Hans-Rudolf Thiel

Schriftstellerei, Dichtung, Rezitation

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Hans-Rudolf Thiel

Beitrag von Verwaltung »

  • Hans-Rudolf Thiel

    Geboren am 26. April 1912 in Altona-Ottensen. 1920 Übersiedlung nach Buer (seit 1928 Gelsenkirchen-Buer) 1931 Abitur. Volontariat bei der Gelsenkirchener Allgemeinen Zeitung. Studium der Staatswissenschaft und französischen Staats- und Kulturphilosophie. Diplom der Deutschen Hochschule für Politik. Kriegsteilnahme und -gefangenschaft. Seit 1946 Dolmetscher und freier Journalist. Von 1966 bis 1977 Redakteur der WAZ. Lebt im Ruhestand in Gelsenkirchen.

    Pseudonym: Jovis.

    Selbständige Veröffentlichungen: Von Adagio bis Ziehharmonika: Zeitgemäße Glossen und Gedichte zur Musik. Zeichn. von H. Fechner. Köln: Gerig 1957 – Das frivoltemperierte Klavier. Ebd. 1966 – Geschichten, Anekdoten und alte Bilder aus Gelsenkirchen, Buer und Horst. Bd. 1. Gummersbach: Gronenberg 1978; 4. Aufl. 1983 – Gelsenkirchener Buerlesken: Anekdoten, Geschichten und alte Bilder. Bd. 2. Ebd. 1979; 4. Aufl. 1983 – Ein Samowar für Gelsenkirchen. Biographischer Roman aus der Gründerzeit des Reviers. Hg. von E.H. Ullenboom. Ebd. 1984.

    Unselbständige Veröffentlichungen in: Der Musikant, Zeitschr., Köln, 1957-1967 [Ged. und andere Beitr.] – Beitr. zur Stadtgeschichte, Zeitschr. des Vereins für Orts- und Heimatkunde Gelsenkirchen-Buer, 1965-1984 [10 Beitr.] – WAZ 1959-1987 [ca. 4000 bebilderte Lokalged.; 1966-1977 Red.] – Spasso ostinato. Köln 1964 [3 Beitr.].

    Herausgabe: F.A.D. [Zeitschr. des Arbeitsdienstlagers Brannenburg/Inn]. Rosenheim: Rosenheimer Anzeiger 1933/34 – Gelsenkirchen in alten Ansichtskarten. Frankfurt/M.: Flechsig 1979.

    Vertonungen: Dt. Texte für sechs Spirituals von K.O. Schauerte. Recklinghausen: Iris 1955 – Mensch und Wort. Feierliche Kantate. Vertont von K.A. Berghorn. 1963 – zahlr. Karnevals- und volkstüml. Lieder.

    Unselbständige Veröffentlichungen über Thiel: (Ausw.) Buer bliew Buer. Ein Heimatlied zur 500-Jahr-Feier von H.R. Thiel, in: Buerscher Anzeiger vom 27.4.1950 – Frivoltemperiertes Klavier, in: Ruhr-Nachr. vom 14.5.1959 – Durch die „Wortspielhölle“ gewirbelt. Hans-Rudolph Thiel stellt neues Prosawerk vor, in: WAZ vom 13.10.1962.

    Nachschlagewerke: Sie schreiben in Gelsenkirchen 1977 – Sowinski 1997 – Kürschner: Dt. Literatur-Kalender 1998 – Dt. Bibliothek.
http://www.lwl.org/literaturkommission/ ... d=00001688

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Beitrag von Verwaltung »

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    geb. 1912 in Altona. 1920 Übersiedlung nach Buer/Westfalen, in das heutige Gelsenkirchen-Buer. 1931 Abitur, anschließend Volontariat bei der Gelsenkirchener Allgemeinen Zeitung und Studium (Volkswirtschaft, Geschichte, Französisch, Staats- und Kulturphilosophie) in Köln, Lausanne, Münster und Berlin. 1936 Diplom der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin. 1937 Lehrtätigkeit an einer Schule für Erwachsenenbildung in Hirschberg. Kriegsteilnahme. Nach 1945 zunächst als Übersetzer tätig. Dann Redakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter den Roman "Ein Samowar für Gelsenkirchen" und drei Bände über Anekdoten aus Gelsenkirchen und Buer (alle erschienen im Gronenberg-Verlag Gummersbach). Er schrieb Texte für die Schriftenreihe des Vereins für Orts- und Heimatkunde u.a.
Quelle: Spiegelungen - Bildende Kunst in und aus Gelsenkirchen
von Hans-Rudolf Thiel, Sparkasse Gelsenkirchen 1993

trixexpress
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Beitrag von trixexpress »

Ich meine mal gelesen zu haben, dass Herr Thiel längst nicht mehr unter den Lebenden weilt :oops: :( :?:

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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

aus den Erinnerungen von Hans-Rudolf Thiel
Erinnerungen

1. Die Festung

Als ich den Namen Gelsenkirchen zu erstenmal hörte — ich war damals knapp acht Jahre alt und wohnte in Altona-Ottensen, das die Bewohner scherzhaft „Mottenburg" nannten — stellte ich mir eine Kleinstadt in Süddeutschland vor. „Gelsen", so hatte sich sogar im damals schleswig-holsteinischen Altopa herumgesprochen, sind ein süddeutscher oder österreichischer Begriff für Mücken. Na, und die Silbe „ kirchen" kommt auch vor allem im süddeutschen Raum vor. Soviel wußte ich aus meiner bereits zweijährigen Oberrealvorschulbildung.

In dieses Gelsenkirchen wollten meine Eltern umziehen, da mein bis dahin seefahrender Vater (nachdem für die christliche Seefahrt eine Zeit der Ebbe angebrochen war) eine Stellung als Ingenieur auf der Zeche Graf Bismarck angenommen hatte. Als wir im April 1920 den Umzug hinter uns gebracht hatten, war ich nicht wenig stolz darauf, zunächst einmal in einem Hotel zu wohnen. Es hieß „Forsthaus", war aber gar keines sondern wurde nur so genannt, weil es am Rande von Erle, nahe am Wald und in unmittelbarer Nachbarschaft eines wirklichen Forsthauses, lag. Irgendwie enttäuscht war ich, daß alles das, was ich von unserem Hotelfenster aus sehen konnte, die Wälder und die graue „ Festung" auf der anderen Straßenseite, gar nicht Gelsenkirchen, sondern Buer-Erle hieß.
Wochenlang war davon gesprochen worden, daß wir nach Gelsenkirchen umsiedeln, und nun stimmte daran etwas nicht mehr. Was weiß ein Kind schon von den Verzahnungen kommunaler Gebilde, die einer Industrie zugeordnet sind.

Im Forsthaus — es steht heute noch an seinem Platz, nur die Umgebung hat sich geändert — logierten und aßen damals zumeist ledige Angehörige der Zeche Graf Bismarck und nun auch die Thiels, die vorläufig noch auf die Zuweisung einer Zechenwohnung warteten. Das Hoteldasein gefiel mir nicht schlecht. Mittags betraten alle Gäste den Speisesaal mit dem immer gleichen Gruß „Mahlzeit", den der eine oder andere, vielleicht in der Hoffnung auf ein ausgedehntes „Maaahl", in die Länge zog. Als einziges Kind in der Runde ahmte ich die Dehnen nach und wünschte auch „Maaahlzeit".

Im Forsthaus erzählte man sich häufig von dem großen Waldbrand, der kurze Zeit zuvor in den Resser Waldungen gewütet haben sollte, der aber nun der Bevölkerung willkommene Gelegenheit gab, eigene Äcker anzulegen. Für die Bergarbeiter aus der „Festung" war die zusätzliche eigene Ernte dringend notwendig. Zwischen den Feldern gab es Grasstreifen, auf denen, jeweils an einen Pflock angebunden, die „Bergmannskuh" weidete. Ziegen waren mir bis dahin unbekannt gewesen. Auf meine für die Erlen Jugend gewiß saudumme Frage, was das für ein Tier sei, bekam ich die Antwort: „Dat is unsre Koza, oder, wennsse willz, unsre Bärchmannskuh".

Als es nach drei Wochen im Forsthaus hieß, wir ziehen in die Hermannstraße, wagte ich mich, von Neugierde getrieben, zum erstenmal in die für mich bis dahin unheimliche „Festung". Aber das, was von außen wie ein undurchdringlicher Häuserwall aussah, zeigte im Inneren eine fast freundliche Seite: Bäume und Rasenstücke zwischen den Häuserzeilen. Hinter den Häusern Höfe, in denen Kinder spielten, Gärten und Ställe, Auch hinter der wohin wir zogen, das freundliche Bild. Hinter unserem Garten lag ein Schienenstrang, auf dem die Zechenbahn mehrmals pfiff. Sie pfiff wirklich bei uns immer, weil dann gleich eine Straße zu überqueren war, deren Passanten oder Fuhrwerke (es gab auch schon eine Straßenbahn, die am Forsthaus nach Gelsenkirchen abbog) vor der herannahenden Zechenbahn gewarnt wurden.
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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

