Marl

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Die Stadt Marl liegt im nördlichen Ruhrgebiet im Nordwesten des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und ist mit rund 88.000 Einwohnern eine Große kreisangehörige Stadt des Kreises Recklinghausen im Regierungsbezirk Münster.

Geographie

Räumliche Lage

Die Stadt Marl liegt jeweils am Südrand der Haard und des Naturparks Hohe Mark entlang des fließenden Übergangs vom Ruhrgebiet zum Münsterland. Die Nordgrenze fällt meist mit dem Verlauf des Flusses Lippe zusammen. Rund 60 % ihrer Gesamtfläche sind Felder, Forstflächen, Gewässer, Park- und Grünanlagen.

Stadtgebiet

In Marl gibt es folgende Stadtteile:

  • Stadtkern
  • Alt-Marl
  • Brassert
  • Drewer-Nord
  • Drewer-Süd
  • Hamm
  • Sinsen-Lenkerbeck
  • Chemiezone

Nachbargemeinden

Marl grenzt im Norden an die Stadt Haltern am See, im Osten an Oer-Erkenschwick, im Südosten an Recklinghausen, im Süden an Herten, im Südwesten an Gelsenkirchen und im Westen an Dorsten.

Naturschutzgebiete

  • Braucksenke
  • Die Burg (Natura 2000-Gebiet)
  • Lippeau (Natura-2000-Gebiet)
  • Loemühlenbachtal

Geschichte

Frühgeschichte

Das Stadtgebiet Marls war bereits in der älteren und mittleren Steinzeit besiedelt, wie Funde bei Ausgrabungen im Ortsteil Sinsen belegen. Nachweise von ersten Siedlungen stammen aus der Zeit um 600 v. Chr.

Gegen 300 v. Chr. war die Gegend von keltischen Stämmen besiedelt, die aber zu dieser Zeit durch einwandernde germanische Stämme vertrieben wurden. Nördlich der Lippe siedelten Brukterer und südlich der Lippe die Marser. Die germanische Wanderung wurde durch den Vormarsch der Römer gestoppt, die bei Haltern ein großes Lager errichteten. Reste eines kleineren Römerlagers sind auch an der Stadtgrenze zwischen Polsum und Herten nachgewiesen.

Nachdem der römische Einfluss durch die Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. schwand und die Römer sich hinter den Rhein zurückzogen, übernahmen erneut die Germanen das Marler Gebiet. Im Jahre 80 wurde der Stamm der Brukterer aus den Gebieten nördlich der Lippe von rivalisierenden Stämmen vertrieben und zog daraufhin in das Gebiet des heutigen Kreises Recklinghausen.

Frühes Mittelalter

Die nächste Wanderungsbewegung, von der Marl betroffen war, fand wahrscheinlich zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert statt, als die Sachsen von Nordosten her über die Lippe in das alte Gebiet der Brukterer vordrangen. Nach den ersten Sondierungen und Grabungen auf dem heutigen Marler Stadtgebiet in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde angenommen, dass die ansässigen Brukterer im heutigen Ortsteil Sinsen einen Ringwall zur Abwehr dieser Angriffe angelegt haben könnten. Dieser Wall ist heute nur noch durch Fachleute erkennbar und befindet sich im Naturschutzgebiet Die Burg, das nach diesem Wall benannt worden ist. Archäologisch wird heute diese Wallanlage als landesweit bedeutendes und schützenswertes Bodendenkmal des frühen Mittelalters angesehen. Aufgrund ihrer Lage im Grenzgebiet der Sachsen und Franken und der wenigen Funde über die Wehrhaftigkeit und der Besiedlung des 8. Jahrhunderts, wird sie den sächsischen bis fränkischen Burgen (Sachsenkriege (Karl der Große)) zugeordnet. Die Ausgrabungen dieser und anderen bedeutenden archäologischen Funde und Notgrabungen im Zeitalter der Industrialisierung haben Geschichte geschrieben (Prof. August Stieren, Dr. Phillip Hömberg). Diese Wallburg könnte noch bis ins ausgehende Mittelalter der ländlichen Bevölkerung als Schutzwall gedient haben. Gesicherte regionale Erkenntnisse des heutigen Marler Gebietes über das frühe Mittelalter im 9. und 10. Jahrhunderts wurden allerdings erst zum Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts urkundlich für nachfolgende Generationen dokumentiert.

Herkunft des Namens

Das heutige Marl wurde 890 erstmals im Urbar (Heberegister) des bereits während der Sachsenkriege 799 gegründeten Benediktinerklosters Werden urkundlich erwähnt - Dagubraht schenkte - für sein Seelenheil - dem Kloster seine Besitzungen und Einkünfte. Der ursprüngliche Name der Stadt leitet sich aus dem mittelalterlichen Siedlungsnamen Meronhlare her. Meronhlare haben einige ältere Sprachwissenschaftler am Anfang des 20.Jahrhunderts als sumpfige Weide oder Weide an einem Teich gedeutet. Aus dem Siedlungsnamen entstanden später im Laufe der Jahrhunderte - die Namen Marlar, Maerl, Marler und schließlich Marl.

Mittelalter

Nach den ersten Nennungen der Siedlungsnamen Meronhlare und Ulithi (auch um 890, heute Oelde) lassen die Eintragungen in den Werdener Heberegistern, Dokumenten und Urkundenbüchern (Regest) Schlüsse auf die späteren Bauernschaften Drewer (Threviri), Frentrop (Vrilinctorpe), Herne (Haranni), Bossendorf (Bodsnippi) und Sinsen zu. Die Grundbesitzer waren in den Bauernschaften Frentrop, Hüls (Natrop im Hülsen), Lenkerbeck (Lanclere), Sinsen, Oelde (heute Lippe) und Drewer, unter anderen, außer der Abtei Werden, auch noch das Kölner und Xantener Domkapitel sowie die Abtei Essen und die adeligen Stände. Dieser Streubesitz sorgte im Mittelalter, wie die Quellen berichten, für massive Machtkämpfe und Fehden.

Kirchengeschichte

Im Stadtteil Alt-Marl befindet sich die Kirche St. Georg, die im 11. Jahrhundert dem Gaugrafen Balderich vom Niederrhein als Eigenkirche gehörte. Später übergab er die Kirche dem Erzbischof Heribert von Köln. In einer Handschrift aus dem Jahre 1160 ist verzeichnet, dass Erzbischof Heribert die Kirche an die Abtei Deutz weitergab. Zur Pfarrkirche wurde sie im 13. Jahrhundert. Ab 1228 ist ein Geistlicher als erster urkundlich genannter Priester (sacerdos) in der Gemeinde verzeichnet, es war Johannes von Marl. Die ortsansässige Familie von Loë war ab 1419 bis zum Jahre 1830 Patronatsherr der Kirche. Dann übernahm das Patronat der Freiherr von Twickel auf Haus Lüttinghof. In den Jahren 1856–1859 wurde die Kirche nach Plänen des münsteraner Diözesanbaumeisters Emil von Manger von Grund auf erneuert, wobei die romanischen Grundmauern des Turms aus dem 12. Jahrhundert als Fundament erhalten blieben.

