Die Trauerfeierlichkeiten zur Beisetzung von Emil Kirdorfs
- Von den Nationalsozialisten zu einer bombastischen Trauer- und Beisetzungsfeier aufgebläht
Im April 1938 führte die Stadt Gelsenkirchen das "Goldene Buch" ein, erster Eintrag: Geheimrat Emil Kirdorf. Wenige Monate später, am 13. Juli, starb Kirdorf, der auch Ehrenbürger der Stadt Gelsenkirchen war, völlig unerwartet in Mühlheim/Ruhr.
Emil Kirdorf
Die zentrale Trauerfeier fand auf der Zeche Rhein-Elbe in Gelsenkirchen-Ückendorf statt. Kirdorf hatte von dort aus seine Tätigkeit als Generaldirektor der GBAG wahrgenommen. Zwei Tage lang, am 14. und 15. Juli wurde in den Gelsenkirchener Zeitungen fast ausschließlich über den Tod Kirdorfs berichtet.
Der Sarg wird vom Trauerzug begleitet
Der "Nestor des deutschen Bergbaus" - so wurde Emil Kirdorf von der NS-Presse genannt, wurde in der Halle der Zeche Rheinelbe aufgebahrt. Das bot nicht nur der Stadt Gelsenkirchen, sondern auch dem NSDAP-Gau Westfalen-Nord die Möglichkeit, eine Totenfeier besonderer Art zu inszenieren. Von dieser Totenfeier erhoffte man sich eine enorme Propagandawirkung. So wurde dann auch das gigantomanische Feierszenario am 15. Juli groß in der Presse angeküngigt.
Die Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung schrieb am 15. Juli 1938:
"Vom Beginn der Rheinelbestraße an der Bochumer Straße bis zum Haupteingang des Verwaltungsgebäudes (...) sind links und rechts über 60 Pylonen aufgestellt (...) Durch diese Reihe von goldenen Hoheitszeichen der Bewegung wird der Tote seine letzte Fahrt machen zur Festhalle der Schachtanlage Rheinelbe. Der Weg vom Haupteingang bis zur Halle und das ganze umgebende Zechengelände sind mit weit über 50 mächtigen Fahnenmasten ausgerüstet, an denen im Laufe des heutigen Tages die Fahnen auf halbmast gesetzt werden. Die Halle selbst, in der der große Tote Sonnabendmorgens aufgebahrt werden wird, erhält die würdigste Ausschmückung. Die Wände werden Schwarz und mit den Fahnen der Bewegung sowie mit dem Symbolen der Arbeit ausgeschlagen und ausgestattet. In diesem würdig und feierlich geschmückten Raum werden die
Lebenden zum letzten Male Abschied nehmen von dem toten Wirtschaftsführer und nationalsozialistischen Altgardisten."
Pylone säumen die Straße
Der Donaubote erwähnt am 19. Juli 1938 die Beisetzung von Emil Kirdorf
Die Beisetzung Kirdorfs wird instrumentalisiert und - ganz Sinne der Nazipropaganda - zur "Huldigung" an den Führer benutzt. Es gab immer noch den eigentlichen Anlass, die Beisetzung Kirdorfs, im Mittelpunkt stand jetzt jedoch viel stärker die Tatsache, dass Hitler zum ersten (und auch einzigen) Mal Gelsenkirchen besuchte.
Der Trauerzug
An der überdimensionalen Trauerfeier nahm Hitler persönlich teil, an dem anschließenden Trauerzug durch die Gelsenkirchener Innenstadt nahm er nicht mehr teil. Der Sarg wurde von Himmler, Gauleiter Alfred Meyer und weiteren "Größen" des Regimes und Scharen von SA-Leuten begleitet. Himmler und die Naziführung drohte damit, das Stadtzentrum zu verwüsten, "weil sich dort so viele Jüdische Geschäfte befinden."
( Anmerkung: Gauleiter Alfred Meyer war einer von insgesamt 15 Teilnehmern an der so genannten "Wannsee-Konferenz" am 20. Januar 1942. Die nach ihrem Tagungsort benannte Konferenz hatte die bürokratische Regelung des Völkermordes an den Juden zum Ziel .)
Hitler in Gelsenkirchen
Das ist zu dem damaligen Zeitpunkt nicht passiert, doch am 9. November 1938 sollte diese Drohung wahr werden: In ganz Deutschland wurden in der so genannten "Reichskristallnacht" die Synagogen in Brand gesteckt. Etwa 7.500 Wohnungen und Geschäfte von Menschen jüdischen Glaubens werden zerstört, es kommt überall in Deutschland zu Übergriffen gegen Juden. Mehrere hundert Menschen verlieren ihr Leben. Direkt im Anschluss an die Zerstörungen begann am 10. November gegen vier Uhr morgens die befohlene Inhaftierung von etwa 30.000 männlichen, meist jüngeren und wohlhabenderen Juden. Sie wurden in den Tagen darauf von Gestapo und SS in die drei deutschen Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt.
Siehe auch: Macht der Propaganda oder Propaganda der Macht? von Heinz Jürgen Priamus / Stefan Goch. Erschienen 1992 im Verlag Klartext. ISBN 3-88474-024-5