Wieso Ruhri? Gibt es auch Rheinis, Elbis und Mainis?

Was heißt das eigentlich? Existenz. Was bedeutet das? ... Wer seid das ihr?

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Lo
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Wieso Ruhri? Gibt es auch Rheinis, Elbis und Mainis?

Beitrag von Lo »

Ihr Lieben, ich gebe zu, mich juckt es hin und wieder, Beiträge in dem von mir empfundenen Ruhrdeutsch abzufassen, wobei ich mich bemühe, recht nah den Jargon zu treffen, den ich von Kindesbeinen an in mich aufgesogen habe.

Wenn ich von "dem von mir empfundenen" Jargon schreibe, dann mit der zugestandenen Einschränkung, dass es DAS Ruhrdeutsch nicht gibt. Es klingt im eher westfälisch gefärbtenLüdenscheid-Nord oder Gelsenkirchen schon wieder etwas anders als im niederrheinisch geprägten Duisburg oder Oberhausen.

Kinder, wat haben wir uns damals beömmelt
, als der großartige Jürgen von der Manger in seiner Rolle als Schwiegermuttermörder Adolf Tegtmeier das Ruhrgebietsdeutsch berühmt machte. Und alle Welt um uns herum glaubte nun, man würde hier so reden wie Adolf Tegtmeier, der die Sprache des Ruhrgebietlers sehr deutlich überzeichnete.

[center]„Und dann sprang dat Pferd
mit dat linke Bein
über unser Omma ihren Hühnerstall
sein Dach.“
[/center]

Gezz mal ährlich: so spricht hier niemand. Na gut, vielleicht ein bissken ähnlich.
Aber auch nur ein klitzekleinet bissken. Und dat mag ich. Sogar richtig gern.

Wat ich aber wirklich nicht mag, ist der vor einigen Jahren von vermutlich sparsam behirnten Kreativen in die Welt gesetzte Begriff RUHRI, mit dem die vermutlich tumben und kohlenstaubvernebelten Bewohner des Ruhrgebiets gemeint sein sollen.

RUHRI, eine Wortschöpfung, der zur Verstärkung der Respektlosigkeit gern auch noch ein DEM vorangestellt wird: „Dem Ruhri sein Revier. Dem Ruhri sein Kanal. Dem Ruhri seine Tauben. Dem Ruhri sein Pütt… und wo weiter.

Und 2010 gab es eine Kampagne, die sich DEM RUHRI SEINE KAMPAGNE nannte, mit Plakaten, auf denen dann der „Ruhri“ mit „alle ihm seine Klischees“ zu sehen war.

Auch, wenn nun die letzte Zeche dicht gemacht hat und die meisten hier längst nichts mehr mit Pütt und Kohle zu tun haben, so sind die Menschen des Ruhrgebiets für mich mit Respekt gern Kumpel – aber keine „Ruhris“, die man als grammatikalisch unterbelichtet darstellt.

Ich bin kein Ruhri. Fettich.

Oder hat schon jemand etwas von Rheinis, Elbis, Mainis, Leinis, und Werris gehört?

Bissi Tage :-)
Lo
Zuletzt geändert von Lo am 08.07.2018, 21:29, insgesamt 1-mal geändert.
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remutus
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Re: Wieso Ruhri? Gibt es auch Rheinis, Elbis und Mainis?

Beitrag von remutus »

Lo hat geschrieben:Oder hat schon jemand etwas von Rheinis, Elbis, Mainis, Leinis, und Werris gehört?
Wie haben hier seit 11 Jahren einen Emschi.

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Lo
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Beitrag von Lo »

Hihi, darauf habe ich tatsächlich gewartet.
Hast recht, lieber Remutus.
:lol:
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rapor
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Beitrag von rapor »

Es gibt doch auch Ossis, Wessis, sogar nach Lebensmitteln benannte wie Hamburger, Berliner oder Frankfurter, Torfköppe, Schluchtenscheixxer, Inselaffen und vieles mehr. Das meiste klingt eher abwertend oder sag doch mal "Du Bayer" zu einem, da finde ich den Ruhri durchaus Sympathisch. Auch wenn Unwissende denken, wir wohnen unter Tage, werden mit Helm und Lampe am Kopp geboren und gehen als Köttel in die Untertagesstätte.
Wir sind halt was besonderes und dann, die Krönung, wir sind Schalker und die nicht!
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Emscherbruch
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Re: Wieso Ruhri? Gibt es auch Rheinis, Elbis und Mainis?

Beitrag von Emscherbruch »

Lo hat geschrieben:Ich bin kein Ruhri. Fettich.
Wenne kein Ruhri sein wills, wat bisse dann?
Stell dir vor, es geht und keiner kriegt's hin.

