Zeche Dahlbusch

Die industrielle Vergangenheit Gelsenkirchens zwischen Kohle und Stahl. Alles was stank. ;-)

Moderatoren: Verwaltung, Redaktion-GG

Benutzeravatar
Mechtenbergkraxler
Beiträge: 1262
Registriert: 15.04.2011, 11:17
Wohnort: im Exil

Beitrag von Mechtenbergkraxler »

surfdonald hat geschrieben:Und hat die GfW als weiteres Rotthauser Immobilien-Unternehmen nicht jetzt auch einen Teil der alten Dahlbusch-Häuser und -Grundstücke im Besitz?

die gfw war wohl eine tochter der dahlbusch ag, die mit der verschmelzung
delog und der übernahme durch pilkington holding ausgegliedert und
auf eigene füße gestellt. sie hat nichts mit dem pilkington/dahlbuschkonstrukt zu tun.
der vermutliche hauptzweck der ausgegliederten gfw:
die gfw sollte die wohnungen und bebaubaren grundstücke von dahlbusch kaufen und bezahlen.
so etwas wurde sicherlich auch früher mit steuergeldern, billigen hypotheken und staatl. bürgschaften gestemmt zum erhalt der wohnungen.
pilkington hat da erst einmal richtig kasse mit dem tafelsilber wohnungen gemacht.
der erste deal brachte 1996 ca. 25 millionen dm.
Surfdonald hat sich im letzten Jahr als intimer Kenner der Wirtschaftshistorie des ehemaligen Bergwerks Dahlbusch und der Dahlbusch AG geoutet. Dass die hier erwähnte GfW (Gesellschaft für Wohnungsbau) nun auch äußerlich in die Nachfolge der nur noch handelsrechtlich existenten Dahlbusch AG tritt, konnte ich an Allerheiligen beim Besuch des Rotthauser Friedhofs feststellen. Der Besuch am Denkmal für das Grubenunglück 1950 gehört immer mit zum Familienprogramm, und bis zum letzten oder vorletzten Jahr lag dort am 1.November stets ein Kranz zum Andenken an die verunglückten Bergleute mit der Aufschrift „Glück Auf“ und „Dahlbusch Verwaltungs AG“ . In diesem Jahr hatte der Stifter des Kranzes gewechselt und die GfW ist dort mit vollem Namen zu lesen. Fand ich durchaus bemerkenswert.

Bild

Die Dahlbusch AG selbst existiert nach wie vor und findet sich mit ihren Geschäftsberichten auf der Pilkington Website unter diesem Link http://www.pilkington.com/de-de/de/uber ... hlbusch-ag . Surfdonald oder ein anderer Kenner der Materie, könnt Ihr das noch mal für Laien erklären, warum diese Aktiengesellschaft mit 0 (null!) Mitarbeitern und einer winzigen Bilanzsumme am Leben gehalten wird?

MK
"Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher." (Charlie Rivel, Clown)

Benutzeravatar
knut
Beiträge: 575
Registriert: 03.03.2009, 20:46
Wohnort: Bulmke
Kontaktdaten:

Beitrag von knut »

... Zwei weitere große Grubenunglücke gab es zuvor, eines 1950, und eines während des Zweiten Weltkrieges am 23. August 1943. Damals verloren durch eine Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion 34 Bergleute ihr Leben. Die deutschen Toten und ein italienischer Toter wurden in Einzelgräbern am heutigen Denkmal für das 1943er Grubenunglück auf dem Rotthauser Friedhof bestattet, die 17 sowjetischen und ein polnischer Zwangsarbeiter kamen in ein Sammelgrab. 1947 wurden die toten Zwangsarbeiter an den Ostfriedhof umgebettet. ... Der Gelsenkirchener Klaus Brandt beschäftigt sich seit 2012 mit diesem Denkmal. Er kritisiert, dass die Grabgestaltung die damaligen Ostarbeiter unterschlägt und schlägt vor, auf dem unbeschriftet gebliebenen Grabkissenstein an die Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion und Polen zu erinnern.
Mehr
https://antifaschistischesgelsenkirchen ... -anstoses/

Benutzeravatar
brucki
Beiträge: 9428
Registriert: 23.02.2007, 22:50
Wohnort: Ückendorf

Re: Dahlbusch.

