Bahnstrecke Gelsenkirchen-Buer Nord–Marl Lippe

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Die Bahnstrecke Gelsenkirchen-Buer Nord – Marl Lippe ist eine rund 17 Kilometer lange, elektrifizierte und vorwiegend eingleisige Hauptbahn im Norden des Ruhrgebiets. Sie verbindet den Bahnhof Buer-Nord an der Bahnstrecke Oberhausen-Osterfeld Süd–Hamm (Oberhausen-Osterfeld Süd – Hamm (Westf) Rbf) mit der Abzweigstelle Marl Lippe an der Bahnstrecke Wanne-Eickel–Hamburg (Wanne-Eickel Hauptbahnhof – Hamburg Hauptbahnhof). Die Strecke wird im Verzeichnis der örtlich zulässigen Geschwindigkeiten unter der Streckennummer 2252 geführt. Da die Bahn vom Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk als Verkehrsband Nr. 9 geplant wurde, wird sie auch umgangssprachlich als „V9“ bezeichnet.

Geschichte

Die Essener Volkszeitung veröffentlichte am 14. April 1903 einen Artikel, in dem die Notwendigkeit einer von Essen ausgehenden Bahnstrecke angesprochen wurde, um die nördlich der Stadt gelegenen Kohlefelder zu erschließen. Der Artikel stieß sowohl bei der Stadt Essen als auch bei der Reichsbahndirektion Essen auf positive Resonanz. Nach den ersten Plänen sollte die neue Verbindung vom Essener Hauptbahnhof aus über Essen-Stoppenberg, Essen-Altenessen zur Zechenbahn der Zeche Nordstern führen und von dort aus weiter über Horst, Buer und Marl nach Haltern führen. Zur Debatte standen im Mittelabschnitt drei verschiedene Trassierungsentwürfe. Die westliche Variante führte über Gladbeck, die mittlere über Buer und die östliche über Erle und Middelich. Letztere Variante war von der Stadt Buer gefordert, aber von der Stadt Gladbeck von vornherein abgelehnt worden. Das Planungskomitee legte sich bis Mai 1904 letztlich auf die mittlere Variante fest und reichte den Vorschlag beim preußischen Ministerium für öffentliche Arbeiten ein.

Das Ministerium lehnte den Vorschlag mit Schreiben vom 2. Januar 1905 ab und verwies auf die im Bau befindliche Hamm-Osterfelder Bahn, deren verkehrliche Auswirkungen erst abgewartet werden müssen. Für den Südabschnitt schlug das Ministerium zudem den Bau von Verbindungskurven von der Bahnstrecke Winterswijk – Gelsenkirchen-Bismarck zum Bahnhof Schalke-Nord beziehungsweise von Bottrop zur Bahnstrecke Mülheim-Heißen/Essen West – Oberhausen-Osterfeld Nord vor. Somit hätten bereits bestehende Nord-Süd-Strecken verwendet werden können. Ein von der Stadt Gelsenkirchen Ende 1903 eingereichter Vorschlag mit Streckenführung von Gelsenkirchen Hauptbahnhof über Bahnhof Schalke-Süd, Bahnhof Schalke-Nord und östlich von Buer lehnte das Ministerium Mitte 1905 unter Verweis auf die Hamm-Osterfelder Bahn ebenfalls ab.

Unter Führung des Buerer Bürgermeisters August de la Chevallerie schlossen sich daraufhin die Städte Buer, Essen und Gelsenkirchen zusammen, um einen gemeinsamen Vorschlag zu erarbeiten. Nachdem ein erster Vorschlag 1908 erneut auf Ablehnung stieß, erarbeitete die Städtekommission eine Paketlösung mit drei Strecken. Neben dem unumstrittenen Nordabschnitt Buer – Marl – Haltern sah das Projekt eine Strecke vom Gelsenkirchener Hauptbahnhof über die Bahnhöfe Gelsenkirchen-Bismarck und Westerholt nach Marl sowie eine elektrische Schnellbahn auf direktem Wege von Gelsenkirchen über Schalke nach Buer vor. Da auch dieser Vorschlag nicht weiterverfolgt wurde, stieg die Stadt Gelsenkirchen 1911 aus der Kommission aus. Die KED Essen nutzte die Gelegenheit für Vorarbeiten im Bereich der vom Ministerium vorgeschlagenen Verbindungskurve in Schalke. Kurze Zeit darauf wies das Ministerium die KED an, auch die Vorarbeiten für den Abschnitt von Buer Süd nach Haltern aufzunehmen.

