Männlein hat geschrieben:@stulle: das Bild kannste vergessen. Gute Perspektive, Weitwinkel, könnte in jedem Hochglanzprospekt von heute auftauchen. Macht aus einem Whirlpool ein Olympiabecken.
Man sollte endlich mal aufhören, den alten Bahnhof zu mystifizieren
Es werden hier völlig unterschiedliche Epochen einfach durcheinandergewürfelt. Es war nie ein Anliegen der Stadt, den Bahnhof der Kaiserzeit in die Luft zu jagen. Dieser Eindruck kann, gerade für jüngere Nutzer des Forums, hier entstehen.
Für den Bahnhof gilt ähnliches wie für das alte Rathaus, d.h. die Nachkriegsentwicklung und-nutzung war entscheidend für die Beschlüsse der Stadt.
Einigermaßen bewußt kenne ich den Bahnhof seit ca. 1955. Da meine Familie sehr reiselustig war, wir aber nie ein Auto hatten, kam ich extrem häufig mit dem Bahnhof und dem Bahnzugang nach Gelsenkirchen in Kontakt.
Ein Bahnhof wurde damals als erster, entscheidender Eindruck einer Stadt bewertet, die Visitenkarte sozusagen. Und die Visitenkarte Bahnhof Gelsenkirchen war sehr ernüchternd.
"Kennen Sie Gelsenkirchen?" - Ja, das ist doch die Stadt mit diesem scheußlichen Bahnhof"!
Das war die Realität über Jahrzehnte hinweg. Wie viele alteingesessene Bürger Gelsenkirchens äußerten sich damals ganz klar: die Bomben haben an der falschen Stelle eingeschlagen, der Bahnhof steht immer noch.
Das alles hört sich aus heutiger Sicht sehr, sehr befremdlich an. Ältere Gelsenkirchener dürften aber wohl mit dem Kopf nicken.
Der Bahnhof war dreckig, unwirtlich, verkommen und einfach untragbar.
Für die Jugend von heute: 2 dunkle, wellige Bahnsteige, Treppenabgänge, die lebensgefährlich waren wegen der abgerundeten Kanten, ein Durchgang zur Bahnhofshalle, den man auch aus Geruchsgründen im Eiltempo nahm, und eine Halle, die bei weitem nicht so aussah, wie auf den schönen Bilderchen der Kaiserzeit. Übersäht von Zigarettenkippen, keinesfalls lichtdurchflutet, weil die schönen Fenster wohl mehr als 20 Jahre auch nicht gereinigt worden waren. Mit einem Wort: ERBÄRMLICH!
Ob dieser Zustand irgendwie wissentlich herbeigeführt war, um widerstandlos ein neues Konzept durchzuziehen, entzieht sich meiner Kenntnis. Möglich wäre es aber schon, zumindest wär es nicht das erste Mal gewesen.
Ebenso habe ich keine Ahnung, ob die technischen Vorausetzungen für die Zunkunft noch relevant waren. Vielleicht können uns da die Bismarcker Eisenbahnfreunde weiterhelfen.
Unheimlich war auch die Umgebung, leicht bahnhofskriminell eben, Gänsehaut in der Unterführung zur Neustadt gehörte dazu. 1966 habe ich meinen Mopedführerschein bei der Fahrschule Sohn in der Hiberniastrasse gemacht. Nach dem Therorieunterricht am Abend hatte ich schon immer einen recht flotten Schritt drauf.
Alle, die damals einen neuen Bahnhof wollten, und ich bin sicher, dass es weit über dreiviertel der bevölkerung war, staunten aber gewaltig über das, was kam: eben kein neuer Bahnhof, sondern ein Minieinkaufszentrum mit Gleisanschluss. Eine U-Stadtbahn, die alle halbe Stunde mal fährt (sorry, da kommt die Münchner Arroganz durch), und weiter oben einfach nichts. Die totale Nullnummer Irgendwann habe ich als Wegezogener diese Szenerie zum erstenmal sehen müssen und es tat weh, so weh, dass die Augen feucht wurden: eine jämmerliche freie Fläche, die nahtlos in eine völlig ausgemergelte Bahnhofstrasse übergeht. Ich bin sicher, dass sich das auch nach der 10. Renovierung nicht wesentlich ändertn wird.
Nochmal in Kurzform: Heute trauert Jeder dem alten Bahnhof nach, vor 30, 40 Jahren wollte ihn Keiner mehr haben.
Sehe ich das richtig? Die Diskussion ist eröffnet
Gruß Männlein
Erstmal hallo an alle, die hier schreiben und Infos über meine alte Heimatstadt hereinsetzen.
@ Männlein:
Grundsätzlich gebe ich dir recht, die ganze Bahnhofsecke war ein echtes Schmuddelkind, soweit ich mich noch daran erinnern kann. Aber stellt euch doch mal vor, welches Entwicklungspotential mit dem Abriß des Bahnhofs vertan wurde.
Keine Frage, in dem von dir beschriebenen Zustand war das Ding wirklich ein Fall für die Abrissbirne.
Wenn man mich gefragt hätte, wäre folgendes passiert:
-der Bahnhof wäre erhalten und einer Kernsanierung unterzogen worden, incl. der von dir erwähnten Bahnsteige, Treppen, Aufgänge und natürlich die Halle
- die Stadtbahn wäre NIEMALS gebaut worden
- Errichtung von Straßenbahnsteigen und Bussteigen unter der Unterführung Bochumer Straße
- Weitgehende Erschließung des Bahnhofsvorplatzes als Fußgängerzone, lediglich der ÖPNV hätte integriert werden müssen.
Wenn man die "geschliffenen" Häuser des Bahnhofsvorplatzes so wie die heute noch vorhandenen saniert hätte, wäre ein durchaus attraktiver Bahnhofsbereich dabei herausgekommen.