Beitrag von brucki »

DerWesten am 31.03.2016 hat geschrieben:Letzte Schicht

Abschied auf Raten von Dahlbusch in Gelsenkirchen

Gelsenkirchen. Die Weichen für das Zechen-Aus wurden 1965 gestellt. Zuvor hatte es schon Rationalisierungen gegeben. Die letzte Schicht gab es am 31. März 1966.

Geleucht und Helm haben sie dabei, die Arbeitskluft der Kumpel ist von Kohlestaub gezeichnet. Die Leute aus den Büroetagen müssen an diesem Tag wohl nicht mehr in die Schwarzkaue. Ihre Kittel sind sauber. Vor der Gruppe auf dem historischen Foto stehen zwei gefüllte Loren: „Ich war bei den Ersten“ hat irgendwer auf den vorderen Wagen geschrieben, zum „Glückauf“ Schlägel und Eisen gezeichnet. Doch das dicke Ende folgt sozusagen gleich: „Ich bin der Letzte!“ steht auf der zweiten Lore. Und: „Wegen aktiver Mithilfe am deutschen Wirtschaftswunder zum Sterben verurteilt.“ Das Bild entstand am 31. März 1966 – und erinnert an die letzte Schicht auf Zeche Dahlbusch vor 50 Jahren.
Weiter: http://www.derwesten.de/staedte/gelsenk ... 1520281077

surfdonald
Beiträge: 144
Registriert: 10.12.2010, 22:25

Beitrag von surfdonald »

.......könnt Ihr das noch mal für Laien erklären,
warum diese Aktiengesellschaft mit 0 (null!) Mitarbeitern und einer winzigen Bilanzsumme am Leben gehalten wird?

gemäß § 4 der satzung ... auflösung der dahlbusch ag
jede aktie bekommt 30% vom nennwert und das restliche vermögen
wird unabhängig von der aktienform (vorzüge oder stamm) je
aktie aufgeteilt.
des weiteren bekommt jede vorzugsaktie eine vorzugsdividende von 1,5 %
vom nennwert.
für jahre mit nicht ausreichendem bilanzgewinn wird die rückständige
vorzugsdividende in den folgenden jahren vorab gewährt.

klage bei landgericht dortmund 2006
zur abfindung der vorzugs-und stammaktien aufgrund der bestimmungen 2,3,b,c und e
bzgl. ag satzung.

ein gutachter hat den wert der obigen aktienabfindung auf über 1,37 milliarden dm
festgestellt.
140 millionen dm grundstücksfelder
45 millionen dm grubenfelder

1103 millionen dm (1,1 milliarden) der wert der flachglas ag 60,4 % beteiligung.

11 millionen dm weitere beteiligungen bergemann ag, steag ag.

urteil landgericht :

bei auflösung der dahlbusch ag muss jeder aktionär zum jeweiligen
nennwert 50 dm eine abfindung gezahlt werden wie folgt :

vorzüge barabfindung 1229,64 dm , = 629 €
stamm barabfindung 654,03 dm = 330 €

die jeweilige abfindung ist seit dem 8.märz 1989 mit 2% über den damaligen
diskontsatz der bundesbank und ab 12. april 2002 mit 2% über den basiszinssatz
der europäischen zentralbank zu verzinsen.
ab 12.april 2002 mit 2% über den basiszinssatz gemäß § 247 bgb.

klage gegen das urteil wurde vom oberlandesgricht düsseldorf verworfen.

damit man auch die geringe bilanz versteht, sie ist der unendlichen rente
der vorwegausschüttung von jeweils 1,5% des aktienkapital auf die vorzüge geschuldet.

dies würde eine teure geschichte, die auflösung der nutzlosen ag.
da ja nur ein berherrschungs- und gewinnabführungsvertrag vom april 1989 vorliegt
und keine aktienmehrheit.
so wird nur eine festgelegte vorzugsdividende von 1,5% gezahlt.

