1970 - 1990 ist mir zu wenig -pitos Überlegungen

Wir wollen gemeinsam hier mit anderen interaktiv Spuren und Zeugnisse der Einmischung Gelsenkirchener Bürger ins sozi-kulturelle kommunale Leben sammeln.
Wir möchten damit nicht nur Geschichte(n) bewahren, sondern auch Mut machen, das Zusammenleben in dieser Stadt trotz aller Hindernisse aktiv zu gestalten.

Eure Meinungen dazu können hier diskutiert werden

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Verwaltung
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1970 - 1990 ist mir zu wenig -pitos Überlegungen

Beitrag von Verwaltung »

(Edit: Übertrag aus einem anderen Themenstrang)

Hi,

Langatmig ist das richtige Wort für diese Stadtrundfahrt. Aber wo bekommt man sowas heute noch, im schnellllllebigen Internet???
Ich finde erstaunlich wie wenig sich seit damals geändert hat. Viele Passagen könnte man heute noch genauso drehen, nur das die Autos heute alle viel teurer und hochgestylter aussehen. Aber sonst ... Die Toreinfahrt an der alten Post ist zugemauert, der Neumarkt ist nicht mehr befahrbar und das scheiß Ibis-Hotel wurde hochgezogen. So mancher Schlot am Horizont ist verschwunden und die Kirmes auf dem Wildenbruchplatz gibt es praktisch gar nicht mehr (dieses Jahr war da ein Karoussell und eine Bude). Zwei drei Jahrzehnte weiter wird dieser Film warscheinlich eine nostalgische Rarität sein und das Stadtarchiv dir die Bänder für viel Geld abkaufen. ;-)

Uli hat im Keller noch eine ganze Trommel voll mit den Plakaten der Filmgruppe vom Revierpark. Alle selbst gemacht in Siebdrucktechnik. Bei Gelegenheit werde ich die rauskramen und abfotografieren. Ich erinnere mich auch an ein zwei Fotos von den Druckarbeiten, aber ob sich die noch finden ...

Ich find dein Forum im Ansatz großartig, vor allem dass es eine Materialsammlung sein soll.
Meiner Meinung nach sollte das Internet in viel größerem Umfang dazu genutzt werden, Dinge einfach zur Verfügung zu stellen, kostenlos, gemeinfrei, ohne Sperre einfach zum Download, Open Source und vor allem dauerhaft. Jeder Sound, jedes Bild, jedes Video ist ein Schritt auf dem Weg zur großen Weltbibliothek. Alles jederzeit und sofort abrufbar. Kultur als Grundrecht des Menschen. Es gibt viel zu wenig Projekte, die sowas anbieten (z.B. www.archive.org, www.ubu.com).

Die ganzen Leute, die im Netz nur Geld verdienen möchten, haben nichts begriffen. Bands, die nur Schnipselchen ihrer Musik als Demo in schlechter Qualität anbieten, Fotografen, die ein fettes Wasserzeichen quer über jedes Bild kleben, Filmemacher, die ihre Filme im Schrank verstauben lassen, anstatt sie auf einem Portal wie Google oder Youtube einfach freizulassen, Archivare, die zwar feinsäuberlich ihr ganzes Katalog-Verzeichnis online stellen, aber im Leben nicht bereit wären, auch die Dokumente selbst zu digitalisieren. Zu teuer, keine Zeit und außerdem wird ja nur alles geklaut! Nee nee schön Riegel drüber, von mir krisse nix.
Luis war kürzlich im Museum Glaskasten in Marl. Er fragte, ob er im Museum Fotos machen könnte. Nein, hieß es, das würde man generell nicht erlauben, die Leute würden damit "im Internet ja nur Schindluder treiben." Was soll man da noch sagen? Dann macht doch zu eure Kiste! Pack in Keller die Scheiße! Nachher klauen die Leute noch mit die Augen!

Schluss mit die Manifeste. Was wollt ich eigentlich schreiben?

Also, ich find den Ansatz genau richtig. Bloß kann ich als Nachgeborener nicht so recht nachempfinden, warum es nun gerade um die Zeit zwischen 1970 und 1990 gehen soll. Sicher war das eine spezielle Zeit, sicher weckt das bei einer bestimmten Generation nostalgische Gefühle, sicher gab es damals mehr Kultur in GE als heutzutage und ohne Frage muss das dokumentiert sein. Aber was hat die damalige Zeit der heutigen noch zu sagen? Sind die Themen noch präsent? Funktionieren die Form und der Ausdruck, die man damals nutzte, heute noch? Wieviel von diesen Sachen ist zeitlos? Und wieviel vielleicht völlig überholt? Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen, stundenlanges Kabarett vor einem grauen Vorhang über die Politik vergangener Jahrzehnte, dass ist zwar sehr authentisch aber auch ... tja, sagen wir mal ... es erfordert Sitzfleisch.

Deine Absicht ist, Gelsenkirchen seine eigenständige Kulturszene wieder bewußt und erlebbar zu machen. Aber wenn das nicht nur ein nostalgisches Wiedersehen, für die sein soll, die damals dabei waren, sondern auch Anstöße im Jetzt geben soll, dann müßte das etwas universeller sein. Diese zwei Jahrzehnte sind ziemlich speziell. Was war vorher, was nachher? Die Zielgruppe ist sehr klein. Wen gab es damals, der sich in ganz anderen Sphären bewegte? Und hat überhaupt noch jemand außer dir so viele Videos aus der Zeit im Schrank?

