Pessimismus, Melancholie, Hoffnungslosigkeit?

Stellt hier bitte eure Fotos, Bilder, Gemälde, Skulpturen, Lieder, Songs, Texte und Filme über Gelsenkirchen ein. Liebeserklärungen sind ebenso willkommen wie Hass- Spott- und Schmähgesänge .. Kreisler war doch so schön!

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Heinz
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Pessimismus, Melancholie, Hoffnungslosigkeit?

Beitrag von Heinz »

Beitrag abgekoppelt aus diesem Fred http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 925#134925 Bezug war die pessimistische Weltsicht des Künstlers, die in der melancholischen Zeichnung und der These, dass alle allein seien, zum tragen kommt. Pessimismus, Nihilismus und Kunst in dem Fred so zu thematisieren war unerwünscht.
Wer mag das sein - oder, gesucht wird:
Eine Person, die ein Einsiedlerleben in ärmlichen Verhältnissen führt. Jemand, der Preise ablehnt, Ruhm, Ehre, Bekanntheit - sogar das Preis-Geld und sich in eine karge Mansardenwohnung zurückzieht als Dauerstudent.
Die gesuchte Person macht oft Gewaltmärsche bis zu 30 Kilometer am Tag durch ihre Stadt.
Sie lässt sich treiben, erkundet im Müßiggang Viertel der Stadt, lehnt den Zeitgeist ab und bietet als Alternative Einsiedelei an.
Die Person will nur eins: mit sich selbst im Gespräch bleiben. Fragen sind: "was bin ich mir selbst" und "wie wichtig sind Kontakte nach Draußen". Die Person will keinesfalls: jemandem gefallen.
Die gesuchte Person lebt den Pessimismus - und huldigt dem Nichts. Das Nichts, die Leere ist alles, die Wirklichkeit ist eine Illusion.
Menschen stellt die Person illusionslos als manische Egoisten dar, als gierig nach ihren Vorteilen strebende Untiere, und er verspottet ihren Trieb nach Macht, Machbarkeit, Quantität.
Ihr naiver Optimismus ist der Person verdächtig, ist nur eine ruchlose Denkungsart, ein bitterer Hohn im namenlosen Leiden der Menschheit. Im Zusammenbruch der eigenen Bezugssysteme, im Scheitern und in der Krise, kann die gesuchte Person dennoch mit Würde existieren.
Die Person kann be- und verzaubern um im gleichen Moment klar und brüsk die magischen Momente zu entzaubern.
Wie heißt die gesuchte Person?

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Die Person ist NIkolai Stawrogin, oder besser dessen Sohn? Oder hatte der keinen? Stawrogin ist die Hauptfigur in Dostojewskijs Roman "Die Dämonen", der unter anderem vom russischen Nihilismus handelt. Aber wahrscheinlich irre ich mich wieder.

Heinz
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Beitrag von Heinz »

Du irrst dich :D

cue
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Beitrag von cue »

Heinz: Neidisch?

Heinz
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Beitrag von Heinz »

cue hat geschrieben:Heinz: Neidisch?
Ja, allerdings müssten wir dann Neid definierten. Einfacher wäre: ich bewundere bestimmte Anteile der Person und bedauere, dass der Person andere fehlen. 8)

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Die Lebensentwürfe von künstlerischen Existenzen sind für manche oft nicht nachvollziehbar. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Der harmloseste Vorwurf ist da noch: "Wann wirst Du endlich vernünftig?"
Ich bin nie "vernünftig" geworden. Hat es sich gelohnt? Wohl eher Nein.

Heinz
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Beitrag von Heinz »

Es ist der allgemein vorherrschende Irrwahn, sich an dem zu orientieren, was die anderen über mich denken ... Schopenhauer :D

DThamm
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Beitrag von DThamm »

@Heinz,
Reich-Ranicki
Boris Pasternak
oder Pito?

Heinz
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Beitrag von Heinz »

DThamm hat geschrieben:@Heinz,
Reich-Ranicki
Boris Pasternak
oder Pito?
hhmm :roll:
tjaaa... neee :D
Nein :!:

Nicht arbeiten zu müssen, im Bett zu liegen und dem Strom seiner Gedanken zu folgen, ist der Person sehr wichtig. Frei sein. Unabhängig. Sich selbst zu beobachten und sich dadurch zu verändern.
Schreibt für sich, für niemand anderen - er ist ein guter Handwerker Er hat ein verqueres Verhältnis zu seiner Mutter, was auch Antrieb für sein Schreiben ist - er ist von Schlaflosigkeit und Depression geplagt, ein Leidender. Er hat oft den Impuls sich umzubringen. Er hat als Kind Langeweile gehabt und sagt, dass die Tatsache, dass das Leben keinen Sinn hat, ein Grund zu leben wäre, übrigens der einzige. Das Leben wäre nichts als ein Traum und eine Illusion, sinnlos und es gäbe kein Wesen der Dinge, deshalb suche er keine Vollkommenheit, deshalb müsse er kein Gewinner sein und könne sich verlieren. Die Person ist skeptisch-ablehnend allen Menschen gegenüber, die Erlöser-Phantasien haben und eine ideale Gesellschaft konstruieren wollen. Er lässt keine Utopien gelten.
Er sagt auch, das die einzigen Augenblicke, deren Erinnerung ihm Trost böten, jene wären, in denen er begehrt, für niemandem da zu sein. In denen ihn der Gedanke, die geringste Spur in irgendeinem Gedächtnis zu hinterlassen, erröten macht.
Und weil er nicht möchte, dass er hier erwähnt wird, müssten wir nun seinen Namen wissen. Schweigen. Denn er ist ein gescheiterter Mystiker und deshalb Pessimist.
Tja .. wer ist es :roll:

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Tja, abseits des Personalen:

Es scheint um den Gegensatz von Lebensverneinung und Lebensbejahung zu gehen und um den Konflikt zwischen beiden Haltungen. Ich bilde mir ein, beide Haltungen zu kennen.