aus dem grunde steht die aktie wie ein fels in der brandung, egal in welcher
laune sich die börsen befinden. sie wird minmal steigen wie die inneren werte der ag
plus der jeweiligen zinsen für eine evtl. auflösung.

so romantisch finde ich die damalige bergarbeiterzeit gar nicht.
hier wurden vermögen verdient, wohlwissend mit dem leben und der gesundheit
der bergleute.
man blendet gerne die negativen begleiterscheinungen aus.
zweifel ist keine angenehme voraussetzung, aber gewissheit ist eine absurde

Quiqueg
Beiträge: 218
Registriert: 02.06.2012, 11:27
Wohnort: Gelsenkirchen

Den Nazis waren sie Untermenschen

Beitrag von Quiqueg »

Am Dienstag, dem 23. August, dem Jahrestag des Grubenunglücks von 1943 auf Dahlbusch möchte ich um 18 Uhr an der Grabstätte für die Opfer auf dem Rotthauser Friedhof ein Blumengebinde niederlegen, welches auch an die achtzehn Zwangsarbeiter erinnert, die Seite an Seite mit ihren deutschen Kumpeln gearbeitet haben, Seite an Seite mit ihnen unter grauenhaften Umständen ums Leben kamen, aber nicht Seite an Seite mit ihnen beerdigt wurden.

Mögen die Namen dieser meist 17 bis 20jährigen nicht dem kalten Vergessen anheimfallen! Sie sollen auf dem Gebinde erscheinen.

Werner Lüthgen, damals Gefolgschaftsführer der Zeche, hatte ihnen ein Begräbnis zugedacht, das für damalige Verhältnisse als anständig gelten konnte. Das zeigen Unterlagen aus dem Archiv des Instituts für soziale Bewegungen in Bochum. Lüthgens Anordnungen wurden aber nicht umgesetzt. Weshalb, ergeben die Unterlagen nicht. Es scheint in hiesigen Archiven Material zu geben, das immer noch unter der Decke gehallten wird.

Zum Unglück selbst, zur Erinnerung an alle seine Opfer und zur problematischen "Gedenkkultur" der vereinigten Bergbau-PR und der beamteten GE-Stadtgeschichte möchte ich an Ort und Stelle noch Einiges sagen. Dazu lade ich hiermit ein.

Benutzeravatar
knut
Beiträge: 575
Registriert: 03.03.2009, 20:46
Wohnort: Bulmke
Kontaktdaten:

Beitrag von knut »

frisch gebloggt: "Was wäre Gelsenkirchen ohne seine unermüdlichen Einzelkämpfer? Der Gelsenkirchener Sozialdemokrat Klaus Brandt lädt für Dienstag, dem 23. August 2016 auf den Rotthauser Friedhof ein. Am Jahrestag des Grubenunglücks von 1943 auf der Zeche Dahlbusch wird er an der Grabstätte ein Blumengebinde niederlegen, welches auch namentlich an die achtzehn Zwangsarbeiter erinnert, die nicht an dieser Stelle beerdigt wurden."

https://antifaschistischesgelsenkirchen ... rmenschen/

Quiqueg
Beiträge: 218
Registriert: 02.06.2012, 11:27
Wohnort: Gelsenkirchen

Korrektur meiner Presse- und Facebookmeldung zum 23. August

Beitrag von Quiqueg »

Ich habe über Presse, Facebook usw. mitgeteilt, die Grabstätte für die Opfer sei über die Straße Am Koprath zu errreichen. Falsch! Ich bitte um Entschuldigung. Der kürzeste Zugang ist von der KRASPOTSHÖHE.