2. Die Schule

Ich war schon vom Hotel aus in der evangelischen Schule I in der Schulstraße angemeldet worden, hatte aber noch Dispens bis zu unserem endgültigen Einzug in eine Normalwohnung. Während mich die Nachbarskinder der Hermannstraße, die Dombrowskis, Sombergs, Kempkes und Schürmanns, in ihre Spiel- und Hausgemeinschaft aufnahmen, war es in der Schule ein Problem, mich in den dritten Jahrgang der Volksschule einzugewöhnen. Ich trug eine „Stutzermütze", wie die Mitschüler meine blaue Kopfbedeckung aus der Altonaer Oberrealvorschule nannten. Alle Jahrgänge der Vorschule trugen blau. Danach wechselten die Farben jährlich, wie seinerzeit auf allen höheren Schulen. Die Erlen Volksschüler aber mockierten sich über solche elitären Gepflogenheiten. Hier trug man Schlägermützen oder gar keine Kopfbedeckung. Außerdem stieß ich an den bekannten norddeutschen spitzen Sstein. Und als ich anfangs morgens noch in die verkehrte Klasse ging (ich hatte Mühe, mich an die stereotypen Klassentüren zu gewöhnen), mußte ich manch hämisches Gejohle über mich ergehen lassen.

Das änderte sich, als ich einmal mit meinem Banknachbarn gerangelt hatte. Unsere Klassenlehrerin, Die dicke Endres", wie wir die gute Marta Endres nannten, besaß eine Vorliebe für Erziehung mit dem Rohrstock, mit dem ich bei dieser Gelegenheit meine erste Bekanntschaft machte. Ich hatte instinktiv das Gefühl, daß jetzt die Gelegenheit gekommen war, mir das Wohlwollen der Mitschüler zu verschaffen. So biß ich die Zähne aufeinander, verbiß das Heulen, daß die dicke Endres einem mit ihrem nicht gerade zarten
Zuschlag hervorzaubern konnte. Genau auf meine Reaktion warteten etwa fünfzig Augenpaare. Sie schienen mit mir zufrieden zu sein; denn ich ging in meine Bank zurück, als habe ich eine Rechenaufgabe an der Wandtafel richtig gelöst. Dabei brannte mein Allerwertester wie Feuer, besonders, als ich mich darauf setzte.
3. Der Jargon

Den spitzen Sstein und die Schülermütze legte ich bald ab, um mich anzupassen. Was mir nicht gelang, war das Hineinfinden in den Jargon der „Kolonie".

„Ah, Hans, komm rruntär, iss Bär und Aff auf Straaße!" hatte Willi Somberg mir eines Tages ins offene Küchenfenster hinaufgerufen. Was der Ruf bedeutete, war mir auf Anhieb klar. Durch die Hermannstraße zogen Zigeuner mit einem Bären, den sie zum Takt des Tambourin tanzen ließen, während ein Affe auf der Schulter der Geld einsammelnden Zigeunerin allerlei Possen trieb. Ich saß gerade über meinen Schulaufgaben; aber das Schauspiel durfte ich mir nicht entgehen lassen. Außerdem war Willi mein Freund, mit dem ich nahezu täglich im Hof zwischen den Häusern knickelte. Wir machten das mit schönen glänzenden Metallkugeln, die irgendwie in Kugellagern gedient hatten oder noch dazu dienen sollten, und die von unseren Vätern von der Zeche mit nach Hause gebracht wurden, damit wir sie uns beim Knicker-Wettkampf gegenseitig abgewannen.

Obwohl Willi selten zu uns in die Wohnung kam, saß ich oft bei Sombergs in der Küche, um mit dem gleichaltrigen Freund Pläne für unsere nächsten Spiele oder Resser-Wald-Ausflüge zu schmieden. Bergmannsfamilien sitzen immer in der Küche, und so merkte ich bald, daß nicht nur Willi, sondern auch seine Eltern den gleichen Jargon sprachen, der immer mit der Vorsilbe „Äh" anfing. Das „Äh" gewöhnte ich mir zum nicht geringen Ärger meiner Eltern auch bereits an. Wenn ich „Äh" sagte, gab es jedesmal Krach zuhause. Krach gab es auch mit meiner Freundin Walburgis Bergenthum. Wenn ich sie mit „Äh" ansprach, konnte es geschehen, daß sie mich tagelang nicht mehr anschaute. Ihr Vater war Kokerei-Oberassistent und hatte beruflich mit meinem Vater zu tun, so daß die Familien sich näher kamen und wir Kinder miteinander Knicker spielten. Das war neben Fußball-Pöhlen und „Pietschendopp-Jagen" damals unser Hauptvergnügen. Beim Fußballspiel waren Mädchen grundsätzlich ausgeschlossen.
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GE-Bohren in-GE
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Beitrag von GE-Bohren in-GE »

Hallo,
habe soeben zufällig gesehen,
das in der Bucht ein Buch von Hans-Rudolf Thiel angeboten wird.

http://www.ebay.de/itm/Gelsenkirchen-Bu ... 4d01232f21
Hannes :winken:

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