Die Grafenfamilie von Loe

1111 erfolgte durch die spätere Grafenfamilie von Loe die Errichtung einer Wasserburg. Sie trug zuerst den Namen Strevelsloe, ab 1359 Haus Loe. In offiziellen Aufzeichnungen wurde sie 1373 unter dem Begriff castrum geführt. Im Jahre 1378 wurde die Wasserburg vom damaligen Besitzer Wessel van Loe dem Kölner Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden als sogenanntes Offenhaus überschrieben. Damit war die Familie von Loe Untertan des Erzbischofs. Sie hatte im Bereich sehr viel Grundbesitz, mehrere Bauernhöfe und ihnen gehörten einige Mühlen, wie die Loemühle, die Sickingmühle, die Mühle im heutigen Alt-Marl und das Schultengut Wermeling an der Lippe. Nachdem die Familie Loe keinen männlichen Nachkommen mehr hatte, wurde der Familienname allein dadurch erhalten, dass im Jahre 1585 die Tochter des Wolter van Loe ihren Cousin, den Freiherrn Dietrich von Dorneburg-Loe aus Wanne-Eickel, heiratete.

Von 1705 bis 1832 gingen die Burg Loe und ihre Besitzungen an die Familie von Wiedenbrück über, deren letzte Besitzerin es dann dem Freiherrn von Twickel verkaufte. Sie wurden 1833 weiterverkauft an Theodor Waldhausen aus Essen. Dreißig Jahre später kaufte der Herzog von Arenberg den Besitz, ließ die Burg aber abreißen.

Auf dem Gelände der Burg Loe stehen heute Teile des Doppelgymnasiums an der Hagenstraße und einige Sportplätze. Die Erinnerung an das Hauses Loe wird in Marl durch eine Vielzahl von Namen verdeutlicht, wie Loestraße, Loekamp, Gymnasium im Loekamp, Loemühle und An den Loe Auen.

Mittelalter und frühe Neuzeit

Marl wurde während des Mittelalters auch in mehrere Kriege verwickelt. Zwischen 1243 und 1384 kam es zwischen dem Erzbischof von Köln und den Grafen von Mark zum Krieg u. a. um das Vest Recklinghausen. 1388 und 1389 wurde Marl in die Große Dortmunder Fehde verwickelt, sowie 1423-1461 in den Bruderkrieg zwischen Adolf IV. von Kleve-Mark und Gerhard von der Mark zu Hamm. 1442 bis 1449 litt die Gegend unter der Soester Fehde, bei der die Stadt Soest ihre Freiheit gegen den Erzbischof von Köln verteidigte.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts betrug die Einwohnerzahl Marls 800 Personen. Die meisten Einwohner wohnten in der Bauernschaft Drewer.

Durch den Jülich-Klevischen Erbfolgestreit kam es vermehrt zu Plünderungen der Bauernschaften durch niederländische und spanische Truppen, die dadurch ins Land gekommen waren. Dieser Krieg wurde dann direkt durch den Dreißigjährigen Krieg abgelöst, in dem die Plünderungen der Bauernschaften Marls fortgesetzt wurden.

Nach Ende des Krieges wurde es zunächst jahrzehntelang ruhig in der Gegend, und erst der französische Feldzug des Charles de Rohan, Prince de Soubise, durch Westfalen im Siebenjährigen Krieg im Jahre 1758, führte wieder zu harten Einschnitten für die Marler Bevölkerung. Das Kriegsglück wechselte, und nach den Franzosen kamen die preußischen Truppen, ohne dass dies zu Verbesserungen für die Bevölkerung führte.

Die Zugehörigkeit des immer noch bedeutungslosen Kirchdorfs Marl zum Vest Recklinghausen dauerte bis 1803. Danach gehörte Marl dem Herzog von Arenberg. Von 1810 bis 1813, unter französischer Besatzung, wurde der Ort zur Mairie Marl und gehörte zum Großherzogtum Berg. Nach den Befreiungskriegen wurde Marl preußisch und gehörte zunächst dem Kreis Essen und ab 1816 dem Kreis Recklinghausen an.

Kirchlich und weltlich war es Teil des Kurfürstentums Köln. Es gab keine Bürgermeister sondern lediglich Gemeinde- und Ortsvorsteher. Vorgesetzter dieser Vorsteher war der Statthalter des Vest Recklinghausen. Die Aufgaben der Ortsvorsteher, die für ein Jahr gewählt wurden, bestanden darin, die Steuern einzutreiben und die Gemeindegrundstücke zu verwalten. Neben diesen Gemeindebeamten gab es noch zwei kurfürstliche Beauftragte, den Amtsfron und den Amtsführer (ab 1785 wurden beide Ämter zum Amtsführer zusammengelegt), deren Aufgabe es war, die kurfürstlichen Verordnungen zu überwachen.

Am 1. April wurde Marl zusammen mit Dorsten zur sogenannten Bürgermeisterei Dorsten vereinigt. Vorsteher war der Bürgermeister von Dorsten. Im Jahre 1837 wurde die revidierte Städteordnung eingeführt. Im Zuge dieser neuen Ordnung wurde Marl wieder selbstständig. Das Gebiet vergrößerte sich, da das Kirchspiel Altendorf-Ulfkotte Marl zugeschlagen wurde. Der Ort hatte zunächst nicht seinen früheren Namen zurückerhalten, sondern führte den Namen Dorsten-Land. Am 31. Oktober 1841 verfügte die Königliche Regierung in Münster die Gründung des Amtes Marl. Amtsgebiet waren die Gemeinden Marl, Polsum, Hamm und Altendorf-Ulfkotte mit den umliegenden Bauernschaften.

Die Landwirtschaft ist immer schon die Haupterwerbsquelle für Marl gewesen. Die wird auch durch eine amtliche Liste aus dem Jahr 1840 deutlich. Dort sind 493 Pferde, 1.879 Rinder, 857 Schweine, 98 Ziegen und 4.591 Schafe verzeichnet. Die Bedeutung der hier noch deutlich sichtbaren Schafzucht ging im Laufe der Jahre aber ständig zurück.

