@rmenne: Habe etwas länger danach suchen müssen...
WAZ vom 22.03.2003, loc
"Kriminalfall" Hans-Sachs-Haus wurde bereits 1945 bekannt
Zeitzeuge: "Pfusch am Bau war nach Bombenangriff Stadtgespräch"
Ich schreibe den Nachrichtentext für Nichtsehende lieber noch einmal ab:
Verheerende Folgen hatte am 19. März 1945 ein Luftangriff.
Bomben legten im Bereich Munckelstraße das Innere des Hans-Sachs-Hauses frei.
Über 100 Menschen starben.
Einen "Kriminalfall aus den 20er Jahren" deckte die Stadt jüngst auf, als sie über die akute Einsturzgefahr des Saalbodens im Hans-Sachs-Haus informierte.
Dass es bei der Errichtung "Pfusch am Bau" gab, müsste bei der Stadt eigentlich seit mindestens 57 Jahren bekannt sein. Sagt Otto-Ernst Petschulat.
Gelsenkirchen, 19. März 1945. Sirenen heulen: Luftalarm! Weil die in der Munckelstraße lebenden Petschulats schon sehr spät dran sind, suchen der 5-jährige Otto-Ernst und seine Eltern nicht -wie üblich- die nächstgelegenen Luftschutzräume im Hans-Sachs-Haus auf, sondern entschieden sich für den Keller des Amtsgerichts. Und genau das rettete den Petschulats wohl das Leben.
Über 100 Menschen kommen bei dem Bombenangriff ums Leben. Im Südflügel des Hans-Sachs-Hauses an der Munckelstraße werden sie im Keller unter den Trümmern begraben. Der Onkel von Otto-Ernst erklärt erklärt die Familie bereits für tot, weil die Petschulats erst nach Stunden den Luftschutzkeller im Amtsgericht verlassen können.
"Aus allen Wolken fielen wir damals, dass der Bombenangriff das Hans-Sachs-Haus derart zerstören konnte.", erzählt der Rentner. Denn: das 1926/27 eröffnete Rathaus galt wegen der vermeintlich massiven Bauweise als relativ sicher.
"Man war der Meinung, dass man dort den größten Schutz findet" , sagt Otto-Ernst Petschulat (63).
Nach der Tragödie sei aber schnell bekannt geworden, dass bei der Errichtung des Hans-Sachs-Hauses gepfuscht wurde und Decken zu dünn waren.
"Das war Stadtgespräch. Es hieß damals: Da wurde wohl Material zur Seite geschafft, um Geld zu sparen." erinnert sich der Betriebswirt. Das dies bei der Stadt nicht, in irgend einer Form aktenkundig ist, verwundert ihn.
"Irgendwo muß es doch Hinweise darauf geben."
Der Stadt sei in dieser Hinsicht nichts bekannt, sagt Kämmerer und Hans-Sachs-Haus-Koordinator Rainer Kampmann auf WAZ-Anfrage. Die Recherche der Verwaltung in Archiven sei aber noch nicht abgeschlossen.
Was nicht nur Petschulat verwundern dürfte:
Bei einem solchen Millionenprojekt müssten doch zunächst alle Unterlagen und Papiere gesichtet werden, meint er.
Die Untersuchung des Bodens im seit vielen Monaten gesperrten Saal habe die Stadt nicht früher vornehmen können, weil darunter die Technikzentrale und Öltanks gewesen seien, so Kampmann.
Um Vorwürfe wie den der Grünen ("Salamitaktik") künftig schon im Keim zu ersticken, so der Kämmerer, lasse die Verwaltung zurzeit das gesamte Gebäude
durch ein sogenanntes "Risikoscreening" checken.
Eines könne er schon heute sicher sagen: "Bei den Decken gibt es stark unterschiedliche Bauqualitäten, so dass wir nicht überall die gleiche Katastrophe wie im Saal vorfinden."
Hieße: Die Kosten explodieren nicht noch weiter. Angesicht bereits jetzt zu befürchtender Baukosten von knapp 50 Mio € nur ein schwacher Trost...