Ich begrüsse es, dass eine Debatte geführt wird um die Art, wie Geschichtsschreibung von unten zu erfolgen hat.
Der Beitrag des Kollegen JuergenB provoziert natürlich, vor allem dazu, sich in eine gelassen gespannte Erwartungshaltung zu versetzen <Tüte Popcorn in die Hand nehm'>, welch genauere Dokumentenauswertung JuergenB demnächst zu von Dietmar Kesten bisher sträflich vernachlässigten Aspekten der Gelsenkirchener Geschichte vorlegen wird.
Ob es besser ist, allein von persönlichen Lebensläufen, die einen mal hier, mal da hin verschlagen, zu berichten und dann felsenfeste Behauptungen aufzustellen, - obwohl die Trefflichkeit der Erinnerung manchem und mancher durchaus zweifelhaft erscheinen mag - oder ob es besser ist, anhand einer - wie auch immer rudimentären und lückenhaften Dokumentenauswertung Stück für Stück Wissen zu erschliessen, das ist für mich kaum eine Frage. Ich beteilige mich nicht umsonst seit 1971 am Mao-Projekt bzw. dessen Vorläufern.

Wissenschaftliches Vorgehen, wie es evtl. gar an der Uni Göttingen gebührend oder wohlfeil erwerblich, gebietet es allerdings auch bei Prozessen, an denen die Subjekte selbst mehr oder minder initiativ beteiligt waren, ein 'vermutlich' oder 'offenbar' etc. einzufügen --> denn wer will schon tatsächlich von sich behaupten, stets und immer den totalen Durchblick gehabt, die Motivationen aller anderen Beteiligten gekannt und deren Handlungen völlig verstanden zu haben?

Ich möchte nun einmal ein bisserl ausm Nähkästchen plaudern, weil der Gelsenkirchener Didi bei uns im Mao-Projekt intern ab und an Haue

Ich finde diese Haltung nämlich falsch. Ich z.B. schreibe fast nur über Sachen, von denen ich gar nichts persönlich weiss, außer meinem arg begrenztem Hintergrundwissen über Gott, die Welt, die Erdscheibe und Gelsenkirchen-Bulmke.
Auch bei den dargestellten, 'abgepinnten' - welch verächtliche Wortwahl und gleichzeitig Geschmack auf zukünftige, wissenschaftlich wegweisende 'irgendwelche' Äußerungen des Autoren machende Vokabel - Daten, handelt es sich oft um Fragwürdiges. Meist waren die Autoren tatsächlich entweder nicht beteiligt oder nicht völlig dessen gewahr, was andere Beteiligte dachten oder später festhielten. Unser Ansatz beruht gerade auf dem Gegenüberstellen von Quellen, und deren vorsichtigen Gewichtung. Nicht immer gibt es aber viele Quellen zu einem Ereignis. Deshalb sind ja milde Datengaben stets willkommen...

Überdies versagt bei allein persönlichen, bauchzentrierten Erinnerungen quer durch die Republik auch ganz einfach das Gedächtnis ohne gründliches Dokumentenstudium. Ich möchte die Person sehen, welche alle besuchten Demonstrationen noch zweifelsfrei einem Jahr zuordnen kann....
Ich muß zu den Daten noch einmal festhalten, dass wir in unserer Datenbank wohl an die 3 000 Ordner Dokumente ausgewertet haben, darunter ca. 150 Ordner DKP-Zeitungen, die meist aus zentralen Vorlagen zusammengeklebt wurden. Wenn eine DKP-Zeitung nur zentrale Artikel enthält, dann wird bei uns meist nur deren Erscheinen erwähnt --> selbst wenn sie zufällig in Gelsenkirchen erschien. Leider musste bei der Auswertung nämlich eine gewisse Auswahl hinsichtlich Relevanz getroffen werden. Unvollständig und verbesserungswürdig bleibt das auf ewig.
Da die oppositionelle Bewegung sowie der stetige Fluß der Anpassung administrativer Angelegenheiten an die sich kontinuierlich ändernden Gegebenheiten der Kapitalverwertung aber äußerst vielfältig schillernd sich darstellt, vermag ein Beitrag wie der von Dietmar doch immerhin einen Anlass zur Diskussion sowie eine gewisse Erschliessung von Quellen zu bieten. Wer besseres weiss, ist ja jederzeit willkommen, sich schriftlich zu äußern....

JuergenB ist deshalb dahingehend zu danken, dass er einige Aspekte der Geschichte des KB bzw. des Jugendzentrums Komic zu beleuchten vermochte. Weiterer, auf detaillliertem Dokumentenstudium fussender Beiträge harre ich gespannt.
Ob es allerdings der Insuinationen wie Fischköppe gegen die Gelsenkirchener Freunde des KB bedarf weiss ich nicht....
Glückauf!
Jürgen Schröder