Zum Kennenlernen hier die ersten 4 "Köppe" mit der "Kennenlerngeschichte"...

Der warme Sommer war schon lange vorbei. Es wurde sehr früh dunkel und kalt. Die Menschen saßen lieber daheim in ihren warmen Stuben bei einer Tasse Tee. Die Geschäfte hatten seit 18:30 Uhr geschlossen und die Bahnhofstraße war menschenleer. Nur ein einsames Wesen schlurfte langsam zwischen den Häusern her. Es grummelte vor sich und jammerte: "Habe ich einen Hunger und Durst, brumm, brumm." Es war ein kleiner Pandabär. Aber wo er auch suchte, er fand nichts. Langsam überlegte er, ob er nicht doch auch einmal in die vielen Mülltonnen schauen sollte, um die er bisher einen großen Bogen gemacht hatte. Plötzlich zuckte er zusammen. "Hey, Kumpel", kam es aus einer verborgenen Nische zwischen zwei Gebäuden, "was treibt dich denn hierher?"
Der Panda war so erschrocken, dass er weglaufen wollte. "Brauchst keine Angst zu haben. Ich tu dir nichts", sagte die Stimme. Wie der kleine Bär genauer hinschaute, sah er eine alte Giraffe in einer Nische neben dem Geschäftseingang sitzen. "Komm, hock dich hin und trink eine Tasse Kakao mit. Dabei kannst du mir ja dann erzählen, was du hier machst." Der Panda hatte immer noch ein ungutes Gefühl im Bauch, aber diese ruhige Stimme und der verlockende Duft aus der geöffneten Thermoskanne waren stärker. Als die Giraffe auch noch einen Henkelmann öffnete und sich der wohlige Geruch einer Graupensuppe ausbreitete, war es um den Bären geschehen. "Ich komme aus China und heiße Pong" ,fing der Panda an, während er die Suppe behaglich schlürfte, "dort haben die Männer fast alle unsere Bäume im Wald gefällt. Diese Bäume gaben uns Wohnung, Nahrung und Tee. Leckeren Bambustee. Oh, wie gerne hätte ich jetzt eine Tasse Bambustee mit zwei Stückchen Zucker." Pong fing an zu weinen. Tröstend legte die Giraffe ein Bein um den Bär und streichelte ihm mit dem anderen Huf über den Kopf. "Ein Freund hat mir dann erzählt", meinte Pong weiter, "dass es weit im Westen alles gibt. Er orakelte mit seinen Glückssteinen und meinte schließlich, ich solle gehen, bis ich ein großes Feuer und ein "G" sehe. Tagelang war ich mit dem Zug unterwegs. Als er dann anhielt und ich aus dem Fenster schaute, sah ich am Himmel ein helles Licht. Auf dem Bahnhofsschild stand Gelsenkirchen, also ein großes "G". Also stieg ich aus. Und jetzt bin ich hier und träume von meiner Heimat und leckerem Bambustee. Wie heißt du eigentlich?"
"Tony", sagte die Giraffe. "Ich lebe schon seit einigen Jahren hier in der Stadt. Ich habe früher im Ruhrzoo gearbeitet und die Kinder erfreut. Wie ich dann älter wurde und einen langen Bart bekam, wollte mich niemand mehr ansehen. Alle schauten sich nur noch die kleinen, putzigen Tierkinder an. Wie dann eines Tages mein Wärter die Tür nicht richtig abgeschlossen hatte, bin ich einfach weggelaufen, obwohl ich wusste, das es falsch war."
Ganz still und ruhig tranken die Beiden ihren Kakao aus. Plötzlich sprang Tony auf und fragte: "Feuer? Sagtest du Feuer?. Heller Lichtschein? Komm mit, ich weiß, wo die Feuer sind." Er zog den Panda, ohne auf sein Gemeutere zu hören, hinter sich her. Nach einer Weile erreichten sie eine kleine Gasse mit einem alten Bunker. Arminbunker war mit Farbe darauf gekritzelt. Aus einer Nische neben dem Eingang war ein schreckliches Husten zu hören. Dort blieb Tony stehen und fragte leise "Grömmel, Grömmel, dürfen wir zu dir? Ich bin’s, der Tony."
