Clemens Tönnies

Aus Gelsenkirchener Geschichten Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Clemens Tönnies, 2019

Clemens Tönnies (* 27. Mai 1956 in Rheda) ist ein deutscher Unternehmer und Sportfunktionär. Er ist Miteigentümer der Unternehmensgruppe Tönnies Holding und war von 2001 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender des FC Schalke 04.

Leben

Tönnies und seine sechs Geschwister wuchsen als Kinder eines Metzgers in Rheda auf. Nach Abschluss der Volksschule 1970 machte Tönnies ebenfalls eine Ausbildung zum Metzger, obwohl er zunächst Radio- und Fernsehmechaniker werden wollte. Von 1976 bis 1978 absolvierte er eine Weiterbildung zum Fleischtechniker in Kulmbach. Er lebt in Rheda-Wiedenbrück, ist in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei Kinder.

Sein älterer Bruder Bernd Tönnies (1952–1994) gründete 1971 ein Unternehmen für Fleisch- und Wursthandel in Rheda. Gemeinsam bauten sie in den 1970er-Jahren die B. & C. Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG (heute Tönnies Holding) auf, die zu einem der größten Fleischproduzenten Europas wurde. Bernd Tönnies starb 1994 im Alter von 42 Jahren nach einer Nierentransplantation. Er hinterließ seinen zwei Söhnen, Robert und Clemens jun., ein Millionenvermögen und die 60 % Eigentumsrechte seines Unternehmens.

Clemens Tönnies übernahm 1994 die Geschäftsführung und verantwortet seitdem die Konzernentwicklung der Tönnies Holding.

Im Jahr 1994 wurde Tönnies Mitglied des Aufsichtsrates des FC Schalke 04, ab 2001 als dessen Vorsitzender. Darüber hinaus ist er erster Vorsitzender des Schützenvereins zu Rheda e. V. von 1833. Am 30. Juni 2020 trat Clemens Tönnies, mit sofortiger Wirkung, von allen Ämtern bei Schalke 04 zurück.

Das US-Magazin Forbes schätzte im April 2019 sein Vermögen auf (umgerechnet) ungefähr 1,4 Milliarden Euro. Damit belegt er Platz 1349 auf der Forbes-Liste der reichsten Personen der Welt und Platz 85 der reichsten Deutschen.

Im Zuge der langjährigen Verbindung zum halbstaatlichen russischen Schalke-Sponsor Gazprom pflegt Tönnies ein freundschaftliches Verhältnis zu Wladimir Putin.

Kontroversen

Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung (2012)

Im Jahr 2012 ermittelte die Steuerfahndung gegen Clemens Tönnies wegen Steuerhinterziehung.[1]

Verschwiegene Unternehmensbeteiligung (2013)

Im Januar 2013 verhängte das Bundeskartellamt gegen Clemens Tönnies ein Bußgeld in Höhe von 90.000 Euro (bei einem Bußgeldrahmen von 100.000 Euro), weil Clemens Tönnies bei der Fusionskontroll-Anmeldung des Erwerbs des Schlachtunternehmens Tummel durch die Tönnies Holding seine Beteiligung an der Zur-Mühlen-Gruppe verschwiegen hatte.[2] Diese Beteiligung war für das Bundeskartellamt von erheblicher Bedeutung bei seiner Entscheidung, den Erwerb von Tummel zu untersagen.

Cum-Ex Geschäfte (2014)

Laut dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel und der Wochenzeitung Die Zeit war Tönnies einer der Prominenten, die mit Cum-Ex-Geschäften Geld vom Finanzamt erlangten, bei denen sie sich Ertragsteuern erstatten ließen, die sie zuvor gar nicht abgeführt hatten.[3][4]

Preisabsprachen (2016)

Im Jahr 2016 konnte das Bundeskartellamt eine Geldbuße in Höhe von 128 Millionen Euro wegen erwiesener Preisabsprachen an die Tochterunternehmen Böklunder, Plumrose und Könecke Fleischwarenfabrik nicht eintreiben, weil Tönnies die Aktivitäten dieser Firmen auf andere Gesellschaften der Zur-Mühlen-Gruppe übertragen und diese Tochterfirmen anschließend hat liquidieren lassen. Da die Tochterfirmen rechtlich nicht mehr existierten, gab es für die Bußgeldbescheide keinen Adressaten mehr, und die Bußgeldverfahren wurden eingestellt.[5] Als Folge dieser Vorgänge verabschiedete das Bundeskabinett im September 2016 eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), um diese Gesetzeslücke zu schließen.

