VHS als Beisp. für Erwachsenenbildung der 70er & 80er

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Verwaltung
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VHS als Beisp. für Erwachsenenbildung der 70er & 80er

Beitrag von Verwaltung »

Ein Auszug aus einer Arbeit über Lehr- und Lernkonzepte der 70er und 80er Jahre:
5 Ein Blick auf die Praxis

Es ist nicht die Aufgabe der vorliegenden Darstellung, die Praxis der Erwachsenenbildung in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zu dokumentieren und kritisch zu analysieren. Dennoch mag ein kurzer Blick auf diese Praxis zeigen, inwieweit die von uns dargestellten Theorien als Theorien dieser Praxis angesehen werden können, was sie ja zu sein beanspruchen. Wir stellen fest: Das tatsächliche Erwachsenenbildungsangebot in den 70er und 80er Jahren unterschied sich erheblich von dem, was die Theoretiker der Erwachsenenbildung angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung für erforderlich hielten. Wir haben das Angebot der Volkshochschule einer Großstadt im Ruhrgebiet genauer betrachtet, die keine Universität besitzt, aber in unmittelbarer Nachbarschaft der Ruhr-Universität Bochum und (der erst im Berichtszeitraum aufgebauten) Universität Gesamthochschule Essen liegt. Gelsenkirchen,die Stadt der 1000 Feuer, im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, hatte unter dem Zechensterben und dem Rückgang der Schwerindustrie seit den 60er Jahren besonders stark gelitten. Eine (bis zum Jahre 2000) unverrückbare SPD-Mehrheit, der “proletarische” Fußballverein Schalke 04, Hauptstraßen, die nach sozialistischen und kommunistischen Widerstandskämpfern und Gewerkschaftsfunktionären benannt sind, sind typisch für diese Stadt.

Beim Blick in die Programme der VHS Gelsenkirchen stellen wir fest, dass es eine Reihe von Angeboten gibt, die sich als erstaunlich resistent nicht nur gegenüber dem gesellschaftlichen Funktionswandel der Stadt, sondern auch gegenüber den theoretischen Diskussionen in dem von uns betrachteten Zeitraum erweisen. Das trifft nicht nur auf den Bereich der Fremdsprachen zu (sogar Türkisch für Deutsche wird bereits zu Beginn der siebziger Jahre angeboten), sondern vor allem auf die Angebote, die, obwohl sie einen großen Teil des VHS-Programms darstellen, eher selten zum Gegenstand theoretischer Diskussionen wurden, und das nicht ohne Grund. So findet sich im Studienplan für 1972 in der Arbeitsgemeinschaft 10 “Kosmetik und Moderne Hauswirtschaft” ein Kurs “Gesundheits- und Schönheitspflege für die moderne Frau”, der nahezu unverändert auch 17 Jahre später im Programm für 1989, diesmal jedoch im Bereich “Hauswirtschaft, Gesundheit und Ausgleichssport” wieder zu finden ist. Ähnliches gilt für Sportangebote und Kochkurse, die aber dem Zeitgeist folgend dann gegen Ende der siebziger Jahre zeitweilig mit dem Zusatz “Kochkurs für Damen und Herren” versehen werden.

Auch in der Angebotspalette der fachlichen Bildung (in den Bereichen Technik bzw. Kaufmännische Berufspraxis) findet sich die von Siebert geforderte Legitimation und Verpflichtung der VHS, in der berufsbezogenen Weiterbildung auch die emanzipatorischen Interessen durch eine Analyse und Kritik unseres Gesellschaftssystems deutlich zu machen, nicht wieder. Zwar gibt es vereinzelt Angebote, in denen auch die gesellschaftlichen Auswirkungen der Computeranwendung oder die Veränderungen, die an Arbeitsplätzen im Büro zu erwarten sind, diskutiert werden sollen. Eindeutig im Vordergrund steht jedoch die (berufs-)fachliche Qualifizierung.

