Warenhaus Gebrüder Alsberg

Kaum noch bekannt sind die scharfen Tanztee-Nachmittage in der WEKA-Gastronomie Abteilung mit Tango, ChaChaCha, Schmachtgesang, Damenwahl und Sahnetorte

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

@erlöser:...habe ich soeben editiert... :lol:
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

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Chronistin66
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Beitrag von Chronistin66 »

Wann und wie kam es denn zu der Namensänderung?
nach dem Krieg, meine ich! Ich kann es nicht genau sagen....aber waren Alsberg nicht Juden? Wie gesagt, das habe ich irgendwie mal mitgeschnitten und ist nicht belegt.

Weiß das einer genauer???

Doro

AnnA
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Beitrag von AnnA »

Irgendwo hier im Forum stand schon mal etwas darüber, finde es aber gerade nicht.
AnnA

AnnA
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Beitrag von AnnA »

Ein kurzer Text steht bei "Kaufhaus Weiser".
AnnA

Sandberg
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Beitrag von Sandberg »

@AnnA

Ich glaube Du meinst dies hier

http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... ght=weiser

Gruß
Dirk

AnnA
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Beitrag von AnnA »

Jau, das andere finde ich grad nicht
Danke
AnnA

Teekesselchen
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Beitrag von Teekesselchen »

Chronistin66 hat geschrieben:
Wann und wie kam es denn zu der Namensänderung?
nach dem Krieg, meine ich! Ich kann es nicht genau sagen....aber waren Alsberg nicht Juden? Wie gesagt, das habe ich irgendwie mal mitgeschnitten und ist nicht belegt.

Weiß das einer genauer???



http://de.wikipedia.org/wiki/Gebr._Alsberg_AG

Die Gebr. Alsberg AG war ein Handelsunternehmen, gegründet von Brüdern Siegfried Alsberg und Alfred Alsberg aus Köln. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft erfolgte am 31. März 1921 mit Wirkung zum 1. Januar 1921. Sitz der Gesellschaft war bis zum 27. Juli 1929 in Köln, danach in Bochum. Die Gesellschaft hieß so bis zum 27. Juni 1933.

Die Brüder errichteten in verschiedenen Städten Kaufhäuser mit vielseitigen Sortimenten, so

das heutige Kaufhaus Opitz in Bielefeld
das heutige Kaufhaus Kortum in Bochum (errichtet 1914 bis 1921)
das Kaufhaus in der Bruchstraße in Detmold
ein Textilkaufhaus in Duisburg
das heutige WEKA-Karrée in Gelsenkirchen (errichtet im Jahre 1912)
Kaufhaus in der Bahnhofstraße 10/12 in Hamm
ein Kaufhaus in Hildesheim
ein Kaufhaus in Kassel
ein Kaufhaus in Neuss (eröffnet 1928)
das heutige Kaufhaus Lengermann und Trieschmann in Osnabrück
ein Kaufhaus in Recklinghausen
ein Kaufhaus in Solingen
ein Kaufhaus in Wanne-Eickel

Die Familie Alsberg wurde aufgrund ihrer jüdischen Religionszugehörigkeit von den Nationalsozialisten 1933 im Zuge der Arisierung enteignet. Das Gelsenkirchener Kaufhaus ging an die Rings AG über. Das Bochumer Kaufhaus wurde 1935 in die Kaufhaus Kortum Aktiengesellschaft umgewandelt, während das Haus in Osnabrück von den Kaufleuten Lengermann und Trieschmann weitergeführt wurde.

Zunächst wurde Alfred Alsberg als Geschäftsführer des Bochumer Kaufhauses weiterbeschäftigt, weil seine Fähigkeiten benötigt wurden. Alfred Alsberg, seine Frau Martha, sein Bruder Siegfried und die Mutter Emma wurden 1941 in Ghettos bzw. Konzentrationslager deportiert und kamen dort ums Leben. Drei Kinder überlebten im Ausland.

Der ehemalige Mitarbeiter Helmut Horten, 27 Jahre alt, konnte aufgrund seiner guten Kontakte zu den Nationalsozialisten das Duisburger Kaufhaus und weitere Kaufhäuser von jüdischen Geschäftsleuten wie zum Beispiel von Strauß and Lauter übernehmen.
Seine Witwe Heidi Horten zählt heute zur Liste der reichsten Deutschen und lebt in Österreich

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

Die Ausführungen von Wiki könnte man m. E. noch ergänzen.