Rassismus-Debatte (2019)

2019 sorgte Tönnies mit einer umstrittenen, vielfach als rassistisch kritisierten Aussage beim Tag des Handwerks in Paderborn für einen Eklat. In einem frei gehaltenen Vortrag zum Thema „Unternehmertum mit Verantwortung – Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung“ kritisierte er die Idee, bestimmte Steuern für den Kampf gegen den Klimawandel zu erhöhen. Tönnies forderte in dem Vortrag Bundesentwicklungsminister Gerd auf:

„Der Bundesentwicklungsminister solle stattdessen Kraftwerke in Afrika finanzieren, der spendiert dann jedes Jahr 20 große Kraftwerke nach Afrika. Dann hören die (Afrikaner) auf, die Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, wenn wir die nämlich elektrifizieren, Kinder zu produzieren.“

Clemens Tönnies im August 2019[6]

Tönnies entschuldigte sich später nach einsetzender massiver Kritik für seine Aussage, er „stehe als Unternehmer für eine offene und vielfältige Gesellschaft ein“.[7] Bundesjustizministerin Christine Lambrecht kritisierte die Aussage als „dumpfen Rassismus“.[8] Dagmar Freitag, Sportausschuss-Vorsitzende im Bundestag,[9] forderte die Ethikkommission des DFB auf, sich mit dem Vorfall zu beschäftigen.[10] Auch der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau und Schalkes Vereinsbotschafter Gerald Asamoah stuften die Äußerung als rassistisch ein, ebenso Maram Stern vom Jüdischen Weltkongress.[11] Bei Asamoah entschuldigte sich Tönnies persönlich. [12]

Huub Stevens, Sigmar Gabriel und Wolfgang Kubicki hingegen traten dem Rassismus-Vorwurf bald nach Bekanntwerden entgegen.[13][14] Günter Nooke, Persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin, betonte, dass über die von Tönnies angesprochenen „realen Probleme“ wie das Verschwinden des Regenwaldes und die Bevölkerungsentwicklung in Afrika gesprochen und gegebenenfalls kontrovers diskutiert werden müsse. Leider erschwerten Sätze wie die von Tönnies die konstruktive Diskussion: „Wir müssen uns alle um eine angemessene Sprache bemühen. Jeder sollte sich mit Respekt behandelt fühlen.“[15]

Im August 2019 befasste sich der Ehrenrat des FC Schalke 04 mit Tönnies’ Äußerungen.[16] Er stufte die Rassismusvorwürfe als „unbegründet“ ein, warf Tönnies in der offiziellen Mitteilung allerdings vor, „gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen zu haben.“[17] Tönnies legte sein Amt daraufhin für drei Monate nieder und kehrte anschließend zurück.[18] Diese Maßnahme stieß auf Kritik.[19][20][21][22]

Corona-Ausbruch (2020)

Im Juni 2020 ergaben behördlich angeordnete Massentests auf das SARS-CoV-2-Virus, dass sich im Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück von etwa 7000 Tönnies-Werksmitarbeitern mindestens 1500 mit dem Virus infiziert haben (Stand 23. Juni 2020).[23] In einem Brief forderte Robert Tönnies am 17. Juni 2020 den Rücktritt seines Onkels aus der Geschäftsführung und warf der Geschäftsleitung und dem Beirat des Konzerns unverantwortliches Handeln sowie die Gefährdung des Unternehmens und der Bevölkerung vor.[24]Am 18. Juni 2020 demonstrierten Eltern mit ihren Kindern vor Clemens Tönnies’ Haus, da wegen der Infektionsgefahr Schulen und Kindergärten geschlossen wurden.[25]

Am 20. Juni erklärte Clemens Tönnies bei einer Pressekonferenz, er wolle die Branche verändern. Es wurde wenig später bekannt, dass Robert Tönnies seit Jahren vergeblich versucht, Werkverträge im Unternehmen abzuschaffen und Maßnahmen für mehr Tierwohl durchzusetzen, aber immer an Clemens Tönnies scheiterte.[26]

Rücktrittsaufforderungen von Schalke-Fans (2020)

Nach dem massiven Corona-Ausbruch im Tönnies-Fleischwerk in Rheda-Wiedenbrück wurde aus Fankreisen des FC Schalke 04 Tönnies' Rückzug vom Schalker Aufsichtsratsvorsitz gefordert, so bei einer Menschenkette von rund 1000 Anhängern rund um das Vereinsgelände am 27. Juni 2020.[27][28][29][30][31][32][33]