Das 1914 verabschiedete Eisenbahnanleihegesetz schaffte dann erste Tatsachen und entsprach in seinem Verlauf weitgehend dem von der Stadt Essen 1903 verfolgten Plan. Abweichend hierzu war die vorgesehene Verbindungskurve zwischen den Bahnhöfen Buer Süd und Buer Nord, die weit nach Westen ausholte und kurz vor dem Bahnhof Gladbeck Ost von der Strecke Winterswijk – Gelsenkirchen-Bismarck abzweigte. Die Stadt Gladbeck forderte daher eine Verlegung der Trasse bis an den Bahnhof Gladbeck Ost unter Verweis auf dessen Bedeutung – Gladbeck Ost war zu dieser Zeit der nach Fahrgastzahlen zweitgrößte Personenbahnhof im Regierungsbezirk Münster. Die KED verlegte die Kurve daraufhin ein Stück nach Westen, allerdings weiterhin vor den Bahnhof Gladbeck Ost. Da die Stadt auch mit diesem Vorschlag nicht zufrieden schien, folgte nach Ende des Ersten Weltkrieges eine Verlegung der Trasse nach Osten bis außerhalb des Gemeindegebiets, so dass die Stadt vom Genehmigungsverfahren nicht mehr betroffen war. Es kam zu weiteren Trassierungsvorschlägen seitens der Stadt Gladbeck, unter anderem bemühte die Stadtverwaltung ein Gutachten des Verkehrswissenschaftlers Erich Giese, der einen gänzlichen Umbau der Gladbecker Bahnanlagen vorsah, jedoch ohne Erfolg.

Die Deutsche Reichsbahn griff das Projekt 1927 im Rahmen des Ausbauprogramms Ruhrgebiet des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk (SVR) erneut auf und legte sich auf die im Eisenbahnanleihegesetz von 1914 festgelegte Linienführung fest. Zusätzlich sah die Reichsbahn Verbindungskurven von Horst zum Gelsenkirchener Hauptbahnhof sowie weiter zum Bahnhof Bochum Präsident vor. Innerhalb des Ausbauprogramms erhielt die Strecke die Bezeichnung „Verkehrsband Nr. 9“; die Kurzbezeichnung „V9“ wurde alsbald als Alternativname für die Strecke bekannt. Es folgten erste Vorarbeiten im Bereich von Gelsenkirchen Hbf und ab 1937 die ersten Umbaumaßnahmen im Essener Stadtgebiet. Der Zweite Weltkrieg verhinderte letztlich die Umsetzung des Vorhabens.

Die Deutsche Bundesbahn nahm 1957 die Vorarbeiten am Verkehrsband 9 wieder auf. Die Arbeiten beschränkten sich nunmehr auf den Nordabschnitt von Gelsenkirchen-Buer Nord über Marl nach Haltern, eine Weiterführung nach Süden war nun nicht mehr vorgesehen und sollte über die bestehenden Strecken via Bottrop Hbf erfolgen. Für den Bau waren umfangreiche Erarbeiten erforderlich, da die Strecke bis zur Abzweigstelle Lippe niveaufrei andere Verkehrswege kreuzt. Nach einer elfjährigen Bauzeit konnte die Verbindung am 27. September 1968 eröffnet werden. Die Haltepunkte Gelsenkirchen-Hassel, Marl-Drewer und Marl-Hamm gingen an diesem Tag ebenfalls in Betrieb.

Für die nördlich von Marl-Drewer gelegenenen Chemischen Werke Hülß (heute: Chemiepark Marl) entstand 1971 eine Abzweigstelle als Gleisanschluss. Der Haltepunkt bildet zusammen mit dem zeitgleich eröffnete Einkaufszentrum Marler Stern den Mittelpunkt der Stadt Marl. Entsprechend den Großstadtambitionen der Stadt erhielt der Haltepunkt einen vergleichsweise umfangreichen Ausbau und mehrere Bauvorleistungen für das später vorgesehene zweite Streckengleis.