Laut einem Pressebericht von 1933 wurde das Kaufhaus Alsberg am 13. Juli 1933 von den Nationalsozialisten übernommen.

Der Name der Firma Gebrüder Alsberg wurde in Westfalen Kaufhaus AG abgeändert.

Das Stammkapital betrug 3 600 000,- Reichsmark. Zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates wurde Albert Peter List "gewählt"

Der neue Vorstand bestand 1933 aus : Otto Neuman und Joachim Geißler.

Im Jahre 1941 werden Wilhelm Ahrens und Josef Gerken als Vorstand genannt
.

Quelle: ISG und eigenes "Depot"
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
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erloeser
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Josef Weiser, Ehrenbürger

Beitrag von erloeser »

In dem Wikipediaartikel über die Gebr. Alsberg AG steht was von Übernahme durch die Rings AG... in dem WAZ Artikel über das Kaufhaus Weiser, der hier zitiert wird steht:

"Ein Käufer vor Josef Weiser, die Firma Rings, war zuvor in Konkurs gegangen. Weiser kam der Kauf zupass: Das Stammhaus platzte aus allen Nähten."

Auf der Internetseite des ISG kann man folgendes lesen:

"Druck der Nazis führte beim jüdischen Eigentümer des Kaufhauses Alsberg an der Hochstraße 2/4 zu Überschuldung und Betriebsaufgabe; auch ein Käufer machte Konkurs. 1938 übernahm Weiser das Haus."

Neulich hatte wir in dem Fred "Fritz Szepan" über die Verstrickung des Fussballers mit den Nationalsozialisten diskutriert. Szepan hatte das Kaufhaus Julius Rode & Co gekauft, welches den beiden Juden Sally Meyer und Julie Lichtmann im Zuge der Arisierung enteignet wurde. Da Szepan aus diesem Grund als Profiteur der Arisierung angesehen werden muss, nahm man in Gelsenkirchen davon Abstand, eine Straße rund um die Arena nach ihm zu benennen.

Wie ist in diesem Zusammenhang der Kauf des Kaufhauses der Gebrüder Alsberg durch Josef Weiser zu bewerten? Hat Weiser nicht genauso von der Arisierung profitiert wie Fritz Szepan?

Szepan ist als Namensgeber für eine Straße nicht mehr tragbar und Josef Weiser ist Ehrenbürger der Stadt Geelsenkirchen. Wie passt das zusammen?

Wird bei dem Fußballer Fritz Szepan und dem Kaufmann Josef Weiser mit zweierlei Maß gemessen, oder gibt es tatsächlich Unterschiede hinsichtlich der Qualität des Deals mit enteignetem Eigentum von Juden?

Weiß da jemand näheres?

Josef Weiser beim ISG:
http://www.institut-fuer-stadtgeschicht ... Weiser.asp
Fritz Szepan bei den Gelsenkirchener Geschichten:
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... ght=szepan
Zuletzt geändert von erloeser am 03.08.2008, 23:02, insgesamt 1-mal geändert.

Teekesselchen
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Beitrag von Teekesselchen »

In dem Zusammenhang mal eine Frage:

Wie haltet ihr es hier eigentlich mit Wikipedia als Quelle?

Als seriös akzeptiert oder untermauert jemand lieber noch mit anderen Archiven oder Wissensbanken?

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

Teekesselchen hat geschrieben:In dem Zusammenhang mal eine Frage:

Wie haltet ihr es hier eigentlich mit Wikipedia als Quelle?