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Lo
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Beitrag von Lo »

Zuggeeben, solche Bezeichnungen können ja auch humor- oder liebevoll oder auch verniedlichend gemeint sein. Es gibt ja auch die Bazis,, die Amis, die Ösis, die Fischköppe und viele mehr, auch Ossis und Wessis.
Den Ruhri, den gab es aber hier nicht. Der wurde irgendwann den Leuten, vermutlich von Werbemenschen einfach so übergestülpt. Vielleicht mag sich auch so mancher gern an den Begriff gewöhnt haben und sich als Ruhri sehen.
So wie Azubis und Buftis.
Na ja, vielleicht bin ich ja auch nur ein oller Grufti 😉
Liebe Grüße

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Emscherbruch
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Beitrag von Emscherbruch »

Hat mich interessiert, woher der Begriff kommt.

Die "Ruhri-Kampagne", die Lo erwähnte, verwendete den Begriff "Ruhri" erstmals 2008.

Es finden sich aber noch ältere Fundstellen im Netz.
So z.B. ein Interview mit dem in Gelsenkirchen geborenen, in Gladbeck wohnenden und in Bottrop arbeitenden Reinhold Fischbach in der WAZ vom 19.04.2007.
https://www.waz.de/staedte/gladbeck/ein ... 26364.html
Die WAZ schreibt den Begriff noch mit "ie" am Ende, also "Ruhrie".

Stellt sich mir die Frage, wie man vor Jahrzehnten einen Menschen genannt hat, der seinen Lebensraum in der gesamten Region hat und sich nicht nur einer Kommune zugehörig fühlt.
Mir fällt nur ein Begriff dazu ein: "Ruhrgebietler".

Stefan Goch vom ISG schrieb 1997 einen Aufsatz mit dem Titel: „Der Ruhrgebietler“. Überlegungen zur Entstehung und Entwicklung regionalen Bewußtseins im Ruhrgebiet, in: Westfälische Forschungen 47(1997), S.585-620

Der Spiegel verwendete 1997 den sperrigen Begriff "Ruhrgebietsbewohner" in einem Artikel, nachdem Schalke und Dortmund die Europäischen Fußballpokale abgeräumt hatten. Dort wird erklärt:
Spiegel vom 26.05.1997 hat geschrieben:[...] Als am 14. Februar Ruhrgebietsbewohner eine 100 Kilometer lange Menschenkette quer durch die Region bildeten, da demonstrierten sie nicht nur für den Erhalt des Steinkohlebergbaus, der im Ruhrgebiet gerade noch 66 000 Menschen beschäftigt (1980 waren es 143 000), sondern auch ein neues Gemeinschaftsgefühl.
Eine Studie über "Regionale Identität", die im Auftrag des Kommunalverbands Ruhrgebiet erstellt wurde, bestätigt diesen Trend. "Wenn Sie jemandem erklären wollen, wo Sie leben, was sagen Sie dann?" wollten die Meinungsforscher wissen. Statt ihrer Heimatstadt oder Nordrhein-Westfalen nannten als "landsmannschaftliche Einordnung" 48,3 Prozent der Befragten das "Ruhrgebiet". Nur 1,0 Prozent gaben "Westfalen" an, 2,4 Prozent betrachteten sich primär als Bewohner des Niederrheingebiets, lediglich 0,4 Prozent als Sauerländer. Als "besondere Attraktionen", die Ausländern das Ruhrgebiet erklären könnten, wurden Schalke 04, Borussia Dortmund, Krupp oder das Kamener Kreuz erwähnt.
"Wir machen schon seit einigen Jahren die Erfahrung, daß die Menschen hier eine neue Ruhrgebietsidentität annehmen", sagt Frank Levermann, 54, vom Kommunalverband Ruhrgebiet. Verantwortlich sei die Mobilität der jüngeren Leute, "die den ganzen Ballungsraum als einzige große Stadt betrachten". Da wohne jemand in Dortmund, arbeite in Essen, trinke in Bochum sein Bier und besuche in Castrop-Rauxel die Freundin. [...]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8719589.html
(Hervorhebungen nicht im Original vorhanden)
In meiner Schulzeit konnte man mit dem Bogestra Schülerfahrausweis erst nur bis unmittelbar zur Schule und später maximal bis in die Nachbarstädte fahren. Die Generationen davor waren noch viel mehr auf ihre Stadt oder sogar ausschließlich auf ihren Ortsteil beschränkt. Wechselte jemand den Arbeitsplatz, dann zog er meistens um, wenn dieser in einer anderen Stadt lag. Heutzutage fahren Schüler mit ihrem Schoko-Ticket quer durchs gesamte Ruhrgebiet. Firmen und Hochschulen haben Standorte im ganzen Ruhrgebiet und bevor jemand nach einem Arbeitsplatzwechsel umzieht, steht er lieber jeden Tag 80 km mit dem Auto im Stau oder wartet auf die verspätete und überfüllte Bahn.