Neben der Landwirtschaft wurde in vielen Familien auch im Nebenerwerb gewebt. Meistens wurde für andere Stoffhändler als Lohnweber gearbeitet. Der damalige Amtmann Bölling berichtet in seiner Chronik:

"…hat sich hier einiges Fabrikwesen eingeführt, und mit Lob macht sich die Damastweberei bemerkbar, welche für hohe Herrschaften kostbare Tischzeuge liefert und groß renommée für sich hat; es ist dies eine elegante Weberei."

Für das Jahr 1842 sind folgende Berufe verzeichnet:

3 Bäcker, 1 Fleischer, 17 Schuster, 17 Schneider, 17 Zimmerleute, 5 Tischler, 6 Böttcher, 1 Maurer, 15 Hufschmiede, 6 Küfer, 1 Tuchweber, 59 Leinwandweber, 42 Krämer, 12 Hausierer, 2 Gasthöfe, 11 Schankwirte, 6 Brauer, 2 Brenner, 6 Getreidehändler, 5 Holzhändler.

Ein Wendepunkt in der Marler Stadtgeschichte stellt der 21. Januar 1875 dar. An diesem Tag wurde von der Bohrgesellschaft "Simson" in einer Tiefe von 514 Metern im Ortsteil Polsum Kohle gefunden. Weitere Bohrungen in Marl führten schließlich zur Gründung der Zechen.

Gründung der Zeche Auguste Victoria

August Stein und Julius Schäfer aus Düsseldorf gründeten 1898 die Zeche „Auguste Victoria“ mit Sitz in Düsseldorf und übertrugen ihr die beiden Grubenfelder Hansi 1 und Hansi 2. 1903 wurde der Sitz der Verwaltung nach Hüls bei Recklinghausen verlegt. Zuvor hatten am 1. Mai 1900 die Teufarbeiten begonnen. Ende 1905 nahm Schacht AV 1 die Förderung auf. Namensgeberin für das Marler Bergwerk war Auguste Victoria (1858–1921), die letzte deutsche Kaiserin und Gattin Kaiser Wilhelms II. Seit dem Verbund mit der nach Generalfeldmarschall Graf von Blumenthal (1810–1900) benannten Recklinghäuser Zeche Blumenthal/Haard führt die Marler Schachtanlage den Namen Auguste Victoria/Blumenthal (AV/BL). Das Bergwerk gehört zu den leistungsfähigen Förderstandorten der Deutschen Steinkohle AG.

Gründung der Zeche Brassert

Im Jahre 1905 erfolgte im Anschluss an die erfolgreichen Bohrungen in Marl die Gründung der Zeche Brassert, benannt nach Hermann Brassert, dem „Vater“ des allgemeinen Berggesetzes von 1865. 1910 wurde die Kohleförderung aufgenommen, in den 50er Jahren arbeiteten bis zu 5000 Menschen „auf Brassert“. Nach Schließung der Zeche 1972 entstand auf gut zwei Dritteln des ehemaligen Zechengeländes in Marl-Brassert das Gewerbegebiet Zechenstraße, ca. ein Drittel nimmt heute das Freizeitgelände Brassert ein. Einige der Zechengebäude blieben erhalten. In der ehemaligen Markenkontrolle haben ein Atelier und das Fahrradbüro der Stadt Marl ihren Platz gefunden.

20. Jahrhundert

Die Spartakistenunruhen im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch vom 13. März 1920 hatten auch Auswirkungen auf Marl. Am 1. April 1920 besetzte die Rote Ruhrarmee Marl und lieferte sich am Lippeübergang bei Bossendorf ein Gefecht mit der Reichswehr, bei dem auch 15 unbeteiligte Kanalarbeiter umkamen.

Am 15. Januar 1923 wurde Marl von französischen und belgischen Truppen besetzt.

Rappaport will Marl zur Stadt im Grünen machen

Im Jahre 1922 entschloss sich der Gemeinderat im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung Marls den Ingenieur Philipp Rappaport damit zu beauftragen, eine Bauplanung für Marl zu entwickeln.

Hintergrund dieser Planung war, dass man hinsichtlich des prognostizierten Wachstums der Gemeinde eine Durchmischung von Wohn- und Industriegebieten vermeiden wollte, wie sie in anderen Ruhrgebietsstädten zu Problemen geführt hatte. Obwohl Rappaport die Ansiedlung der späteren Chemischen Werke noch nicht mit berücksichtigen konnte, ging er allein wegen der Ausweitung des Bergbaus von einer Einwohnerzahl von 120.000 aus.

In seiner Planung war vorgesehen, dass der Großteil der Einwohner in Vorstädten wohnen sollte, die durch Grüngürtel von den Industriezonen getrennt sein sollten. Sein Plan sah weiterhin vor, dass eine Stadtmitte gebaut werden sollte, mit Rathaus, Marktplatz, Theater und Verwaltungsgebäuden. Sämtliche Straßenbahnlinien sollten sich dort treffen.

Diesem Plan Rappaports wurde am 1. April 1926 durch die Auflösung des Amtes Recklinghausen und die Eingemeindung mehrerer Orte (Sinsen, Hüls, Lenkerbeck und Löntrop) nach Marl, das somit zum Großamt wurde aber nicht gefolgt, da eine Stadtmitte nun schwer zu finden war. Dennoch war seine Planung zukunftsweisend, weil die 40 Jahre später errichtete Stadtmitte Marl in groben Zügen seine Planungen widerspiegelt. Marls Anspruch als „Stadt im Grünen“ zu gelten, wurde bereits in Rappaports Plänen ausgearbeitet.

Für das Jahr 1931 verzeichnet das "Handbuch der Aemter und Landgemeinden in der Rheinprovinz und Westfalen", 34102 Einwohner (19598 katholische, 12105 evangelische, 30 jüdische und 2309 sonstige Konfessionen) Die Bürgermeisterstelle war unbesetzt. Die Amtvertretung bestand aus 18 Mitgliedern: 10 Zentrum, 2 SPD, 1 Wirtschaftspartei, 4 KPD, 1 Sonstiger

Die Gesamtfläche betrug 11.076 ha, davon bebaute Fläche 415 ha, Ackerland 3.652 ha. Wald- u. Wiesenfläche 5.574 ha.

Am 20. April 1936 verlieh Ferdinand Freiherr von Lüninck, Oberpräsident der Provinz Westfalen, Marl die Stadtrechte.

Wie viele Städte im Ruhrgebiet ist Marl im 20. Jahrhundert zunächst durch den Steinkohlenbergbau, dann durch die Chemieindustrie sehr schnell gewachsen.