"Kommt nur", krächzte eine Stimme zurück, "mein Feuer ist aus." Pong traute seinen Augen nicht. Sah er dort einen richtigen Drachen? Einen realen, grünen Drachen? Ohne Tony, der ihn fest hielt, wäre er schon wieder weggerannt. "Grömmel ist erkältet", erklärte die Giraffe. Vorsichtig, ängstlich hielt Pong dem Drachen ein Eukalyptusbonbon vor die Nase. "Ist von meinem Cousin aus Australien", meinte er, "das hilft dir bestimmt." Während der Drache das Bonbon lutschte, erzählte Tony dem Panda von seinem Drachenfreund. "Etwas weiter nach Norden ist eine Benzinfabrik. Direkt hinter dem Kanal auf dem Weg nach Buer. Nicht weit von der großen Zeche entfernt. Früher brannten dort viele Feuer. Daher der helle Lichtschein, den du vom Zug aus am Himmel gesehen hast. Grömmel war dort tätig. Er war Anfeuerer an der Abfackelstation. Ein wahrlich gefährlicher Job. Dann kamen neue Maschinen. Die Drachen wurden arbeitslos. Da sie in der Stadt kein Feuer spucken durften, wurden sie sehr krank. Die meisten sind zurück ins Drachenland gegangen. Grömmel ist der letzte Feuerspucker in unserer Stadt und kann dir bestimmt weiterhelfen."
Pong erzählte nun seine Geschichte und beendete sie mit einem herzzerreissenden Stöhner: "Ach, leckerer Bambustee." Doch leider wusste Grömmel auch keinen Rat. Durch das Hustenbonbon war er aber wieder so gut drauf, dass er den Vorschlag machte, ein wenig durch die stillen Straßen zu gehen. Vielleicht käme ihm dann eine Idee. In der Eberstraße wurden sie von der letzten Straßenbahn der Linie 1 überholt. Der Fahrer kannte den Drachen, schlug die große Bimmel und winkte herüber. Nach kurzer Zeit kamen sie an eine große Kirche mit vielen Stufen. Hei, wie klang das auf einmal lustig. Sie hörten eine helle Stimme singen: "Pitsch und Patsch, was für ein Quatsch. Wollig und weiß, ein Bär im Eis. Sonne und Schnee, Hering in der See, Rattattapeng, mein Frack ist zu eng.". Ein Pinguin. Wie die Mädchen beim Seilspringen hüpfte er vor der Kirchentür auf den Steinplatten herum und klatschte beim Singen begeistert mit den Flügeln. "Wer bist du? Was tust du da?", fragte Tony, "ich hab' dich ja hier noch nie gesehen."
Ohne jegliche Art von Schrecken antwortete der Schwarzfrack: "Ich bin Molly und im Moment total glücklich. Die haben unten im Polarmeer Fische gefangen, damit die Leute hier etwas zu essen haben. Ich hatte auch Hunger und habe mir mitten im Fischgetümmel den Bauch voll geschlagen. Dabei habe ich dann nicht aufgepasst und bin in das Netz hineingeraten. Auf dem Kutter konnte ich mich gerade noch in einer Kiste mit viel Eis verstecken. Dort bin ich dann wohl eingeschlafen. Wie ich aufwache, bin ich hier auf dem Großmarkt hinter dem Bahnhof. Zu nachtschlafender Zeit ein hektisches Gewusele. Arbeiter, Kaufleute und wer sonst noch kratzten dort herum. Erst wusste ich nicht wohin, aber Pinguine sind ja schließlich nicht blöd. Ich frage also einen alten Mann auf dem Markt: "Hasste mal ne' Mark? Hab' so'n großen Hunger". Stattdessen nimmt er mich mit in seine Wohnung und stellt mir einen Teller heiße Suppe vor den Schnabel. Schmeckte auch ganz toll lecker. Ich erzählte ihm während des Essens das Gleiche wie euch. Anschließend hat er mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit den Kindern im Kindergarten zu spielen und dort die Zeit zu vertreiben. Dafür würde ich jeden Tag einen dicken, fetten Hering bekommen. Natürlich habe ich sofort Ja gesagt. Klasse, da freue ich mich schon richtig drauf. Da, guckt einmal zur Tür, da kommt der Typ gerade aus der Kirche raus."