Am 24. Mai 1998 wurde die Strecke in das Netz der S-Bahn Rhein-Ruhr einbezogen. Im Vorfeld erfolgten die notwendigen Anpassungen an die Bahnanlagen. Der Bahnhof Gelsenkirchen-Buer Nord wurde als Personenzugangsstelle aufgelassen und ein neuer Haltepunkt (Gelsenkirchen-Buer Nord Hp) an der Straße Königswiese errichtet. Dieser bietet eine bessere Umsteigemöglichkeit zu den örtlichen Omnibuslinien. Der Bahnhof selbst besteht weiter als Betriebsbahnhof. Die Bahnsteige in Gelsenkirchen-Hassel und Marl-Hamm erhielten ebenfalls neue Bahnsteige mit einer Höhe von 96 Zentimetern. Der Bahnsteig in Marl Mitte blieb von den Arbeiten unberührt, der Haltepunkt Marl-Drewer wurde wegen der geringen Entfernung zu Marl Mitte mit der Umstellung aufgelassen.

Streckenbeschreibung

Verlauf und Betriebsstellen

Die Strecke beginnt im Bahnhof Buer-Nord an der Bahnstrecke Oberhausen-Osterfeld Süd–Hamm. Der 1905 eröffnete Bahnhof diente bis 1992 Güter- und bis 1998 als Personenbahnhof. Die Strecke fädelt unmittelbar hinter dem Empfangsgebäude aus der VzG-Strecke 2250 aus. In Höhe der Überführung über die Königswiese befindet sich die Betriebsstelle Gelsenkirchen-Buer Nord Hp. Der Haltepunkt liegt hinter dem Einfahrsignal des Bahnhofs auf der freien Strecke. Er bietet lagetechnisch eine günstigere Umsteigebeziehung zu den hier verkehrenden Bussen und wurde 1998 als Ersatz für den Bahnhof errichtet.

Die Strecke verläuft zunächst parallel zur Hamm-Osterfelder Bahn und schwenkt nach rund zwei Kilometern Richtung Norden. In Kilometer 3,9 erreicht sie den Haltepunkt Gelsenkirchen-Hassel. Der Haltepunkt verfügt über einen Seitenbahnsteig auf der Westseite der Strecke. Er ist über Treppen und eine Rampe zu erreichen.

Mit Erreichen des Marler Stadtgebiets verläuft die Strecke in einem Einschnitt. Diese Barriere bildet gleichzeitig die Grenze mehrerer Marler Stadtteile. Der Haltepunkt Marl Mitte befindet sich bei Kilometer 6,3. Die an den Haltepunkt angeschlossene Bushaltestelle Marl Mitte (S) ist einer der zentralen Umsteigepunkte im Netz der Vestischen Straßenbahnen, in unmittelbarer Nähe zum Haltepunkt befindet sich zudem das Einkaufszentrum Marler Stern. Der Zugang erfolgt über eine Fußgängerbrücke mit Aufzuganlage zum Marler Stern sowie über einen höhengleichen Zugang in Richtung Osten.

Einen Kilometer hinter Marl Mitte lag der Haltepunkt Marl-Drewer. Die Betriebsstelle wurde auf Grund der kurzen Entfernung zum vorgelegenen Haltepunkt bei der Umstellung auf S-Bahn-Betrieb aufgelassen. Der Haltepunkt umfasste einen Seitenbahnsteig auf der Ostseite.

Hinter Marl-Drewer steigt die Strecke relativ zum Gelände an. In Kilometer 11,3 befindet sich die Ausweichanschlussstelle Marl CWH. Bis 2003 war die Betriebsstelle als Abzweigstelle klassifiziert. An die Awanst schließt eine Werkbahn der RBH Logistics zum Chemiepark Marl (ehem. Chemische Werke Hüls, kurz CHW) an. Die Übergabe zum Chemiepark erfolgt alternativ vom Bahnhof Marl-Sinsen an der VzG-Strecke 2200 aus. Dieses Übergabegleis wird unmittelbar hinter der Awanst Marl CWH höhenfrei gekreuzt.

Der Haltepunkt Marl-Hamm liegt im Norden der Stadt in Dammlage. Parallel zur Strecke verläuft in diesem Abschnitt die Bundesautobahn 52. Der Haltepunkt verfügt über einen Seitenbahnsteig und ist über Treppen und Aufzüge zu erreichen.

Die Abzweigstelle Marl Lippe beginnt ab Kilometer 14,7. Die Strecke teilt sich hinter dem Blocksignal 91 911 in zwei Streckengleise auf. Das Regelgleis unterführt die VzG-Strecke 2200, so dass eine niveaufreie Einbindung in diese möglich ist. Hinter der Einfädelung, aber noch innerhalb der Abzweigstelle gelegen, überquert die Strecke den Bahnübergang Marler Straße. In unmittelbarer Nähe zur Abzweigstelle befindet sich das Autobahnkreuz Marl-Nord (Bundesautobahn 43/A 52/L 612). Die A 43 und die L 612 überführen im Bereich der Abzw Marl Lippe die Streckengleise.