Gründung der Chemischen Werke Hüls (heute Chemiepark Marl)

Der Chemiepark geht auf die Gründung der Chemischen Werke Hüls GmbH 1938 in der Drewer Mark zurück. Im Dritten Reich wurde dort synthetischer Kautschuk Buna) für die Autoreifen hergestellt. Dabei kamen auch Zwangsarbeiter zum Einsatz. Nach dem Zweiten Weltkrieg firmierte der Komplex unter Chemische Werke Hüls AG, mit dem Hauptaugenmerk auf Kunststoffe, Rohstoffe für Waschmittel und wieder Buna. 1998 übernahm die Firma Infracor, ein Tochterunternehmen der Degussa AG das Gelände als Betreiber. Nach der Fusion der Chemischen Werke Hüls AG (seit 1985 Hüls AG) mit der Degussa AG firmierte das Unternehmen kurzzeitig als Degussa Hüls AG, bis es schließlich nach einer weiteren Fusion mit der SKW Trostberg in Degussa AG umbenannt wurde. Nach Übernahme der Degussa AG durch die RAG und folgenden Ausgliederung der Sparten Chemie, Energie und Immobilien in den Konzern Evonik Industries firmiert das Unternehmen seit dem 1. Dezember 2007 unter dem Namen Evonik Degussa GmbH.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Die Novemberpogrome 1938 führten auch in Marl zur Verfolgung der seit 1910 ansässigen jüdischen Bevölkerung, die hauptsächlich im Textil- und Möbelhandel tätig war. Mehrere Menschen wurden verletzt, Geschäfte angezündet und geplündert. Alle 29 jüdischen Bewohner mussten die Stadt verlassen. Diese Vorgänge hat der Künstler Gunter Demnig in Marl durch sein Projekt Stolpersteine dokumentiert. In den Betrieben und Haushalten von Marl wurden zwischen 1939 und 1945 Ausländer zur Zwangsarbeit verpflichtet. Im Zweiten Weltkrieg waren insbesondere die an die Stadt angrenzenden Buna-Werke Ziel mehrerer alliierter Luftangriffe. Trotz der Nähe zu diesen kriegswichtigen Werken hielten sich die Schäden an zivilen Gebäuden in der Stadt in Grenzen. Am 31. März 1945 besetzten US-amerikanische Truppen Marl.

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Stadtmitte Marl (Stadtkernerweiterung)

Die Stadt entstand durch das Zusammenwachsen ehemaliger Dörfer mit den Siedlungen der Bergarbeiter und der Chemiebeschäftigten. Sie hat daher kein historisches Zentrum. In den 1960er und 1970er Jahren wurde ein Stadtzentrum mit Rathaus, Wohnhochhäusern und dem Einkaufszentrum Marler Stern auf der „grünen Wiese“ angelegt.

Am 1. Januar 1975 erfolgte mit der kommunalen Neugliederung die Auflösung des Amtes Marl als Gemeindeverband und die Eingemeindung mehrerer Ortsteile in die Stadt Marl.

Um die bauliche Entwicklung der Stadtmitte zu vervollständigen, lobte die Stadt Marl Anfang 1988 einen Architektenwettbewerb mit dem Titel Wohnen im Stadtkern Marl aus. Erster Preisträger dieses Wettbewerbs wurde das Büro Prof. Wolfgang Pohl und Partner aus München/Düsseldorf. Nach dessen Plänen wurde 1994 die sogenannte Stadtkernerweiterung begonnen, die Halbrundbebauung an der S-Bahn S 9 errichtet und 1998 der nördliche Abschnitt der Bergstraße im Stadtzentrum vollständig umgestaltet. 2005 konnte der neue zentrale Busbahnhof in Betrieb genommen und die Neugestaltung der südlichen Bergstraße abgeschlossen werden.

Eingemeindungen

  • Am 1. April 1926: Hüls, Lenkerbeck, Löntrop und Sinsen
  • Am 1. Januar 1975: aus dem ehemaligen „Amt Marl“ Teile der Gemeinden Hamm und Polsum sowie aus dem früheren Amt Haltern Teile von Lippramsdorf.

Einwohnerentwicklung

Im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit hatte Marl nur wenige hundert Einwohner. Erst mit der Industrialisierung im 20. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung der Stadt sehr schnell. Lebten 1900 erst 2.000 Menschen in Marl, so waren es 1939 bereits 35.000. Durch die Eingemeindung mehrerer Ortsteile stieg die Einwohnerzahl der Stadt von 77.000 im Jahre 1974 auf 92.000 am 1. Januar 1975. Am 30. Juni 2005 betrug die Amtliche Einwohnerzahl für Marl nach Fortschreibung durch das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen 90.944 (nur Hauptwohnsitze und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern).

Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bei 1600 handelt es sich um eine Schätzung, danach um Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen des Statistischen Landesamtes. Die Angaben beziehen sich ab 1871 auf die Ortsanwesende Bevölkerung, ab 1925 auf die Wohnbevölkerung und seit 1987 auf die Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung. Vor 1871 wurde die Einwohnerzahl nach uneinheitlichen Erhebungsverfahren ermittelt.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Museen

Skulpturenmuseum Glaskasten

Im Mittelpunkt der Sammlung des Skulpturenmuseums Glaskasten stehen Skulpturen der klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst. Hinzu kommen dreidimensionale Arbeiten wie Objekte und Installationen. Das Spektrum reicht von Auguste Rodin und Constantin Meunier über Max Ernst und Alberto Giacometti bis zu jungen, zeitgenössischen Künstlern. Bildhauerzeichnungen vervollständigen diesen Bereich der Sammlung. Einen weiteren Schwerpunkt der Museumsarbeit bilden die Neuen Medien. Seit 1984 wird alle zwei Jahre der Marler Video-Kunst-Preis vergeben und seit 1998 zusätzlich ein Video-Installations-Preis. Der Name Skulpturenmuseum Glaskasten beschreibt zum einen die Örtlichkeit: den ganz mit Glas umbauten Raum des Museums unter dem Sitzungstrakt des Marler Rathauses, zum anderen aber auch das angestrebte inhaltliche Konzept von Offenheit und Transparenz für jedermann. Die Kunstwerke sind in Marl nicht hinter Museumsmauern verborgen, sondern zu einem großen Teil in das Alltagsleben der Stadt einbezogen. Mehr als 70 Außenarbeiten von Hans Arp bis Ossip Zadkine stehen im öffentlichen Raum um das Rathaus und den künstlich angelegten City-See. Je näher man dem eigentlichen Glaskasten kommt, umso dichter wird der Ring der Skulpturen. In den glasumbauten, jederzeit einsehbaren Innenräumen des Museums befinden sich Großskulpturen, die nicht zur Aufstellung im Freien geeignet sind, sowie eine Reihe von Kleinskulpturen und Objekten. Das Skulpturenmuseum Glaskasten Marl ist noch jung. Die in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg rasch aufblühende Industriestadt Marl verpflichtete für ihre zahlreichen Bauvorhaben nicht nur international anerkannte Architekten (beispielsweise H. Scharoun für eine Schule, die holländischen Architekten J. H. van den Broek und J. B. Bakema für das Rathaus, H. Schröder und P. Faller für das Hügelhaus), man beschloss zudem, jeweils einen bestimmten Prozentsatz der Baukosten für Kunstankäufe zu verwenden. Mit diesen Mitteln erwarb die Stadt nach und nach eine Reihe von Werken renommierter Künstler, vorwiegend des 20. Jahrhunderts – Großskulpturen für den Außenbereich, aber auch eine Reihe von Kleinskulpturen. Im Laufe der Jahre entstand so eine umfangreiche, qualitätvolle Sammlung. 1978 wurde der Kunsthistoriker Dr. Uwe Rüth zur Pflege und zum Ausbau der Sammlung eingestellt. Er war bis Ende 2007 Direktor des Museums. Unter dem Sitzungstrakt des Rathauses wurden nach und nach Räume zur Präsentation der Kleinskulpturen eingerichtet. Erst 1982 fand die offizielle Gründung des Skulpturenmuseums Glaskasten der Stadt Marl statt. Seither wurde die Ausstellungsfläche vergrößert. Seit 1990 ist die städtische Paracelsus-Klinik Teil des Museums. Die Sammlung umfasst mittlerweile über 300 Bildwerke des 20. Jahrhunderts.

