Freiheit Buer
Am 18. April 1448 wurde das Dorf Buer zur Freiheit Buer ernannt. „Freiheit“ ist eine westfälische Form der Minderstadt, deren Rechte denen einer Stadt sehr nahe kamen. Zum Dorf Buer, das zu dieser Zeit aus etwa 50 Häusern bestand, gehörten Siedlungen und Bauerschaften. Bevor das Dorf Buer zur Freiheit ernannt wurde, gehörte es zum Vest Recklinghausen und stand unter dessen Schutz und Gerichtsbarkeit.
Mit dem Status der „Freiheit“ erlangte das Dorf Buer besondere Rechte:
- Den Bau einer Stadtbefestigung (ein Wall existierte bis zum Jahre 1770)
- Die Bewachung der Stadttore
- Kassieren von Wegezöllen an den Eingangstoren
- Durchführung von Markttagen
- Eine eigenständige Gerichtsbarkeit: Unter der Buerschen Linde wurden lange Zeit Gerichte und Ratssitzungen abgehalten.
- Die Ernennung von Bürgermeistern (2 Stadtbewohner) und eines Rates (etwa 9 Leute).
- Die Führung eines eigenständigen Amtswappens: Darauf zu finden war eine bewurzelte Linde (Buersche Linde) in grün und braun, auf der mittig die Abbildung des kurkölnischen Kreuzes in schwarz zu finden ist.
- Gewährung von Asyl
Weiterhin wurde das Dorf Buer aus dem Lehnsverhältnis zum Kloster Werden entlassen. Dies wurde mit der Urkunde vom Landesherren Dietrich v. Mörs bezeugt.
Umkreis
Im 13. Jahrhundert hatten sich die zwölf Bauerschaften Hassel, Scholven, Bülse, Sutum, Beckhausen, Heege, Holthausen, Löchter, Eckerresse, Surresse, Middelich und Erle um das Dorf Buer angesiedelt. Weiterhin entstanden in dieser Zeit in Buer und Umkreis einige Burgen und Ritterhäuser wie Schloss Berge, Schloss Horst, das Wasserschloss Haus Lüttinghof (1308), das Schloss Grimberg, Haus Lochter bzw. Nienhof (1346), Haus Lythe (Leithe oder Leythe) (1565), Haus Balken (1307) mit den Rittergeschlechtern von Balken und seit 1482 von Densing, Haus Oberfeldingen (Buddenbur) mit Freigraf von Buer, das Haus Backum (Backem), Haus Hamm, Haus Recke, Haus Herren von Uhlenbrock oder das Haus Darl.
Geschichte
Die Geschichte der Freiheit Buer hat auch sehr viel mit der katholischen Kirche Sankt Urbanus zu tun. Daher werden in dieser Chronik auch interessante Informationen über Sankt Urbanus aufgeführt. Evangelische und neuapostolische Glaubensrichtungen hielten erst im 19. Jahrhundert mit dem beginnenden Bergbau Einzug.
- 1503 wird Bernd von Westerholt mit der Hälfte von Buer belehnt.
- In den Jahren 1514 und 1525 wurde die Kirche Sankt Urbanus umgebaut; unter anderem wurde das romanische Querschiff abgerissen und durch zwei Seitenschiffe im gotischen Stil ersetzt.
- 1537 Schriftlicher Nachweis einer katholischen Pfarrschule in Buer.
- Im Jahre 1548 wird Buer durch Truppen des abgesetzten Kurfürsten G. Truchsess niedergebrannt.
- 1627 Der Kirchturm der Kirche Sankt Urbanus bricht durch ein Unwetter ein.
- 1648 Eine Kornbrennerei wird in Buer gegründet. Das Gebäude wird heute für die Gaststätte „Hexenhäuschen“, die an der Marienstraße liegt, genutzt.
- Im 17. Jahrhundert ging es durch Kriege, Krankheiten und Brände turbulent in Buer zu. Der bekannteste Großbrand am 25. Mai 1688 zerstörte Buer fast vollständig. Es wurden 85 von 90 Häusern und die Kirche Sankt Urbanus zerstört. Der Wiederaufbau dauerte etwa 20 Jahre und war endgültig im Jahr 1720 abgeschlossen.