Die Strecke ist baulich für ein zweites Streckengleis vorbereitet. Die Ausfädelung im Bahnhof Gelsenkirchen-Buer Nord weist einen zweiten Gleistrog südlich der Hamm-Osterfelder Bahn auf. Die meisten Überführungen sind mit Widerlagern für das zweite Gleis versehen, umgekehrt weisen die Unterführungen den entsprechenden Platz auf. Der Haltepunkt Marl Mitte ist als Mittelbahnsteig angelegt, ein Zugang führt über die ungenutzte Bahnsteigkante. Der Bahnsteig in Marl-Hamm liegt auf dem Planum des zweiten Gleises.

Leit- und Sicherungstechnik

Stellwerk Buf in Gelsenkirchen-Buer Nord, 2010

Die Strecke wird seit der Eröffnung von drei Stellwerken aus gesteuert. Die Stellwerke befinden sich am Bahnhof Gelsenkirchen-Buer Nord, an der Ausweichanschlussstelle Marl CWH und im Bahnhof Haltern am See (bis 1986 an der Abzw Marl Lippe). Das Stellwerk Buf (Gelsenkirchen-Buer Nord Fahrdienstleiter) war ein Relaisstellwerk der Bauart SpDrL30. Das Stellwerk Abzw in Marl CWH (Bauart DrS2) befand sich in der Fernsteuerung. Die Blocksignale in Marl CWH ermöglichen eine höhere Auslastung der eingleisigen Strecke. Seit 2007 werden beide Stellwerke vom Elektronischen Stellwerk (ESTW) Of im Bahnhof Oberhausen-Osterfeld Süd aus ferngesteuert, die vorhandenen Anlagen wurden hierzu durch Bereichsrechner ersetzt.

Die Abzweigstelle Marl Lippe verfügte zunächst über ein eigenes Stellwerk der Bauart DrS2. Seit 1986 befanden sich die Stelleinrichtungen im Stellwerk Hf des Bahnhofs Haltern am See. Dem Fahrdienstleiter stand hierfür ein separater Stelltisch in Bauart SpDrL60 zur Verfügung. 1998 erfolgte die Umstellung auf das ESTW Df in Dülmen, das Stellwerk Hf dient weiterhin als Bereichsrechner. Die VzG-Strecke 2200 ist im Bereich südlich von Haltern für Gleiswechselbetrieb eingerichtet, die Strecke ist an diese Situation angepasst, so dass die Züge von der VzG-Strecke 2252 aus auf dem Gegengleis bis Haltern verkehren können. Da die Züge in der Regel am westlich gelegenen Bahnsteig 1 in Haltern wenden, entfällt so das erneute (niveaugleiche) Kreuzen weiterer Hauptgleise im Bahnhof.

Bedienung

Einfahrt eines von Marl CWH kommenden Kesselwagenzuges in Gelsenkirchen-Buer Nord, 2014

Zunächst wurde die Strecke als Kursbuchstrecke 234b geführt, zwischen 1972 und 1983 dann als KBS 321, bis 1992 als KBS 381 und bis 1998 dann als KBS 446. Seit Einrichtung der S-Bahn wird sie nun als KBS 450.9 geführt.

Über die Strecke fuhren vor allem Nahverkehrszüge von Haltern nach Essen sowie darüber hinaus nach Velbert und Wuppertal. Analog zur Streckenbezeichnung V9 wurden die Züge als Linie N9 geführt, seit 1998 als S9. Die Züge fuhren etwa stündlich, der Takt ist mit der Umstellung auf S-Bahn-Betrieb beibehalten worden. Eine Taktverdichtung war nur geringfügig möglich, da die Strecke keine Ausweichmöglichkeiten bietet. Bis in die 1990er Jahre befuhren einzelne Eilzugpaare zwischen Münster und Duisburg ebenfalls die V9.

Die S9 fuhr ab 1998 zunächst zwischen Haltern am See und Essen-Steele Ost. Seit 2003 fährt die Linie über Velbert-Langenberg weiter nach Wuppertal Hbf.

Im Güterverkehr wird der Großteil des Verkehrs von den Übergabefahrten zum Chemiepark Marl ausgemacht.

Weblinks