Gelsenkirchen
Die angeblich schlimmste Kommune in Deutschland
20 Prozent Arbeitslose und trotzdem verhalten optimistisch: Politiker und Unternehmer versuchen, das schlechte Image der Stadt loszuwerden.
Von Hans-Jörg Heims SZ 27.10.2005
Arbeitslosenzahlen wie im Osten: Andrang im Arbeitsamt in Gelsenkirchen.
Die Zukunft erscheint düster, perspektivlos. Gelsenkirchen sei „die schlimmste Stadt in Deutschland“, urteilte die Zeitschrift Business Week.
Die jungen Leute verlassen die Stadt: In nur einem Jahrzehnt sank die Zahl der Einwohner um fast sieben Prozent; ein Drittel der 270.000 Einwohner ist mittlerweile über 60 Jahre alt. Und die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 22,5 Prozent, einem Wert, den man sonst aus den Städten Ostdeutschlands kennt.
Die Probleme des Ruhrgebiets – in Gelsenkirchen erscheinen sie in konzentrierter Form: Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsschwund, Wachstumsschwäche und ein miserables Image.
Freilich lässt sich hier auch beobachten, wie die Stadt mit diesen Schwierigkeiten ringt: mal offensiv, mal defensiv, gelegentlich erfolgreich, gelegentlich auch chancenlos. Gelsenkirchen – eine Stadt der Brüche, eine Stadt im Umbruch.
Der Mann für dramatische Töne
Oliver Wittke zum Beispiel war ein Mann für offensive Gesten und dramatische Töne. Der Christdemokrat, der damals kurz vor seinem 33.Geburtstag im Herbst 1999 überraschend zum Oberbürgermeister von Gelsenkirchen gewählt wurde, sorgte für zahlreiche Schlagzeilen.
Um zu symbolisieren, wie leer die Stadtkasse ist, ließ sich Wittke mit herausgekehrten Hosentaschen vor dem Rathaus fotografieren. Zudem stellte er Gelsenkirchen in eine Reihe mit von Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsschwund geplagten Kommunen in Ostdeutschland.
Man sei genauso notleidend wie Cottbus oder Görlitz, sagte Wittke und verlangte, dass der Aufbau Ost nicht zum Abbau West führen dürfe. Das waren ungewohnte Töne, die bundesweit für Schlagzeilen sorgten, was Wittke wiederum gefiel. Er stand nun im Scheinwerferlicht, gab Interviews und trat in Talkshows auf, in denen sonst nur Bundespolitiker reden.
Schon nach einer Legislaturperiode folgte die Abwahl des selbstbewussten jungen Mannes. Er hatte wohl nicht ganz den richtigen Ton getroffen: Die Menschen hier erwarten von ihrem Stadtoberhaupt, dass es „Kraft und Ruhe“ ausstrahlt. „Das ist die Mentalität der Leute hier“, sagt Hartwig Vester, Geschäftsführer des Büroausstatters Elba.
Ein Arbeitsloser weniger
Immerhin blieb dem Diplom-Geografen Wittke der Gang zum Arbeitsamt erspart, denn im Mai 2005 gewann die CDU die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, und der Ex-Oberbürgermeister wurde zum Bau- und Verkehrsminister befördert.
Seit der Kommunalwahl vor einem Jahr sucht nun der Nachfolger, Frank Baranowski, nach dem richtigen Umgang mit den Schwierigkeiten. „Wir sind zum Pars pro Toto für misslungenen Strukturwandel geworden“, stellt der sozialdemokratische Oberbürgermeister fest.
Dass für dieses Image die Kampagne seines Vorgängers mitverantwortlich ist, sagt er zwar nicht direkt, aber es ist klar, wen er meint, wenn er fordert, die „Elendsberichterstattung“ müsse beendet werden.
Freilich weiß auch der 43-jährige ehemalige Lehrer Baranowski, wie schwierig es ist, vorgefasste Meinungen zu verändern. Gegen Zahlen, die die hohe Arbeitslosigkeit dokumentieren, lässt sich schwer argumentieren.
Wie der Abstieg begann
Rankings, die Gelsenkirchen positiv bewerten – wie etwa bei der Pro-Kopf-Verschuldung oder beim Wirtschaftswachstum – verblassen daneben. Auch Erfolgsmeldungen über Gelsenkirchen als Solarenergie-Standort wirken schal, wenn man die fatalen Quoten des Arbeitsmarkts daneben hält.
Gelsenkirchens Schattenseite ist im Südosten der Stadt zu sehen. In Bulmke-Hüllen, Neustadt und Ückendorf. Sie liefern die Bilder, welche die vermeintliche Verwahrlosung und Verelendung der Stadt dokumentieren.
Einst beherrschte das Hochhofen- und Röhrenwerk „Schalker Verein“ des Thyssen-Konzerns das Gebiet. 6000 Menschen fanden in dem Unternehmen einen Job. 1982 wurde die Produktion von Roheisen eingestellt, der Abstieg des Viertels begann.
Die Folgen sind in der Bochumer Straße zu besichtigen. Viele der Gründerzeithäuser stehen leer, es gibt nur noch ein paar Geschäfte, meistens von Ausländern betrieben. Zwanzig Prozent der 42.000 Einwohner in dem Gebiet um den „Schalker Verein“ sind ausländischer Herkunft, vor allem Türken.