Weblinks

Quelle

Einzelnachweise

  1. Jäger und Gejagter - Clemens Tönnies unter Druck, RP Online, 1012-10-18
  2. Bußgeld gegen Clemens Tönnies wegen unvollständiger Anmeldung eines Zusammenschlusses, Bundeskartellamt, 2013-01-15
  3. Martin Hesse, Gerald Traufetter Ex und hopp, Der Spiegel, Nr. 39/2014
  4. Lutz Ackermann, Benedikt Becker, Manuel Daubenberger, Philip Faigle, Karsten Polke-Majewski, Felix Rohrbeck, Christian Salewski, Oliver Schröm: Der größte Steuerraub in der deutschen Geschichte. In: Die Zeit, 8. Juni 2017.
  5. Tönnies schreibt mit der „Wurst-Lücke“ Rechtsgeschichte, Welt Online, 2016-10-19 Autor=Michael Gassmann
  6. https://www.spiegel.de/panorama/justiz/clemens-toennies-und-rassismus-wurst-und-wahn-kolumne-a-1281747.html
  7. Empörung über Tönnies rassistischen Spruch – Schalke-Ehrenrat prüft Aussagen, |Autor=Marc Schröder, 2019-08-03
  8. Zitat. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, 2019-08-04. Abgerufen am 2019-08-14.
  9. Daniel Theweleit: Tönnies und das „Weltbild eines Großwildjägers“. faz.net, 2019-08-05. Abgerufen am 2019-08-06.
  10. DFB-Ethikkommission wird sich mit Tönnies beschäftigen. In: Spiegel Online, 4. August 2019
  11. Jüdischer Weltkongress fordert Rücktritt von Tönnies, Jüdische Allgemeine vom 4. August 2019
  12. Rassismus-Eklat, Westfälische Anzeiger
  13. Kim Böß: Reaktionen auf Tönnies' Äußerungen über Afrika Weser-Kurier vom 6. August 2019
  14. Albert Funk: „Auch eklige Meinungen ertragen“ Tagesspiegel vom 5. August 2019
  15. Merkels Afrikabeauftragter fordert Debatte über Tönnies‘ Äußerungen. Die Welt, 7. Aug. 2019. Abgerufen am 2019-08-07.
  16. Tönnies: Ganz Deutschland blickt auf den Schalker Ehrenrat. wdr.de, abgerufen am 6. August 2019.
  17. Schalker Ehrenrat hält Rassismus-Vorwurf gegen Tönnies für "unbegründet". Focus Online. Abgerufen am 2019-08-06.
  18. So ist das Schalker Leitbild nichts wert, Westfälische Anzeiger, 7. Aug. 2019
  19. Reaktionen auf Tönnies-Entscheidung: Fans kritisieren „Strafmaß“, NOZ, 7. Aug. 2019
  20. Schalker Ehrenrat weist Vorwürfe zurück, RP online, 9. August 2019
  21. Dass Tönnies sein eigenes Urteil fällt, ist peinlich, Kicker, 7. Aug. 2019
  22. Die Gelbe Karte, Fanzine Schalke Unser, 4. Sep. 2019
  23. https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/gesundheit-duesseldorf-toennies-jetzt-1331-corona-infizierte-bekannt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200620-99-499816
  24. Streit nach Corona-Ausbruch: Robert Tönnies fordert Rücktritt seines Onkels, Spiegel online
  25. „Tönnies ist schuld“: Nach Corona-Ausbruch gehen wütende Eltern auf Fleisch-Boss los
  26. Clemens Tönnies blockierte Initiativen seines Neffen und Miteigentümers Robert, Wirtschaftswoche vom 23. Juni 2020
  27. https://www.tz.de/sport/fussball/demo-gegen-toennies-und-vorstand-auf-schalke-zr-13813666.html
  28. https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/article210388753/FC-Schalke-Fans-planen-den-Aufstand-gegen-Clemens-Toennies.html
  29. https://www.spiegel.de/sport/fussball/clemens-toennies-und-der-fc-schalke-04-deshalb-wird-am-samstag-sein-ruecktritt-gefordert-a-a4867185-128f-42be-95f3-36603c96f534
  30. https://www.derwesten.de/sport/fussball/s04/fc-schalke-04-demo-proteste-plakate-clemens-toennies-fans-gelsenkirchen-news-ruecktritt-mitgliederversammlung-demonstration-id229370716.html
  31. https://www.bild.de/sport/fussball/fussball/reif-ist-live-was-ein-thiago-abschied-fuer-havertz-heissen-koennte-71471240.bild.html
  32. https://www.90min.de/posts/der-nachste-tonnies-skandal-das-einzig-richtige-ware-der-rucktritt-auf-schalke
  33. https://www.ran.de/fussball/bundesliga/news/ransicht-toennies-ist-fuer-schalke-04-untragbar-geworden-151245