Quiqueg
Beiträge: 218
Registriert: 02.06.2012, 11:27
Wohnort: Gelsenkirchen

Morgen 23. August: Sie sollen nicht vergessen sein

Beitrag von Quiqueg »

Ich hatte die Gedenkrunde (am 23. August, 18 Uhr) auf dem Rotthauser Friedhof schon vor längerer Zeit durch eine Meldung "An die Gelsenkirchener Lokalpresse" angekündigt. In der WAZ ist dazu aber nichts erschienen. Versehentlich nehme ich an. Zu meiner Freude hat sich soeben der Stadtspiegel gemeldet. Sie schicken einen Fotografen, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich freue mich natürlich. Schön, dass es Gelsenkirchener gibt, die auch an diese Menschen denken.
Ps. Wenn ich den Anrufer richtig verstanden habe, ist man gerade dabei, das umgestürzte Denkmal wieder aufzurichten. Dort hatte Dahlbusch - das Denkmal ist von 1949 - zwar nur von den "Arbeitskameraden" gesprochen, womit damals noch die Ostarbeiter aus der Ukraine und der polnische Bergmann nicht gemeint sein konnten. Aber die Zeiten haben sich geändert, und heute wird man deutlich machen können, dass auch die damaligen "Untermenschen" vollwertige Kameraden waren. Daher morgen auch die Blumen - ein kleines Zeichen.

Benutzeravatar
knut
Beiträge: 575
Registriert: 03.03.2009, 20:46
Wohnort: Bulmke
Kontaktdaten:

Beitrag von knut »

Ein Blumengebinde für die 17 ukrainischen und einen Kranz für den polnischen Zwangsarbeiter legte Klaus Brandt heute auf der Grabstelle mit der unbeschriftet gebliebenen Grabplatte nieder.

Während am Denkmal für das Grubenunglück vom 23. August 1943 der offizielle Kranz der Dahlbusch-Nachfolgegesellschaft lag, erinnerten Klaus Brandt und sieben weitere Besucher, darunter auch zwei Nachkommen der insgesamt verunglückten 34 Bergleute, am Jahrestag des Grubenunglücks namentlich an die bei dem Unglück umgekommenen 18 Zwangsarbeiter.

Klaus Brandt erneuert damit seine Kritik, dass die Gestaltung des Denkmals die Zwangsarbeiter unterschlägt. Symbolisch wurden sie heute dem Vergessen entrissen.

https://antifaschistischesgelsenkirchen ... -friedhof/

Tanriverdi
Beiträge: 216
Registriert: 02.01.2016, 18:34

Beitrag von Tanriverdi »

Wir dürfen niemals vergessen, welche Schuld Deutschland auf sich geladen hat.

Aber mich irritiert das Bild des Mannes an der Gedenkstätte.
Dieses Blümchenhemd erscheint mir unpassend.
Die Ehrfurcht gegenüber den getöteten Zwangsarbeitern hätte eine würdevollere Kleidung verdient.
Wenn ich an einer Grabstelle stehe und der Toten gedenke, würde ich auch keine Zeitschriften in der Hand halten.

Benutzeravatar
Benzin-Depot
Mitglied der Verwaltung
Beiträge: 18744
Registriert: 19.01.2008, 02:38
Wohnort: Gelsenkirchen

Beitrag von Benzin-Depot »

Tanriverdi hat geschrieben:Wir dürfen niemals vergessen, welche Schuld Deutschland auf sich geladen hat.

Aber mich irritiert das Bild des Mannes an der Gedenkstätte.
Dieses Blümchenhemd erscheint mir unpassend.
Die Ehrfurcht gegenüber den getöteten Zwangsarbeitern hätte eine würdevollere Kleidung verdient.
Wenn ich an einer Grabstelle stehe und der Toten gedenke, würde ich auch keine Zeitschriften in der Hand halten.
Hallo Tanriverdi

Du schreibst eine Zeile zur Aufarbeitung der Vergangenheit und vier Zeilen zu Deiner Vorstellung eines Dresscodes.

Ehrfurcht gegenüber den getöteten Zwangsarbeitern hat Klaus Brandt durch seine Gedenkaktion erwiesen. Damit war er wahrscheinlich an dem Tag einer der wenigen Menschen, die den genannten Toten überhaupt irgendwelche Ehrfurcht erwiesen haben.
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

Benutzeravatar
knut
Beiträge: 575
Registriert: 03.03.2009, 20:46
Wohnort: Bulmke
Kontaktdaten:

Beitrag von knut »

Tanriverdi hat geschrieben:Wir dürfen niemals vergessen, welche Schuld Deutschland auf sich geladen hat.