Größere Auswirkungen der theoretischen Diskussionen um Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung finden sich im Angebot der Fachbereiche Gesellschaft und Politik. Hier ist zu beobachten, dass die Auseinandersetzung mit marxistischen Theorien in den 70er Jahren auch in einer nicht universitär geprägten Stadt einen Platz findet. So beginnt die “Einführung in die Wirtschaftskunde” (veranstaltet von der VHS und dem DGB im Rahmen des Programms “Arbeit und Leben”) mit dem Tagesseminar “Die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital – Bewertungsmethoden, marxistische Analyse, die Ausbeutungstheorie, Kapitalakkumulation, soziale Theorien”.

Im Bereich der Philosophie finden sich bis zum Ende der siebziger Jahre immer wieder Kurse wie z. B “Marxismus und menschliches Individuum”, “Dialektischer Materialismus und Christentum”, “Grundkurs Philosophie – Grundprobleme aus der marxistischen Philosophie”, “Philosophische Grundlagen des Marxismus”, die im Bereich Politik und Gesellschaft ergänzt werden durch die Auseinandersetzung mit dem “Historischen Kompromiss in Italien” oder die Entwicklung in Portugal nach der Nelkenrevolution. Auch scheinbar politisch neutrale Themen werden durch die Kurzbeschreibung im Programm in einer Weise charakterisiert, dass der einigermaßen informierte Interessent durchaus erkennen konnte, dass in den betreffenden Veranstaltungen kritisches Bewusstsein gegenüber den bestehenden Verhältnissen geweckt werden sollte. Zudem sind uns die Namen einiger der haupt- und nebenamtlichen Dozenten aus anderen, explizit politischen Zusammenhängen bekannt, so dass wir die von ihnen vertretenen Thesen etwa zum scheinbar ergebnisoffenen “Systemvergleich BRD-DDR” durchaus erahnen können. Unter den Dozenten des Jahres 1981 findet sich ein später zum “grünen” Staatsminister avancierter Sozialwissenschaftler, hinter einem neutralen Thema wie “Entwicklung im Stadtteil” lässt sich leicht ein Strategietreff für die damals gegen die “Plattsanierung” ihrer Zechensiedlung kämpfenden Bewohner eines bestimmten Straßenzuges erkennen usw. Alle diese Angebote trafen auf eine Nachfrage.

In den achtziger Jahren wandelte sich das Angebot. Zu vermuten ist, dass dieser Wandel der geänderten Nachfrage folgte. Jetzt finden sich nicht nur die neuen sozialen Bewegungen (u. a. in der Auseinandersetzung um neue Lebens- und Arbeitsformen) im Programm wieder. An die Stelle der Einführung in die philosophischen Grundlagen des Marxismus tritt die Selbsterfahrung. Ansatzweise findet sich in der Praxis ein alternativer Blick auf das Lernen im Erwachsenenalter, mit dem der Erwachsene nicht mehr als aufklärungs- und bildungsbedürftiger Mensch konstruiert wird, sondern in ganzheitlicher Perspektive in seiner lebensweltlich-biographischen Eingebundenheit thematisiert wird. Entsprechend sind jetzt die Themen: “Selbsterfahrung durch Yoga und Entspannung”, “Der Weg durch mein Leben”, “Einander annehmen – Einübung in die Kommunikation”, “Sag mal, was du wirklich denkst – das partnerzentrierte Gespräch” u. Ä.
Von Martin Henkel und Annette Schwarz, Berlin 2003

Hier gibts die ganze Arbeit als PDF:
http://www.abwf.de/content/main/publik/ ... ort-81.pdf

Heinz
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Hochinteressant

Beitrag von Heinz »

Hochinteressant!
Nun würde mich noch interessieren, wo die Verfasser dieser Untersuchung ungefähr politisch stehen.
Gibt es da Hinweise drauf? 8)

Es bestätigt sich immer wieder: Gelsenkirchen war und ist auf unerkärliche Weise immer der Nabel der Welt... die Achse, um die sich das Weltgeschehen dreht. 8)

pito
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Re: Hochinteressant

Beitrag von pito »

Heinz hat geschrieben:Nun würde mich noch interessieren, wo die Verfasser dieser Untersuchung ungefähr politisch stehen.
Ist zwar nur ein Verein, aber mit einer Mitgliedsliste KLICK, dass einem schwindelt. Geht bis auf Bundesebene. Konservativ, politisch korrekt, gutverdienend.