Heimatmuseum

Im Stadtteil Alt-Marl gibt es das sogenannte Stadt- und Heimatmuseum Marl, welches originalgetreu die Wohnverhältnisse aus dem 17. Jahrhundert widerspiegelt. Das Haus ist nicht nur Wohnraum, sondern auch teilweise Mühle gewesen. Diese Mühle läuft heutzutage immer noch und sommertags kann man sich bei einem Museumsbesuch über die Konstruktion und das Mehlmahlen informieren. Als „Wassermühle Alt-Marl“ ist sie Bestandteil der Route der Industriekultur, und zwar der Themenroute Brot, Korn und Bier.

Grimme-Preis

Der Grimme-Preis ist ein Fernsehpreis und zählt zu den renommiertesten Auszeichnungen für Fernsehsendungen in Deutschland. Er wurde nach dem ersten Generaldirektor des Nordwestdeutscher Rundfunk, Adolf Grimme, benannt. Vergeben wird der Preis jährlich vom Adolf-Grimme-Institut in Marl. Seit 1964 würdigt es damit Produktionen und Fernsehleistungen, die „die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzen und nach Inhalt und Methode Vorbild für die Fernsehpraxis sein können“ (Statut des Grimme-Instituts). Neben dem Grimme-Preis vergibt das Grimme-Institut außerdem noch den Grimme-Online-Award in verschiedenen Kategorien, zum Beispiel im Bereich der Neuen Medien.

Seit 1969 nimmt die Marler Gruppe an der Preisträgerauswahl teil. Als repräsentativer Querschnitt der Marler Bevölkerung sichtet diese Laienjury, die aus 16–20 Kursteilnehmern der Volkshochschule besteht, die Wettbewerbsvorführungen des Grimme-Preises und diskutiert anschließend mit Fernsehverantwortlichen, Regisseuren, Autoren und Kameraleuten. Das Urteil der Marler Gruppe wird bei der Preisverleihung verlesen.

Marler Fernsehpreis für Menschenrechte

Der Marler Fernsehpreis für Menschenrechte wird als ideeller Preis von der deutschen Sektion von amnesty international vergeben. Mit dem Marler Fernsehpreis für Menschenrechte werden Fernsehbeiträge ausgezeichnet, die im besonderen Maße dem Thema Menschenrechte gerecht werden durch eine aufrüttelnde Nachricht, nachhaltige Dokumentation oder die gelungene Umsetzung des Themas in eine fiktive Handlung, aber auch die überzeugende darstellerische Leistung, ein außergewöhnliches Interview oder ein bemerkenswerter Kommentar zählen dazu.

Musik

  • Die Philharmonia Hungarica war ein in Marl beheimatetes Orchester. Es war ein Kind des Kalten Krieges. Es wurde 1956 von vor dem Ungarnaufstand 1956 geflohenen Spitzenmusikern im Hotel Esplanade in Baden bei Wien gegründet. Schon bald wurde der Sitz des Orchesters nach Deutschland verlegt, wo es in Marl eine neue Heimat fand. Im Laufe der Jahre entwickelte es sich zu einem der angesehensten Orchester Europas. Im Jahre 2004 wurde das Orchester aufgelöst, da öffentliche Förderungen eingestellt wurden.
  • Die Musikgemeinschaft Marl e.V. wurde bereits im Jahr 1950 gegründet und ist mit über 700 Mitgliedern einer der größten Musikvereine Deutschlands, ein Drittel der Mitglieder und Konzertbesucher kommen von außerhalb Marls. Etwa 100 der Mitglieder sind im Konzertchor und etwa 35 im Sinfonieorchester aktiv, ergänzt durch professionelle Musiker bevorzugt aus dem Kreis ehemaliger Mitglieder der 2004 aufgelösten Philharmonia Hungarica.
    Künstlerischer Leiter war von 1959 bis 1990 Johann Andreas Lang, Initiator von "Jugend musiziert" und des jährlichen Bundespreisträger-Konzerts „Marler Debüt“ und von 1992 bis 2011 war es Armin Klaes, Dirigent und Hochschullehrer an der Universität Duisburg-Essen.
    Die Musikgemeinschaft ist ein weithin einmaliger Verbund aus Oratorienchor, Sinfonieorchester und Konzertveranstalter und grundständige Säule des Marler Musiklebens. Sie wird ideell und materiell unterstützt von der Stadt Marl, der Evonik Industries AG und der Infracor GmbH. Gemeinsam mit der Stadt Marl gestaltet sie die Sinfonieorchester- und Chor-Konzertreihe im Theater der Stadt. Bis 1979 wurde auch die Marler Konzertreihe der Philharmonia Hungarica im Auftrag der Stadt Marl durch die Musikgemeinschaft durchgeführt, ebenso die städtischen Kammermusikkonzerte. Die Sinfonische Konzertreihe der Musikgemeinschaft Marl wurde seit der Aufhebung der Philharmonia Hungarica von fünf auf jährlich acht Veranstaltungen, durch Einbeziehung renommierter Gastorchester wie der Wolgograder Philharmoniker und der Bochumer Symphoniker auch in der Bandbreite erweitert.
  • 1979 gründete Bernhard Dahlhaus die "Jugend-Bläser St. Josef" an der gleichnamigen Kirchengemeinde im Stadtteil Drewer. Mit der Weiterentwicklung zum sinfonischen Blasorchesterrepertoire erfolgte 1994/96 die Umbenennung in "junges Blasorchester Marl" (kurz: jBM) und die Gründung des gleichnamigen Vereins. Das jBM ist heute unter der Leitung von René Lankeit mit etwa 60 aktiven Musikern (Schüler, Studierende, Erwachsene) das größte seiner Art im Kreis Recklinghausen und wirkt weit über die Stadtgrenzen hinaus. Aus seinen Reihen stammen auch die Mitglieder der jBM Big Band.
  • Von 1978 bis 2001 existierte die antifaschistisch geprägte Band Hass, eine der ersten Deutschpunkbands Deutschlands, in der Stadt.
  • The Multicoloured Shades (1984–1990) war eine der wenigen Neo-Psychedelic-Bands des deutschen Underground der 80er-Jahre, die einen Vertrag mit einem Major-Label (Virgin Records) bekam.
  • Virus D war eine überregional bekannte Deutschrockband von 1983 bis 2001.
  • Das HoT Hagenbusch, gewachsen zu einem Kulturzentrum, sorgt für mehrere Konzerte im Jahr. Organisiert von ehrenamtlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird im HoT eine Lobby für junge und alte, schon bekannte Bands geboten. So gibt es das jährliche und überregional bekannte Ska in den Mai oder das Newcomer-Festival mit dem Tonstudio-Preis.