Industrie-Ruinen, noch immer
Das Problem sei, sagt der für Wirtschaftsförderung zuständige Dezernent Joachim Hampe, dass nach der Schließung der alten Anlagen die Unternehmen die Flächen lange Zeit einfach brach liegen lassen. „Wir können nichts machen, obwohl wir vielleicht eine Idee hätten.“
Auf dem Gelände des „Schalker Vereins“ dauerte es bis 1996, ehe die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) von der Thyssen Guss AG Flächen erwerben konnte. Nun sollen da, wo einst Hochöfen qualmten, Wohnungen und ein Gewerbegebiet mit viel Grün entstehen. Noch beherrschen allerdings Industrie-Ruinen das Landschaftsbild.
Es sei schwierig, sagt Oberbürgermeister Baranowski, „den Menschen zu vermitteln, dass Strukturwandel viel Zeit braucht“. Der Sozialdemokrat ist nicht der Typ des aktionistischen Ankündigungsmanagers. Er spricht leise und kann zuhören.
» In dieser Stadt geht alles «
Ein Unternehmer
Auch Christoph Kateloe ärgert sich über das schlechte Image der Stadt. „Das Selbstbewusstsein hat gelitten“, sagt der erfolgreiche Chef eines Unternehmens für Kommunikationstechnologie.
Ein "ambitionierter Plan"
Bei vielen Unternehmern in der Stadt findet Baranowski daher Zustimmung, wenn er jetzt wieder mit den Stärken Gelsenkirchens werben will. Dreißig Unternehmen wollen eine entsprechende Imagekampagne unterstützen.
Langfristig verfolgt Baranowski einen „ambitionierten Plan“: In 15 Jahren soll Gelsenkirchen nicht mehr das hässliche Entlein im Ruhrgebiet sein, sondern eine Kommune mit hoher Lebensqualität, sagt er. Um zu zeigen, was er sich darunter vorstellt, nimmt sich der Oberbürgermeister schon mal zwei Tage Zeit, um Journalisten die Sonnenseiten der Stadt zu zeigen.
Die Tour führt zum Berger Feld, wo seit 2002 die Schalke-Arena als Bühne für Fußball und Konzerte fungiert. Das Stadion, das aus der Ferne wie ein gelandetes Ufo wirkt, ist zum Symbol für den Aufbruch in Gelsenkirchen geworden.
Keiner mag sich in der Stadt vorstellen, was passieren würde, wenn Schalke 04 nicht mehr zu den Spitzenteams in der Fußball-Bundesliga gehören oder sich ein Finanzdesaster wie beim ungeliebten Reviernachbarn in Dortmund wiederholen würde.
Bergromantik im Ruhrgebiet
Derzeit wird rund um die Arena gebaut. Im Februar wird ein Nobelhotel eingeweiht. Eine Rehaklinik ist schon fertig. Während der Fußball-WM im Sommer 2006 ist Gelsenkirchen eine der Top-Spielstätten.
6,5 Millionen Euro investiert die Stadt in das Großereignis. Gegenleistungen in Höhe von 70 Millionen Euro, darunter einen Autobahnzubringer, erwartet man im Rathaus.
Baranowski sagt aber, die Arena reiche nicht aus, um den Imagewandel zu begründen. Also fährt der Oberbürgermeister mit seinen Besuchern in den Norden, wo im Stadtteil Bismarck einst die Zechentürme des Bergwerks Consolidation standen.
125 Jahre lang wurde hier Kohle gefördert. Als die Förderung 1995 eingestellt wurde, gingen 4000 Arbeitsplätze verloren. Heute ist das Gelände ein weitläufiger Park mit vielen Freizeitmöglichkeiten. Es gibt das Consol-Theater, und in einem ehemaligen Maschinenhaus entstanden Proberäume für lokale Musikbands.
„In dieser Stadt geht alles“, sagt der Unternehmer Kateloe. Zu mitternächtlicher Stunde erfahren diese Worte ihre Bestätigung: Auf dem Gipfel der Halde Rungenberg blasen bei schwachem Licht vier Mitglieder der Westfalen-Sinfonie auf ihren Alphörnern. Ein Stück Bergromantik mitten im Ruhrgebiet.
Die angeblich schlimmste Kommune in Deutschland
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Ein Blogger namens "vert" berichtet von einem Gespräch mit einer "Person aus dem Ruhrgebiet". Diese meinte, dass sie der GE-Money-Bank ganz bestimmt kein Geld anvertrauen würde.
Warum?
Warum?
Quelle: http://rebellmarkt.blogger.de/stories/1227910/#1228120vert hat geschrieben:... die antwort war erstmal ein abschätziger blick und die bemerkung, jeder wisse doch wohl, dass GElsenkirchen völlig pleite sei. ...
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Unsere Stadt ist "berühmter" als wir oft denken. Gelsenkirchen ist heutzutage Synonym für alles Schlechte und wird wie ein geflügeltes Wort benutzt, wenn man ausdrücken will, dass irgendetwas häßlich, pleite und verarmt ist. ...
... Aber immerhin, man vergleicht uns sogar mit Paris.
... Aber immerhin, man vergleicht uns sogar mit Paris.

Niels Höpfner hat geschrieben:Phänomen Charme
... Diesen Reiz über nicht nur Menschen aus. Auch Städte und Landschaften «entzücken» mit ihren Charme: Wien, zum Beispiel, das auf Charme geradezu abonniert ist, oder Paris, das traditionell sowieso Charme hat, von der Toscana ganz zu schweigen. Dagegen hat Gelsenkirchen es schwer. ...
Quelle: http://cscedition.blogger.de/stories/1339919/
Tja, das wäre toll (oder auch nicht), wenn GE (General Electric) irgendetwas mit Gelsenkirchen zu tun hätte...
http://www.ge.com/

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