Als seriös akzeptiert oder untermauert jemand lieber noch mit anderen Archiven oder Wissensbanken?
Diese Quelle ist so gut wie seine Informanten. Nicht mehr und nicht weniger.
Oftmals die einzige schnell "greifbare" Informationsquelle". Manchmal jedoch fehlerhaft im Detail. :lol:
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
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erloeser
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der Christ Weiser und die Juden Alsberg

Beitrag von erloeser »

@Teekesselchen
in einem Nachschlagewerk, in dem jeder alles schreiben darf, schreibt jeder auch alles. Vieles ist ok aber es ist auch viel Mist dabei. Für mich ist das beste Beispiel Werner Mölders, ein deutscher Kampfflieger im zweiten Weltkrieg und im spanischen Bürgerkrieg, der immer wieder von seiner riesigen Fangemeinde bei Wikipedia unter dem Hinweis auf seinen katholischen Glauben "entnazifiziert" und zurück auf seinen Sockel gehoben wird...


Ein paar Gedanken über Weiser und Alsberg:

Wenn ich mir den Hinweis auf Josef Weisers Bekenntnis zum Christentum anschaue, wie er zum Beispiel auf der Internetseite des ISG gegeben wird, stelle ich mir die Frage, wie tief war Josef Weiser wirklich mit den Nazis verstrickt. Fakt ist, dass er ähnlich wie der Fussballer Szepan von der Enteignung der Juden profitierte, indem er das Gelsenkirchener Kaufhaus der Gebrüder Alsberg, die später in Konzentrationslagern umgebracht wurden, kaufte und weiter führte.

Josef Weiser ist Ehrenbürger Gelsenkirchens. Dies hat er unter anderem seinem politischen Engagement in der Zeit vor und nach dem Nationalsozialismus zu verdanken. Er gehörte in der Weimarer Republik der katholischen Zentrumspartei an, wurde erst in den Provinziallandtag Westfalen gewählt, später in den Reichstag.

Die Zentrumspartei, Deutschlands älteste Partei, war alles andere als nationalsozialistisch gesinnt, hat aber wesentlich zur Machtergreifung der Nationalsozialisten beigetragen. Sie war mehr oder weniger das Zünglein an der Waage, als die Nazis das Ermächtigungsgesetzt durchdrückten. Da es sich hierbei um die Änderung der Verfassung der Weimarer Republik handelte, die den Nationalsozialisten die gesetzliche Grundlage für ihre Diktatur bescheren sollte, war eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die dafür notwendigen Stimmen bekam Hitler durch die Zentrumsmitglieder des Reichstages, denen auch Josef Weiser angehörte.

Die Zustimmung der Zentrums zu diesem Gesetz, welches faktisch die Demokratie abschaffte und der anschliessenden Diktatur den gesetzlichen Unterbau besorgte, ist vor dem Hintergrund des sogenannten Reichskonkordates zu sehen, einer Vereinbarung der Reichsregierung mit dem Heiligen Stuhl in Rom. In dem Konkordat wird geregelt, dass die Ausübung des katholischen Glaubens in den verschiedensten Bereichen gesellschaftlichen Lebens vom Staat weiter zugelassen wird und sich die katholische Kirche im Gegenzug mehr oder weniger dazu verpflichten, sich aus politischen Begebenheiten herauszuhalten.

Ähnlich, wie die Nazis bereits vor den Reichstagswahlen im März 1933 nach dem Reichstagsbrand Sozialisten und vor allem Kommunisten verhafteten, um so die linke Wählerschaft einzuschüchtern, sind auch später Mitglieder der Zentrumspartei zwecks Einschüchterung kurzzeitlich inhaftiert worden, u.a. auch Josef Weiser.

Aus seiner politischen Überzeugung heraus, war Josef Weiser alles andere als ein Nazi. Aber wie sieht es mit dem Kaufmann Josef Weiser aus? Ein überzeugter Christ - und so wird Weiser überall dargestellt - kauft während der Naziherrschaft das Eigentum enteigneter Juden auf und sein eigenes Geschäft wird so zum grössten Unternehmen im Textileinzelhandel der Region.

Wie man den gerade eben im Fred "Kaufhaus Weiser" geposteten Informationen entnehmen kann, war das Kaufhaus der Gebrüder Alsberg in Gelsenkirchen nicht das einzige, welches von Weiser übernommen wurde. Das Kaufhaus in Recklinghausen und auch Kortum in Bochum, das den beiden jüdischen Kaufleuten gehörte, ist in der Zeit des Nationalsozialismus an Weiser gegangen.