Der letzte Satz des Spiegel-Zitats legt also nahe, dass der Begriff "Ruhri" kein Marketing-Gag ist. Die relativ neue Wortschöpfung ist wahrscheinlich aus der Notwendigkeit heraus entstanden etwas zu beschreiben, was es vor Jahrzehnten in dieser Ausprägung noch nicht gab. - Die Karikatur eines Ruhrgebietsbewohners verbinde ich mit diesem Begriff nicht.

Aber gut, jeder mag sich bezeichnen, wie er mag. Da Lo keine Eigenbezeichnung nennen konnte, hier hätte ich Vorschläg.
"Oberhausener mit Erler Migrationshintergrund" oder "Loberhausenerler".

Dann doch lieber "Ruhri" 8)

P.S. Es dauerte nur ein paar Monate bis aus meinem Namen hier bei den GG die Emschi-Variante entstand. Um so erstaunlicher, dass der "Ruhri" so lange hat auf sich warten lassen.

Text wegen Tippfehlern ein paar mal verschlimmbessert.
Zuletzt geändert von Emscherbruch am 09.07.2018, 15:33, insgesamt 3-mal geändert.
Stell dir vor, es geht und keiner kriegt's hin.

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Duwstel
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Beitrag von Duwstel »

Also Lo, mit dem Ruhri hab ich gar kein Problem. Menschen aus anderen Regionen z.B. Franken oder anderen Ländern z.B. Schweiz. Erkläre ich das wir Ruhris unsere Berge selber machen und anschließend Skihallen, Himmelslaboratorien oder Windräder drauf stellen.

:up:
Zuletzt geändert von Duwstel am 09.07.2018, 20:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Lo
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Beitrag von Lo »

Lieber Emschi,
ganz großes Dankeschön für Deine Recherche zum möglichen Ursprung des Ruhri-Begriffs.
Toll, denn ich fand lediglich die Ruhri-Kampagne von 2010 (http://ruhri2010.de/ruhri2010.html).
Und auch Duwstel, Rapor und Remutus: Ihr habt ja recht.
Meine Abneigung, Ruhri genannt zu werden, ist vermutlich mit der von mir empfundenen Reduzierung auf Dümmlichkeit durch den Slogan: "Dem Ruhri sein....irgendwat" zu erklären.
Und das, obwohl ich glaube, mit einer ordentlichen Portion Humor ausgestattet zu sein - und auch mein Verständnis dafür vorhanden ist, dass diese Kampagne ganz bestimmt augenzwinkernd und selbstironisch gemeint ist.

Verdelli, jetzt habt Ihr mich erwischt: dat is ja wirklich kniffelig, eine Bezeichnung für unsereins zu finden.
Und wat ich bin? Da komme ich tatsächlich ins Grübeln. :grübel:
Vielleicht als komischer alter Erler Vogel - ein ERLI BIRD?
Liebe Grüße in die alte Heimat!
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AlterMann
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Re: Wieso Ruhri? Gibt es auch Rheinis, Elbis und Mainis?

Beitrag von AlterMann »

LO hat geschrieben:[center]„Und dann sprang dat Pferd
mit dat linke Bein
über unser Omma ihren Hühnerstall
sein Dach.“
[/center]

Gezz mal ährlich: so spricht hier niemand.
So sprach hier auch niemand.

Hal-LO!

Recht hast du. Hinsichtlich der Sprache der Gelsenkirchener ist manches geschrieben und erzählt worden, was einfach nicht stimmt.
Die Neu-Gelsenkirchener waren aus unterschiedlichen Gegenden gekommen, und sie und ihre Kinder sprachen so, wie sie es von ihren Eltern gelernt hatten.
Ein Teil der Neuankömmlinge aus dem Osten war mit einem anderen Deutsch aufgewachsen oder ganz ohne, wurde in Zechenhäusern und -siedlungen untergebracht, so daß es in den 30ern Straßen und Gegenden in Gelsenkirchen gab, in denen Anfänger-Deutsch, schlechtes Deutsch, gesprochen wurde. Straßen-Deutsch nannte man es damals.
Daß in Gelsenkirchen allgemein so gesprochen wurde, wie Tegtmeier und auch Dr. Stratmann es uns vorführen, ist schlicht falsch.