- 1723 Bau der Siebenschmerzen-Kapelle im Westerholter Wald (Löchterheide).
- 1748 Es wird eine Papiermühle an der heutigen Mühlenstraße in Buer errichtet.
Zeit der französischen Besatzung
- Im Jahre 1802 wurde durch die französische Besatzung die bisherige Verwaltung eingeschränkt und das Dorf Buer mit dem Dorf Horst dem Herzogtum Arenberg unterstellt.
- 1806 Gründung der ersten Apotheke, die heute „Buersche Alte Apotheke“ heißt, in Buer.
- 1811 Buer kommt zum Großherzogtum Berg und wird vom Großherzog zur „Mairie Buer“ erhoben
- 1812 Gründung der ersten staatlichen Poststelle, die im Jahre 1826 ein eigenes Gebäude erhielt.
- 1813 zum preußischen Zivilgouvernement zwischen Weser und Rhein
- 1815 Nach dem Wiener Kongress endgültig an Preußen (Provinz Westfalen).
- 1816 Der Landkreis Essen wurde aufgelöst und der Landkreis Recklinghausen aus dem Vest Recklinghausen und der Herrlichkeit Lembeck gegründet. Buer wurde als Landgemeinde mit Sitz eines Amtes innerhalb des Kreises Recklinghausen im Regierungsbezirk Münster eingestuft. Es zählten neben den o.g. Bauerschaften noch die Gemeinden Gladbeck, Butendorf, Braubauer (Brauk), Ellinghorst, Zweckel, Rentfort, Westerholt sowie Horst, Oberscholven, Mittelscholven und Niederscholven zur Bürgermeisterei von Buer, die 7.073 Einwohner zählte.
Industrialisierung
- Durch die im Jahre 1856 genehmigten Untersuchungen des Steinkohlegebirges wurde im Umkreis von Buer das große Zechenwachstum ausgelöst, wodurch Buer langsam aber sicher zur Großstadt heranwuchs. Neben der bekannteren Zeche Hugo (1873–2000) existierten noch im näheren Umkreis die Zeche Bergmannsglück (1903–1983) in Hassel, die Zeche Scholven (1908–1963) in Scholven, die Zeche Nordstern (1858–1993) in Horst, die Zeche Graf Bismarck (1882–1966) in Erle, die Zeche Ewald (1895–2000) in Resse bzw. Herten und die Zeche Westerholt (1907) in Westerholt.
- Ab dem Jahr 1860 ließ sich der erste Protestant in Buer nieder. Der Pfarrverweser Krieger aus Dorsten versammelt ab dem Jahr 1866 die evangelischen Christen zu Bibelstunden.
- 1867 Das erste Krankenhaus namens „Marien-Hospital“ in Buer wird erbaut.
- 1874 Die „Amtssparkasse Buer“ (heutige Sparkasse Gelsenkirchen) wird an der Marienstraße eröffnet; und die ersten Gaslaternen werden installiert.
- 1879 wurde das Buersche Amtsgericht an der heutigen Hochstraße erbaut.
- 1880 Der Bahnhof Buer-Süd wird an der Eisenbahnstrecke Wanne (Herne) -Winterswijk (Niederlande) eröffnet.
- 1885 Das Amt Gladbeck scheidet aus dem Amtsverbund Buer aus.
- 1888 Am 4. Mai erstand die erste selbständige evangelische Kirchengemeinde Buers – die heutige Apostelkirche – an der Essener Straße (heute: Horster Straße).
- 1890 Der Bau der heutigen Sankt Urbanus Kirche mit ihrem 100 m hohen Kirchturm wurde begonnen. Der Turm wurde im Zweiten Weltkrieg bombardiert, sodass der heutige, nur noch etwa 50 m hohe Kirchturm seitdem ein Flachdach besitzt. Im selben Jahr wird der „Verein für Orts- und Heimatkunde Buer“ gegründet.
- 1891 Horst scheidet aus dem Amt Buer aus und wird ein eigenes Amt. Inzwischen war die Einwohnerzahl Buers stark angestiegen.