Das Bekleidungshaus eines Gelsenkirchener Christen schluckt einen Großteil des Bekleidungsimperiums Bochumer Juden, nachdem diese enteignet wurden und vorher der grössten Konkurent der Firma Weiser im Segment Bekleidungs- und Textileinzelhandel gewesen sind...

Ein paar Fragen, die bleiben:

Ist Josef Weiser von den Nationalsozialisten gezwungen worden, das Kaufhaus der später im KZ ermordeten Brüder Alsberg zu kaufen oder geschah das aus seinem eigenen Antrieb?

Ist der Familie Alsberg, deren Nachfahren den Holocaust überlebten, weil sie sich ins Ausland absetzen konnten, jemals etwas von ihrem geraubten und von Josef Weiser gekauftem Eigentum zurückgegeben worden oder gab es von Seiten der Familie Weiser vielleicht Entschädigungen in anderer Form?

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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

Auszug aus: Buersche Persönlichkeiten,die Spuren hinterließen
Verein für Orts u. Heimatkunde GE-Buer
Heft 10, 2001

Text: Hans Göbel
Die Nationalzeitung vom 18. 3. 1933 bringt diesen Boykottaufruf gegen die Fa. Weiser: „Nicht nur Warenhäuser, Einheitspreis-, Konsumvereins- und jüdische Geschäfte sind von öffentlichen Aufträgen auszuschließen, sondern auch Firmen, deren Inhaber offensichtlich den Bestrebungen der Regierung zuwiderhandeln, wie das die Fa. Weiser in Buer für angebracht hielt. Wer mit uns geht, ist unser Freund, und wer nicht will, dem soll das Seine gegeben werden."

Für den Kaufmann Josef Weiser wurde es jetzt gefährlich. Seine wirtschaftliche Existenz stand auf dem Spiel.

1933. Hitler war seit dem 30. Januar Reichskanzler und damit seine Partei und ihre Schlägertruppen an der Macht. Am 27. Februar brennt der Reichstag. Am 5. März finden Reichstagswahlen statt. Josef Weiser gehört wiederum zu den 73 Abgeordneten des Zentrums, das zusammen mit dem Ableger „Bayerische Volkspartei" die drittstärkste Fraktion bildet. Doch was nützt das? Die NSDAP besitzt zusammen mit der „Deutschnationalen Volkspartei" die absolute Mehrheit. Die Diktatur beginnt. Am 23. März beschließt der Reichstag das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich", das so genannte „Ermächtigungsgesetz". Bei der Abstimmung ist die KPD ausgeschlossen, die anwesenden Abgeordneten der SPD stimmen dagegen, das Zentrum mit Weiser akzeptiert. Das Parlament hat sich damit selbst entmachtet. Was in Josef Weiser vorgegangen ist, wie er an der Willensbildung der Fraktion beteiligt war, wissen wir nicht.

Aber der Zug rollt weiter. Die KPD ist bereits verboten, die SPD wird am 22.6.1933 aufgelöst, das Zentrum kapituliert am 5. 7.1933 durch Selbstauflösung. Am 14. 7.1933 wird die NSDAP per Gesetz einzige legale Partei. Der Einparteienstaat ist etabliert. Die Demokratie in Deutschland hat aufgehört — auch in Gelsenkirchen, dessen Oberbürgermeister jetzt der Parteigenosse Böhmer ist. Bei der Gemeindewahl am 12.3. 1933 hatte die NSDAP 40,1 % der Wählerstimmen erzielt, das Zentrum 23,4 %, die KPD 15,4 % und die SPD 9,5 %. Die Abgeordneten der KPD durften ihr Amt laut Verfügung des preußischen Innenministers v. 20. 3. 33 gar nicht erst antreten; somit hatte die NSDAP die absolute Mehrheit der Stimmen, und die Eröffnungsrede ihres Fraktionsvorsitzenden und Gauleiters Meyer im Gelsenkirchener Stallparlament war eine „brutale Drohung und Verunglimpfung gegenüber allen anderen Ratsparteien" (Dr. St. Goch).

Der Zentrumsabgeordnete Weiser konnte an dieser konstituierenden Sitzung nicht teilnehmen und reagieren, weil er durch einen Berliner Reichstagstermin abgehalten war. Hätte er überhaupt in dieser Situation noch reagieren können?