Aber mich irritiert das Bild des Mannes an der Gedenkstätte.
Dieses Blümchenhemd erscheint mir unpassend.
Die Ehrfurcht gegenüber den getöteten Zwangsarbeitern hätte eine würdevollere Kleidung verdient.
Wenn ich an einer Grabstelle stehe und der Toten gedenke, würde ich auch keine Zeitschriften in der Hand halten.
Nein, die Kollektivschuldthese, nach der das Abstraktum Deutschland Schuld auf sich geladen hat ist falsch und vernebelt nur Tatsachen. Es waren ganz konkrete Menschen, die unsägliche Verbrechen begangen haben, ausgegangen von Deutschland, mit Kollaborateuren in den besetzten Ländern.
Daneben gab es auch Deutsche, die Widerstand geleistet haben. Einem dieser Männer haben wir einen Tag später gedacht, guckst du hier: https://antifaschistischesgelsenkirchen ... enkirchen/

Und: Die "Zeitschriften" die Klaus Brandt in der Hand hatte, sind Unterlagen, aus denen er vorgelesen hat, um die Verhältnisse auf Dahlbusch und unter Tage 1943 zu beleuchten.

Im übrigen kann ich das Statement von Benzindepot nur unterstreichen!

Benutzeravatar
Fähnlein
Beiträge: 345
Registriert: 15.12.2009, 18:42
Wohnort: Gelsenkirchen - Resser Mark

Beitrag von Fähnlein »

Benzin-Depot hat geschrieben:Hallo Tanriverdi
Du schreibst eine Zeile zur Aufarbeitung der Vergangenheit und vier Zeilen zu Deiner Vorstellung eines Dresscodes.
Ehrfurcht gegenüber den getöteten Zwangsarbeitern hat Klaus Brandt durch seine Gedenkaktion erwiesen. Damit war er wahrscheinlich an dem Tag einer der wenigen Menschen, die den genannten Toten überhaupt irgendwelche Ehrfurcht erwiesen haben.
knut hat geschrieben:...
Im übrigen kann ich das Statement von Benzindepot nur unterstreichen!
Benzi, auch ich danke Dir für diese Klarstellung. :2thumbs:

Quiqueg
Beiträge: 218
Registriert: 02.06.2012, 11:27
Wohnort: Gelsenkirchen

Vergessen Würde Elend Mut

Beitrag von Quiqueg »

Was soll die Häme? Wem mein Hemd und die Papiere in meiner Hand nicht gefallen, der will, scheint mir, vom Wesentlichen ablenken.

Ich hatte mir für meinen Kurzvortrag diese Stichworte zurechtgelegt:

VERGESSEN 1 "Ein Zug gegen das Vergessen - 500 Menschen gedachten der Pogromnacht". So die WAZ vom 10. Dezember 2012. Mit Foto: Der OB und weitere Gedenkprominenz an der Spitze des "Zuges". Nichts gegen den. Ich war oft dabei, ausgenommen letztes Jahr, als es zum Bulmker Nazischwert ging.

VERGESSEN 2 "Als am 23. August 1943 durch eine Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosiion 34 deutsche Bergleute und ausländische Arbeitskräfte ums Leben gekommen waren, hatte dieses Unglück angesichts der entsetzlichen Verluste an den Fronten und im Bombenkrieg NUR WENIG AUFSEHEN erregt. Zudem wurden Veröffentlichungen über solche Ereignisse zensiert." - So Wilhelm Treue im industrienahen Buch "Dahlbusch - Geschichte eines Unternehmens im Ruhrgebiet". Zwei Sätze, zwei ungeheuerliche Geschichtsfälschungen.

"Gewaltige Anteilnahme der gesamten Bevölkerung Rotthausens und der übrigen Stadt", schrieb damals die Gelsenkirchener Allgemeine. AUSFÜHRLICHER Bericht auf einer halben Zeitungsseite über die VON DER PARTEI GESTALTETE Trauerfeier. Mit entsprechender Nazi- und Industrieprominenz. "Tiefstes Mitgefühl aller Nationalsozialisten des Kreises und der Stadt" - "Bergmann schmiedet mit seiner Hände Arbeit immerfort Waffen für den Sieg" usw. usw.