Wer damals in 'ordentlichem Deutsch' fragte, ob die Brötchen auch wirklich frisch sind, wurde verstanden und bekam in 'ordentlichem Deutsch' eine Antwort, auch vom Lehrmädchen im 1. Lehrjahr.

Tatsache ist, daß der Bademeister in der Badeanstalt uns Kinder mit den Worten aus dem Wasser trieb:
"Rrruunter von die Wassärobberflächä!", aber nicht alle Gelsenkirchener waren Bademeister.

Hätten Tegtmeier oder Dr. Stratmann in ihrer Bühnen-Sprache 'aufe Straße nache Uhr gefragt', hätte der 'Echt-Gelsenkirchener' sich gefragt, wo die beiden wohl herkommen - aus Gelsenkirchen sicher nicht!
am

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Lo
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Beitrag von Lo »

Danke, lieber guter "Alter Mann" :-)
dann bin ich ja mit meiner Ansicht, dass man der Menschheit ausserhalb des Ruhrgebietes nicht noch werblich weissmachen muss, wir würden wir hier alle tegtmeiern, nicht so ganz alleine.
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Mechtenbergkraxler
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Beitrag von Mechtenbergkraxler »

Heute im Gasometer Oberhausen (tolle Ausstellung "Der Berg ruft"!) im Kiosk gefunden:

Bild

Volk aus weniger kultivierten Landesteilen war sich am beömmeln darüber. Ich hab´s mit Fassung getragen.

MK
"Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher." (Charlie Rivel, Clown)

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kleinegemeine01
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Beitrag von kleinegemeine01 »

ERLI BIRD - das passt so wunderbar genau auf mich
ich, als Perle aus Erle ging früher immer stiften übern Kanal und spielte Billard im Birdland

Troy
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Beitrag von Troy »

Achtung *klugscheißmodusan* :klugscheisser:


Naja, man kann das so und so sehen.
Sprache und ein "wer auch immer" aus unserer GEgend zu sein sind für mich zwei Sachen.

Du kannst z.B. zu den Hiesigen gehören, wenn du schon lange hier lebst, aber eben nicht von deinem ersten Atemzug an.
Nehmen wir Hans-Rudolf Thiel (Journalist, Pseudonym "Jovis", u.a. auch bei WAZ,) - der zog 1920 mit 8 Jahren vom hohen Norden hierher. Dem ist das hier passiert:
Heinz O. hat geschrieben:
3. Der Jargon

Den spitzen Sstein und die Schülermütze legte ich bald ab, um mich anzupassen. Was mir nicht gelang, war das Hineinfinden in den Jargon der „Kolonie".

„Ah, Hans, komm rruntär, iss Bär und Aff auf Straaße!" hatte Willi Somberg mir eines Tages ins offene Küchenfenster hinaufgerufen. Was der Ruf bedeutete, war mir auf Anhieb klar. Durch die Hermannstraße zogen Zigeuner mit einem Bären, den sie zum Takt des Tambourin tanzen ließen, während ein Affe auf der Schulter der Geld einsammelnden Zigeunerin allerlei Possen trieb. Ich saß gerade über meinen Schulaufgaben; aber das Schauspiel durfte ich mir nicht entgehen lassen. Außerdem war Willi mein Freund, mit dem ich nahezu täglich im Hof zwischen den Häusern knickelte. Wir machten das mit schönen glänzenden Metallkugeln, die irgendwie in Kugellagern gedient hatten oder noch dazu dienen sollten, und die von unseren Vätern von der Zeche mit nach Hause gebracht wurden, damit wir sie uns beim Knicker-Wettkampf gegenseitig abgewannen.

Obwohl Willi selten zu uns in die Wohnung kam, saß ich oft bei Sombergs in der Küche, um mit dem gleichaltrigen Freund Pläne für unsere nächsten Spiele oder Resser-Wald-Ausflüge zu schmieden. Bergmannsfamilien sitzen immer in der Küche, und so merkte ich bald, daß nicht nur Willi, sondern auch seine Eltern den gleichen Jargon sprachen, der immer mit der Vorsilbe „Äh" anfing. Das „Äh" gewöhnte ich mir zum nicht geringen Ärger meiner Eltern auch bereits an. Wenn ich „Äh" sagte, gab es jedesmal Krach zuhause. Krach gab es auch mit meiner Freundin Walburgis Bergenthum. Wenn ich sie mit „Äh" ansprach, konnte es geschehen, daß sie mich tagelang nicht mehr anschaute. Ihr Vater war Kokerei-Oberassistent und hatte beruflich mit meinem Vater zu tun, so daß die Familien sich näher kamen und wir Kinder miteinander Knicker spielten. Das war neben Fußball-Pöhlen und „Pietschendopp-Jagen" damals unser Hauptvergnügen. Beim Fußballspiel waren Mädchen grundsätzlich ausgeschlossen.
Zur Person und mehr Text aus einem seiner Bücher:
https://www.gelsenkirchener-geschichten ... php?t=4268