Theater

Das Theater Marl (TM) an der Brassertstraße wurde 1953 erbaut und gilt als ein kulturelles Zugpferd für Marl. Es ist der zentrale Veranstaltungsort der Stadt Marl für Theater- und Konzertveranstaltungen. Das TM bietet seinem Publikum ein breitgefächertes Angebot auf hohem Niveau. Zunehmend hat sich das TM zu einem Haus mit überregionaler Ausstrahlung entwickelt, das Besucher aus dem ganzen Kreis Recklinghausen bzw. der Emscher-Lippe-Region und dem südlichen Münsterland anzieht. Bei der Verleihung des Adolf-Grimme-Preises wird das Theater Marl zum Treffpunkt der deutschen Fernsehprominenz. 1997/98 wurde das Theater aufwendig saniert.

Stadtbibliothek

Die Stadtbibliothek Marl ist die Öffentliche Bibliothek in städtischer Trägerschaft. Sie hält aktuelle DVDs, CDs, Romane und Sachbücher für ihre Benutzer bereit. Die Zentralbibliothek, die Abteilung für die Erwachsenen, ist im Einkaufszentrum Marler Stern (Bergstr. 230) untergebracht. Die Kinder- und Jugendabteilung im gegenüber liegenden Türmchen, das ein Versuchsbau für die Rathaustürme war (Eduard-Weitsch-Weg 13). Bei einem Bestand von ca. 80.000 Büchern und Medien leihen die Benutzer ca. 225.000 Medien pro Jahr aus. Seit August 2008 hat die Stadtbibliothek eine Internet-Zweigstelle zum Download von E-Books und anderen E-Medien.

Bauwerke und Sehenswürdigkeiten

Mit Beginn der 1960er Jahre wurde für die geografische Mitte der Stadt Marl ein neues, künstliches Zentrum (City) entworfen, das als einigendes Element der alten, sich ausbreitenden und verwachsenden Siedlungskerne der neuen Stadt Marl ein Gesicht und eine ordnende Struktur geben sollte:

Sehenswert ist das Rathaus, das von den holländischen Architekten van den Broek und Jacob Bakema nach ihrem Sieg in einem internationalen Wettbewerb in den Jahren 1960 bis 1967 im neuen Zentrum der Stadt errichtet wurde. Im Sitzungstrakt, der mit einem weit tragendem Spannbeton-Faltwerk überdacht ist, befindet sich u. a. der Ratssaal. Darunter befindet sich das Skulpturenmuseum Der Glaskasten. Aus dem flachen Verwaltungstrakt ragen die Dezernatstürme hervor. Von zunächst geplanten drei bis vier Türmen wurden nur zwei realisiert. Die Geschossdecken der Türme sind über Stahlbeton-Hängestützen mit der oben liegenden Pilzdecke verbunden, von der die Lasten über einen Gebäudekern nach unten abgeleitet werden. Nachdem aufgrund von Schadstoffuntersuchungen der krebserregende Stoff PCB im Gebäude gefunden wurde, eine Sanierung aber von der Stadt finanziell nicht getragen werden kann, wird im Stadtrat über einen Abriss des Gebäudes diskutiert.

Das Luftkissendach des Einkaufszentrums Marler Stern steht im Guinness-Buch der Rekorde als das größte der Welt. Baulich angegliedert an die Ladenstraße des Stern ist die Volkshochschule Die Insel.

Um das Rathaus und das Einkaufszentrum herum wurden zueinander rechtwinklig mehrere Komplexe aus Scheibenhochhäusern (mit allerdings verschiedenen Fassaden) angeordnet. Drei dieser Hochhausketten sind noch vorhanden, der vierte, aus drei Einheiten bestehende und mit 17 Geschossen höchste Komplex (Goliath) wurde im August 2006 durch Sprengung abgebrochen.

Die geometrische Struktur des Ensembles im Sinne der damaligen Planer wird dadurch gestört; allerdings wurde der Abbruch der „Bausünde“ Goliath mit ihren 153 Wohnungen von den Marlern vielfach begrüßt. Nach dem Abriss des Hochhauskomplexes wurde auf dem Grundstück eine Filiale der Elektronikmarktkette Saturn errichtet.

Die City, der Stadtkern im engeren Sinne, wird vervollständigt durch den künstlich angelegten Weiher City-See, und wurde geplant als Teil einer autogerechten Stadt und zunächst angebunden und erschlossen durch verschiedene vierbahnige Autostraßen. Ein Teil dieser Straßen wurde und wird allerdings mittlerweile redimensioniert.

Um weitere Wohnhochhäuser im erweiterten Umfeld der City zu vermeiden, wurde das Konzept der Hügelhäuser (ab 1966) entwickelt, das in einem kompakten Gebäude Wohnungen mit großen Terrassen, im Erdgeschoss mit Gartenhöfen ermöglicht. Pkw-Abstellplätze befinden sich im Kern des Untergeschosses. Insgesamt wurden vier Hügelhäuser gebaut.