Freundlich grüßten die Drei und stellten sich höflich dem verdutzt dreinschauenden Mann vor. Es dauerte nicht lange, und der Herr Pastor, um den es sich handelte, fragte Pong, Tony und Grömmel, ob sie nicht auch Lust auf den Kindergarten hätten. "Das würde toll passen. Dort gibt es genau vier Gruppen.", meinte er, "Jeder von euch hätte seinen eigenen Aufgabenbereich. Natürlich könnt ihr auch ab und zu tauschen. Molly bekommt einen Hering, Tony bekommt afrikanische Brotbaumfrüchte, Grömmel jeden Tag Chili-con-Carne, damit sein Husten verschwindet und das Feuer wiederkommt und für Pong hab ich auch noch etwas da. Meine Frau hat von einer Bekannten aus der Teestube einen ganzen Sack voll Bambustee geschenkt bekommen. Den mag sie selbst aber nicht. Wohnen könnt ihr in meinem Gartenhäuschen in der Laubenkolonie. Ist zwar offiziell verboten, aber fragen tut auch keiner."
Wie der Pandabär von dieser Leckerei hörte, strich er sich mit der Zunge über die Lippen und murmelte zufrieden: "Bambustee........, aber ich sage nicht, dass da zwei Stücke Zucker hinein müssen. Sonst trinkt die Frau vom Pastor ja doch noch alles weg." Alle gingen vergnügt Richtung Kindergarten mit.
Das ist jetzt schon einige Jahre her. Die Namen der einzelnen Kindergartengruppen und Zimmer erinnern noch an die Vier. Was aus ihnen geworden ist, wollt ihr wissen? Molly lebt jetzt mit einer jungen Pinguindame im Duisburger Zoo. Fünf Kinder haben die Beiden. Eins frecher als das Andere. Es gibt Pläne, den Gelsenkirchener Zoo umzubauen. Vielleicht kommt dann die komplette Pinguinfamilie nach Gelsenkirchen zurück.
Pong ist wieder zurück nach China gefahren. Die Umweltorganisation WWF hat ihm einen eigenen Baum als Wohnung in einem Tierpark besorgt. Er ist wieder richtig dick geworden von den ganzen Bambussprossen und seinem Tee mit Zucker. Aber er hat versprochen, so oft es ihm möglich ist, zu Besuch zu kommen.
Der Glücklichste aber ist Freund Grömmel. Die VEBA-Gelsenberg hat ihm eine Stelle auf dem Fabrikgelände in Gelsenkirchen-Sutum besorgt. Er sitzt da in einem tollen Wohnzimmer direkt unter dem Abflämmer und spuckt wieder vor Freude Feuer. Man sieht die lodernde Flamme bei Dunkelheit aus einem hohen Schlot weit brennen.
Der Einzige, über den es nichts Erfreuliches zu Berichten gibt, ist Tony. Er lebt nicht mehr und befindet sich im Giraffenhimmel. Schließlich war er schon alt und hatte einen langen, grauen Bart.
Aber glaubt mir, abends, wenn es dunkel ist, treffen sich die drei Freunde manchmal noch im alten Kindergarten um sich Geschichten zu erzählen und, in Erinnerung an Pong, Bambustee zu trinken. Dabei denken sie auch an den armen Tony und legen im Garten, hinten in der Ecke, neben dem Sandkasten, ein paar Blumen hin. Wenn morgens drei ungespülte Becher auf dem Tisch stehen, die ein wenig nach Grünzeug riechen, waren sie wieder da.
Bis bald........
Martin