- 1892 Die Kirche Sankt Barbara in Erle wird als Notkirche von der Pfarrei Sankt Urbanus gebaut.
- 1895 Es wurde die erste Kanalisation in Buer verlegt.
- Im Jahre 1893 wurde die heutige Sankt Urbanus Kirche mit ihren 100 m hohen Kirchturm geweiht.
- 1898 Die Straßenbahnlinien von Essen-Karnap nach Horst und von Buer bis zum Erler Forsthaus werden eröffnet.
Das 20. Jahrhundert
- 1901 Ein Straßenbahn-Betriebshof mit Fahrstrom-Kraftwerk wird in Buer gebaut und eröffnet.
- 1901 Die erste evangelische Volksschule wird eröffnet
- 1902 Bau eines Wasserturms.
- 1904 Das Amtsgericht Buer zieht von der Hochstraße auf die Wittekindstraße (heutige De-la-Chevallerie-Straße).
- Die „Buersche Zeitung“ erstand im Jahre 1905 aus der „Volkszeitung für Buer und Umgebung“, die Franz Otto Theben im Jahre 1881 im ortseigenen Zeitungsverlag gründete. Sie wurde 2006 eingestellt.
- 1908 Das Gymnasium (heutiges Max-Planck-Gymnasium) zieht von der Ophofstraße auf die Breddestraße um.
- 1908 Diakon Reinhold van der Veen sucht eine Wohnung für einen Betraum für eine neuapostolische Gemeinde in Buer und findet sie an der Steinmetzstraße.
- 1908 Der 27-jährige Textilkaufmann Josef Weiser eröffnete an der Essener Straße sein erstes Kaufhaus
- In den Jahren 1910 bis 1912 wurde das Buersche Rathaus mit über 100 Räumen und einem ca. 65 m hohen Rathausturm erbaut.
- 1911 erhält das Amt Buer die Stadtrechte
- 1912 scheidet Buer als eigenständige Stadt Buer in Westfalen aus dem Kreis Recklinghausen aus, um eine kreisfreie Stadt zu werden. Ebenfalls wird das Amt Westerholt eigenständig.
Bürgermeister der Freiheit Buer und des Amtes Buer
- 16. Jahrhundert: Hermann Becker und Reiner Bürgermeister (um 1576)
- 17. Jahrhundert: Hendrich Tosse und Herman Tosse (um 1680)
- 17. Jahrhundert: Christoffer Radtman und Hinrich Tosse (bis 1688)
- 17. Jahrhundert: Johann Becker und Hinrich Tosse (um 1691)
- 18. Jahrhundert: Dietrich Rottmann (um 1703)
- 1724–1731: Henricus Rottmann
- 18. Jahrhundert: Steinheuer und Bomart (um 1741)
- 18. Jahrhundert: Johann Holthaus und Ferdinand Pöppinghauß (um 1758–1759)
- 18. Jahrhundert: Wilm Schlüter und Joan Wilm Hövelmann (um 1762)
- 1775–1778: Theodor Schuhmacher
- 18. Jahrhundert: Heinrich Sasse und Wilm Rottmann (um 1784)
- 17??–1803: Johann Pöppinghaus
- 1803–1811: Graf Ludolf Friedrich Adolf von Westerholt-Gysenberg (Statthalter des Herzog Engelbert von Arenberg)
- 1811–1819: Graf Wilhelm von Westerholt-Gysenberg
- 1819–1855: Wilhelm Tosse
- 1855–1883: Felix Hölscher
- 1883–1886: Arthur von Scholten (kommissarisch)
- 1886–1912: August de la Chevallerie
Anmerkung: In der Zeit der „Freiheit Buer“ gab es immer zwei Bürgermeister gleichzeitig im Amt.
Einwohnerentwicklung
Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen der Gemeinde Buer nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bis 1833 handelt es sich meist um Schätzungen, danach um Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen der jeweiligen Statistischen Ämter beziehungsweise der Stadtverwaltung selbst. Die Angaben beziehen sich ab 1843 auf die „ortsanwesende Bevölkerung“.
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¹ Volkszählungsergebnis
Dieses Diagramm zeigt die Einwohnerentwicklung des Dorfes Buer bzw. Freiheit Buer.
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