Schöne Bahnhofstraße

... ein Überblick

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Erin
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Beitrag von Erin »

Ach kuck, dann war ich ja doch nicht die Einzige, die keine Trennlinie hatte (kannte die gar nicht, bis ich hier anfing zu lesen).

---

Hey, wenn mich das stören würde, daß so wenig Deutsche (Laute - äh, Leise? zu hören) sind auf der Bahnhofstraße, da würde ich doch erst recht hingehen!
Die Schlechtmenschen* haben doch wohl nicht ernsthaft Angst, da ermordert oder vergewaltigt zu werden?


*wenn "wir", die wir uns da nicht unsicher fühlen, Gutmenschen (sh. <a href='http://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch'>Wikipedia/Gutmensch</a> ) sind, müssen die anderen ja Schlechtmenschen sein, oder wie nennt man das Gegenteil von Gutmenschen (sh. <a href='http://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch'>Wikipedia/Gutmensch</a> )? :ka:
Kohlensäure...das letzte bißchen Punk, das mir noch geblieben ist. (K. H.-U.)

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sirboni
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Beitrag von sirboni »

Jetzt kann ich mir auch vorstellen wie sich mein Uropa in seinen alten und mein Opa in seinen jungen Jahren gefühlt haben werden, als die ganzen Heerscharen aus dem Osten ins ländliche GE und seine Nachbardörfer kamen. :idea:
Wer Bier trinkt hilft der Landwirtschaft

Erin
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Beitrag von Erin »

Und ich kann mir vorstellen, wie sich meine Uropas gefühlt haben, als sie aus dem Osten hierherkamen...
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Bretterbude
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Beitrag von Bretterbude »

Nun, der Vergleich hinkt wohl. Die damaligen Zuwanderer kamen aus dem gleichen Kulturkreis, sprachen vielfach die gleiche Sprache und hatten die gleiche Religion. Man ging in die gleiche Kirche, hatte die gleichen Werte. Also bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Heute sind die Barrieren ungleich größer.

Troy
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Beitrag von Troy »

Lieber Bretterbude,

das möchte man heute so gern glauben... bzw. uns Glauben machen.
Aber genau das stimmt so pauschal nicht!!

Das stimmt weder für die Zeit der Wirtschaftsmigration ab Ende des 19. Jh. noch für die (wie auch immer "deutsche") Generation der Geflüchteten nach 1945.

Wer noch "Familie" hat, die da berichten kann, der sollte diesen Menschen sehr genau zuhören.

Ausgerechnet in GE gab es so viel krauses Zeug an Pseudo-Forschung in den 1930'er Jahren, dass ausgerechnet hier Begrifflichkeiten geprägt und "bearbeitet" wurden, die im Rundumschlag rassistisches Denken unterstützt und gefördert haben.

Mehr dazu findet sich im Stadtarchiv GE.


LG
Troy

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Bretterbude
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Beitrag von Bretterbude »

Liebe Troy,

Dein Einwand ist sicher nicht unberechtigt. Aus Erzählungen meines Vaters weiß ich, dass auch noch in den 1940er Jahren hier in Gelsenkirchen geborene Kinder (3. Generation Migranten aus Masuren, 1. Generation war auch schon der deutschen Sprache mächtig) noch „gehänselt“ wurden. Ich bin mir aber trotzdem sicher, dass die damalige Situation (Ende 19. Jhd.) nicht mit der heutigen vergleichbar ist. Allein schon deshalb, weil die Menschen hier als Arbeitskräfte in Stahl und Kohle gebraucht wurden. Die damaligen Migranten waren entweder katholisch („Polen“) oder streng evangelisch. Und die damaligen Zuwanderer haben sich im Laufe der Zeit in die hiesigen Verhältnisse integriert, auch wenn sich diese dadurch möglicherweise etwas verändert haben. Das sehe ich heute bei den bereits vorhandenen Parallelgesellschaften absehbar leider nicht. Und das ist das Hauptproblem. Nicht die Menschen als Einzelne, sondern die Verteilung und die bereits be-stehenden und sich erkennbar weiter entwickelnden Parallelgesellschaften. Wie ich an anderer Stelle schon geschrieben hatte, kann m. E. für die hier lebenden Menschen nur eine Stärkung der Bildung mit allen damit verbundenen Konsequenzen einen wesentlichen Teil zur Abhilfe schaffen.

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Minchen
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Beitrag von Minchen »

Fuchs hat geschrieben:Mal von dem Geplänkel abgesehen möchte ich
meinen Einwurf in Form der Frage "wann war die
Bahnhofstraße denn eigentlich nomma schön?"
nicht ganz untergehen lassen. "Attraktiv" oder
"gut besucht" lassen ja noch lange nicht unbedingt
auf Schönheit schließen.
Die Bahnhofstraße war wohl nie besonders schön, das liegt meiner Meinung nach an der Bauweise: zu lang, zu gerade und zu schmal. Zu schmal für Straßencafés mit reichlich Tischen draußen, zu gerade, ohne sich zu kleinen Plätzen mit Tischen zu öffnen. Eine lauschige kleine Kirche am Rand mit ein paar alten Bäumen wäre nicht verkehrt.
Kassandra war doch eine furchtbare Populistin.