Nietzsche sprach den Gedanken aus, dass grundsätzlich jede Kunst Ja zur Welt sagt. So ist jede künstlerische Betätigung - wie negativ ihr Produkt auch angelegt wird - ersteinmal ein großes JA zur Welt und zum Leben. Wie deutlich er das sagt, hier nur eine Stelle aus dem Nachlass:

Bild

Darüber muß sich ein jeder klar werden, der sich mit Kunst abgibt: Schon in der Haltung, schöpferisch tätig zu werden, bejaht man diese lebendige Welt. "Und das ist auch gut so." 8) 8)

Heinz
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Beitrag von Heinz »

Also, die gesuchte Person ist Emile Cioran, ein radikaler Kulturkritiker und wie rabe sagen würde - ein Nihilist. Ich habe, inspiriert durch pitos Zeichung und seine Aussage, dass wir alle allein sind, einige Aphorismen, Gedanken aneinander gereiht. Und einiges aus seiner Biografie einfließen lassen. Wort für Wort, Eigenart für Eigenart, Verhalten für Verhalten.

Manchmal erklärt sich aus den Lebensumständen auch eine Art zu denken.
Kunst kann sicherlch diesen Pessimismus überwinden helfen.

Weil es zu Missverständnissen kam - es geht um Cioran, den begeisterten Radfahrer, der häufig Tagesetappen von 120 KM durch Paris fuhr, neben seinen 30 KM Fußmärschen. Gelsenkirchener Künstler waren nicht gemeint. :roll:

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Cioran war ein begeisterter Bach-Liebhaber. Seine Schreiberei ist ja auch eine schöpferische Tätigkeit. Die ersten zehn, zwölf Bücher, die ins Deutsche übersetzt wurden, habe ich gesammelt. Ich habe auch die Ausgabe von der "Lehre vom Zerfall" von 1953, die Paul Celan, man höre und staune, ins Deutsche übersetzt hat. Soweit die Vorgeschichte.

Irgendwann langweilte mich dann sein radikaler Pessimismus und ich stellte ihn zur Seite.

Ein paar Aphorismen zitiere ich heute noch gern mit Häme, z.B.:
Modern sein, heißt Kurpfuscher im Unheilbaren sein
Na ja

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rabe489
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Beitrag von rabe489 »

Hoffen?

"Hoffen heißt, die Zukunft dementieren." (Cioran)

Heinz
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Beitrag von Heinz »

Zur Zeit habe ich in einigen Fragen die Hoffnung aufgegeben - die wurde mir sozusagen versemmelt, weil letztlich doch allen Menschen eigen ist, Innenkonflikte nach Außen und dort vorzugsweise auf andere zu verlagern. :?
Ich klinke mich mal verstimmt aus. (nicht wegen dem raben)
Cioran hat geschrieben:Zur Leidenschaft, sich abseits zu stellen, keine Spur zu hinterlassen, ist unfähig, wer an seinem Namen und an seinem Werk hängt, und mehr noch, wer von einem Namen und einem Werk träumt, der Möchtegern.
:D :D hat er ja bestimmt sich selbst gemeint
Zuletzt geändert von Heinz am 07.03.2009, 01:43, insgesamt 1-mal geändert.

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rabe489
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Werner Bergengruen

Beitrag von rabe489 »

Gute Nacht, Heinz. Morgen ist ein neuer Tag. :wink:
__________________________________________

Es fragt sich - bei so viel HInweis auf Pessimismus und Hoffnungslosigkeit - gibt es auch positive Kunst und Literatur, d.h. solche, die optimistisch und hoffnungsvoll ist?

Mir fällt da immer spontan der deutsche Dichter der "Inneren Emigration", Werner Bergengruen, ein. Er gab1950 seinen Gedichtband "Die heile Welt" heraus.
Darin ist auch das Gedicht "Die heile Welt" zu finden:
Wisse, wenn in Schmerzensstunden
dir das Blut vom Herzen spritzt:
Niemand kann die Welt verwunden,
nur die Schale wird geritzt.

Tief im innersten der Ringe
ruht ihr Kern getrost und heil.
Und mit jedem Schöpfungsdinge
hast du immer an ihm teil.

Ewig eine strenge Güte
wirket unverbrüchlich fort.
Ewig wechselt Frucht und Blüte,
Vogelzug nach Süd und Nord.

Felsen wachsen, Ströme gleiten,
und der Tau fällt unverletzt.
Und dir ist von Ewigkeiten
Rast und Wanderbahn gesetzt.

Neue Wolken glühn im Fernen,
neue Gipfel stehn gehäuft,
bis von nie erblickten Sternen
dir die süße Labung träuft.

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