Das politische Wirken von Josef Weiser war Anfang 1933 beendet, verboten - und die Rolle des Verfemten begann, der trotzdem nicht resignierte und sich zu behaupten versuchte.
Der Stadthistoriker Dr. Stefan Goch schreibt in seiner Zeitungsserie „125 Jahre Gelsenkirchen" der Buerschen Zeitung vom 11.11. 2000: „Nach der Übergabe der Macht an den Nationalsozialismus wurde Weiser von den neuen Machthabern argwöhnisch beobachtet und immer wieder bedroht. Dabei kam es zu Schikanen..."

Der Kleinkrieg sah dann so aus: Weiser betrieb in seinem Geschäft am buerschen Markt seit 1928 eine kleine Postagentur zum Briefmarkenverkauf. Im März 1933 ordnete die Regierung zu irgendeinem der vielen „vaterländischen" Anlässe Beflaggung der Dienstgebäude an. Weiser zieht auf seinen Türmen nur die Reichsflagge -jetzt schwarz-weiß-rot - hoch. Die Partei entdeckt da!', und teilt anordnend mit, daß Weiser auch die Hakenkreuzflagge hissen müsse, weil die Doppelbeflaggung für Dienstgebäude laut Verfügung des Reichspräsidenten zwingend sei. Und da Weiser eine, wenn auch kleine Postagentur unterhalte, gelte sein Kaufhaus als Dienstgebäude. Die NS Ortsgruppe bestehe auf umgehender Hissung der Hakenkreuzfahne. Die prompte Reaktion von Josef Weiser: Sofortige Kündigung an die Hauptpost Buer: „Die Weiser-Postagentur wird ab Mittag des nächsten Tages geschlossen. Es wird um Abrechnung und Quittungsleistung zu diesem Zeitpunkt gebeten." Das Postamt schickt trotzdem eine Hakenkreuzfahne. Es ging nicht anders. Später flatterte sie irgendwann vom zweiten Weiserturm.

1934 ordnet man bei Weiser einfach die Schließung des langjährigen, florierenden Erfrischungsraumes an. — Schikane der kleinen Nadelstiche!

1936 wird Weiser auf der Essener Straße von einem Rudel schwarz uniformierter SS Männer angepöbelt. Sie skandieren lauthals: „Weiser, du schwarzer Hund!" Weiser entkommt ihnen — aber er beschwert sich bei der übergeordneten Dienststelle in Münster, die erstaunlicherweise eine schriftliche Entschuldigung schickt.

1937/38. Weiser ist Vorsitzender des Buerschen „Katholischen Kaufmännischen Vereins" und als sog. „Betriebsführer" gleichzeitig zwangsweise Mitglied der „Deutschen Arbeitsfront". Die örtlichen Parteiorgane strengen vor dem „Ehren- und Disziplinargericht" der Deutschen Arbeitsfront ein Verfahren an, das wegen verbotener Doppelmitgliedschaft den Ausschluß aus der Arbeitsfront bewirken soll. Ein Ausschluß hätte für Weiser die Fortführung seines Unternehmens unmöglich gemacht. Das Verfahren endet mit einem „strengen Verweis" — und der buersche KKV lebt seitdem in Stammtischvariante weiter.

11. 3. bis 25. 3. 1942: Weiser wird von der Geheimen Staatspolizei 15 Tage lang in der Haftzelle des buerschen Polizeipräsidiums eingesperrt und verhört. Er selbst gibt an, es sei „wegen der Verbreitung eines Flugblattes" geschehen. („Möldersbrief").