Das ist die Seuche unserer Zeit: Verrückte führen Blinde.
(Shakespeare, König Lear)

Erin
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Beitrag von Erin »

Klar entwickeln sich Parellelgesellschaften, wenn die Ankommenden merken, daß sie nicht wirklich willkommen sind. Da sinkt auch die Integrationsbereitschaft, und ich finde das nicht verwunderlich.
Da ist jedes Gespräch in der Muttersprache ein Stück Heimat.
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Erin
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Beitrag von Erin »

Bretterbude hat geschrieben:Nun, der Vergleich hinkt wohl. Die damaligen Zuwanderer kamen aus dem gleichen Kulturkreis, sprachen vielfach die gleiche Sprache und hatten die gleiche Religion. Man ging in die gleiche Kirche, hatte die gleichen Werte. Also bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Heute sind die Barrieren ungleich größer.
Naja, aber wenn du schon selbst schreibst, du wüßtest, wie sich dein Uropa (Alteingesessener) gefühlt habe, als die Leute aus dem Osten kamen, dann weißt du ja und denkst auch, daß es irgendwie "schlimm" war, daß da andere, Fremde, kamen...und die Mentalität war sicher anders. Gewisse Ausgrenzung war da schon auch vorprogrammiert.
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remutus
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Beitrag von remutus »

Der Vater meines Schwiegervaters kam im vorvorigen Jahrhundert aus Masuren.
„Paselacken, Botokuden, Grün und Blau - Pollacks Frau“ sind so ein Ausdruck der Willkommenkultur, als die Wirtschaftsflüchtlinge von damals begannen, die Westfalen zu verdrängen. Und heute:
„Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche.“ (F.W.Bernstein)

Oliver Raitmayr
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Andreas Kossert

Beitrag von Oliver Raitmayr »

Das ist zwar alles schon ziemlich Off-Topic und es empföhle sich ein neuer Fred unter dem Titel "Von Xenophobie bis Rassenhass in GE", wo die Argumente und Aussprüche gebündelt werden könnten.

Dennoch will ich noch gerne auf die Literatur von Andreas Kossert zu dem Thema hinweisen:

Kalte Heimat
Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945 (2008) - und immer noch brandaktuell.

Liebe Grüße aus Österreich, wo ich seit über 50 Jahren der Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt bin.

Oliver
Zuletzt geändert von Oliver Raitmayr am 27.07.2017, 21:53, insgesamt 1-mal geändert.

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Bretterbude
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Beitrag von Bretterbude »

Erin hat geschrieben:
Bretterbude hat geschrieben:Nun, der Vergleich hinkt wohl. Die damaligen Zuwanderer kamen aus dem gleichen Kulturkreis, sprachen vielfach die gleiche Sprache und hatten die gleiche Religion. Man ging in die gleiche Kirche, hatte die gleichen Werte. Also bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Heute sind die Barrieren ungleich größer.
Naja, aber wenn du schon selbst schreibst, du wüßtest, wie sich dein Uropa (Alteingesessener) gefühlt habe, als die Leute aus dem Osten kamen, dann weißt du ja und denkst auch, daß es irgendwie "schlimm" war, daß da andere, Fremde, kamen...und die Mentalität war sicher anders. Gewisse Ausgrenzung war da schon auch vorprogrammiert.
Hmmm, langsam wird's etwas abstrus. Lieber User Erin, wo schreibe ich denn, dass ich wüsste, wie sich mein Uropa gefühlt hätte. Und wo schreibe ich, dass mein Uropa Alteingessener gewesen sei. In meinem Beitrag habe ich von hier in Gelsenkirchen geborenen Kindern (3. Generation Migranten aus Masuren) geschrieben. Auf meinen Vater passte auch diese Beschreibung. Heißt also, wenn der Vater 3. Generation war, dann war der Opa die 2. und der Uropa logischerweise die 1. Generation. Der Uropa war also der aus Masuren ausgewanderte Mensch. Will sagen, zwei meiner Urgroßväter waren das. Wie Du, lieber User Erin auf das weiter oben von mir zitierte und mir zugeschriebene kommst, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ich für meinen Teil habe hier schon viel mehr Off-Topic geschrieben als ich ursprünglich wollte, aber solche falschen Zuschreibungen an meine Person muss ich dann doch wieder kommentieren.

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kleinegemeine01
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Beitrag von kleinegemeine01 »

Ich war ja mal mit grün und blau ne Punker Frau, sogar auffe Bahnhofstraße trug ich so. Heute geht sogar pink mit lila.

Troy
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Beitrag von Troy »

Ja, wenn ich über die Bahnhofstraße gehe, dann ist es da anders als früher.
Ja, man muss was anne Augen haben, wenn man da keine Veränderungen sieht.

Aber welches "früher"?

