Der rote Punkt im Revier

Boykott Die öffentlichen Nahverkehrssysteme wurden bestreikt, die ersten Sitzblockaden Gelsenkirchens am Musiktheater legten die Innenstadt lahm.

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immers04
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Beitrag von immers04 »

Super! Vielen Dank, denn die Bilder sind wirklich spannend.
Ich möchte mal sagen können: Daß ich das noch erleben darf!

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Fabula
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Lifeaufnahmen

Beitrag von Fabula »

immers04 hat geschrieben:Kann mich noch gut an die damalige "Rote-Punkt-Aktion" erinnern, obwohl ich erst 11 Jahre alt war.

Es gab eine Schienenblockade zwischen Hans-Sachs- und Iduna-Hochhaus. Waren vielleicht 300 Leute, was ich als Kind sehr imposant fand. Als solches wurde ich dann natürlich dort weggezogen, weil's womöglich Auseinandersetzungen mit der Staats-GEWALT anstanden. Inwieweit die tatsächlich stattgefunden haben, weiß ich leider nicht.
Hallo immers04,
hab' ein paar Fotos gemacht,
an dem Tag, als du wohl auch in der Stadt warst.
Die Schätzung von ca. 300 Leuten könnte passen.
Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt gab es nur vereinzelt.
Leider ist die Qualität der Fotos nicht so be“rauschend“.

Hautwache - Baustelle Zentralbad.
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Hauptwache, Blickrichtung HSH.
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Verstärkung.
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Ebertstraße, Richtung Stadttheater.
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Ebertstraße, Richtung Stadttheater.
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Eberstraße, Blickrichtung Robert-Koch Straße.
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Heinz
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Beitrag von Heinz »

@Fabula
:2thumbs:

salife
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Beitrag von salife »

Ich hebe seit damals einige Zeitungsausschnitte auf, weil ich bei den Demonstrationen auch dabei war - endlich mal eine Gelegenheit, das frisch bei der SDAJ erworbene sozialistische Bewusstsein im Kampf an der Seite der Arbeiterklasse zu erproben (ich war damals noch nicht ganz 15). Für viel mehr Weitblick um die Zusammenhänge hat das Bewusstsein seinerzeit noch nicht gereicht. Ich habe mich gleichzeitig aber auch nicht so recht getraut, in Autos mit dem roten Punkt mitzufahren, weil meine Eltern es verboten hatten, man pubertierte also ziemlich rum :oops:
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Blöderweise wusste ich damals auch noch nicht, dass man sich dabei auch das Datum notiert, also kann ich nur noch sagen, dass das im März 1971 war.

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

@salife:

Ach ja,... war damals im gleichen Alter und ...."klasse eine Demo"....hab mir auf der Ebertstraße stolz wie ein Revoluzzer son Packen Flugblätter geschnappt und gleich verteilt...

...irritiert war ich von einem Polizisten, welcher ohne Abwehrreaktion, mein provukativ angebotenes Blatt annahm...:o

:keks:
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

Teekesselchen
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Beitrag von Teekesselchen »

Ja, auch ich hab mich damals mit 15 an der Ausübung meiner demokratischen Rechte versucht und mich ins Getümmel gestürzt, leider wurde dem durch - meine Mutter !!! - recht schnell ein Ende gesetzt, die es mit genveranlagtem Instinkt geschafft hat, mich zu lokalisieren und sofort "in Sicherheit" zu bringen, bevor es die Polizei getan hätte !

Aber diese Aktion hat den Grundstein dafür gelegt, dass ich gelernt habe, Stellung zu beziehen und bisher immer zumindest den Mund aufgemacht habe, wenn mir etwas ungerecht erschien.

Ich vermisse diese Haltung heute bei vielen mir bekannten Jugendlichen. Sie fügen sich meist pflegeleicht und weichgespült in die entsprechenden Gegebenheiten ein und sind oft bemüht, durch Anpassung und Mitlaufen für sich selber positive Ergebnisse zu erzielen.

Bei den meisten Sprösslingen der Familien in den entsprechenden Einkommensschichten steht zum 18. Geburtstag der schnuckelige Kleinwagen vor der Tür, so dass sie sich über ständige Fahrpreiserhöhungen bei Bus und Bahn keine Gedanken machen müssen.

Ich habe es selbst oft genug erlebt, dass morgens das Auto für die Fahrt zur Schule benutzt wurde - für Wegstrecken, bei denen man zu Fuß das Ziel schneller erreicht hätte, als der Wagen warm geworden ist. -

Papa und Mama haben ja für die Tankfüllung, Steuer und Versicherungen gesorgt.

Für meinen Geschmack ist es mir eh viel zu ruhig in Deutschland.

Mir sind die Autofahrer zu ruhig, die mit der Faust in der Tasche demnächst 1,60 € für den Liter Sprit bezahlen werden. ( Ja, davon nehme ich mich auch nicht aus, denn so richtig weiß ich auch nicht, wie man sich wehren könnte, außer, die teuersten Tankstellen zu boykottieren.)