Bemerkenswert ist die Hauptschule an der Westfalenstraße, die von dem Berliner Architekten Hans Scharoun (bekannt vor allem durch die Berliner Philharmonie) in den Jahren 1964 bis 1970 errichtet wurde. Der sehr zergliederte Bau erschließt sich nur durch eine Innenbesichtigung. Scharoun realisierte sein innovatives Konzept, das für Unter-, Mittel- und Oberstufe unterschiedliche pädagogische Bedingungen vorsieht. Die Schule sollte nach Plänen der Stadt Marl aus wirtschaftlichen Gründen im Jahr 2006 abgerissen oder als Altersheim genutzt werden. Nach einer Informationsveranstaltung des Bundes Deutscher Architekten erkannten auch die Politiker der Stadt den Wert ihres vernachlässigten Bauwerkes und beschlossen ein Moratorium. Die Schule soll Schule bleiben. Seit März 2007 ist die Musikschule der Stadt Marl in der Scharounschule zusammengezogen. Die idealen Möglichkeiten des Gebäudes bieten der Musikschule neue Probemöglichkeiten mit der Aula. Die sehr maroden Satelliten-Anbauten sollen in nächster Zeit abgerissen werden, damit der Haupttrakt des Werkes von Scharoun erhalten bleibt und besser zur Geltung kommt.

Bereitschaftssiedlung und ECA-Siedlung

Der Bedarf an werksnahem Wohnraum für die ab 1938 bei Gründung der Chemischen Werke Hüls zahlreich aus anderen Chemiestädten zugezogenen Facharbeiter, Meister und leitenden Angestellten wurde durch die südlich an das Werksgelände angrenzende Bereitschaftssiedlung gedeckt. Der Architekt des IG-Farben-Stammwerkes Clemens Anders verwirklichte das Projekt im traditionalistischen Stil der Stuttgarter Schule. Ein anderes Beispiel für den (im Gegensatz zur Bauhausarchitektur) klassisch-konservativen Wohnungsbaustil ist die Kochenhofsiedlung in Stuttgart.

Obwohl Arbeiter und höhere Angestellte bei Betriebsstörungen etwa den gleichen kurzen Weg zum Werk hatten, blieben ihre Wohnungen in der Siedlung streng voneinander getrennt. Den Arbeitern waren Wohnungen von 55-75 Quadratmetern in östlichen Siedlungsteil, den Meistern und qualifizierten Facharbeitern Doppelhaushälften von etwa 100 Quadratmetern im zentralen Siedlungsbereich um die Hiberniastraße und Bitterfelder Straße zugewiesen. Leitende Angestellte wohnten im Westen und Süden in deutlich größeren und repräsentativen Häusern, zum Beispiel in der Ludwigshafener Straße. Im Jahre 1943 waren in der Bereitschaftssiedlung und zwei weiteren Arbeitersiedlungen in Marl 1200 Wohnungen entstanden. Typisch für den kriegswichtigen Standort, der im Jahre 1943 einem sehr schweren Bombenangriff der Alliierten ausgesetzt war, sind die noch heute über das gesamte Siedlungsgebiet verteilten Splitterschutzbunker. Die Häuser hatten außerdem stabile Schutzräume mit Gasschleusen im Keller, die Doppelhäuser waren über das Kellergeschoss durch Fluchttüren miteinander verbunden. Noch heute kann man an einigen Häusern die Hinweispfeile zu den Kellerschutzräumen erkennen.

Fünf Häuser der Bereitschaftssiedlung in der Ludwigshafener, Oppauer und Uerdinger Straße sowie das Gesamtbild der Siedlung stehen unter Denkmalschutz. Viele der Häuser sind mittlerweile in Privatbesitz.

An der Route der Industriekultur liegt sowohl der Chemiepark Marl als auch die Bereitschaftssiedlung.[1]

Zur Behebung der großen Wohnungsnot nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und dem Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten in den westlichen Teil Deutschlands wurden im Rahmen und mit Mitteln des Marshallplanes Anfang der 1950er Jahre in Marl-Brassert die sogenannte ECA-Siedlung gebaut. Die Finanzierung lief zunächst über die 1948 eingerichtete US-amerikanische Economic Cooperation Administration (ECA) ab 1951 über die Mutual Security Agency (MSA). Als Vorgabe forderten die Planer, Kleinwohnungen zu einem Festpreis möglichst billig zu errichten; der soziale Wohnungsbau sollte gefördert werden. Im Jahr 1951 wurde vom Bundeswohnungsbauministerium ein ECA-Realisierungs-Wettbewerb für Architekten und Baufirmen ausgelobt. Die im Anschluss daran gebaute Siedlung trägt auch heute noch den Namen ECA-Siedlung.

Ortsteil Hüls

Im Ortsteil Hüls findet man auf der Hülsstraße die alte Einkaufszone der Stadt, die bis zum Bau des Marler Sterns der Kern Marls war. Die Fassaden sind im Stil des 19. Jahrhunderts gehalten, jedoch sieht man sie aufgrund einer Glasüberdachung, die vor Regen schützen soll, kaum im Detail.

Im Bereich Hüls-Süd, angeschlossen an das Naturschutzgebiet Loemühlenbach, befindet sich die historische Wassermühle Loemühle. Sie wurde bis 2008 als Hotel-Restaurant genutzt. Die dazugehörende Kornkammer ist ein besonderes Gebäude, in dem Heiratswillige ihr Ja-Wort geben konnten. Ebenfalls lud die Kornkammer zu gemütlichen Zusammenkünften ein.

Im Jahre 1925 wurde in der Nähe der Zeche Auguste Victoria ein Blei-, Zink- und Erzlager entdeckt. Zur Förderung dieser Stoffe wurde daraufhin 1926 ein Erzschacht in 806 Meter Tiefe gebaut. Der Förderturm ist das erste ummantelte Gerüst der Bauart Koepe. Nach Fertigstellung wurden ab 1936 fünf Millionen Tonnen Roherz, Zink und Silber gefördert. Der Schacht wurde bis 1962 benutzt und schließlich stillgelegt, als der Abbau durch fallende Erzpreise nicht mehr rentabel erschien. 1999 wurde der Schacht verfüllt. Heute sind der Förderturm und das Maschinenhaus als Industriedenkmal und Wahrzeichen von Marl-Drewer erhalten und werden vom Heimatverein betreut. Ein kleines Bergbaumuseum befindet sich ebenfalls dort.

Im Stadtteil Hüls liegt gegenüber dem Jahnstadion der Park Gänsebrink.