Es gab Zeiten, da hatte die Bahnhofstraße Holzfußboden.
Da kann man sehr sicher sein, dass die Vorfahren-Generation mit der o.g. Wirtschaftsmigrationsgeschichte zwar als Arbeitskräfte bestellt, aber als Mitmenschen nicht "abgeholt" worden waren in der aufstrebenden Stadtgesellschaft. Ein hoher Grad an (vom Preußischen Staat sehr genau beobachteter) Selbstorganisation war überlebenswichtig und der regelmäßige Pendelverkehr mit der "Heimat".

"Deutsch" sprechen?
Hallo, wo? Schon Luftlinie weniger als 1 km weg von der Bahnhofstraße hörte die Insel der Seligen auf.
Polnisch, Masurisch, Litauisch... alles nebeneinander war in den Straßen zu hören.
Mit extra hergeholten, extra beauftragten muttersprachlichen Geistlichen, Wanderpredigern und wasweißichnoch alles...

Welches "früher"?

Es wurde m.E. bereits ab Mitte des 19.Jh. mit dem Bau der Arbeitersiedlungen mitten in damals noch so mancher "Revier-Pampa" der Grundstein für das gelegt, was heute aussieht wie städtische "Armutsviertel", abgehängte Stadtteile etc. Da sind so entstandene Quartiere und eben noch verschlafene Dörfer in Zeiten explosionsartig ansteigender Bevölkerungszahlen zueinander gekrochen - Haus für Haus, Straße für Straße.
Und irgendwann waren es so viele Menschen, dass man "Stadt" war. Auf dem Papier.

Nur weil man toll malochen kann, ist man noch lange kein prima Nachbar!
Im Gegenteil.
Wo stehen nochmal die Erinnerungstafeln an die Arbeiterkolonie-Häuser auf der Bahnhofstraße? *grübel*
Wie viele Leute aus den Arbeitervierteln sind wohl damals über die Bahnhofstraße flaniert?

Und was die meist zahlreichen "nachgeborenzugewanderten" Kinder betrifft und deren schulische Versorgung: GE hatte schon inne 1920'er Jahre so schicke Hilfsschulen... für alle die doofen Kleinen, deren vermeintlich ungebildete Eltern nix für ihre Bildung tun konnten.
Und GE hatte auch schon damals gemessen an der Einwohnerzahl beständig mehr Kinder als andere Städte ringsherum.

Welches "früher"?

Das der 1960'/70'er Jahre, wo man extra nach GE kam, weil hier das Einkaufshighlight schlechthin war?
Donnerstags zum Ende des Schlussverkaufs kam immer eine mir bekannte Dame von auswärts extra angefahren, um auf der Bahnhofstraße Stoff zu kaufen, weil damals noch viel selber genäht wurde und an diesem Tag stets die Preise nochmals runtergingen. Und damals wurde den "Langhaarigen" deutlich gesagt, wo's lang geht... die lungerten nämlich auch schon einfach überall herum.

Welches "früher"?

Vielleicht das der 1980'er Jahre? Auch wegen "Stoff"? Und dann abends, so kurz nach Geschäftsschluss? Mit den Kindern der ersten Gastarbeiter?
Als man die "Hucky-Boys" auf der Bahnhofstraße antraf - und deren Schriftzug auch dortselbst regelmäßig an Wänden lesen konnte? Mit ihren Gang-Jacken, immer unterwegs auf der Suche nach dem Abenteuer? Zum Beispiel, um sich ordentlich mit den "The Wanderers" auf die Nasen zu hauen? Wegen Mädchen, Stoff, Revierkämpfen...
Da gab es reichlich Zündstoff, man schlug sich gelegentlich sogar bis nach Wanne und Essen durch.
"Jacken abziehen" - das gab es da auch schon.
Zu der Zeit hat auch so manches Mütterchen auf der Bahnhofstraße von "früher war alles besser" geträumt.

Also: Welches "früher"? :o

...to be continued...

Troy
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Beitrag von Troy »

Bretterbude hat geschrieben:Und die damaligen Zuwanderer haben sich im Laufe der Zeit in die hiesigen Verhältnisse integriert, auch wenn sich diese dadurch möglicherweise etwas verändert haben. Das sehe ich heute bei den bereits vorhandenen Parallelgesellschaften absehbar leider nicht. Und das ist das Hauptproblem. Nicht die Menschen als Einzelne, sondern die Verteilung und die bereits be-stehenden und sich erkennbar weiter entwickelnden Parallelgesellschaften. Wie ich an anderer Stelle schon geschrieben hatte, kann m. E. für die hier lebenden Menschen nur eine Stärkung der Bildung mit allen damit verbundenen Konsequenzen einen wesentlichen Teil zur Abhilfe schaffen.
Lieber Bretterbude,

"im Laufe der Zeit" - ich stimme zu. Das hat ja ein gutes Jahrhundert gedauert...

"bereits vorhandene Parallelgesellschaften" - da ist m.E. auch kommunale "Bauherrlichkeit" viel zu spät aktiv geworden...

"Stärkung der Bildung" - ich stimme zu... und dazu können wir jede Menge Gutes tun.


*seufz* wir haben noch viel vor uns!

LG

Troy

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