1943 läuft in Deutschland die so genannte „Geschäftsschließungsaktion" der NS Partei an.
Sie hat zum Ziel, die wegen des im 4. Kriegsjahre herrschenden Warenmangels entbehrlichen Geschäfte stillzulegen, um damit Arbeitskräfte für die Rüstung freizusetzen. Die NS Kreisleitung hofft, nun Weiser endlich zu eliminieren und fordert dazu ein Gutachten des Ortsgruppenleiters an. Dieses lautet: „Wir würden es begrüßen, wenn wir am Ort in dem Inhaber eines solchen Geschäftes einen Nationalsozialisten begrüßen könnten, verkennen jedoch nicht, daß das Publikum von Weiser zufriedenstellend bedient wird. Um die Bewegung kümmert er sich keineswegs. Beim Hitlergruß erhebt er gezwungenermaßen eben die Hand — aber kaum in Schulterhöhe. Bei der letzten Gaustraßensammlung spendete er 200,-. Für seine Kirche spendet er bestimmt mehr. Durch seine enge Verbindung mit der Kirche wurde er von seinen Glaubensgenossen sehr unterstützt." Aufschlußreicher für ein System auf Ortsebene kann ein Dokument eigentlich nicht sein.
Im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 ergeht an die örtliche Gestapo die Anweisung, Weiser zu verhaften und an ein KZ auszuliefern. Sie weigert sich mit der Begründung, Weiser habe zwei Söhne im Kriege verloren (1943 und 1944), ein dritter Sohn sei verwundet. Die örtliche Polizei hält es für unmöglich, einen solchen Mann in ein KZ zu schicken. Weiser erfährt durch Vertraute bei der Gestapo von der Gefahr, er tauchte ab, und man läßt ihn ungeschoren.

In den Jahren ab 1933, als Weiser sich im polititschen „Aus" befand, ereignen sich aber andere, ganz außerordentliche Dinge. Dem Kaufmann „par excellence" werden in Bochum Grundstücke angeboten. Er erwirbt in diesem Jahr ein Haus an der Kortumstraße, das er „a la Weiser" installiert und mit großem Erfolg betreibt.

1935 ergibt sich die Möglichkeit, das Geschäft der Gebr. Alsberg in Recklinghausen zu erwerben. Sehr schnell faßt er auch hier Fuß und entwickelt sich zu einer Größe im Vestischen Einzelhandel.

Jetzt kommt das Kapitel „Alberg am Stern" in Buer. Eine alte Gründung der sehr bekannten jüdischen Textil-Firma, seit Jahrhundertbeginn in Buer ansässig, neugebaut im Jahre 1928. Ein Textil-Kaufhaus neuen Stils. Der Inhaber heißt 1933 B. Eichengrün. Auch er ist Jude. Die großen Kaufhäuser mit jüdischen Inhabern werden 1933 „arisiert". Aus Alsberg in Gelsenkirchen wird das „Weka" (Westfalen-Kaufhaus), aus Alsberg in Buer wird die „Martin Rings AG". Rings ist Bankdirektor der Buerschen Commerzbank, seine tatkräftigen Helfer bei der Arisierung sind die Deutsche Arbeitsfront und die Partei. Nach zwei Jahren schon steuert der in der Textilbranche unerfahrene und im Handel ungelernte Bankfachmann im August 1935 in die absolute Pleite. Die Belastungen, die der Vorgänger Eichengrün mit dem großen Neubau von 1928 auf sich genommen hatte, waren ohne Absicherung durch den ehemaligen Alsberg Clan nicht zu bewältigen. Das Haus wird ausverkauft. Bei einer späteren Versteigerung der Konkursmasse erhält die „Berliner Bodenkreditbank" den Zuschlag.

1938 erwirbt Weiser von der „Deutschen Centralbodenkredit AG" in Berlin den ungenutzten Komplex einschließlich der Ladeneinrichtung, „als sich hierfür kein Käufer fand" (Originalangaben von Josef Weiser).

1939 richtet er im Parterre eine Textilabteilung ein. Mehr sitzt nicht drin. Krieg und beginnende Kriegsbewirtschaftung verhindern weiteres. Nach dem Kriege führen die Erben Eichengrün noch einen Prozeß um eine höhere Abfindung. Weiser, der vierte Nachbesitzer nach dem inzwischen verstorbenen B. Eichengrün, schafft die juristisch sehr schwierigen Differenzen mit einem Vergleichsangebot aus der Welt. Er schießt 1950 nochmals eine hohe Summe nach, „um die Sache endlich vom Tisch zu bekommen" (Zitat Weiser). Der Historiker Stefan Goch urteilt über die Geschäftserweiterungsphase zwischen 1933 und 1938 so: konnte Weiser in der Zeit des „dritten Reiches" sein Unternehmen ausbauen, wobei er auch Geschäfte kaufte, die jüdische Inhaber unter dem Druck der Verfolgung verkaufen mußten. Weiser verhielt sich hier aber anders als viele „Arisierungsgewinner", zahlte korrekte Preise und versuchte, bei der Flucht zu helfen." Die Kriegsjahre 1939/45 waren für das Handelsunternehmen Weiser schwierig. Es überlebte die Zwangswirtschaft und den Bombenkrieg. Das Bochumer Geschäft mußte nach den vielen Luftangriffen fast neu gebaut werden.