Ortsteil Alt-Marl

Im Stadtteil Alt-Marl befindet sich an der Recklinghäuser Straße die Alte Windmühle. Zusammen mit der Wassermühle am Volkspark ist es ein Relikt der landwirtschaftlichen Stadtgeschichte Marls. Die Windmühle begann ihren Betrieb im Jahre 1850. Zu diesem Zeitpunkt war Marl noch ein Heidedorf mit 1800 Einwohnern. Da die Wassermühle oft Ausfälle durch Wassermangel hatte, konnte der Engpass beim Getreidemahlen durch die neue Windmühle beseitigt werden. Im Jahre 1911 wurde in die Mühle ein Saugmotor eingebaut, so dass es möglich wurde, auch bei Windstille die Mühle in Betrieb zu nehmen. Die Flügel der Mühle, die an einer drehbaren Kappe befestigt waren, wurden im Jahre 1935 abgebaut und durch einen Dieselmotor ersetzt. Der Mahlbetrieb wurde jedoch nur noch kurz fortgesetzt und die Mühle diente nach Abriss der drehbaren Kappe nur noch als Lagerraum. Nach einer aufwendigen Renovierung durch den Heimatverein im Jahre 2001 konnte die Mühle vor dem Verfall gerettet werden.

Im Stadtteil Alt-Marl befindet sich angrenzend an das Guido-Heiland-Freibad der Volkspark, dessen Teiche vor einigen Jahren naturnah ausgebaut wurden.

Außerdem wird die Bauernschaft Steinernkreuz (mit Linde) im weiteren Sinne zu Alt-Marl gezählt. Die Bauernschaft wird auch heute noch hauptsächlich von Agrar- und Landwirtschaft geprägt.

Töchter und Söhne der Stadt

  • Christian Ahlmann (* 1974), Bronze-Medaillengewinner Olympia (2004) und Doppel-Europameister (2003) im Springreiten
  • Norbert Altenkamp (* 1972), Politiker (CDU), Bürgermeister von Bad Soden am Taunus
  • Pete Barany (1960–2002), Sänger der Multicoloured Shades
  • Karsten Braasch (* 1967), deutscher Tennisspieler, Mitglied des deutschen Daviscup-Teams
  • DJ Moguai, mit bürgerlichem Namen Andre Tegeler, DJ und Moderator bei MTV und VIVA, macht bei 1LIVE zusammen mit seinen Kollegen Westbam und Paul van Dyk Samstagabends 1 LIVE Rocker
  • Michael Groß (* 1956), deutscher Politiker, MdB
  • Heinz van Haaren (* 1940), DFB-Fußballpokalsieger 1972 mit FC Schalke 04
  • Emil Bert Hartwig (1907–1996), deutscher Maler
  • Anna Hepp (* 1977), deutsche Nachwuchs-Dokumentarfilmerin und Fotografin
  • Andreas Homoki (* 1960), Chefregisseur und Intendant der Komischen Oper in Berlin
  • Tim Hoogland (* 1985), deutscher Fußballspieler (1. FSV Mainz 05, FC Schalke 04)
  • Marco Kloss (* 1973), deutscher Schlagersänger
  • Karin Kneffel (* 1957), deutsche Künstlerin
  • Chris Kramer (* 1970), Bluesmusiker
  • Hans Kruppa (* 1952), deutscher Schriftsteller
  • Barbara Meisner (* 1964), deutsche Künstlerin, Förderpreisträgerin der Stadt Düsseldorf
  • Jürgen Mikol (* 1942), deutscher Schauspieler, u. a. als Opa Pläte in Alles Atze
  • Peter Neururer (* 1955), deutscher Fußballtrainer, u. a. Trainer beim FC Schalke 04, 1. FC Köln, VfL Bochum und bei Hannover 96
  • Franz-Josef Overbeck (* 1964), Bischof von Bistum Essen
  • Beate Peters (* 1959), Bronzemedaillengewinnerin bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1987 im Speerwerfen
  • Matthias Pintscher (* 1971), deutscher Komponist und Dirigent
  • Frank Sandmann (* 1966), Schauspieler, Moderator und Autor
  • Gertrud Schäfer (* 1944), Deutsche Meisterin im Kugelstoßen 1966 und Olympiateilnehmerin 1968, Trainerin der Leichtathletinnen Sabine Braun und Beate Peters
  • Wolfgang Schmitz (* 1934), deutscher Künstler und ehemaliger Professor an der Kunsthochschule Bremen
  • Mathias Schober (* 1976), Torwart des FC Schalke 04
  • Christian Wetklo (* 1980), Torwart des FC Schalke 04 und vom 1. FSV Mainz 05
  • Oliver Wittke (* 1966), ehemaliger Minister für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und ehemaliger Bürgermeister von Gelsenkirchen
  • Sönke Wortmann (* 1959), deutscher Regisseur
  • Reinhold Wosab (* 1938), Bundesligaspieler von Borussia Dortmund und VfL Bochum, Europapokalsieger der Pokalsieger


Literatur

  • Vestische Zeitschrift, seit 1891
  • Ulrich Brack (Hg.): Herrschaft und Verfolgung. Marl im Nationalsozialismus. 3. überarbeitete Auflage, Klartext Verlag, Essen 2011, ISBN 978-3-8375-0541-2
  • Norbert Kühne (Hg.): 90 Jahre Hans-Böckler-Kollegschule Marl, 1906-1996
  • Norbert Kühne (Hg.): Individuelles Lernen wird an Bedeutung gewinnen – 100 Jahre Hans-Böckler-Berufskolleg Marl/Haltern. 2006
  • Der Kreis Recklinghausen. Konrad Theiss Verlag Stuttgart
  • Paul Derks (Universität Essen): Der Siedlungsname Sinsen, Hrsg.: Kulturverein SINSENER ART, Marl 2003
  • Helmut Madynski: "Das alte Marl", Fels Verlag, Marl 1985
  • Joseph Schnetz: Das Lar-Problem, S.59, I.M. Richter´s kgl.Bayer. Hofbuchdruckerei 1913, Würzburg
  • Heinrich Dittmaier: Die (H)Lar-Namen, S.45, Böhlau-Verlag, Köln, 1963
  • Norbert Schüpp: Von Dörfern zur Stadt, S.2, Fußnote 1, Inaugural-Dissertation, Rudolf Stehle GmbH&CoKG, Düsseldorf, 1963
  • Heinrich Schäpers: Bilder aus der Geschichte Marls, S.64, Eigenverlag, Marl, 1966, ohne Quellenangaben
  • Jacob + Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, elektr. Ausgabe der Erstbearbeitung: Der Digitale Grimm, Verlag 2001, 2004
  • Westfälisches Museum für Archäologie: Hinter Schloss und Riegel, Burgen und Befestigungen in NRW, 1998, S. 145, u. a. Foto des Wallschnitt`s
  • Karl Brandt: Frühgeschichtliche Bodenforschung im mittleren Ruhrgebiet, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1952
  • Heinrich Lowinski, Städtebildung in industriellen Entwicklungsräumen, Untersucht am Beispiel der Stadt und des Amtes Marl, Inaugural-Dissertation, Münster 1964, S. 310, Fußnote 4, gedruckt A. Bongers, Recklinghausen.

Einzelnachweise

Weblinks