ohr und weiss gar nicht, was ich diesem wunderbaren Menschen entgegnen soll. Komme ich wirklich zurecht?
Soll ich ihr sagen, dass ich eigentlich recht zufrieden mit meinem Leben bin?
Dankbar darüber, mein Leben lang gesund geblieben zu sein?
Und dafür, dass meine Familie gesund ist? Dass ich aber manchmal auch meine kleinen Sorgen und Nöte habe?
Na ja, dass es hier und auch schon mal Wünsche gibt, dass ich mir manchmal mehr Zeit wünschte für die Dinge, die ich immer schon einmal machen wollte? Dass ich so gern einmal ein ganzes Jahr am Meer leben würde, und schreiben, malen und alles das tun, wonach mir gerade ist?

Ja, doch: ich komme zurecht.

Ich schaue die junge Dame freundlich voller Dankbarkeit über ihr Interesse an mir an - und bevor ich ihr antworten kann, sagt sie lächlend:
"Wir haben diese Hemden auch in "Regular fit", falls Sie mit "Slim fit" nicht zurecht kommen sollten!"

Peng!
Wusst´ ich´s doch: die Welt ist schlecht.
Und dat vor Weihnachten!

Bissi Tage!
Lo
Komm´doch mal gucken: https://www.kohlenspott.de/

Benutzeravatar
Westfale
Beiträge: 810
Registriert: 27.09.2009, 16:16
Wohnort: Buer

Schwatter Stern

Beitrag von Westfale »

Aus der Anthologie Budenzauber zum Tag der Trinkhallen

Schwatter Stern

Meine Bettelei bei Oma war erfolglos, erst in drei Tagen kann sie sich ihre Witwenrente für August von der Post abholen. Mit sehnsüchtigen Augen und fünf Pfennigen in der Hosentasche stehe ich vor der Seltersbude an der Ecke Heßler- und Haldenstraße. Hinter den halb blinden Seitenfenstern stehen die Knickerwasserflaschen, die mit der Glaskugel als Verschluss, gefüllt mit grüner Waldmeisterbrause. Daneben Glasbehälter mit Bonbons und Pastillen in vielen Geschmacksrichtungen. Am liebsten mag ich die Knöterich- und die Salmiakpastillen.
Mit fünf Pfennigen sind all diese Leckerbissen für mich unerreichbar. Oma als Taschengeldquelle fällt ja einige Tage aus, vielleicht habe ich heute Abend mehr Glück. Manchmal muss ich für meinen Papa noch ein paar Flaschen Bier von der Seltersbude holen. Dann bleibt von dem Wechselgeld auch für mich noch etwas über.
Fünf Pfennige, das reicht noch nicht einmal für ein paar Salmis, das sind diese viereckigen Salmiakpastillen, die man mit ein bisschen Spucke auf die Handoberfläche klebt. Damit kann man schöne Muster und Figuren formen, die man langsam wieder ableckt, das schmeckt richtig gut. Die einfachste Figur ist der schwarze Stern. Mein bester Freund Walter kann mit den Salmiakpastillen die schönsten Figuren auf die Handrücken kleben. Das ist eins der Lieblingsspiele der Jungens aus unserer Gegend. Ab und zu lassen wir auch die Mädchen, die Schicksen mitspielen, manchmal, nicht immer.
Das Fenster der Seltersbude steht weit offen. Emsiges Geklapper verrät, dass Gegenstände hin und her bewegt werden. In knapp einer halben Stunde ist Schichtwechsel auf der Zeche Wilhelmine Victoria. Dann strömen Hunderte durstige Kumpel aus dem nur 100 Meter entfernten Zechentor. Ein Großteil davon wird direkt die Seltersbude von Walburga Szepan ansteuern, denn heute ist auch noch Zahltag. Vorsorglich hat Walburga schon mal sechs Reihen Taschenflaschen des bekannten ‚Bergers Grubenkorn‘, der Flachmann zu 85 Pfennig, bereitgestellt. Das müsste für den ersten Ansturm reichen. Heute herrscht Hochbetrieb, in der Lohnhalle der Zeche und an der Seltersbude.
Die Seltersbude der alten Szepan mit der abblätternden grünen Farbe und der geflickten Dachpappe ist der Treffpunkt der Kinder aus unserer Straße. Eine Welt, wie sie sich in den 50er Jahren Kindern im Ruhrgebiet bietet. Wir spielen in Ruinen und auf der Halde der Zeche Wilhelmine. Sobald wir ein paar Pfennige zusammenhaben, geht es zur Bude von Walburga Szepan. Dort warten all die Köstlichkeiten, von denen man als Zwölfjähriger träumt.
Die alte Szepan muss wohl bemerkt haben, dass ich heute kein Geld für Süßigkeiten habe. Wenn sie bei guter Laune ist, schlägt ihr weiches Herz durch. Heute ist sie bei guter Laune, heute ist Zahltag auf der Zeche und sie hat viel ‚Bergers Grubenkorn‘verkauft. Sie gibt mir eine Glasflasche, halbgefüllt mit Leitungswasser. Dazu schenkt sie mir einige Bruchstücke ihrer Lakritzstangen. Ab mit dem Lakritz in die Flasche, Daumen auf die Öffnung und solange kräftig schütteln, bis sich der Lakritz aufgelöst hat. ‚Schäumchen ziehen‘ nennen wir das. Es bildet sich ein braunes trübes Gesöff mit viel Schaum drauf. Das schmeckt nicht ganz so gut wie die Waldmeisterbrause aus der Knickerflasche oder die Salmifiguren, aber es ist umsonst.
Ich bin gerade mit meinem geschenktem Lakritzwasser und dem ‚Schäumchen ziehen‘ beschäftigt, als mein bester Freund Walter um die Ecke kommt. Walter grinst, er war wohl in Sachen Taschengeld erfolgreicher als ich. Er kauft bei der alten Szepan für zwanzig Pfennig eine Großportion Salmis. Die füllt die Pastillen in einer ihrer braunen Papiertüten ab.
Mein Freund Walter hat sich einige neue Figuren mit den Salmis ausgedacht. Die will er mir unbedingt zeigen. Anschließend sitzen wir an einem mit Wasser gefüllten Bombentrichter, ärgern die Frösche und lecken die Figuren auf der Hand wieder ab.
Das Leben ist wunderschön, 1954 direkt neben der Zeche Wilhelmine Victoria. Man kann in Ruinen oder auf der Halde spielen, bald sind wieder Herbstferien. Für alles, was Zwölfjährige so brauchen, gibt es die Seltersbude der alten Szepan. Man hat gute Freunde und die Figuren aus den Salmis schmecken.