Da gab's nichts, was der Zensur hätte zum Opfer fallen können.

VERGESSEN 3 "Das vergessene Grubenunglück": So die WAZ vom 21. August 2013. Leider wärmt auch der verdiente und kooperative Karlheinz Rabas dort die Legende vom wenigen Aufsehen auf. Den ausfühtlichen Zeitungsbericht macht er zu "einem kleinen Artikel". Auf der Gedenkfeier 2013 soll - so informiert er die WAZ - auch Pfarrerin Timpe-Neuhaus (ev.) und Pfarrer Späh "EIN PAAR WORTE VERLIEREN". "anschl. Gebet".

Ich habe auf jener Feier die "verlorenen paar Worte" von Pfarrerin Timpe-Neuhaus als das Beste erlebt, was seit Ernst Käsemanns Predigten im evangelischen Rotthausen zu hören war. Sie sagte in klaren Worten, was zu sagen war: Dass es Solidarität geben soll zwischen den Fremdarbeitern und den Einheimischen, dass unsere heutige Gesellschaft allenthalben von Entsolidarisierung bedroht ist, dass es gilt, dagegen anzukämpfen.

WÜRDE Die Blumen auf dem leeren Kissenstein sollen ein Zeichen sein: Auch Ihr habt dazugehört, wart nicht die Untermenschen, als die Ihr zu Nazizeiten betrachtet und behandelt wurdet. Mein Blumengebinde ist mit Schleifen versehen, welche den Namenlosen, den Vergessenen, ihre Namen, ihre Würde zurückgeben wollen.

ELEND "Die sowjetischen Frauen und Männer - das waren die Sklaven, die waren unterm Tier, die waren wie Wanzen, Kakerlaken usw. Sie sollten vernichtet werden. Sie mussten für uns arbeiten bis zum Tode - und wurden ausgehungert und geprügelt". So eine Zeitzeugin bei Hartmut Hering: Für uns begann harte Arbeit - Gelsenkirchener Nachkriegslesebuch.

MUT "Du Bolchwistenschwein" hat der Bewacher geschrien. Der Gefangene rutschte runter und er trat ihn wieder. Und ich in meiner Wut habe gesagt: 'Ja, lassen Sie ihn endlich hochkommen. - 'Was?' Da kam er angesprungen. 'Sie wollen eine deutsche Frau sein? Ich bring Sie dahin'. - Ich habe bloß eine Faust geballt und bin weggelaufen." (Gleichfalls bei Harmut Hering nachzulesen).

SCHAM TRAUER ZORN - das habe ich bei Ernst Käsemann entlehnt. Es passt auch hier, scheint mir.

Schön dass jetzt am 23. doch ein paar Leute da waren, auch Angehörige der (deutschen) Verunglückten. Schade, dass so viele fehlten: Der Bezirksbütgermeister, die Bürgermeisterin, Bezirks- und Stadtverordnete, IGBCE, Traditionsvereine, Ortsvereine der Volks- und anderen Parteien, Heimatbund (Brucki!) Bürgerverein, Bergbausammlung ... Sicher, es ist Ferienzeit, manch eine(r) wird nicht dagewesen sein oder verhindert. Aber dass gleich so viele keine Zeit finden konnten, das betrübt mich.

Ps. Man kann auch jetzt noch hingehen (Eingang Kraspothshöhe). Es sieht schön aus mit den Blumen und wer sich das ansieht, ehrt die Vergessenen - und in gewisser Weise vielleicht auch sich selbst.

Benutzeravatar
iwi
Beiträge: 1319
Registriert: 16.10.2008, 13:43
Wohnort: Rotthausen früher Bulmke

Zeche Dahlbusch

Beitrag von iwi »

Hallo Zusammen,
ich war auch an dem besagten Abend auf dem Friedhof und obwohl es
vielleicht der falsche Ort war, hat Q. wieder mal in eindrucksvollen Worten
zum Gedenken beigetragen, egal welches Hemd er trug.

glückauf
iwi
Was Du nicht willst was man Dir tu', das füg auch keinem anderen zu.
www.rotthauser-netzwerk.de
www.rotthauser-post.de

Antworten