Ein Gelsenkirchener Kulturarchiv müsste für alle Jahrzehnte offen sein, mit der heutigen Kultur täglich wachsen und diese dadurch in Schwung bringen. Eigentlich müsste sowas von der Stadt selbst kommen, aber da kann man wohl lange warten ...

Gruß von Jesse
Zuletzt geändert von Verwaltung am 28.11.2006, 07:35, insgesamt 4-mal geändert.

Heinz
Abgemeldet

Re: Reflexionen unter dem irreführenden Titel "Quassel

Beitrag von Heinz »

pito hat geschrieben: Also, ich find den Ansatz genau richtig. Bloß kann ich als Nachgeborener nicht so recht nachempfinden, warum es nun gerade um die Zeit zwischen 1970 und 1990 gehen soll.
Kein Problem die Zeit in beide Richtungen auszudehnen. Der Endpunkt 1990 markiert einen Einschnitt, die Weltlage hat sich komplett geändert, somit auch das schützende Biotop, in dem gesellschaftliche Experimente ablaufen konnten. Die andere Überlegung war, einen lang genug zurückliegenden Zeitpunkt zu finden, der eine Spur Erinnerungsoptimismus und Selbstreflexionsfreiheit zulässt.
Es geht ja nicht nur um eine Materialsammlung, sondern auch um persönliche Lebensentwürfe, die manchmal in Sackgassen endeten.
Darüber zu sprechen ist nicht immer einfach.
pito hat geschrieben: Aber was hat die damalige Zeit der heutigen noch zu sagen? Sind die Themen noch präsent? Funktionieren die Form und der Ausdruck, die man damals nutzte, heute noch? Wieviel von diesen Sachen ist zeitlos? Und wieviel vielleicht völlig überholt? Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen, stundenlanges Kabarett vor einem grauen Vorhang über die Politik vergangener Jahrzehnte, dass ist zwar sehr authentisch aber auch ... tja, sagen wir mal ... es erfordert Sitzfleisch.
Von dir erfordert es nur Sitzfleisch. Von den Beteiligten aber auch Mut. Indem ich technisch schlechte Bild- und Tonaufnahmen ins Internet stelle, die schon damals völlig an den Sehgewohnheiten vorbei gingen, trage ich auch zur Demontage und Entmystifizierung bei. Andererseits gibt es einiges, was heute noch bestehen könnte.
Ich sprach darüber mit einem "Kollegen", der große Probleme hat, nun wieder öffentlich zu werden. Ich habe einen Auftritt von ihm dokumentiert, mit dem er schon damals unzufrieden war.
Bei manchen meiner Szenen habe ich auch schweres Mundwinkelzucken und möchte lieber das Mäntelchen des Vergessens drüber breiten.
Aber diese Aufnahmen spiegeln die Zeit und den Zeitgeist gut wider.
pito hat geschrieben: Aber wenn das nicht nur ein nostalgisches Wiedersehen, für die sein soll, die damals dabei waren, sondern auch Anstöße im Jetzt geben soll, dann müßte das etwas universeller sein.
Viele von damals sehen sich gar nicht mehr an. :wink: Ich denke an Anstöße für die übernächste Generation.
pito hat geschrieben:Ein Gelsenkirchener Kulturarchiv müsste für alle Jahrzehnte offen sein, mit der heutigen Kultur täglich wachsen und diese dadurch in Schwung bringen. Eigentlich müsste sowas von der Stadt selbst kommen, aber da kann man wohl lange warten ...


Einfach Material einstellen und schauen, was sich entwickelt.
Es geht das Gerücht um, dass ein Mitarbeiter des Kulturamtes schon eine größere Sammlung hat, diese aber nicht mal dem Institut für Stadtgeschichte zum kopieren geben will.
Ist aber wohl nur ein Gerücht. 8)
Oder?

pito
Abgemeldet

Re: Reflexionen unter dem irreführenden Titel "Quassel

Beitrag von pito »

Heinz hat geschrieben:... Von den Beteiligten aber auch Mut. Indem ich technisch schlechte Bild- und Tonaufnahmen ins Internet stelle, die schon damals völlig an den Sehgewohnheiten vorbei gingen, trage ich auch zur Demontage und Entmystifizierung bei. ...
"Aaarghh! Nein! Nicht! O Pein! O Schmerz! Katharsis! Früher war ja doch nicht alles besser!" Bild

Das ist der Weg! Ganz GE kommt unter die Dusche.

Bild

Putz ma die Scheiben!

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Runter die Verklärung. Fäden wieder aufdröseln, damit sie wieder aufgenommen werden können.

Heinz
Abgemeldet

Re: Reflexionen unter dem irreführenden Titel "Quassel

Beitrag von Heinz »

pito hat geschrieben:Putz ma die Scheiben!

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Runter die Verklärung. Fäden wieder aufdröseln, damit sie wieder aufgenommen werden können.
Du meinst: Scheitern als gangbaren Weg aufzeigen? 8)
Oder als Konzept? :roll:

Nein, natürlich war früher nicht alles aus Holz oder schlechter oder auch anders.

Was meinst du, warum die meisten von mir angesprochenen sich zieren, ihre Poesiealben hier einzustellen? :wink:

Weil alles so Richtig und Gut und Einzigartig und Wahr und Optimal und Unübertrefflich war? :idea: :idea: 8)

Männlein
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Gelsenkirchener Geschichte von unten

Beitrag von Männlein »

Richtig, früher war wirklich nicht alles aus Holz oder irgendeinem billigen Material...
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