Es fällt mir schon schwer, als damals gerade Volljähriger (21!!), mich zu Rathaus und anderen Gebäuden, mal zu äußern. Ich halte es aber für durchaus wichtig und notwendig, da viele jüngere Bewohner Gelsenkirchens irgendwie eine Stellungnahme der damals mehr oder weniger Aktiven erwarten können.
Ich kann nur eine Sichtweise, die zwar von vielen geteilt werden wird -dessen bin ich mir sicher, auch wenn sich keiner meldet - nämlich meine ureigene, private darstellen.
Ich versuche einmal, die damalige Situation für den normalen, relativ unpolitischen Bürger der Stadt darzustellen.
Es ging damals nicht um einzelne Gebäude, sondern um ein komplett neues Stadtbild, ein Konzept, Gelsenkirchen als moderne, aufgeschlossene, entwicklungsfähige Ruhrgebietsstadt darzustellen.
Das war nicht einfach, zumal kurz vorher Bochum den Zuschlag zur Ruhruni erhalten hatte und Gelsenkirchener Barock die Brust nicht breiter werden ließ, sondern den Gelsenkirchener verschämt in sich zusammensacken ließ.
Man wollte keinesfalls Provinzler werden, war es aber schon - ohne es zu merken.
In meiner Erinnerung gab es damals mindestens vier große Baustellen, die ganz unterschiedlich bewertetwerden müssen. Rathaus, Bahnhof, Post und...man höre und staune Berliner Brücke, für einige heute noch eine größere Sünde als alle anderen zusammen.
Über die Post werde ich mich nicht äußern, dieses Haus abzureissen wäre sowieso absurd gewesen, weil es keiner "modernen Entwicklung" im Wege stand. Beim Bahnhof und beim Rathaus, das ja kein Rathaus mehr war, konnte man dieser Argumentation vielleicht gutmütig folgen. Bei der Post war die Absurdität zu offensichtlich.
Diese wunderschöne Rathaus war damals gar nicht so beliebt, wie es heute dargestellt wird. Es beherbergte die Polizei und das Einwohnermeldeamt mit einigen Filialen. Von Haus aus also Behörden, die man nicht unbedingt ins Nachtgebet mit einschließt. Das Gebäude selber war dreckig, kalt und schlichtweg unwirtlich. Völlig versifffft.
Die Polizei hoffte sowieso auf ein neues Domizil und die Bürger Gelsenkirchens auf eine warme, saubere Meldestelle. So war es nun mal, da nutzten die Neuschwansteintürme recht wenig.
Ich selber war, wie sehr viele meiner Freunde, oder soll ich sagen Kommilitonen, nicht gerade unpolitisch, aber Kommunalpolitik war doch damals nicht angesagt. Bundes- oder Weltpolitik schon eher. Man diskutierte über Vietnam und Chile, aber nicht über Gelsenkirchen-Altstadt. Das war übrigens überall so, nicht nur in Gelsenkirchen.
Für die Erhaltung des alten Rathauses hätte man auch wohl kaum Sponsoren in Hamburg oder Mannheim gefunden. Dass das alte Rathaus für immer weg war, wurde vielen erst klar, als sie recht irritiert an den Orangeplatten entlang in den blau-weissen Himmel schauten. Zu spät!
Diese Seite habe ich in einer alten Schülerzeitung des Schalker Gymnasiums gefunden. Ich überlege immer noch, wie dieser Kasimir es denn wohl gemeint hat.
Eine andere Vision, vielleicht auch Sünde, stelle ich hiermal zur Diskussion.

Oft wird vorschnell über die unverbesserlichen "Kaiserstraßler" ge(vor)urteilt. Welche Ghettos durch solche Überbrückungen entstehen können, weiß man jetzt.