Heinz
Abgemeldet

Beitrag von Heinz »

habs gerochen.. :wink:

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brucki
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Beitrag von brucki »

Pressestelle der Stadt Gelsenkirchen am 05.07.2013 hat geschrieben:Feiern Sie mit!

40 Jahre Bildungszentrum

GE. Das Bildungszentrum der Stadt Gelsenkirchen feiert sein 40jähriges Bestehen. Das Haus blickt aus diesem Anlass auf vier Jahrzehnte erfolgreiche Bildungsarbeit zurück und nimmt dies zum Anlass, mit den Bürgerinnen und Bürgern Gelsenkirchens zu feiern. Sie sind herzlich zu einem Tag der offenen Tür eingeladen.

Am Samstag, 17. Juli 2013, 11 bis 16 Uhr bietet das Referat Außerschulische Bildung, bestehend aus Stadtbibliothek, Volkshochschule und aGEnda21-Büro, im ganzen Haus zahlreiche Angebote für Groß und Klein.

Fotografische Impressionen, von der Grundsteinlegung des Modellprojektes „Haus der Erwachsenenbildung“ im Jahr 1968 bis zum laufenden Betrieb des Bildungszentrums Mitte der 1980er Jahre, werden im Rahmen einer Ausstellung gezeigt. Interessierte haben die Möglichkeit, im Rahmen von Führungen durch das Haus einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Bei einem Quiz können Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger ihr Wissen zum Bildungszentrum unter Beweis stellen.

Man kann in Sprachangebote hineinschnuppern, im Internet stöbern und kreativ tätig werden. Der kostenlose MedienLieferService und die virtuelle Zweigstelle der Stadtbibliothek, die eBib, stellen sich vor. Der Sommerleseclub der Kinderbibliothek feiert seinen diesjährigen Auftakt und lädt zum Mitmachen ein. aGEnda 21, Arbeitskreise und Projekte sowie das Kursangebot der KreativWerkstatt 2013 und die Klimaschutzkampagne „KlimaGEnial“ werden vorgestellt.

DerFormer
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VHS als Beisp. für Erwachsenenbildung der 70er & 80er

Beitrag von DerFormer »

da würd ich gerne hingehen, doch der 17. Juli ist nicht Samstags, sondern Mitwoch
bitte um berichtigung. Danke:
Wer nichts sagt, sagt nichts falsches ?

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rapor
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Beitrag von rapor »

Die Veranstaltung findet Mittwoch, den 17.7. statt. Steht nun aber auch im Info so.
Programm hier:
http://www.stadtbibliothek-ge.de/VSG/Au ... &vorschau=
Signaturen lesen ist Zeitverschwendung!

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Prömmel
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Beitrag von Prömmel »

rapor hat geschrieben:Die Veranstaltung findet Mittwoch, den 17.7. statt. Steht nun aber auch im Info so.
Programm hier:
http://www.stadtbibliothek-ge.de/VSG/Au ... &vorschau=
Link repariert.

Und es gibt auch einen Flyer (mit dem Programm) zum Herunterladen:
http://www.stadtbibliothek-ge.de/Homepa ... ogramm.pdf
Wer nichts weiß und weiß, dass er nichts weiß. der weiß mehr
als der, der nichts weiß und nicht weiß, dass er nichts weiß.

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brucki
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Beitrag von brucki »

Mal wieder eine Veranstaltung bei der Berufstätige wohl nicht so willkommen sind. :?

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