Auf der Fahrt zum Friedhof habe ich mir eine Tüte Salmis gekauft. Nicht bei der alten Szepan. Ihre Bude gibt es seit fast 60 Jahren nicht mehr. An der Stelle verläuft jetzt die vierspurige Hans-Böckler-Allee. Die Zeche Wilhelmine wurde schon 1960 geschlossen. Das Fördergerüst steht in einem Industriemuseum. Im einzigen, nicht abgerissenen Gebäude befindet sich heute die Veranstaltungshalle „Die Kaue“.
Ich habe die Salmis bei REWE gekauft. 150 Gramm zu 99 Cent, abgepackt in einer Plastiktüte. Sie sehen aus und schmecken wie früher, bilde ich mir wenigstens ein.
Vor der Trauerfeier habe ich mir auf dem linken Handrücken aus den Salmis mit Spucke einen ‚schwatten Stern‘ geklebt. Klappt wie vor 60 Jahren, Walter hätte ihn mit Sicherheit schöner hinbekommen.
Als ich am offenen Grab stehe, verzichte ich auf die übliche Schaufel mit Erde. Ich werfe meine Tüte mit den Salmis auf den Sarg.

Walter soll damit neue Bilder und Formen entwerfen, Zeit genug hat er ja jetzt.

westfale

Benutzeravatar
Pedda Gogik
Beiträge: 2083
Registriert: 15.07.2014, 17:41
Wohnort: Buer-Centraal

Beitrag von Pedda Gogik »

Eine schöne Geschichte, die eine Zeit wieder auferstehen lässt, die einige noch kennen und auch auf die Vergänglichkeit des Seins hinweist.

Benutzeravatar
Ego-Uecke
† 17. 10. 2019, War Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 11936
Registriert: 24.02.2007, 10:43
Wohnort: Gelsenkirchen-Ückendorf

Beitrag von Ego-Uecke »

Wirklich schöne Geschichte, Erinnerung an Kindertage, Dankefür.
Werde ich wohl kopieren und irgendwann vorlesen. Gelegenheiten dazu wird es geben.

Benutzeravatar
Westfale
Beiträge: 810
Registriert: 27.09.2009, 16:16
Wohnort: Buer

Beitrag von Westfale »

Ego-Uecke hat geschrieben:Wirklich schöne Geschichte, Erinnerung an Kindertage, Dankefür.
Werde ich wohl kopieren und irgendwann vorlesen. Gelegenheiten dazu wird es geben.
Warum kopieren??? Mein Beitrag war eher zum 'anfüttern' zum 'Appetit anregen' gedacht. Schließlich steht Weihnachten vor der Tür. Im Büchlein finden sich weitere Geschichten aus GE und von GE-Autoren.
Hier der Verlagslink:
http://www.klartext-verlag.de/bookdetai ... 375-1707-1

Übrigens wird die beschriebene Trinkhalle hier in den GG im Thread Wilhelmine Victoria behandelt. Ich habe im Archiv ein Foto gefunden, welches die Trinkhalle erahnen lässt.
Auf dem Foto sieht man das Dach der Trinkhalle oberhalb der Buchstaben Tr
Bild

westfale

Antworten