Mir sind auch die Rentner zu ruhig, die bei der Höhe ihres unfassbaren Kapitalzuwachses gar nicht wissen, wie und wo sie das Vermögen auf den Kopp hauen sollen.

Und mir sind auch die gesetzlich versicherten Patienten zu ruhig, die treu und brav ihre Beiträge bezahlen und dann in Arztpraxen und Apotheken noch mal zur Kasse gebeten werden.
( Ja, auch dazu gehöre ich, jedes Mal steigt mein Blutdruck vor Ärger über das Nichtwehrenkönnen in ungeahnte Höhen, vielleicht ist ja grad das die gewünschte Reaktion !!!)

Gehörte das eigentlich jetzt zur Rot-Punkt-Aktion? Ich sag mal lieber Gute nacht, bevor ich noch bei der farben-verwischten Regierung lande, bei der scheinbar keiner von uns mehr Proteste gegen soziale Schieflagen anmeldet.

salife
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Beitrag von salife »

@Benzin-Depot

Um Fahrpreiserhöhungen im Revier
ging’s mal bei den Demos vor dem MIR.
Die Jugend dort den Aufstand probte,
weil endlich auch hier der Bär mal tobte.
Danach ging man zu Tigges auf ein Bier.

Oder, um mit Loriot zu sprechen: eine Demo, eine Demo - Bogestra, wir danken Dir! (dazu ist mir auf die Schnelle kein passender Limerick eingefallen)

Wahrscheinlich hat Dein Schupo das Flugblatt nur genommen, weil ihm die Fahrpreise auch zu hoch waren, von Deeskalation hatten sie im Polizeidienst damals bestimmt noch nichts gehört.

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rapor
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Beitrag von rapor »

50 Pfennig ist genug,
alles andre ist Betrug!

In meiner Erinnerung waren wir viiiiiel mehr als 300. Dachte ich :roll:
Ich finde immer noch, der ÖPNV müsste so günstig sein, daß man sich als Autofahrer bescheuert vorkäme, wenn man im Normalfall den PKW nutzt.
Signaturen lesen ist Zeitverschwendung!

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Benzin-Depot
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Eingeständnis...

Beitrag von Benzin-Depot »

@salife:

Einst trug ich stolz den Punkt - den roten
- rief: "Nieder mit den Preis-Despoten!"
Doch später hab ich zugesehn
wie andere zur Demo gehn.
Die Konsequenten und auch die Chaoten. :wink:
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

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immers04
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Beitrag von immers04 »

@fabula

Danke für die wunderbaren Fotos! Erstaunlich, was sich so alles in den Privatarchiven finden läßt. An die Szenerie neben der Hallenbad-Baustelle vor der Bullerei kann ich mich noch gut erinnern.

Ich wohnte nur einen Steinwurf (ähem!) davon Weg und kurvte mit meinem Fahrrad dort herum.
Ich möchte mal sagen können: Daß ich das noch erleben darf!

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Emscherbruch
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Eine Gelsenkirchener Geschichte

Beitrag von Emscherbruch »

Eine wirklich wahre Gelsenkirchener Geschichte

Vor ein paar Jahren stöberte die Lehrbeauftragte meiner Sippe auf irgendeinem Bücherflohmarkt in der näheren Umgebung herum. Wann und wo genau ist nicht mehr zu ermitteln. Für ganz kleines Geld, so wurde der Familie damals mitgeteilt, konnte sie einen Alexander Schulaltlas mit so gut wie keinen Gebrauchsspuren erwerben. Es fanden sich darin weder Schulstempel noch sonstige Hinweise auf den Erstbesitzer. Dieser Atlas, so war ihr Plan, sollte alle Atlanten im Familien-Buchdepot ersetzen, die teilweise noch aus dem letzten Jahrtausend stammten und eher historischen Wert hatten - auch wegen der darin enthaltenen Kritzeleien, die Zeugnis von dem eigenen jugendlich-kreativen Umgestaltungsdrang von Lehrmaterialien ablegten. Mit den ausgesonderten Büchern im Arm trat sie selbstbewusst vor den Familienrat.

An dieser Stelle wurde der Denkmalbeauftragte meiner Sippe aktiv, der die Drohung sehr wohl vernommen hatte, dass ein paar Zeugen der Vergangenheit dem Papier-Recycling ausgeliefert werden sollten. Er stellte darum den Antrag, dieses neuere Exemplar nicht als Ersatz, sondern als Zusatz in den Bestand aufzunehmen. Bücher werden nur entsorgt, wenn der Inhalt unverdaulich ist oder Brechreiz verursacht, was in diesem Fall beides nicht der Fall war.