Er sammelte alte sehr amüsante Geschichten und Anekdoten:
Geschichten, Anekdoten und alte Bilder aus Gelsenkirchen, Buer und Horst. Bd. 1. Gummersbach: Gronenberg 1978; 4. Aufl. 1983
Gelsenkirchener Buerlesken: Anekdoten, Geschichten und alte Bilder. Bd. 2. Ebd. 1979; 4. Aufl. 1983

Da hörst du schon beim Lesen Westfälisch Platt, wo du gehst und stehst...
Niedliches Beispiel Band 2 Seite 27:
"Komisch, im Februar hieraoten, unn im Juli erwkes dat Kind; eck heww söbentien Kinners inne Welt gesatt, awwer nümmes hätt bloat söss Monate bruckt."
So.

Sprache entwickelt sich ja auch weiter mit den Menschen, die mit ihr leben.
Und da ist zwischen der Thiel'schen Zeit 1920 ff. und 2018 ganz schön viel passiert.

So gibt es heute Prof. em. Heinz H. Menge, geb. in Herten, der an der RUB als Linguist u.a. die Schönheiten unserer Sprachwelt wissenschaftlich untersucht hat mit dem Ergebnis, dass wir hier sehr wohl einen eigenen Dialekt pflegen. Sein Buch "Mein lieber Kokoschinski!" enthält auch einen Passus über GE
Schon im Ruhestand befindlich, gräbt und forscht der Prof fröhlich weiter:
http://news.rub.de/wissenschaft/2017-04 ... latte-oder

An seiner Seite (lange Zeit, aber nun leider nicht mehr) unterwegs in dem Projekt "Sprachlandschaften"
http://www.sprachlandschaft-ruhrgebiet.de/
auch ein "Echter von hier", unser Spiggi:
https://www.gelsenkirchener-geschichten ... ght=spiggi
Was in "Sprachlandschaften" so los ist:
Hörlink: http://www.sprachlandschaft-ruhrgebiet. ... gebiet.mp3



So, und gezz noch mal was für zum Lesen, wenn Fußballkucken doch zu langweilig ist:
Ruhrdeutsch
„Wat hasse gesacht?“

Wenn man sich „einmuckeln“ möchte, weil das Wetter so „usselig“ ist, und man „rammdösig“ wird, weil die Nachbarskinder den ganzen Tag „am bölken sind“, gibt es keinen Zweifel mehr: Dann ist man mitten im Ruhrgebiet.
Weiter geht es hier: http://news.rub.de/wissenschaft/2012-03 ... se-gesacht


Achtung *klugscheißmoduswiederaus* :klugscheisser:

edit:

Ach ja, und ich bin auch kein Ruhri.
Nö, ich komm "von hier aus'm Pott", finde das gar nicht schlimm und muss über jeden Berufsignoranten mitleidig grinsen, der in Zeiten von Internet mit 24h-Zugang samt Möglichkeiten zur "thematischen virtuellen Druckbetankung" immer noch glaubt, hier wären alle schwarz hintere Ohren.
Da steh ich doch drüber!!!
Wozu haben wir denn die vielen Halden?
:lachtot:

AlterMann
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Re: Wieso Ruhri? Gibt es auch Rheinis, Elbis und Mainis?

Beitrag von AlterMann »

Bin ich gemeint?

Ich bezog mich auf genau diesen Satz:

[center]„Und dann sprang dat Pferd
mit dat linke Bein
über unser Omma ihren Hühnerstall
sein Dach.“
[/center]

Daß dieser völlig verdrehte Satz jemals in einem ernst gemeinten Gespräch gesprochen worden ist, glaube ich ganz einfach nicht! So schlimm waren und sind die Gelsenkirchener nicht! Er wirkt konstruiert und ist es sicher auch.

Die Gelsenkirchener haben 'ihre' Sprache, das ist unbestritten. Mit geschulten Ohren kann man den Kohlenpöttler 'heraushören', mit denselben Ohren aber auch, daß die Sprache der Herren Tegtmeier und Stratmann nicht echt ist, ähnlich vielleicht, abgeguckt und durch Übertreibung verzerrt.
am

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