Die Kriegsjahre 1939/45 waren für die Familie Weiser grausam. Vier Söhne wurden eingezogen. Zwei kamen nicht zurück, einer wurde schwer verwundet. Von dem politischen Versteckspiel und den zahlreichen täglichen Unsicherheiten eines Regimegegners unter der Diktatur ist bereits berichtet worden.

Als Amerikanische Truppen am Karfreitag, dem 30. 3. 1945, gegen Abend Buer erreichen und einen Tag darauf bis zum Rhein-Herne-Kanal vorstoßen, scheint der Krieg hier beendet zu sein. Am 7. 4. haben die deutschen Resttruppen die Kanalzone verlassen, ab 8. 4. besetzen die Amerikaner Gelsenkirchen, am „Weißen Sonntag" 1945 wird hier nirgendwo mehr geschossen. Aber der wirkliche Frieden ist ja noch weit weg. Es gilt nun, irgendwie zu überleben, wobei die Bueraner in der glücklichen Situation sind, nicht in einer völlig kriegszerstörten Stadt neu anfangen zu müssen. Die Besatzungstruppen kümmern sich zwar sofort um die öffentlichen Verhältnisse, indem sie schon am ersten Besatzungstag den städtischen Oberverwaltungsrat Hammann zum Bürgermeister und den Stadtoberinspektor Haneklaus zu seinem Stellvertreter bestimmen. Aber es läßt sich ja kaum etwas bewirken.

Auch der Handel vegetiert. Die Weiser-Geschäfte vegetieren mit ihm. Die Leute können, wenn überhaupt, nur über Bezugscheine kaufen. Der Alsberg-Bau steht fast leer. 1946 vermietet Weiser das große, ungenutzte Haus an die Stadt mit dem Recht der Untervermietung. Städtische Dienststellen richten sich auf Zeit ein, und in den oberen Etagen lassen sich aus dem Osten geflohene Bekleidungsfabrikationen nieder. Im Parterre versuchen sich Weiser und zeitweise sogar eine Art Reisebüro. Dieser Zustand hält bis 1949 an. Dann erst übernimmt Weiser den ganzen Bau. Inzwischen hat der 67jährige seine Söhne, alle vier sind Kaufleute geworden, zur Verfügung. Eine erhebliche Entlastung für den Senior. Am 30. 4.1949 gründet er mit ihnen eine Familien GmbH. Er selbst bleibt Geschäftsführer, die Söhne gehen als „Leitende" in die vier Geschäfte (Dr. Theo nach Recklinghausen, Franz nach Bochum, Josef in das Haus am Stern, Karl in den Marktbau). Eine Buersche Zeitung berichtet aus dem Jahre 1949: –. . aber da sind auch die Junioren. Die Weiser Söhne gehen dem Vater zur Hand. 1 x im Monat ist große Konferenz. Manchmal prallen die Meinungen hart aufeinander. Aber der Alte hält mit den Jungen kräftig mit. Denn natürlich ist es nicht leicht, ihm an Begabung, Erfahrung und Persönlichkeit gleichzukommen."
gehört eigentlich nach "Kaufhaus Weiser"
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... ght=weiser
ist hier aber als Antwort auf den Beitrag von Erlöser
Gegen Hass, Hetze und AfD
überalteter Sittenwächter

axel O
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Beitrag von axel O »

Diese Leuchter hingen früher im Gebetsraum des Kaufhauses Alsberg. Sie wurden gerettet, verschwanden über Jahrzehnte quasi in einer Garage und wurden durch Zufall wiederentdeckt, restauriert, um in der neuen Synagoge neu zum Leben erweckt zu werden..

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tiborplanet_de
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Beitrag von tiborplanet_de »

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