Nach einem kurzen aber heftigen Austausch von Argumentationssträngen über den Sinn und Unsinn des Aufhebens veralteter, beschmierter und teilzerrissener Kartenwerke in beschädigten Einbänden, wurde gemeinsam durch Lehrbeauftragte und Denkmalbeauftragten beschlossen, die zu Belehrenden darüber entscheiden zu lassen. Deren Antwort lautete, es sei ihnen total egal. Da guckten sie sowieso nicht rein. Wieso auch, es gäbe ja Google-Maps.

Dies führte nach einer kurzen Pause der Fassungslosigkeit zu weiteren Argumentationsketten der beiden Beauftragten. Sie votierten dafür, dass die zu Belehrenden ruhig öfters einen guten Atlas als Bettlektüre verwenden könnten - oder zumindest als Presse für anfallende Bastelarbeiten. Deren Antwort war einstimmig und lautete: Hä?

So folgte ein weiterer Wortkampf zwischen dem Lehr- und der Denkmalbeauftragten, an dessen Ende schließlich das Los geworfen und der übergeordneten Gerechtigkeit somit die Entscheidungshoheit zugesprochen wurde. Ergebnis: Der Bücherbestand der Sippe wuchs um genau ein Exemplar des Typs Schulatlas auf nun vier Exemplare an, die das ihnen zugewiesene Regalbrett fortan einem Dauerbelastungstest unterzogen durften.

Kaum ein Jahrzehnt später, also letzte Woche, nahm die Lehrbeauftragte zum ersten Mal nach dem Erwerb jenes Bandes diesen aus dem Regal und in die Hand. Sie öffnete das Kartenwerk an einer Stelle, an der bislang niemand aus der Sippe einen Blick hineingeworfen hatte. Heraus fielen einige SW-Kleinbild-Negative in einer Schutzhülle. Nun ist so ein Fund in unserem Haushalt an sich keine Sensation, da filmbasierte SW- und Dia-Fotografie bis heute einen großen Raum einnimmt und die Freizeit mehrerer Sippenmitglieder bereichert – auch der Nachgebohrenen. Das hier aber war anders.

Ich staunte nicht schlecht, denn diese Negative waren mir in der Art der Aufbewahrung vollkommen unbekannt. Ich hatte diese Filmschnipsel noch nie gesehen. Der Blick gegen das Licht offenbarte Fotos aus der Gelsenkirchener Altstadt, die Ende der 1960er Anfang der 1970er Jahre entstanden sein müssen. Es gab keinen Hinweis auf den Urheber.

Die Motive: Menschenmengen, blockierte Nahverkehrsfahrzeuge, Polizisten. Ich vermutete, es könnte sich um Fotos von der Aktion Roter Punkt handeln.

Dann las ich diesen Fred und entdeckte, dass die Fotos an genau dem Tag aufgenommen wurden, an dem auch Fabula Fotos gemacht hat.
Fabula hat geschrieben:Bild

Nun bin ich auf der Suche nach dem Urheber der folgenden Amateuraufnahmen, der diese mindestens 35 Jahre nach dem Entstehen in einen Schulatlas gelegt und anschließend zu einem Bücherflohmarkt gegeben hat.


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Für Hinweise zum Fotografen wäre ich dankbar.

Weitere Fotos folgen...
Stell dir vor, es geht und keiner kriegt's hin.

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Emscherbruch
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Beitrag von Emscherbruch »

Fortsetzung...

Erkennt sich oder erinnert sich jemand?

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Mechtenbergkraxler
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Beitrag von Mechtenbergkraxler »

Emscherbruch hat geschrieben:Fortsetzung...

Erkennt sich oder erinnert sich jemand?
Hier aus meinem Fundus zwei von mehreren Fotos. Ob Roter Punkt oder Mai-Demo des DGB ist nicht gewiss. Zu letzteren hatten sich aber auch Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre allerlei kriegerisch skandierende Sekten eingefunden. Das würde das martialische Polizeiaufgebot auch bei einer Mai-Demo erklären.

@ Emscherbruch: Die Fotos aus Deinem Fundort stammen allerdings nicht von mir, obwohl ich so einige sehr ähnliche habe. Nur die liegen bei mir wohlverwahrt in der entsprechenden Fotokiste, Rubrik "Langeweile kam nie auf".

MKBildBild
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Emscherbruch
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Beitrag von Emscherbruch »

@Mechtenbergkraxler
Sehr schön.
Wo war denn die Esso-Tankstelle, die auf dem Foto zu sehen ist?
Stell dir vor, es geht und keiner kriegt's hin.

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Mechtenbergkraxler
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Beitrag von Mechtenbergkraxler »

Emscherbruch hat geschrieben:@Mechtenbergkraxler
Sehr schön.
Wo war denn die Esso-Tankstelle, die auf dem Foto zu sehen ist?
Am Fuß der Ahstraße, sozusagen direkt am Kreisverkehr. Daher auch die Straßenbahnschienen mitten durch.

MK
"Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher." (Charlie Rivel, Clown)

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